Skip to main content

14.05.2024 | Gas | Schwerpunkt | Online-Artikel

Erdgasautos in der Krise

verfasst von: Christiane Köllner

5:30 Min. Lesedauer

Aktivieren Sie unsere intelligente Suche, um passende Fachinhalte oder Patente zu finden.

search-config
loading …

Dem Erdgasauto droht dem ADAC zufolge ein wirtschaftlicher Totalschaden. Aktuell ist kein Neuwagen mit CNG-Antrieb mehr erhältlich. Hat die Gasmobilität dagegen im Schwerlastverkehr eine Chance?

Eigentlich galt der CNG-Antrieb noch vor einiger Zeit als die Option für nachhaltige Mobilität. Denn Erdgas hat eine Reihe von Vorteilen gegenüber Benzin- und Dieselkraftstoffen. So stößt ein mit Erdgas betriebenes Auto "etwa 24 % weniger CO2 aus als ein Benziner mit gleicher Leistung", erklären die Springer-Autoren um Timm Kehler im Buchkapitel Der Markt für den Kraftstoff Erdgas. Ein mit Bio-Erdgas betriebenes Fahrzeug verringere den CO2-Ausstoß sogar um bis zu 97 %. Zudem verbrennt Erdgas emissionsärmer als Benzin oder Diesel. Das Abgas enthält deutlich weniger Kohlenmonoxid und Stickoxide, der Anteil an Ruß oder Feinstaub ist minimal. Auch unter ökonomischen Aspekten spricht vieles für Erdgas als Kraftstoff: CNG kostet nur etwa halb so viel wie Diesel oder Benzin.

Noch 2018 hatte Volkswagen eine "Erdgas-Offensive" gestartet, wie es damals hieß: Die Wolfsburger überarbeiteten ihre Erdgas-Modelle grundlegend und statteten Polo und Golf TGI unter anderem mit einem dritten Erdgastank aus. Auf dem Wiener Motorensymposium 2018 feierte der Erdgasmotor 1.5 TGI evo Weltpremiere und wurde als "ein wichtiger Baustein im Rahmen einer Erdgas-Offensive" bezeichnet. Erklärtes Ziel war es, dass "Volumen der effizient und weitgehend ohne Partikelemission arbeitenden Erdgasmotoren weiter zu erhöhen", so Volkswagen. Auch Fiat und Opel hatten mehrere CNG-Modelle im Portfolio, Mercedes brachte einst eine Erdgas-Version der B-Klasse und Ford den Focus CNG auf den Markt.

Nachfrage nach CNG-Autos stark eingebrochen

Und jetzt? Über die Jahre ist die Nachfrage nach Autos, die komprimiertes Erdgas (Compressed Natural Gas, kurz CNG) tanken können, stark eingebrochen. Etwas mehr als 77.000 Pkw mit Erdgas-Antrieb sind laut Kraftfahrt-Bundesamt auf deutschen Straßen unterwegs. Aktuell ist laut ADAC kein Neuwagen mit diesem Antrieb mehr erhältlich. Seit 2016 geht auch die Zahl der CNG-Tankstellen stetig zurück. Rund 700 von ihnen waren Anfang des Jahres 2024 in Deutschland in Betrieb.

Besitzer eines Autos mit CNG-Antrieb hätten so immer weniger Möglichkeiten aufzutanken und müssen teils große Umwege zur nächstgelegenen Tankstelle in Kauf nehmen, so der ADAC. Erschwerend käme hinzu, dass Ersatzteile immer schlechter verfügbar seien. "Weil die Ersatzteile teuer oder aber gar nicht mehr lieferbar sind, kann das zu einem wirtschaftlichen Totalschaden führen", warnt Florian Hördegen, Leiter Fahrzeugtechnik im ADAC-Technikzentrum Landsberg. 

Bevorzugung der Elektromobilität

Gründe für den Rückgang der Gastechnologie sind vielschichtig: Bei Volkswagen war es die Fokussierung auf die Electric-only-Strategie ab 2020 unter dem damaligen VW-Konzernchef Herbert Diess. Dazu kam, dass in der Politik "im Verkehrssektor eine klare Bevorzugung von Elektro- und Hybridantrieben zu erkennen [ist], weshalb auch die Industrie vorrangig auf diese Technologien setzt", wie der Branchenverband "Zukunft Gas" erklärt. Die mangelnde Unterstützung der Politik schlägt sich auch in der Tatsache nieder, dass die Autohersteller Biogas nicht auf ihre CO2-Flottenbilanz anrechnen können. Dazu kommt eine schwache Nachfrage, die unter anderem an den etwas höheren Anschaffungskosten für ein Erdgas-Auto liegt.

Die geringe Nachfrage lässt dann auch wiederum keinen wirtschaftlichen Betreib von Erdgastankstellen zu. Shell und Aral haben die Zahl der Anlagen verringert. "Den Platz des an vielen Standorten nicht mehr rentablen CNG-Kraftstoffs dürften Ladesäulen einnehmen", prognostiziert der ADAC. So hat das EU-Parlament im Sommer 2023 ein Gesetz über den verpflichtenden Ausbau der Ladeinfrastruktur für E-Autos in Europa bis 2026 angenommen. Daher dürften sich Tankstellenbetreiber künftig konsequent auf die Elektromobilität konzentrieren.

Auch die Förderung von E-Autos wirkte sich auf die Gasmodelle aus. Für CNG-Fahrzeuge bestehen keine direkten Steuervergünstigungen, wie es sie für Elektrofahrzeuge gibt. Zwar ist Erdgas (CNG) als alternativer Kraftstoff wegen der Vorteile beim CO2-Ausstoß bis Ende 2026 steuerbegünstigt. Doch seit 1. Januar 2024 hat ein stufenweiser Abbau der Steuervorteile begonnen.

ADAC: CNG-Tankstellen und Ersatzteilversorgung erhalten

Der ADAC plädiert dafür, zumindest mittelfristig ein flächendeckendes Netz von CNG-Tankstellen sowie die Ersatzteilversorgung aufrecht zu erhalten. Dies wäre nicht nur im Sinne des Verbraucher-, sondern auch des Klimaschutzes wünschenswert: Im ADAC-Ecotest, der Autos nach ihrer Umweltverträglichkeit bewertet, hätten Modelle mit Erdgasantrieb regelmäßig die Benzin- und Diesel-Konkurrenz ausgestochen. Bei der CO2-Bilanz seien sie sogar teils ähnlich gut wie E-Autos. Das liege vor allem an der Beimischung von Biomethan, das durch die Vergärung von Gülle, Lebensmittelabfällen und nachwachsenden Rohstoffen wie Mais und Gras entstehe.

Doch aller Vorteile zum Trotz: CNG-Fahrzeuge scheinen ein Auslaufmodell zu sein. Derzeit ist es unwahrscheinlich, dass die Autohersteller neue Modelle mit CNG-Motoren auf den Markt bringen werden.

Lichtblick bei schweren Lkw? 

Doch die Gasmobilität ist nicht ganz am Ende. Im Gegensatz zur CNG-Infrastruktur wurde die Tankstelleninfrastruktur für LNG, also verflüssigtes Erdgas, in der vergangenen Zeit weiter ausgebaut, wie der Branchenverband "Zukunft Gas" erklärt. Während es im Dezember 2022 noch 103 LNG-Tankstellen gegeben habe, seien es ein Jahr später bereits 148 gewesen. Mittlerweile sind es bundesweit 185 LNG-Tankstellen (Stand: November 2023).

Verflüssigtes Erdgas (LNG) beziehungsweise Biogas (Bio-LNG) ist vor allem im Schwerlastverkehr – bei Fahrzeugen über 12 t – ein beliebter alternativer Kraftstoff. Zum 1. Januar 2023 habe es insgesamt 1.170 schwere Lkw über 12 t im Bestand gegeben, was ein Zuwachs von 67,95 % im Vergleich zum Vorjahr bedeute. Zugmaschinen hätte es zum Stichtag 4.629 im Bestand, das sei im Vergleich zum Vorjahr ein Anstieg um 49,3 %. 

Dämpfer auch für die Transportbranche

Viele Logistikunternehmen und Spediteure setzen auf den alternativen Kraftstoff LNG. "Vor allem die Perspektive auf zunehmende Mengen an Bio-LNG, also verflüssigtem Biogas, machen Gasfahrzeuge für die Unternehmen attraktiv", so "Zukunft Gas". Bio-LNG-Produktionsanlagen befänden sich bereits im Markthochlauf. So hat Shell kürzlich im Energy and Chemicals Park Rheinland eine neue Anlage zur Produktion von Bio-LNG in Betrieb genommen. Die Anlage kann jährlich rund 100.000 t des CO2-ärmeren Kraftstoffes herstellen. Damit könnten jährlich 4.000 bis 5.000 LNG-Lkw betankt werden. Auch Erdgas Südwest arbeitet an einem Projekt zur Biogasverflüssigung.

Dämpfer gibt es aber auch für die Transportbranche: Bei der neu eingeführten CO2-Komponente der Lkw-Maut wird Bio-LNG nicht als klimafreundliche Antriebsart anerkannt. Befreit sind von der Maut lediglich Lkw mit Batterie- oder Wasserstoffantrieb. Und zum 1. Dezember 2023 wurde ein zusätzlicher CO2-Aufschlag bei der Nutzungsgebühr eingeführt. Steigende Frachtkosten und Mautgebühren belasten daher die Logistikbranche. Immerhin: Das Europäische Parlament hat entschieden, Bio-LNG betriebene Lkw in den künftigen Regulierungsrahmen für CO2-Flottengrenzwerte aufzunehmen.

Weiterführende Themen

Die Hintergründe zu diesem Inhalt

Das könnte Sie auch interessieren

15.09.2016 | Betriebsstoffe | Schwerpunkt | Online-Artikel

Erdgasmobilität auf dem Prüfstand

07.07.2016 | Gasmotor | Schwerpunkt | Online-Artikel

Innovationsschub für Erdgasmotoren

30.11.2018 | Erdgas | Schwerpunkt | Online-Artikel

Kontroverse über Erdgas-Lkw

    Premium Partner