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21.06.2013 | Automobil + Motoren | Nachricht | Online-Artikel

Simtd-Feldtest stellt Alltagstauglichkeit der Car-to-X-Kommunikation unter Beweis

verfasst von: Katrin Pudenz

6:30 Min. Lesedauer

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Car-to-X-Kommunikation ist reif für den Alltagseinsatz: dies besagen die Ergebnisse eines Feldversuchs im Raum Frankfurt am Main des Forschungsprojekts Simtd - ein Gemeinschaftsprojekt deutscher Automobilhersteller, Automobilzulieferer, Kommunikationsunternehmen und Forschungsinstitute. Präsentiert wurden die Ergebnisse des Versuchs, der Im Sommer 2012 angelaufen ist, am gestrigen Donnerstag, 20. Juni 2013, in Frankfurt am Main.

Simtd steht für "Sichere Intelligente Mobilität - Testfeld Deutschland". Ziel des Forschungsprojektes war, die Funktionalität, Alltagstauglichkeit und Wirksamkeit von Car-to-X-Kommunikation unter realen Bedingungen zu erproben. "Im Rahmen des Forschungsprojektes Simtd wurde in einem der weltweit größten Feldversuche zur Car-to-X-Kommunikation deren Alltagstauglichkeit nachgewiesen", berichtete Projektkoordinator Dr. Christian Weiß. Weiß ist bei Daimler in der Forschung und Vorentwicklung für kooperierende Systeme zuständig. "Der Informationsaustausch zwischen Fahrzeugen untereinander sowie zwischen Fahrzeugen und der Verkehrsinfrastruktur kann einen deutlichen Beitrag zu Erhöhung von Sicherheit, Komfort und Effizienz im Straßenverkehr leisten", erläuterte er und fügte hinzu: "Mit Car-to-X-Technologie ausgestattete Fahrzeuge haben ein deutlich größeres 'Sichtfeld' als herkömmliche Fahrzeuge ohne Car-to-X Systeme. Der so vergrößerte telematische Horizont bringt einen enormen Mehrwert - sowohl für Privatkunden wie auch für die öffentliche Hand."

Durch Car-to-X-Kommunikation werden Fahrzeuge und Infrastruktur elektronisch vernetzt. Damit können sowohl Informationen zwischen Fahrzeugen untereinander als auch zwischen Fahrzeugen und Verkehrsinfrastruktur wie Wechselverkehrszeichen und Lichtsignalanlagen ausgetauscht werden. Auf diese Weise werden nachfolgende und entgegenkommende Verkehrsteilnehmer beispielsweise über potenzielle Gefahren frühzeitig informiert und können rechtzeitig und angemessen reagieren. Die entwickelte Funktechnik baut auf dem W-Lan-Standard auf. Jedes Simtd-Fahrzeug nutzt fahrzeugeigene Sensoren, um Verkehrsereignisse wie zum Beispiel einen Stau zu erkennen. Diese Informationen werden von der ITS Vehicle Station (IVS) an andere Fahrzeuge und ITS Roadside Stations (IRS), das straßenseitige Pendant zu den Fahrzeugen, kommuniziert. Das Fahrzeug warnt oder informiert den Benutzer bei Bedarf visuell und akustisch.

Die Simtd-Versuchszentrale, die als ITS Central Station (ICS) fungiert, nimmt die Informationen der IRS auf. Zusätzlich werden in Mobilfunktechniken wie UMTS zur Übermittlung von Car-to-X-Nachrichten genutzt. Damit sollen unter anderem Verbindungslücken vermieden und die Systemeinführung unterstützt werden. Durch den Einsatz von Kommunikationstechnik vergrößert sich der erfassbare Bereich eines Fahrzeugs um ein Vielfaches, so die Experten des Projektes. Kritische oder lähmende Situationen könnten durch eine im wahrsten Sinne des Wortes vorausschauende Fahrweise entschärft werden. Nähert sich beispielsweise ein Einsatzfahrzeug, das Wetter schlägt gefährlich um oder es hat sich ein Stau gebildet, warnt das Simtd-System.

Feldversuch und Ergebnisse

Die Versuchsflotte bestand aus 120 Fahrzeugen sowie drei Motorrädern. Alle Fahrzeuge wurden mit der gleichen Technik ausgestattet. Insgesamt wurden während des Feldversuchs mehr als 41.000 Stunden und über 1.650.000 Fahrkilometer in den Fahrzeugen absolviert. Es wurden bis zu 120.000 km pro Woche gefahren. Ergänzend zum Feldversuch wurden Versuche in der Fahrsimulation und Verkehrssimulation durchgeführt. So konnte unter anderem überprüft werden, ob und wie sich sicherheitskritische Situationen mit Simtd-Funktionen besser bewältigen lassen, so der Ergebnisbericht. Die Simulationen ermöglichten es, die Wirkung der Simtd-Meldungen unter exakt gleichen Rahmenbedingungen zu prüfen. Als Fazit ziehen die Verantwortlichen, dass die geprüften Simtd-Funktionen signifikant die Sicherheit während der Fahrt erhöhen.

Der Nachweis der Praxistauglichkeit war die zentrale Aufgabe des Feldversuches. Die Wissenschaftler konnten zeigen, dass die Car-to-X-Kommunikation unter realitätsnahen Bedingungen zwischen Fahrzeugen, den straßenseitigen ITS Roadside Stations und der IST Central Station funktioniert.

So soll die Gesellschaft durch die Einführung der Simtd-Funktionen beziehungsweise von Car-to-X-basierten Funktionen von der Erhöhung der Fahr- und Verkehrssicherheit durch Unfallvermeidung und der Verbesserung von Reisezeiten profitieren, wodurch Zeit-, Emissions-, Fahrzeugbetriebs-, Kohlendioxidkostenersparnisse erreicht werden können. Zur Abschätzung der Effizienz von Simtd-Funktionen mit direktem Einfluss auf die Fahr- und Verkehrssicherheit wurden auch Unfallsimulation durchgeführt. Unter den Prämissen einer vollständigen Durchdringung, eines ausfallsicheren technischen Systems, Akzeptanz und Befolgung durch den Nutzer konnte anschließend das volkswirtschaftliche Potenzial bestimmt werden. Die Funktionen mit den größten Nutzen waren das Elektronisches Bremslicht, der Kreuzungs- und Querverkehrsassistent und der Verkehrszeichenassistent für Stoppschilder.

Bei dem "elektronischen Bremslicht" von Ford, das im Zuge des Simtd-Feldversuchs erprobt wurde, handelt es sich um ein Warnsystem, das Autofahrer im entfernt nachfolgenden Straßenverkehr vor stark bremsenden Fahrzeugen warnt. Im Falle einer Notbremsung überträgt das elektronische Bremslicht ein Daten-Signal, das im Display nachfolgender Fahrzeuge angezeigt wird. Die Technik erlaubt damit sogar das Warnen von Verkehrsteilnehmern, die sich außerhalb des Sichtfelds befinden, beispielsweise hinter Kurven. Die Studie hat laut Ford-Experten gezeigt, dass Autofahrer früher einen Bremsvorgang einleiten konnten. Somit soll das elektronische Bremslicht hohes Potenzial zur Vermeidung oder Abmilderung von Auffahrunfällen bieten.

Querverkehrs- und Verkehrszeichenassistent

Die Ingenieure der BMW Group konzentrierten sich im Forschungsprojekt Simtd auf die Entwicklung des Querverkehrs- sowie des Verkehrszeichenassistenten. Der Querverkehrsassistent beispielsweise erfasst über Funk die Daten aller Verkehrsteilnehmer im Kreuzungsbereich und kann so frühzeitig auf mögliche Gefahren hinweisen. "Das System wertet alle empfangenen Daten wie Geschwindigkeit, Entfernung zur Kreuzung und Bewegungsrichtung zusammen mit den Informationen des eigenen Fahrzeugs aus. Falls der Fahrer nicht selbst auf ein querendes Fahrzeug reagiert, wird er über optische sowie akustische Signale gewarnt", erklärte Dr. Christoph Grote, Geschäftsführer BMW Forschung und Technik. Damit könne der Fahrer rechtzeitig bremsen und einen Unfall vermeiden. Das System beuge so dem Übersehen querender vorfahrtsberechtigter Fahrzeuge wirksam vor.

Die Experten der BMW Group und der beteiligten Simtd-Forschungsinstitute bewerteten das aktive System anhand zahlreicher Unfallrekonstruktionen, Versuchen in der Fahrsimulation und Testfahrten mit Fahrzeugen aller beteiligten Hersteller auf dem Simtd-Testgelände, wie das Unternehmen aus Bayern berichtet. Dazu wurden rund 4000 Kreuzungsüberquerungen ausgewertet. "Die Untersuchungen konnten nachweisen, dass die Funktion des Querverkehrsassistenten bereits mit heutiger seriennaher Positionierungstechnologie das Potenzial hat, viele Kreuzungsunfälle zu vermeiden", betonte Grote.

Der Verkehrszeichenassistent wiederum informiert durch Car-to-X-Kommunikation den Fahrer im Fahrzeug frühzeitig auch über wechselnde, verkehrs- und situationsabhängig gesteuerte Anzeigen im Verkehrsleitsystem, beispielsweise über aktuell gültige Geschwindigkeitsbegrenzungen oder Stauwarnungen. Durch diese Vorausschau lassen sich weitere Effizienzfunktionen umsetzen. Sobald Fahrzeuge durch Car-to-X die Verkehrszeichen und Fahrspuren kennen, werden weitere wertvolle Funktionen möglich. Beispielsweise können Lichtsignalanlagen Informationen über ihre Schaltzeiten übertragen, damit ein Fahrerassistenzsystem entweder über die optimale Geschwindigkeit für eine persönliche "grüne Welle" informieren oder vor einer Rotlichtüberfahrung warnen kann (Ampelphasen-Assistent). Ein gezielter Transfer von Daten über die Verkehrslage, die Fahrbahnbeschaffenheit und weitere Faktoren ermöglichte es, frühzeitig Warnungen vor Unfällen (Hinderniswarnung), Staus (Stauendewarnung) oder Glatteisbildung (Straßenwetterwarnung) von einem Fahrzeug an andere Verkehrsteilnehmer in der Umgebung zu verbreiten.

Bis zu 6,5 Milliarden Euro Kosten vermeiden

Bei vollständiger Durchdringung mit Simtd-Funktionen könnten jährlich bis zu 6,5 Milliarden Euro der volkswirtschaftlichen Kosten von Straßenverkehrsunfällen vermieden werden, prognotizieren die Simtd-Experten in ihrem Bericht. Des Weiteren könne ein volkswirtschaftlicher Nutzen von 4,9 Milliarden Euro durch Effizienzwirkungen und durch die Vermeidung von Umweltbelastungen erzielt werden.

Die Anwendung der Car-to-X-Kommunikation zur Übermittlung von Informationen aus den Fahrzeugen in die Verkehrszentralen und umgekehrt führte zu einer verbesserten Kenntnis der Verkehrslage und zu einer schnelleren Erkennung verkehrsrelevanter Ereignisse. Die Messungen haben gezeigt, dass Mobilfunk für nicht-sicherheitskritische Funktionen geeignet ist. Der Feldversuch hat das hybride Konzept zum Einsatz beider Kommunikationstechniken für Car-to-X bestätigt.

Tipp der Redaktion Automobil- und Motorentechnik:

Lesen Sie zu diesem Thema auch über die Anfänge des Simtd-Feldversuchs sowie den Bericht "Simtd: Praxistest bestanden - Erfolg schon bei geringer Ausstattungsrate".

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