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2011 | Buch

Erfolgsfaktor Change Communications

Klassische Fehler im Change-Management vermeiden

verfasst von: Steffen Mörbe, Ulrike Volejnik, Simon Schoop

herausgegeben von: Jan Lies

Verlag: Gabler

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Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
Wegweiser
Zusammenfassung
Das folgende Buch untersucht das Minenfeld, in dem sich Manager während der Vorbereitung und/oder bei der Durchführung von Change-Management-Projekten bewegen. Dieses martialische Bild soll viererlei verdeutlichen: I) Typische Minen sind solche, deren Sprengkraft in der Praxis rund um tiefgreifende Veränderungsprozesse immer wieder beobachtet werden kann. Erfolgskritisch sind solche, die den Change-Prozess hemmen oder gar scheitern lassen können. Sie können als klassische Fehler bezeichnet werden, wenn sie wiederholt auftreten und das Change-Management in Not bringen. II) Der Gang durch das Minenfeld erfordert stetige Konzentration, um die Minen aufzuspüren. Ihre Energie ist eine lautlose Gefahr. Erst die Detonation in Form von Protesten, ausgelöst durch Unsicherheit oder Unzufriedenheit, zeigt ihre Kraft, die schmerzhaft oder gar tödlich für das Change-Projekt ist. Sind aber die Gefahren von Minen bewusst, ist es eine Kompetenz, ihnen auszuweichen und/oder sie zu entschärfen. III) Die Minen symbolisieren die Kraft der Eigendynamik von Systemen und die Gefahr einer Kettenreaktion, die von Desorientierung, Unsicherheit, Konflikten oder Widerständen ausgeht. IV) Dem Change-Manager ist nicht damit geholfen, nur einer Mine oder einer Auswahl von Minen erfolgreich auszuweichen, wenn er das Feld – also den Change-Prozess – insgesamt unversehrt durchqueren will. Im Folgenden werden 20 solcher Minen beschrieben. Wer sie vermeiden kann, ist auch in der Lage, die Erfolgswahrscheinlichkeit des Change-Managements zu steigern. Anlass für dieses Vorgehen ist eine zentrale Feststellung, die empirisch belegt zu sein scheint: Die Konzept- und Instrumentenvielfalt für ein erfolgreiches Change-Management steht im Missverhältnis zur hohen Misserfolgsquote bei Versuchen, tiefgreifende Veränderungsprozesse durchzusetzen.
Jan Lies
1. Mine: Strategiedominanz harter Faktoren im Change
Zusammenfassung
Change-Prozesse sind häufig kapitalmarktgetrieben und werden somit oft von harten Faktoren wie Kosten- oder Renditekennzahlen ausgelöst. Der Druck von Banken und Börsen ist auf den ersten Blick ein effizienter Steuerungsmechanismus, der Unternehmen davor bewahrt, ihre Strukturen zu konservieren. Für die Strategieentwicklung und Durchführung von Change-Prozessen ist der Kapitalmarkt und die hier verankerte Strategiedominanz harter Faktoren dagegen kein guter Referenzmaßstab. Die Change-Strategie bezeichnet die geplante Vorgehensweise, mit der langfristig erfolgskritische Potenziale wie Kostengrößen, Reaktionsfähigkeit oder Innovationskraft mit der Zielorganisation erschlossen werden sollen. Manager, die Change-Strategien ausschließlich mit Blick auf harte Kennzahlen betreiben und diese zum Handlungsmaßstab machen, verkennen, dass sie durch diese Kennzahlen vor und während des Veränderungsprozesses weder vollständig noch rechtzeitig über die Fortschritte des Veränderungsprozesses informiert werden.
Jan Lies, Steffen Mörbe, Ulrike Volejnik
2. Mine: Entkopplung von Change-Management und Change Communications?
Zusammenfassung
Wie im vorigen Kapitel gezeigt wurde, ist die Beachtung der weichen Faktoren im Change-Management von großer Bedeutung. Trotzdem ist der Bereich der Change Communications als das Management weicher Faktoren noch nicht oder noch zu wenig als Disziplin im Management anerkannt. Change-Management und Change Communications arbeiten in der Praxis oft entkoppelt. Wenn das Ziel von Change Communications aber in Motivation besteht, um damit die Organisationsdynamik im Sinne des Managements zu prägen, ist eine Entkopplung des Managements harter und weicher Faktoren theoretisch gar nicht möglich. Denn Motivation ist von beiden Dimensionen abhängig.
Jan Lies, Simon Schoop
3. Mine: Change-Programmatik ohne Change-Dramaturgie
Zusammenfassung
Die Dominanz harter Faktoren in Transformationsprozessen kommt in der Praxis unter anderem darin zum Ausdruck, dass die Change-Programmatik ohne Berücksichtigung von Change Communications definiert wird. Die Change Programmatik kennzeichnet die inhaltliche, instrumentelle und zeitliche Vorgehensweise eines Veränderungsprozesses nach bis dato vor allem rationalen Gesichtspunkten und ergibt sich aus der Change-Strategie. Die mit der Strategie fixierten Ziele, wie die zu erlangende Kosten- oder Innovationsführerschaft, um nur zwei Beispiele stellvertretend zu nennen, geben den Rahmen für die Change Programmatik vor. Sie ist zu einem Teil rational-logisch unveränderbar bestimmt: Wenn beispielsweise durch die Zielorganisation Kostensenkungen erreicht werden sollen und als Hauptkostentreiber zu komplexe Produktionsprozesse aufgedeckt wurden, dann müssen diese Prozesse vereinfacht werden. Damit ist die Programmatik jedoch nur ein Stück weit definiert. Denn das Management hat mit dem Change-Modus Freiheitsgrade, den Weg zur Zielorganisation zu bestimmen. Der Change-Modus setzt sich aus der Change-Dramaturgie und der Change-Didaktik zusammen, die hier vorgestellt werden sollen. Sie betreffen insbesondere das Management weicher Faktoren. Der Change-Modus fasst die Möglichkeiten, „harte Strategien“ durch „weiche Anforderungen“ zu erweitern, zusammen. Maßstab für Modifikationen ist die (angenommene) Kraft weicher Faktoren, die die Change-Ziele beeinflussen kann – positiv und negativ.
Jan Lies, Ulrike Volejnik, Steffen Mörbe
4. Mine: Zielorganisation ohne Scope-Management
Zusammenfassung
Trifft man in der Praxis auf Change-Projekte, scheinen sie vor allem dem Ziel der Ganzheitlichkeit im Sinne einer möglichst organisationsumspannenden Dimensionierung zu folgen. Es werden beispielsweise Renditevorgaben und/oder Zielorganisationen beschlossen, die die gesamte Organisation oder zumindest große Teile betreffen – unabhängig davon, ob es sich um eine Fusion, eine Übernahme oder um ein kostengetriebenes Restrukturierungsprojekt handelt. Das Scope-Management wird bei dieser Vorgehensweise zentral vernachlässigt. Der Scope bezeichnet den Umfang der für die Zielerreichung nötigen Leistungs-, Struktur-, Prozess- und Kapazitätsveränderungen. Scope-Management befasst sich also mit der Anpassung der Change-Programmatik an die Change-Dramaturgie mittels der Bandbreite geplanter Maßnahmen. Der Scope ist als doppelte Schlüsselgröße für den Erfolg eines Veränderungsprozesses zu werten: Er ist erstens ein harter Faktor, indem er Kapazitäten bindet und die Multikomplexität gegenseitiger Abhängigkeiten bestimmt, indem diese mit der Größe des Scopes überproportional zunehmen. Und zweitens ist er ein weicher Faktor, indem er die Change-Dramaturgie und -Didaktik mitbestimmt.
Jan Lies
5. Mine: Keine Management-Agenda
Zusammenfassung
Change-Management folgt methodisch zunächst dem allgemeinen Managementkreislauf aus Zielbestimmung, Abweichungsanalyse, konzeptionellen Maßnahmen, Controlling und Nachsteuerung. 55 Angewendet auf das Change-Management ergeben sich typische Projektphasen wie Analyse-, Konzept-, Implementierungs- und Stabilisierungsphase. Die Phasen nach der Analyse konkretisieren die Change-Programmatik. Wieso also ist eine Management-Agenda, die man als phasenkonkretisierenden Managementfahrplan auf der Basis dieses Kreislaufs verstehen könnte, dennoch als Tretmine von Change-Projekten zu bewerten? – Die Management- Agenda ist mehr als nur die schriftlich festgehaltene geplante Vorgehensweise. Entscheidend ist, dass sie darüber hinaus der Bindung der Führungskräfte (Management- Alignment) an eine definierte Change-Strategie dient. Nicht nur die Inhalte, sondern auch die ihnen vorangehenden und nachfolgenden Arbeitsprozesse prägen den Beitrag der Management- Agenda zum Gelingen eines Change-Prozesses.
Jan Lies
6. Mine: Keine Story, kein Projekt-Branding
Zusammenfassung
Ein Instrument, um auf der Führungskräfteebene Konsens über ein Change-Konzept herzustellen, ist die Story. Sie repräsentiert ein hoch verdichtetes, gemeinsames Verständnis des geplanten Veränderungsprojekts. Damit ist sie zudem ein wichtiges Dokument des Change- Commitments (Unterstützung durch Selbstverpflichtung) vor allem auf Führungskräfte-Ebene und ein zentrales Ergebnis der Management-Agenda. Die Story transportiert das Leistungsversprechen des Changes mit eingängigen sprachlichen Bildern und bereitet damit den Übergang zur Projekt-Markenkommunikation vor. Die Anwendung des Prinzips der Marke soll Change-Projekte nicht in die schillernde Kommunikationswelt der werblichen Marketingkommunikation führen – diese ist als konstruktivistische Kommunikation zu vermeiden. Marken sind im Idealfall Wahrnehmungs- und belastbare Identifikationsflächen, die mit einem rationalen und emotionalen Leistungsversprechen Wiedererkennung, Identifikation und Emotionalisierung ermöglichen. Das heißt Marken vereinfachen komplexe Managementleistungen mit dem Ziel, die Akzeptanz des Managementhandelns zu erhöhen.
Jan Lies
7. Mine: Mangelnder Sense of Urgency
Zusammenfassung
Der Sense of Urgency bezeichnet das Bewusstsein und das Verständnis für die Notwendigkeit und Dringlichkeit von Veränderungen. Er ist die Basis für die Erkenntnis, dass die geplanten Veränderungen jedem Einzelnen dienen. Um diese Erkenntnis in einer Organisation zu teilen, ist wesentlich, sogenannte Komfortzonen in Organisationen mäglichst aufzuläsen. Aufgrund der Gräße der Organisation ergeben sich vor allem in Konzernen, aber auch in Behärden, struktur- und prozessbedingte Tätigkeitsbereiche, die zu einer Marktferne führen. Diese senken die Sensibilität für den Handlungsdruck von Führungskräften und Mitarbeitern im Vergleich zu kleinen und mittleren Unternehmen. Wird dem Verständnis für die Dringlichkeit der Veränderungen ein neuer Weg geebnet, indem er mit dem Erwartungsmanagement kombiniert wird,76 kann dieser Sense of Urgency sogar das Gefühl der Bedrohung durch den Change beim Topmanagement und bei den Mitarbeitern verhindern.
Jan Lies, Simon Schoop
8. Mine: Führungskräfte nicht systematisch eingebunden
Zusammenfassung
Die Notwendigkeit für ein Change-Projekt macht deutlich, dass zumindest in Teilen ein ineffektives (richtungsfunktional falsches) Beharrungsvermögen die Führung bestimmt oder zumindest bestimmt hat. Die Konsequenz hieraus darf aber nicht sein, die Führung aus der Verantwortung für die Zukunft zu entlassen; sie muss nun umso mehr in die Pflicht genommen werden. Daher sind Führungskräfte nicht nur in die Planung des Change-Projektes, sondern auch in dessen Umsetzung einzubinden. Partizipation im Change bedeutet, die Führungskräfte handlungsfähig zu halten, indem sie in die Entwicklung von Change- Programmatik und Change-Dramaturgie eingebunden werden. So wird ihnen auch ein Informationsvorsprung gegenüber ihren Mitarbeitern gesichert. Dies macht die Story-Entwicklung unter Beteiligung von Führungskräften zum Startpunkt der Informationskaskade und den Startpunkt des Changes selbst zu einem konzeptionell neuralgischen Punkt der Systemdynamik. Die Anforderung der Partizipation der Führungskräfte grenzt den Handlungsauftrag externer Berater in Change-Prozessen ein.
Jan Lies, Simon Schoop
9. Mine: Unechte Mitarbeiter-Partizipation
Zusammenfassung
Mit echter Partizipation wird die Einbindung der Mitarbeiter und Führungskräfte einer Organisation in Analyse, Konzeption, Umsetzung und Controlling eines Change-Projekts bezeichnet. Sie bildet ein wesentliches Fundament für das Commitment (Unterstützung durch Selbstverpflichtung). Unechte Partizipation gibt dagegen Einbindung nur vor oder setzt zu spät ein. Sie ist schädlich für die Eigendynamik von Organisationen, da sie die Vertrauenswürdigkeit des Managements und damit das positive Emotionalisierungs- sowie Identifikationspotenzial beschädigt.
Jan Lies, Ulrike Volejnik, Steffen Mörbe
10. Mine: Anreizloses Change-Management
Zusammenfassung
Wenn eine Organisation einen tiefgreifenden Veränderungsprozess einleiten muss, ist dies automatisch ein Anlass, die bisherige Honorierung von Topmanagement, Führungskräften und Mitarbeitern auf Fehlanreize bzw. Anreizlücken zu überprüfen. Der Anlass des Changes kann letztendlich auch ein Ergebnis fehlgesteuerter und damit fehlgeleiteter Führungskräfte und Mitarbeiter sein.
Jan Lies, Steffen Mörbe, Ulrike Volejnik
11. Mine: Mangelndes Change-Commitment
Zusammenfassung
Wenn man Change Communications als jene Kompetenz versteht, mit der eine Organisation sich selbstmotiviert durch einen tiefgreifenden Veränderungsprozess arbeitet, dann profitiert sie vom Change-Commitment, dem Bekenntnis und der Selbstverpflichtung zur Veränderung. Denn Change-Commitment prägt die Systemdynamik einer Organisation zugunsten geplanter Veränderungen, die somit leichter durchsetzbar sind als ohne diese Selbstverpflichtung.
Jan Lies, Ulrike Volejnik, Steffen Mörbe
12. Mine: Ausblendung von Mikropolitik
Zusammenfassung
Mikropolitik bezeichnet jene Methoden, mit denen innerhalb von Organisationen Macht aufgebaut und eingesetzt wird. Macht bezeichnet hier im Ergebnis die Durchsetzungskompetenz geplanten Handelns. Für das Change-Management mit der Strategiedominanz harter Faktoren ist dies ein Handlungsfeld, das konzeptionell in der Praxis oft gar keine Berücksichtigung findet. Zur Beeinflussung der Systemdynamik zugunsten der Durchsetzungsfähigkeit des Managements ist die Beachtung der Mikropolitik aber überaus wichtig.
Jan Lies
13. Mine: Unterschätzung von Systemmacht
Zusammenfassung
Weiche Faktoren stehen für hoch dynamische Machtbildungsprozesse, die die Eigendynamik von Systemen konzeptionell beschreiben und durch die 20 Minen dieses Buches konkretisiert werden. Sie liefern ausschnitthafte Momentaufnahmen der Durchsetzungsfähigkeit des Managements. Mithilfe von Simulationsmodellen solch sozialer Dynamik können umkippende Stimmungen und damit Machtverluste des Managements visualisiert werden. Dass solche Machtverluste schnell auftreten, zeigt, wie leicht sich Akteure in einer Organisation dem Druck von Gruppen beugen. Dies unterstreicht die Bedeutung des Multiplikatormanagements für das Change-Management, das anhand der Rollen von Change-Agents dargestellt werden soll.
Jan Lies, Ulrike Volejnik, Steffen Mörbe
14. Mine: Keine Moderation und Mediation
Zusammenfassung
Veränderungsprozesse sind konfliktträchtige Phasen, da Eigeninteressen durch ggf. unbewusste Eingriffe der Change-Programmatik in (informelle) Machtstrukturen in besonderer Weise berührt werden. Gleichzeitig sind Konfliktlösungswege zum Teil bereits nicht mehr verfügbar. Dies ist dann der Fall, wenn gelernte hierarchische Eskalationswege, also die Einbeziehung von Vorgesetzten, und damit Lösungswege der Startorganisation ggf. schon im Umbau befindlich bzw. die der Zielorganisation noch nicht etabliert sind. Zudem können Konfliktpotenzial und Lösungsbedarf aus der geplanten Zukunftskonstellation entstehen.
Jan Lies
15. Mine: Einseitige und punktuelle Due Diligence
Zusammenfassung
Eine Due Diligence (intensive Prüfung) beinhaltet eine Phase der Informationsbestandsaufnahme und des Informationsaustausches im Vorfeld einer geplanten Übernahme oder Fusion, aber auch eines Börsenganges. Es werden dabei vor allem rechtliche, finanzielle, steuerliche und strategische Kompatibilitäten geprüft. Darüber hinaus gilt es, mit Blick auf die Systemdynamik die Unternehmenskultur zu prüfen. Diese ergibt sich aus dem Zusammenspiel von Werten, Normen, Denkhaltungen und Paradigmen, die die Mitarbeiter und Führungskräfte teilen. Sie prägt das Zusammenleben in der Organisation, die Durchsetzbarkeit von Handlungsplänen sowie den Auftritt nach außen.
Jan Lies, Steffen Mörbe, Ulrike Volejnik
16. Mine: Ja-Sager statt Fehler- und Konfliktkultur
Zusammenfassung
Ja-Sager sind Mitarbeiter und Führungskräfte, die offene Konflikte vermeiden. Sie richten sich in ihrem Verhalten nach dem, was Vorgesetzte hören wollen, auch wenn sie fachlich möglicherweise anderer Meinung sind. Die Analyse der Bedeutung von Ja-Sagern für Organisationen gehört zur mikropolitischen Forschung, da sie Ausdruck machttaktischer Verhaltensweisen sind. Vor allem in Konzernen besteht aufgrund mangelnder Fehlerkultur die Gefahr, dass schöngefärbte Kennzahlen das Projekt-Reporting prägen. Aus dieser mutmaßlich häufig auftretenden Unternehmensrealität erwächst die Notwendigkeit, den offensivkonstruktiven Umgang mit Fehlern als Erfolgsfaktor zu werten. Besonders in tiefgreifenden Veränderungsprozessen, in denen zum Teil ohne Erfahrungswerte komplexe Neuorganisationen angestrebt werden, sind Fehler unvermeidbar. Denn Veränderungen sind Innovationen und Innovationen sind fehleranfällig. Letztendlich sind Fehler zwar konfliktträchtig, aber eine Konfliktkultur kann sich fehlerinduzierte Konflikte als Energiequelle sogar zunutze machen.
Jan Lies
17. Mine: Mangelndes Timing
Zusammenfassung
Timing bezeichnet den bewerteten Zeitbedarf im Rahmen von Handlungsplänen im Hinblick auf eine Aktion oder ein Ereignis in Bezug auf ein bestimmtes Ziel (vgl. Veil, 1999: 182). Vor diesem Hintergrund ist der Zeitbedarf nicht nur ein Kostenfaktor (Zeit als Ressource), sondern auch ein strategischer Erfolgsfaktor (Zeit als Geschwindigkeit und damit Fähigkeit im Vergleich zum Wettbewerb). Zeit wird zu einem doppelten Erfolgsfaktor, wenn man den Zeitbedarf darüber hinaus auch als Freisetzungsphase von Energien betrachtet, die die Handlungsfähigkeit des eigenen Managements beeinflusst: mit funktionaler oder dysfunktionaler Wirkung. Im systemischen Change-Management kennzeichnet Timing in diesem Beitrag die Wirkung von Zeitbedarf auf die Durchsetzungskompetenz der Organisation. Mehr Zeitbedarf kann sowohl funktionale als auch dysfunktionale Konsequenzen haben. So haben Change- Projekte beispielsweise eine Vielzahl von potenziellen Verlierern, denen der Zeitbedarf für Vorbereitung und Umsetzung der Change-Programmatik Möglichkeiten für mikropolitische Maßnahmen eröffnet. Sie gewinnen Zeit, um gruppendynamische Prozesse anzustoßen und damit Einfluss auf die Systemmacht zu nehmen. Dies führt Unternehmen in einen Zwiespalt: Einerseits dürfen sie ihre Organisation nicht durch zu viele Zusatzaufgaben zur Bewältigung der Change-Programmatik überfordern. Andererseits dürfen sie sich aufgrund der Gefahr von Eigendynamik nicht zu viel Zeit lassen.
Jan Lies, Ulrike Volejnik, Steffen Mörbe
18. Mine: Geheimhaltungskultur und Ergebniskommunikation
Zusammenfassung
In der Betriebswirtschaft wird vor allem gelehrt, ergebnisorientiert zu arbeiten, wie z. B. die Entscheidung auf Basis von Kennzahlen deutlich macht. Dies mag in der Tradition der rationalen Entscheidung begründet liegen, die klassisch-modelltheoretisch geprägt, letztlich eine oft vergangenheitsorientierte Zeitpunktbetrachtung ist. Durch zentrale Annahmen wie unendliche Reaktionsgeschwindigkeiten werden die zeitlich bedingten Komplikationen von Prozessen ausgeblendet. Zudem wird unterstellt, dass Organisation, Management und Mitarbeiter auf der Basis gleicher Ziele und Interessen tätig werden. Im Change-Management ist dieses Denken fatal: Je tiefgreifender ein Veränderungsprozess ist, desto mehr Eigeninteressen werden berührt. Je höher ein Manager aufgestiegen ist, desto mehr hat er zu verlieren. Je ausgeprägter die Geheimhaltungskultur, desto wirksamer arbeiten Indiskretionen. Letztere sind ein Instrument mikropolitischer Handlungsweisen, um – mit dem Ziel Eigeninteressen durchzusetzen – Druck auf das Topmanagement auszuüben und Einfluss auf die Change- Programmatik zu nehmen. Je ausgeprägter die Geheimhaltungskultur, je tiefgreifender der Change und je schlechter das Timing, desto besser sind solche Indiskretionen geeignet, die Systemdynamik zum Beispiel mit gezielt platzierten Gerüchten zu beeinflussen.
Jan Lies, Simon Schoop
19. Mine: Konstruktivismus statt Erwartungsmanagement
Zusammenfassung
„Wir fusionieren auf Augenhöhe.“ Oder: „Wir sind zuversichtlich, dass wir die Fusion schnell und geräuschlos zum Erfolg führen.“ Diese Formulierungen deuten stark darauf hin, dass die Kommunikation auf Imagebildung angelegt ist, ohne den Wahrheitsgehalt und die Wahrnehmungsfähigkeit eines Change-Managementprozesses von Stakeholdern angemessen zu berücksichtigen. Theoretischer Hintergrund und Erklärungsversuch ist der Konstruktivismus, nachdem es nicht die eine Rationalität gibt. Realität ist subjektiv und Systeme (Teams, Unternehmen, Gesellschaften etc.) schaffen sich ihre jeweiligen Wirklichkeiten. Positiv interpretiert, ist die Idee solcher Formulierungen, unter den (internen) Stakeholdern eine positive Stimmung zu verbreiten. Negativ interpretiert, liefert das Management lediglich eine unglaubwürdige Show. Inhaltlich steht solch eine Kommunikation oft für verfehltes Erwartungsmanagement. Erfahrungen aus der Vergangenheit bilden Erfahrungswissen, das in die Zukunft gespiegelt Erwartungen ergibt. Ihr Management ist vor allem in tiefgreifenden Veränderungsprozessen von Bedeutung, da Führungskräfte und Mitarbeiter hier Erfahrungswissen verlieren, was ihre Unsicherheit erhöht. Die Erwartungen so zu beeinflussen, dass Vertrauen durch erwartbares Handeln entsteht, ist das Ziel von Erwartungsmanagement. Verfehltes Erwartungsmanagement durch konstruktivistische Kommunikation vernachlässigt oder ignoriert das Potenzial dysfunktionaler Wirkungen der dadurch provozierten Systemdynamik.
Jan Lies
20. Mine: Kommunikations- ohne Verhaltensmanagement
Zusammenfassung
Mit der Aufgabe, die Kraft weicher Faktoren für Organisationen in Change-Prozessen nutzbar zu machen und ihre kontraproduktive Wirkung möglichst einzugrenzen, erfordert der Einsatz von Change Communications mehr als Kommunikation im Sinne von Mitteilungshandlungen. Die Bedeutung weicher Faktoren beruht auf ihrer Durchsetzungsmacht durch Gruppendynamik. Diese resultiert aus gemeinsamer Beobachtung von (internen) Stakeholdergruppen, was Change-Management zu einer anwendungsbezogenen Form von Behavioral Economics (verhaltenswissenschaftliches Management) macht. Die Anwendung von Change Communications muss also zuerst auf das Verhalten von Topmanagement und Führungskräften ausgerichtet sein, da es die Wahrnehmung aller Beteiligten zentral prägt. Entsprechend zeigt dieses Buch Ansätze für Behavioral-Change-Management mithilfe von 20 Tretminen auf, deren stete Beachtung hilft, Auslöser hemmender Eigendynamik zu umgehen.
Jan Lies
Theoretischer Rahmen
Zusammenfassung
Dieser Beitrag lenkt die Aufmerksamkeit auf die Strategiedominanz harter Faktoren im herkömmlichen Change-Management. Er weist gleichzeitig auf die Erfolgsrelevanz weicher Faktoren hin, die den Change zweiter Ordnung prägen. Wenn das Management diese Eigendynamik der Organisation für sein Handeln erkennt, ist die theoretische Suche nach alternativen bzw. ergänzenden Steuerungsmechanismen eröffnet, und Change Communications wird als vernachlässigter Erfolgsfaktor betont.
Jan Lies
Backmatter
Metadaten
Titel
Erfolgsfaktor Change Communications
verfasst von
Steffen Mörbe
Ulrike Volejnik
Simon Schoop
herausgegeben von
Jan Lies
Copyright-Jahr
2011
Verlag
Gabler
Electronic ISBN
978-3-8349-6473-1
Print ISBN
978-3-8349-2522-0
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-8349-6473-1

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