von Bredow, W. (2014). Grenzen. Eine Geschichte des Zusammenlebens vom Limes bis Schengen. Darmstadt: Theiss, 208 S., ISBN: 978-3-8062-2894-6, € 39,95.

Auszug

Die Geschichte eines mehr oder minder systematisch angelegten Nachdenkens über Politik ist immer auch eine Geschichte der Definition und Bewertung von Grenzen. Grenzenlosigkeit gibt es weder in der praktischen Politik, noch kann es sie überhaupt geben im Denken über sie. Denken, Sprechen und Schreiben finden immer an Grenzen statt. Wörter, Objekte, Bilder und Handlungen machen und markieren Unterschiede, und die konstruieren notwendigerweise Grenzen. Angesichts solcher Selbstverständlichkeiten ist der Schluss, Grenzen seien ein anthropologisches Grundmuster, ja ein ontologisches Konzept, nicht sehr gewagt. Who is in and who is out? bildet die Leitfrage jeder (nicht nur) politischen Organisation. Wissenschaften tragen allgemein zur Analyse von Grenzen einiges bei, indem sie selbst – etwa in der Erschaffung jeweiliger Untersuchungsobjekte – welche schaffen. Die Grenze als Gegenstand und Praxis jeder wissenschaftlichen Betätigung macht nicht nur erkenntnistheoretisch ihren ambivalenten Charakter deutlich. Grenzen machen eine Orientierung in jedem Sozialraum (emphatisch gesprochen: in der Welt) überhaupt erst möglich und weisen gleichzeitig auf die Bedingungen ihrer Überwindung hin. Grenzen sind die Voraussetzung – wie es im Untertitel des vorliegenden Bandes heißt – für das Zusammenleben. Oder, um mit Karl Kraus zu sprechen: „Die gemeinsame Sprache ist es, die Deutsche und Österreicher trennt“. Einen Begriff des Gemeinsamen gibt es überhaupt erst, wenn die Grenze ihn beobachtbar macht. Und da wird die Beschäftigung mit ihr eigentlich interessant. …