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29.04.2024 | Strom | Interview | Online-Artikel

„Brücke bauen zwischen Projekten und großen Stromabnehmern“

verfasst von: Frank Urbansky

6 Min. Lesedauer

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Projektentwickler orientieren sich zunehmend hin zu direkten Stromlieferverträgen (Power Purchase Agreements, PPA). LevelTen Energy hat dazu eine Handelsplattform etabliert, die Anbieter von PPA und potentielle Abnehmer zusammenbringt. Springerprofessional.de sprach dazu mit Andrés Acosta, Senior Account Manager bei LevelTen.

springerprofessional.de: Durch die staatlichen Eingriffe in den Strommarkt in Folge der Corona-Pandemie und des Ukrainekrieges kam es eher zu einem Einbruch bei den PPA. Wie kommen Sie zu der Einschätzung, dass die Nachfrage derzeit boomt?

Andrés Acosta: Was wir bei der Corona-Pandemie erlebt haben, war ein erster Schock für den Energiemarkt in Europa. Die Nachfrage sank plötzlich, was die Preise kurzzeitig senkte. Einige Akteure fürchteten, dass langfristige Verträge nicht mehr attraktiv seien, während andere erkannten, wie wichtig diese für die Sicherung ihrer Einnahmen sind.

Die russische Invasion verschärfte die Situation, die Preise schossen in die Höhe. Die Unternehmen leiden unter dieser Volatilität und erkennen die Notwendigkeit, einen Teil ihres Verbrauchs abzusichern.

Früher reichten Einspeisevergütungen zur Finanzierung von Projekten, doch die Lage hat sich geändert. In Deutschland zum Beispiel übersteigt die angebotene Kapazität bei Ausschreibungen für Photovoltaik (PV) die Nachfrage bei Weitem. Viele Projekte erhalten keine Zuschüsse mehr zu den früheren Konditionen. Unsere Plattform zeigt, dass sich der Markt langsam anpasst. Wir erleichtern den Prozess, um mehr Projektentwickler anzuziehen und den Übergang zu erneuerbaren Energien zu beschleunigen.

Wo sehen Sie in der derzeitigen Transformationsphase die größten Vorteile von PPA?

In Deutschland bietet ein PPA für Projektentwickler eine zusätzliche Möglichkeit, Einnahmen zu sichern – gerade bei PV sind diese oft höher als das, was sie bei Ausschreibungen erwarten könnten. Spezifisch in Deutschland können sie nach der Ausschreibung und für eine bestimmte Zeit – beispielsweise die ersten acht oder zehn Jahre – durch ein PPA einen höheren Betrag pro Megawattstunde verdienen.

Nach Auslaufen des PPA erfolgt die Vergütung dann wieder entsprechend der Ausschreibung. Dies bietet eine Optimierungschance für ihre Finanzierung.

Manche Entwickler, die bei Ausschreibungen nicht erfolgreich sind, können ihre Projekte auch vollständig durch PPA finanzieren. Das hängt auch damit zusammen, dass Verbraucher eine gewisse Bonität besitzen und das Volumen ihres Energieverbrauchs garantieren können. Dies ermöglicht die Finanzierung von Projekten, die sonst nicht realisiert worden wären.

Für Verbraucher bedeutet dies, dass sie direkt zur Realisierung von Projekten beitragen können. Das ist besonders wichtig für diejenigen, die ihre Nachhaltigkeitsziele erreichen möchten. PPA erlauben es, Preisschwankungen langfristig abzusichern und gleichzeitig Nachhaltigkeitsnachweise zu erlangen, ohne auf grauen Strom angewiesen zu sein. Es ist eine Win-Win-Situation: Deutsche Projekte für deutsche Verbraucher, die so ihre Nachhaltigkeit unter Beweis stellen können.

Und wo liegen die größten Nachteile?

Komplexe Verträge sind zwar eine Herausforderung, aber da PPA in Europa nicht mehr neu sind, hat sich ein gemeinsames Verständnis darüber entwickelt, was solch ein Vertrag beinhalten sollte. Natürlich gibt es länderspezifische Anforderungen gemäß den jeweiligen Energiegesetzen, aber die Unsicherheit auf beiden Seiten hat sich reduziert.

Ein PPA regelt primär den Preis und das Volumen der Energielieferung, aber auch, wie diese Energie geliefert werden soll, sei es mit einem Baseload-Profil oder auf andere Weise. In Deutschland müssen PPA, um bei der Finanzierung wirksam zu sein, meist zwischen acht bis fünfzehn Jahre laufen; kürzere Laufzeiten gelten nicht als vollwertige PPA. Zudem werden das Volumen, die Herkunftsnachweise und die Lieferkonditionen geregelt.

Der Spielraum für andere Bedingungen ist begrenzt, da ein PPA rechtlich geprüft sein muss. Obwohl es Versuche gab, in Europa einen Standardvertrag zu entwickeln, bleibt die Anpassung an spezifische Bedürfnisse wichtig (Anm. d. Red.: Für Deutschland hat die dena einen entsprechenden Vertrag entwickelt, der seit Februar 2024 zur Verfügung steht). Die Herausforderungen sind die Verhandlung von Risiken und Preisen, abhängig davon, wie viel Risiko die Entwicklerseite übernimmt. Dank der Verfügbarkeit von qualifizierten Beratern in Deutschland ist dies jedoch kein unüberwindbares Hindernis mehr.

Was unterscheidet die LevelTen-Lösung von anderen am Markt?

In Deutschland arbeiten wir mit Beratern, die entweder Verbraucher repräsentieren, um manuelle Ausschreibungen durchzuführen, oder die auf der Seite der Erzeuger stehen und dabei helfen, passende Verbraucher zu finden. Aber einen Marktplatz wie unseren gibt es in Europa noch sehr selten.

Bei uns können Stromerzeuger, Projektentwickler oder Versorgungsunternehmen ihre Projekte anonym einstellen. Interessenten erhalten dann die Eckdaten dieser Projekte.

Wir ermöglichen es, dass diese Projekte effizienter an Ausschreibungen teilnehmen, ohne dass jedes Mal neue Angebote oder Dokumente manuell erstellt werden müssen. Unser Ziel ist es, eine Brücke zu bauen zwischen kleineren Projekten und großen Stromabnehmern, die sonst nicht zueinander finden würden. Aber auch große Anbieter können über unsere Plattform Zugang zum Markt erhalten. Für die Abnehmer bedeutet das, dass sie durch uns Zugang zu einer breiten Datenbasis und einem umfangreichen Netzwerk an Energieanbietern erhalten, wodurch sie die besten Angebote bekommen können.

Unsere Plattform ermöglicht einen automatisierten Vergleich und eine vereinfachte Durchführung von Ausschreibungen. Während solche Projekte mehr als zwölf Monate in Anspruch nehmen können, reduzieren wir diesen Prozess auf drei bis sechs Monate, indem wir viel von der Arbeit übernehmen und vorab analysieren.

Wie funktioniert die Plattform?

Wir betreiben einen Online-Marktplatz für Energieprojekttransaktionen. Unser Fokus liegt auf erneuerbaren Energien, insbesondere Wind und PV. Die Idee für unsere Plattform entstand aus der Erkenntnis, dass der Prozess für PPA-Transaktionen zu langsam und ineffizient war. Seit 2020 sind wir auch in Europa aktiv, um anfangs vor allem große Technologieunternehmen bei der Umsetzung ihrer Nachhaltigkeitsziele zu unterstützen.

Bis heute konnten wir auf unserer Plattform bereits 600 Angebote von deutschen Projekten für Energieverbraucher verzeichnen. Wir arbeiten sowohl mit großen als auch kleineren Konzernen zusammen, um ihnen bei der Erreichung ihrer Nachhaltigkeitsziele zu helfen, indem wir geeignete Energieprojekte vermitteln. Der deutsche Markt entwickelt sich, und wir sehen ein zunehmendes Interesse an der Finanzierung von PV-Projekten durch PPA.

Was erhoffen Sie sich von der Politik in Bezug auf eine Unterstützung von PPA, bzw. was fehlt derzeit in den politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen?

PPA sind eine zusätzliche Möglichkeit, Projekte zu finanzieren und Zugang zu Märkten zu bekommen, die sonst unerreichbar wären. Wir setzen nicht alles auf PPA, wollen aber auch keine unnötigen Hindernisse im europäischen Marktdesign. Sie sind ein wichtiges Instrument, insbesondere mit Blick auf beidseitige Prämien in Deutschland.
Wir erwarten von der Politik, dass keine zusätzlichen Hürden geschaffen werden, sondern Rahmenbedingungen, die Projekte großzügig unterstützen, ohne die Steuerzahler übermäßig zu belasten. PPA sollten für alle zugänglich sein.

Wir erwarten auch, dass die Regierungen kleine und mittelständische Unternehmen unterstützen, damit diese Zugang zu PPA erhalten, und so den Markt für alle attraktiver machen.

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Quelle:
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