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04.07.2013 | Bankenaufsicht | Schwerpunkt | Online-Artikel

Vatikanbank kommt nicht zur Ruhe

verfasst von: Anja Kühner

6:30 Min. Lesedauer

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Ermittlungen wegen Korruption, Verhaftungen, Rücktritte des Generaldirektors und seines Vize, eine Untersuchungskommission wird eingesetzt... bei der Vatikanbank folgt derzeit eine Krise der nächsten. Deren deutscher Präsident Ernst von Freyberg muss als Bankchef nun aufräumen.

Papst Franziskus macht ernst. Er greift dort durch, wo seine Vorgänger den Schlendrian gewähren ließen: in der Vatikanbank. Nur wenige Tage nach neuen Korruptionsvorwürfen haben zwei der ranghöchsten Manager des „Instituts für die religiösen Werke“ (Istituto per le Opere di Religione – IOR), wie die Vatikanbank offiziell heißt, ihre Posten geräumt. Generaldirektor Paolo Cipriani und sein Vize Massimo Tulli haben sich nach vielen Jahren Arbeit für das Geldhaus entschieden, dass ihr Rücktritt das Beste für die Interessen der Bank und des Vatikans sei, teilte der Kirchenstaat Anfang Juli mit. Der Verwaltungsrat und die Kardinalskommission an der Spitze der Bank hätten die Rücktrittserklärung der beiden angenommen. Kommissarisch hat Bank-Präsident Ernst von Freyberg die Aufgaben übernommen.

Ende Juni war unter anderem ein hochrangiger Vatikan-Geistlicher im Rahmen von Geldwäsche-Ermittlungen festgenommen worden. Prälat Nunzio Scarano sowie zwei weiteren Beschuldigten werden Korruption, Betrug und Verleumdung vorgeworfen. Scarano soll einem früheren Geheimdienstmitarbeiter 400.000 Euro gezahlt haben, damit er 20 Millionen Euro Bargeld für einen befreundeten Reeder an der Steuer vorbei mit einem Privatflugzeug aus der Schweiz nach Italien bringt. 

Daraufhin rief Papst Franziskus eine Untersuchungskommission ins Leben, die die Aktivitäten der Vatikanbank überprüfen und sicherstellen soll, dass sie im Einklang mit dem Auftrag der katholischen Kirche arbeite. Als Mitglieder des fünfköpfigen Gremiums wurden vier Prälaten und eine Professorin der Harvard-Universität benannt.

Geldwäscheprävention: Italiens Zentralbank sperrte Zahlungsverkehr

Hintergrund der fortwährenden Skandale ist unter anderem die Tatsache, dass sich die Vatikanbank nicht internationalen Geldwäschevorschriften unterwirft. Unter anderem deswegen hatte Anfang 2012 die italienische Zentralbank die Nutzung elektronischer Zahlungsmittel im Vatikan vorübergehend ausgesetzt. Tagelang konnte im Vatikan niemand mit Kredit- oder EC-Karte zahlen oder an Geldautomaten Bargeld abheben. Auch die vatikanischen Museen akzeptierten nur Bargeld für ihre Eintrittskarten, ebenso das Postbüro und die Apotheke.

Im Juli 2012 hatte der Europarat die Vatikanbank zu mehr Einsatz im Kampf gegen Geldwäsche aufgefordert. In einem Bericht monierte der Expertenausschuss Moneyval, dass vor allem die Kontrolle durch die vatikanische Finanzbehörde unzureichend sei. Der Heilige Stuhl werde den internationalen Standards zur Bekämpfung von Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und Steuerflucht noch längst nicht gerecht. Der Ausschuss vergab in zentralen Punkten schlechte Noten an das IOR, wie unter anderem die Nachrichtenagentur Reuters berichtet hatte. Von den insgesamt 16 Schlüsselkriterien für transparente Finanzgeschäfte würden sieben noch nicht erfüllt.

Scharfe Kritik äußert das Europarat-Gremium an der Führung des IOR. Es forderte vor einem Jahr „dringend“ eine unabhängige und fachkundige Aufsicht für das Institut und geeignete Vorgaben für dessen Spitzenmanagement.

Deutscher Chef von Freyberg soll aufräumen

Dieser Forderung ist der Vatikan nachgekommen, indem er im Februar 2013 den deutschen Juristen Ernst von Freyberg zum Präsidenten des Instituts ernannte. Der erfahrene Wirtschaftsanwalt ist unter anderem Mitgründer des Finanzberatungsunternehmens DC Advisory in Frankfurt mit rund 150 Mitarbeitern. Zudem ist er Aufsichtsratsvorsitzender der Hamburger Werft bei Blohm + Voss Shipyards, die Anfang 2012 von Thyssen-Krupp an den Finanzinvestor Star Capital verkauft wurde. Der adelige Katholik ist Malteserritter und gehört dem Vorstand der Malteser Deutschland an, wo die sozialunternehmerischen Aktivitäten des Ordens zusammenlaufen. Freyberg organisiert auch Pilgerreisen nach Lourdes.

Freyberg ist Nachfolger von Ettore Gotti Tedeschi. Der IOR-Chef musste im Mai seinen Hut nehmen, nachdem italienische Ermittler verdächtige Millionen-Transfers untersucht hatten und dazu wegen des Verdachts der Geldwäsche zwischenzeitlich Gelder des IOR, die sich auf Konten italienischer Banken befanden, einfroren.

Mit einer konsequenten Politik will von Freyberg das Image seines Instituts verbessern. „Mein Traum ist es, aus der Vatikanbank einen anerkannten Dienstleister innerhalb der katholischen Weltkirche zu machen, der nicht mehr die Kritik der internationalen Presse auf sich zieht“, sagte von Freyberg in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Innerhalb des Geldhauses solle in Zukunft „null Toleranz“ gegenüber Geldwäsche und Finanzkriminalität gelten, betonte er gegenüber dem „Corriere della Sera“.

Vatikanbank verwaltet sieben Mrd. Euro Vermögen 

Finanziell sei das Geldhaus gesund, sagte Freyberg. Es habe 114 Mitarbeiter und zuletzt bei einer Bilanzsumme von 5 Milliarden Euro einen Nettogewinn von 86,6 Millionen Euro und ein verwaltetes Vermögen von 7 Milliarden Euro. Unter anderem ist das Institut zuständig für die Verwaltung der kirchlichen Spenden.

Wer genau die 18.900 Kunden zu Ende 2012 sind, ist unklar. Nur Bewohner des Vatikans und Mitglieder von kirchlichen Organisationen dürfen offiziell ein Konto beim IOR haben. Inzwischen sind aber mehrere Fälle publik geworden, in denen Konten unter anderem Politikern oder Unternehmern dienten, die nicht zur Kirche gehörten und die mittels IOR-Konten ihre Zahlungsströme geheim halten wollten. Mafiafinanzierung und Steuerhinterziehung stehen im Raum.

Tod des „Bankiers Gottes“

In ihrer 70jährigen Geschichte war die Vatikanbank schon in viele Skandale verwickelt. Unter anderem hielt sie einen Anteil am damals größten privaten Geldhaus Italiens, der Banco Ambrosiano. Als diese vor 30 Jahren zusammenbrach, wies die Vatikanbank alle Anschuldigungen zurück, sie wäre für die Pleite verantwortlich. Ob sich der Ambrosiano-Chef Roberto Calvi selbst das Leben nahm oder ob er ermordet wurde konnten auch mehrere Untersuchungen nicht klären. Er war erhängt unter einer Brücke in London gefunden worden.

Calvi hatte mit dem Direktor der Vatikanbank, Erzbischof Marcinkus, und dem Geldwäsche-Pionier Michele Sindona ein undurchsichtiges Finanznetzwerk aufgebaut, wie Thilo Zimmermann in seiner Analyse der italienischen Finanzpolitik erläutert. Dieses Netzwerk war eng mit der italienischen Geheimloge Propaganda Due (P2) verwoben, in der Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Geheimdiensten und der Mafia vernetzt waren. Die Ermittlungen nach Zusammenbruch von Sindonas Finanznetzwerk 1974 führten 1981 zur Aufdeckung der Geheimloge P2. In den sicher gestellten Unterlagen der Loge tauchte auch der Name Silvio Berlusconi auf.

Geldwäsche kostet Banken enorme Summen

Mehr denn je investieren Banken heutzutage in den Kampf gegen die Geldwäsche, wie eine weltweite Umfrage von KPMG herausfand über die das BANKMAGAZIN berichtete. 80 Prozent der 200 befragten internationalen Institute hatten ihre Ausgaben in diesem Bereich in den vorangegangenen drei Jahren enorm gesteigert. Bis zu eine Mio. US-Dollar gab die Hälfte der Banken pro Jahr für Maßnahmen zur Geldwäsche-Bekämpfung aus. Ein weiteres knappes Viertel meldete Aufwendungen von bis zu 5 Millionen Euro, bei weiteren 14 Prozent liegt der Aufwand noch höher. Ein Drittel der befragten Institute erwartete ein weiteres Ansteigen der Kosten im Zusammenhang mit der Geldwäsche-Prävention um bis zu 50 Prozent. 

2,1 Billionen Dollar illegale Finanzströme in der EU

Der Kampf gegen Geldwäsche steht auch in der Politik weit vorne. Auf 3,6 Prozent des globalen Bruttosozialprodukts oder rund 2,1 Billionen Dollar schätzt die Europäische Union (EU) die illegalen Finanzströme. Drei Viertel davon werden irgendwann gewaschen und gelangen so in den legalen Geldkreislauf zurück. Dahinter stecken fast ausnahmslos keine Einzeltäter, sondern kriminelle Organisationen. Nach Schätzungen der EU-Kommission gibt es innerhalb der EU etwa 3.600 organisierte Kriminellen-Gruppierungen. „Diesen kriminellen Strukturen müssen ihre Ressourcen entzogen werden,“ fordert Jens Schröder, der im Verwaltungsrat des Europäischen Parlaments im Sonderausschuss für organisierte Kriminalität, Korruption und Geldwäsche (CRIM) sitzt, anlässlich des 6. Internationalen Bankentags der Unternehmensberatung Deloitte, der sich Mitte April dem Thema „Financial Crime“ widmete.

Zukunft der Vatikanbank ist ungewiss

Wie es mit der Vatikanbank angesichts all dieser Geldwäschevorwürfe und Skandale weitergeht, ist laut Handelsblatt unklar. „Der Papst ist kein Freund des IOR und hat auch schon gesagt, dass der „Heilige Petrus kein Bankkonto“ hatte“, so die Wirtschaftszeitung. Er könne das Haus theoretisch auch schließen.

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