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06.08.2012 | Finance + Banking | Schwerpunkt | Online-Artikel

Wie schlechte Bonitäten finanziert werden

5:30 Min. Lesedauer

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Welche Strategien und Wege Unternehmen zur Refinanzierung nutzen können, kommentiert Dr. Volkhard Emmrich, Geschäftsführer Restructuring & Finance bei der Unternehmensberatung Dr. Wieselhuber & Partner, vor dem Hintergrund der Bankensituation, den neuen Rahmenbedingungen zur Unternehmensfinanzierung und den Folgen der Finanzkrise.

Die Schuldenkrise und insbesondere die Finanzierungsprobleme von Griechenland machen deutlich, was passiert, wenn man über seine Verhältnisse lebt und die Wettbewerbsfähigkeit verliert. Der Cashflow geht zurück, die Verschuldung steigt, der Kapitaldienst kann nicht mehr geleistet werden. Das ist die eine Seite der Medaille. Leistungswirtschaftlich betrachtet ist der Ressourceneinsatz zu hoch, die Produktivität zu gering und die technische Ausstattung nicht „State of the Art“. Der Ressourceneinsatz muss reduziert werden, d. h. es ist Sparen angesagt. Doch es fehlen dann die notwendigen Investitionen, um die Produktivität zu steigern und wieder wettbewerbsfähig zu werden; die Negativ-Spirale dreht sich weiter.

Lösungswege für Unternehmen

Im Gegensatz zu Volkswirtschaften und Staaten gibt es für Unternehmen in dieser Situation nur zwei Lösungsansätze:

  • Zerschlagung und Verwertung der Sicherheiten oder Rekapitalisierung,

  • Zufuhr von Fresh Money – nach der Kostensenkung – und damit Schließung der Investitionslücke.

Bei Staaten wie Griechenland ist es mit dem Fresh Money deutlich schwieriger: Es bleibt beim Haircut und erneut fremdfinanzierten Investitionsprogrammen. Der Haircut trifft aber nur die privaten Gläubiger bzw. Anleger, es ist der Beitrag der Realwirtschaft, er wird über die Bilanzen der Banken und Versicherungen ausgebucht. Kapital in gleicher Höhe, im Falle Griechenlands wohl ca. 105 Mrd. Euro, steht nicht mehr als Eigenkapital und damit nicht mehr als Refinanzierungsbasis für Kredite und Darlehen zur Verfügung.

Die Banken selbst werden von den Notenbanken, in unserem Fall durch die EZB, großzügig, weil unbegrenzt, mit Liquidität versorgt. Und das erstmals auch langfristig – wie die zwei Drei-Jahrestender (LTRO = Long Term Refinancing Operations) der EZB zeigen. Die Folgen? Nach anfänglichem Jubel über die ca. 1.000 Mrd. € frischen Zentralbankgeldes – insbesondere bei Banken in Spanien und Italien – sind es 4,1 Mrd. € zusätzliche Rückstellungen in der Bilanz der Bundesbank, geringere Gewinnabführung an den Bund, damit geringere Haushaltsentlastung – und direkte Belastung des Steuerzahlers – also ebenfalls der Realwirtschaft. Es hat sich herumgesprochen, dass damit vor allem auch Banken finanziert wurden, die kein wirklich tragfähiges Geschäftsmodell aufweisen und somit eigentlich „aus dem Markt“ sind. Wo bleibt aber das Geld, mit dem die Notenbanken die Märkte geflutet haben, und mit welchem Geld werden von der EZB Staatsanleihen angekauft? Deutlich unter 50 % dienten der Refinanzierung laufender EZB-Kredite. Ein großer Teil dürfte für Käufe hochverzinslicher Staatsanleihen (z. B. Italienanleihen) verwendet worden sein. Es haben sich aber auch über 400 deutsche Banken eingedeckt. Es besteht also die Hoffnung, dass zumindest Teile des Geldes nah an den Mittelstand und somit in die Realwirtschaft gelangt sind.

Zwei Arten von Liquidität

Das Ergebnis legt dadurch eine Vermutung nahe: Vielleicht gibt es zwei Arten von Liquidität, quasi eine für das „Normalgeschäft“ der Realwirtschaft und eine zweite, eher virtuelle, für die Kreisläufe der Banken mit den Notenbanken sowie der Notenbanken untereinander.

Die Chinesen zeigen einen anderen Weg  auf, um „faule Kredite“ – denn, um nichts anderes handelt es sich auch bei Griechenlandanleihen – aus den Bilanzen und ganz aus der Welt zu schaffen. Durch staatliche Asset-Management-Gesellschaften wurden und werden den großen staatlichen Banken die „schlechten“ Assets abgekauft und die Bilanzen dadurch ohne Eigenkapitalverzehr bereinigt. Durch den Börsengang erfolgt dann quasi als zweite Stufe eine Rekapitalisierung und Bilanzstärkung durch Eigenkapitalzufuhr. Ein ähnliches Vorgehen ist jetzt auch wieder zu erwarten, wenn die Spuren des Investitionsprogramms aus den Haushalten von Kommunen und Provinzen zu entfernen sind.

Bescheidene Potenziale für Eigenkapitalerhöhungen

Die Bereinigung erfolgt also gewissermaßen durch Zentralisierung und letztendlich durch die Abdeckung durch Notenbank bzw. Staatshaushalt. Bei einer extrem hohen Sparquote der privaten Haushalte, hohen Wachstumsraten, Haushaltsüberschüssen und gewaltigen Devisenreserven stellt das kein Problem dar. Das Modell funktioniert aber wirklich nur bei Wachstum und ist deshalb nicht auf die EU übertragbar – bei uns bleiben die Bilanzen der Gläubiger im Feuer und das bei steigenden Eigenkapitalanforderungen. Angesichts der derzeit eher bescheidenen Potenziale durch Kapitalerhöhungen die Eigenkapitalbasis zu stärken, wird wohl primär eine Reduzierung der Bilanzsumme zum Ziel führen –insbesondere durch Abbau von eigenkapitalintensiven Risiko-Assets. Eine weitere Veränderung der Rahmenbedingungen für die Unternehmensfinanzierung erfolgt jetzt mit Basel III –  und zwar nicht nur aufgrund der weiter steigenden Eigenkapitalanforderungen, als insbesondere aufgrund der künftigen Refinanzierungsmöglichkeiten bzw. -potenziale der Banken. Da Einlagen dazu ebenso wenig angesetzt werden dürfen wie Ausleihungen von anderen Banken – im Gegenzug jedoch Verbindlichkeiten gegenüber anderen Banken voll liquiditätswirksam als Verbindlichkeit anzusetzen sind – bleibt eigentlich nur Eigenkapital sowie eine fristenkongruente Refinanzierung durch Ausplatzierung an den Finanzmärkten. In Abhängigkeit von der Ausfallwahrscheinlichkeit des Kredites steigt die Anforderung an die Eigenkapitalunterlegung der Banken um ca. ein Drittel.

Kredite zur Unternehmensfinanzierung: Leider teuer

Aufgrund der Leverage Ratio werden großvolumige risikoarme Geschäfte, wie staatsgedeckte Außenhandelsfinanzierungen, schwieriger. Der Grund: Eingeschränkte Möglichkeiten zur Fristentransformation werden Langfristkredite verknappen und verteuern. Klassische bzw. traditionelle, im Mittelstand vorherrschenden Finanzierungsinstrumenten, haben künftig also einen schwereren Stand. Corporate Bonds und eigenkapitalnahe Finanzierungen gewinnen an Bedeutung, Fresh Money von Fremdkapitalgebern in Sanierungsfällen wird wohl zum Ausnahmefall werden. Mit welcher Konsequenz? Vermehrter Einstieg von spezialisierten Finanzinvestoren, mehr übertragende Sanierungen aus der Insolvenz, „Parken“ von Unternehmen in SPVs, wenn institutionelle Anleger aus dem Geld sind und nicht mehr mit weiterem Fresh Money zur Verfügung stehen.

Für die Sanierung von Unternehmen heißt das: Die Konzepte müssen wirklich ganzheitlich sein. Die Liquiditätssicherung, eine Weiterentwicklung des Geschäftsmodells, das in weiter volatilen Märkten wirklich robust und somit zukunftsfähig ist, sowie die Abbildung des Geschäftsmodells in einer adäquaten Kapital- bzw. Finanzierungsarchitektur werden zum Muss – und die Rekapitalisierung ein unabdingbar Konzeptbestandteil. Die Bedeutung von Eigenkapital wird insbesondere für schnellwachsende junge Branchen deutlich steigen, ebenso für Branchen mit hoher Volatilität im Auftragseingang. Unabhängig von allen derzeitigen Problemen, die ihre Ursachen in der Branchenkonsolidierung haben, zeigen sich diese Effekte bereits jetzt bei den „Renewables“ genauso wie im klassischen Anlagenbau. Die Bankenwelt wird also vor einem „Durchbrennen“ einer Bankeninsolvenz aufgrund interner Verflechtungen geschützt.

Ausblick

Die Bankkredite zur Unternehmensfinanzierung, die mit derzeit ca. 70 % im Euroraum vorherrschen, werden deutlich zurückgehen. Eine Halbierung des Anteils ist nicht auszuschließen. Auf den Mittelstand kommt also eine weitere grundsätzliche Veränderungswelle zu – für Beschäftigung aller, die sich mit Unternehmenssanierung befassen, ist mittelfristig gesorgt.

Die Hintergründe zu diesem Inhalt

2008 | OriginalPaper | Buchkapitel

Fremdfinanzierung

Quelle:
Grundkurs Buchführung

2006 | OriginalPaper | Buchkapitel

Fremdfinanzierung (Kreditfinanzierung)

Quelle:
Basiswissen Finanzierung

01.03.2011 | Analysen und Berichte

EU-Schuldenkrise: Krisenmanagement und die Kosten