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Open Access 2024 | OriginalPaper | Buchkapitel

8. Erstellung eines BIM basierten Gebäudepass

verfasst von : Michaela Gebetsroither, Meliha Honic, Iva Kovacic, Christoph Löffler, Klemens Marx, Rainer Pamminger, Steffen Robbi, Christian Sustr, Stefan Schützenhofer, Gundula Weber

Erschienen in: Paradigmenwechsel in Bau- und Immobilienwirtschaft

Verlag: Springer Berlin Heidelberg

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Zusammenfassung

Nachfolgend wird die Erstellung eines digitalen Gebäudepasses zum Nachweis kreislauffähigen Bauens mit zwei in Österreich etablierten Anbietern beschrieben. Geprüft wird dabei auch die Eignung von BIM als Datengrundlage.
Nachfolgend wird die Erstellung eines digitalen Gebäudepasses zum Nachweis kreislauffähigen Bauens mit zwei in Österreich etablierten Anbietern beschrieben. Geprüft wird dabei auch die Eignung von BIM als Datengrundlage.

8.1 Materialpass von Madaster

Madaster wurde als Selbstbedienungsplattform für die Erfassung, Verwaltung und Analyse von Baumaterialien/Baustoffen 2017 in den Niederlanden gegründet. Über Produkt- und Systemdatenbanken werden Informationen zu Baumaterialien mit einem Gebäude verknüpft. Dies ermöglicht die Analyse der Auswirkungen von Materialien und Bauteilen auf die Umwelt. Zusätzlich wird eine Restwerterfassung (NPV) der Rohstoffe im Gebäude sowie eine Vergleichbarkeit der Zirkularität über den eigens entwickelten MZI-Score ausgewiesen. Der Madaster ZI-Score orientiert sich hierbei and der Berechnungsmethode des Material Circularity Indicator (Ellen McArthur Foundation 2010).
Datengrundlage Materialpass
Für die Analyse werden Systemdatenbanken herangezogen, welche aus generischen sowie Hersteller-spezifischen Materialinformationen bestehen. Diese „lebenden Daten Sets“ unterliegen einer ständigen Erweiterung. (Madaster 2023a) In Österreich wird im Moment an der Implementierung von weiteren Datenbanken gearbeitet, um den Nutzern die Möglichkeit zu geben, auch für Österreich verifizierte Daten, wie die von ÖkoBAUDAT zu verwenden.1
Für die Erstellung des Materialpasses wurden die zwei folgenden Methoden getestet.
Anhand einer Exceltabelle
Der Upload der Materialinformationen auf die Plattform erfolgte mit Excel. So wurden alle relevanten Massen, Volumen und Flächen vorab ermittelt und den jeweiligen Materialgruppen des Gebäudes zugewiesen. Die Genauigkeit der Datenqualität hängt stark von den vom Nutzer angegebenen Informationen ab. Mit Klassifizierungscodes werden die Materialinformationen dann den Gebäudeschichten zugeordnet. Für die Auswertung auf Gebäudeschichtebene (basierend auf dem „Sharing Layers“ Modell von Duff Brand) kann aus verschiedenen länderspezifischen Klassifizierungsmethoden gewählt werden – zum einen, in Deutschland die DIN 276, in Österreich die ÖNORM B1801-1 oder die OmniClass. Hier wurde die Klassifizierungsmethode nach ÖNORM B1801-1 gewählt. Zusätzlich können Informationen zur Demontierbarkeit angegeben und ausgewertet werde. Darunter fallen die Verbindungstechniken, Verbindungstypen, Zugänglichkeit der Verbindungen sowie Überschneidungen. Nicht erkannte Materialinformationen können nach erfolgreichem Upload manuell mit den Materialdatenbanken verknüpft werden.
Anhand eines BIM-Modells
Die Auswertung anhand des BIM-Modells ermöglichte anders als bei Excel die automatische Zuweisung der Massen zu den Materialinformationen. Für den Plattform Upload konnte aus dem Datenschema IFC 4, und IFC 2 × 3 gewählt werden (Madaster 2023b). Um eine erfolgreiche Auswertung auf Gebäudeschichtebenen zu ermöglichen, musste vorab eine Klassifizierungsstruktur (Beispiel siehe oben) bereits im IFC hinterlegt werden. Nach dem Upload können über einen integrierten BIM-Viewer die Elementeigenschaften bis auf die Bauteilebene eingesehen und durch das Modell navigiert werden. Auch hier lassen sich nicht erkannte Materialinformationen manuell nachführen. Zusätzlich erlaubt die Plattform den Upload verschiedener Teil-Modelle zu einem föderierten Modell. Hier können alle Informationen unterschiedlicher Fachdisziplinen zusammenlaufen und es wird die Darstellung einer vollständigen digitalen Repräsentation des Objektes ermöglicht.
Ausgewertet werden können in beiden Fällen:
  • Angaben über Massen und Mengen der verbauten Materialien und eine Zusammensetzung je Gebäudeschicht
  • Zirkularität: Madaster MZI, Zusammengesetzt aus der Materialherkunft der Lebensdauer und der Materialverwertung inkl. Korrekturfaktor für unbekannte Materialien
  • Informationen über Materialströme: Materialherkunft & Materialverwertung
  • Dossier: Zusammenführung der Quelldaten (IFC, Excel) und anderer wichtiger Dokumente – mit Archivierungsmöglichkeit
  • Demontierbarkeit
  • Lebenszyklusanalyse
  • Umweltdaten (laut EN 15804) wie zum Beispiel: Embodied Carbon über den Lebenszyklus eines Objektes
  • Abbaupotenzial der stratosphärischen Ozonschicht
  • Einsatz von Sekundärstoffen
  • Finanziell: Diskontierter Kapitalwert des Rohstoff-Restwertes (NPV) am Ende der Lebensdauer

8.2 Circularity PassportTM Building von EPEA

Der Circularity PassportTM Buildings, welcher von der EPEA GmbH Part of Drees und Sommer, basierend auf dem in Kap. 6 beschriebenen BAMB-Forschungsprojekt entwickelt wurde, wird sowohl als Planungsinstrument als auch zur Dokumentation nach der Baufertigstellung verwendet. Ziel ist, gemeinsam mit Architekt:innen, sämtlichen Planungsdisziplinen sowie den ausführenden Firmen die Kreislauffähigkeit des Gebäudes zu ermöglichen und nachträglich quantitativ auszuweisen. Bei abgeschlossenen Bauprojekten informiert der Circularity PassportTM Building detailliert darüber, welche verwendeten Materialien sich einfach trennen lassen und wie die verbauten Produkte zusammengesetzt sind. Der Um- und Rückbau mit hochwertiger Verwertung soll dabei schon vorgedacht werden. Die Bewertungslogik wird durch themen-spezifische Arbeitsgruppen (etwa Trennbarkeit, Materialgesundheit, LCA etc.) laufend auf dem aktuellen Stand der Technik und Wissenschaft gehalten und als Serviceleistung in die Erstellung des Gebäuderessourcenpasses eingebracht.
Der BCP weist folgende Eigenschaften auf: (EPEA 2021)
  • klare Indikatoren und ein verständliches Scoring, das für eine hohe Transparenz bei der Bewertung der Materialien und des gesamten Gebäudes sorgt
  • eine umfangreiche Datenbank, die im Hintergrund detaillierte und stets aktuelle Informationen gewährleistet – diese Datenbank speist sich aus produktspezifischen Daten aus EPDs (Environmental Product Declarations) und aus generischen und spezifischen Datensätzen der Ökobaudat und der Eco Platform, sie werden laufend aktualisiert und regional mittels Anknüpfung an weitere Datenbanken ausgeweitet, wie etwa in Österreich dem IBO Baubook
  • Eignung als Nachweisinstrument für DGNB/ÖGNI Zertifizierungssysteme ab 2018 und zukünftig auch für die EU-Taxonomie.
Der Circularity PassportTM Building bewertet ein Gebäude nach den 6 folgenden Indikatoren, die eine Einschätzung von Maßnahmen und Vorgehensweisen im Hinblick auf die Kreislauffähigkeit des gesamten Gebäudes erlauben (EPEA 2022).
1.
CO2e-Emissionen der Bauprodukte (Embodied Carbon)
Diese Kennzahl stellt das sogenannte Global Warming Potential GWP (Einheit CO2e) dar, welches den gesamten Lebenszyklus eines Bauprodukts widerspiegelt. Ziele sind ein möglichst hoher Anteil an regenerativen Energiequellen bei der Herstellung, kurze Transportwegen und hohe Langlebigkeit, damit die Kennzahl niedrig ausfällt.
 
2.
Materialherkunft
Die Verwendung von Rohstoffen aus biogenem, nachwachsendem Material (Biosphäre) oder rezyklierten Material (Technosphäre) muss maximiert werden.
 
3.
Materialgesundheit
Problematische Inhaltsstoffe können nicht nur die Umwelt beeinträchtigen, sondern sind immer häufiger auch im menschlichen Körper zu finden. Um ein gesundes Gebäude zu erhalten, genügt es nicht, gesetzlich festgelegte Schadstoff-Grenzwerte einzuhalten. Stattdessen müssen die eingesetzten Materialien von vornherein aus positiv definierten Inhaltsstoffen bestehen. So können Gebäude geschaffen werden, die für Mensch und Umwelt vorteilhaft sind und in den Materialkreislauf rückgeführt werden können.
 
4.
Demontierbarkeit
Auf der Ebene der Bauelemente und -systeme wird eine einfache und zerstörungsfreie Demontage angestrebt. Das kann durch geplante, einfache Austauschbarkeit bzw. Anpassungsfähigkeit einzelner Funktionseinheiten erreicht werden. Mehrwert liegt in einer höheren Drittverwendbarkeit, einem einfachen Umbau und einer längeren Gesamtnutzungsdauer.
 
5.
Materialverwertung
In einer Circular Economy geht es darum, dass alle Ressourcen als schadstofffreie Nährstoffe betrachtet werden. Somit entscheidet sich schon im Gebäudedesign, welche Verwertungswege sie nach ihrer Nutzung nehmen werden, um wieder als Ausgangsstoffe oder Komponenten für neue, kreislauffähige Produkte zu dienen (Technosphäre) – oder als Nährstoff für die Umwelt (Biosphäre) verwendet zu werden.
 
6.
Indikator Trennbarkeit
Ziel des Cradle-To-Cradle (C2C)-Designansatzes ist, dass sich alle eingesetzten Bauelemente und -systeme nicht nur einfach demontieren lassen, sondern sich auch in ihre Bestandteile, Schichten oder Recycling-Einheiten zerlegen lassen. Zu diesem Zweck soll auf einfach lösbare Verbindungstechniken gesetzt und möglichst auf Verbundbauteile, wie beispielsweise Wärmedämmverbundsysteme, verzichtet werden.
 
Auch der Circularity Passport Buildings konnte im Rahmen eines Demonstrationsprojektes problemlos auf Basis des verfügbaren BIM-Modells erstellt werden.

8.3 Demoprojekt zum BIM basierten Gebäudepass

Um die Erstellung von Gebäudepässen auf Basis von BIM Modellen zu testen, wurde ein Demoprojekt in Wien durchgeführt. Das Demoprojekt, eine Schule, befindet sich im Nord-Osten Wiens. Das Gebäude besteht aus drei zueinander versetzten, kubischen Baukörpern, von denen zwei viergeschossig und einer fünfgeschossig ist. Zusätzlich verbindet ein zusammenhängendes Untergeschoß die drei Gebäudeteile.
Insgesamt hat das Gebäude 14.809 m2 BGF und eine NGF von 10.050 m2 (nach Information der Architektur). Das Untergeschoß ist größtenteils als sogenannte braune Wanne konzipiert (Bentonitmatte zur Abdichtung). Die tragenden Stahlbetonwände sind zumeist 25 cm stark. Genauso wie das Untergeschoß besteht auch das Tragwerk der Obergeschoße aus monolithischem Stahlbeton.
Die Außenwände sind größtenteils mit Mineralwolle gedämmt und ihnen ist eine hinterlüftete Holzfassade vorgehängt. Neben der Mineralwolle wird am Dach und im Bereich des Untergeschoßes auch auf XPS als Dämmmaterial gesetzt.
Als Grundlage des Materialpasses liegt die Ausführungsplanung in Form eines IFC-Modells (Datenaustauschformat mit BIM), ein Bauteilkatalog und eine funktionale Leistungsbeschreibung der Architektur vor. Weiters wurden ausführungsrelevante Informationen zur TGA verwendet.
Einzelheiten des Demoprojektes zur Erstellung von BIM basierten Gebäudepässen inklusive einer ausführlichen Kriterienliste für kreislauffähiges Bauen sind unter folgendem QR-Code verfügbar.

8.4 Fazit

Sowohl mit Madaster als auch EPEA war es im Rahmen des Demoprojektes möglich, einen Gebäudepass auf Basis eines BIM Modells zu erstellen und damit die Kreislauffähigkeit des Gebäudes nachzuweisen. Vorteilhaft gegenüber der Arbeit mit Excel basierten Bauteilkatalogen, ist die schnellere und zum Teil automatisierte Zuweisung von Materialeigenschaften auf die verschiedenen Bauteilschichten. Damit ermöglicht BIM nicht nur eine Zeitersparnis, sondern wirkt auch als dauerhafte Dokumentationsgrundlage und Datenarchiv für Planungsvarianten oder spätere Umbauten.
Wichtig für die Modellierung ist der schichtweise Aufbau von Wänden und entsprechender Datenexport in IFC, sowie ein zu Madaster oder EPEA kompatibles Klassifizierungssystem für Materialdatenbanken.
Open Access Dieses Kapitel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz (http://​creativecommons.​org/​licenses/​by/​4.​0/​deed.​de) veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
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Fußnoten
1
DI. Anastasia Wieser (persönliche Mitteilung, 7.Juli.2023).
 
Literatur
Zurück zum Zitat Ellen MacArthur Foundation. (2010). Circularity-Indicators-Methodology. https://emf.thirdlight.com/link/3jtevhlkbukz-9of4s4/@/preview/1?o. Zugegriffen: 15 August 2022 Ellen MacArthur Foundation. (2010). Circularity-Indicators-Methodology. https://​emf.​thirdlight.​com/​link/​3jtevhlkbukz-9of4s4/​@/preview/1?o. Zugegriffen: 15 August 2022
Metadaten
Titel
Erstellung eines BIM basierten Gebäudepass
verfasst von
Michaela Gebetsroither
Meliha Honic
Iva Kovacic
Christoph Löffler
Klemens Marx
Rainer Pamminger
Steffen Robbi
Christian Sustr
Stefan Schützenhofer
Gundula Weber
Copyright-Jahr
2024
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-662-68276-0_8