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26.04.2023 | Investmentbanking | Interview | Online-Artikel

"Banken passen sich zunehmend flexibleren Jobstrukturen an"

verfasst von: Angelika Breinich-Schilly

7:30 Min. Lesedauer

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Mehr Frauen für Fach- und Führungspositionen zu gewinnen, ist eine zentrale Strategie im Wettbewerb um qualifizierte Talente. Warum Finanzdienstleister diese Aufgabe nicht immer erfolgreich angehen und wie sie für Bewerberinnen attraktiver werden, erläutert Finanzexpertin Daria Diachenko im Interview.

springerprofessional.de: Sie selbst beschäftigen sich in Ihrer Position unter anderem mit digitalen Anlagelösungen und dem Design von Anlageprozessen bei einem Asset Management Unternehmen. Sind sie als Frau in Ihrer Organisation eher die Ausnahme oder schon die Regel? Wie sehen Ihre Erfahrungen mit weiblichen Karrieren in der Finanzindustrie aus? 

Daria Diachenko: Bei uns werden alle Positionen ausschließlich nach Qualifikationen besetzt. Aufgrund unseres noch relativ kleinen, aber wachsenden Teams lassen sich hier keine Regelmäßigkeiten ausmachen. Wir freuen uns immer über qualifizierte Bewerberinnen, weil wir der festen Überzeugung sind, in gemischten Teams besser zu performen.

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Warum haben Sie sich für diesen Beruf und den Einstieg in das Vermögensmanagement entschieden?

Die Leidenschaft für Finanzmärkte begleitet mich seit Beginn meines Studiums. Ich war zwar immer gut mit Zahlen, wollte mich aber nicht ausschließlich auf Mathematik beschränken. Deshalb entschied ich mich für ein kombiniertes Studium in Mathematik und Volkswirtschaftslehre. Während meines Bachelorstudiums lernte ich meinen Professor für Ökonometrie und Finanzen kennen, der gleichzeitig als Vermögensberater und Trader tätig war. Er vermittelte mir nicht nur wissenschaftliche Kenntnisse über Anlagestrategien, sondern auch deren praktische Umsetzung. Ich war dann auch jahrelang aktives Mitglied des Asset Management und Trading Clubs, in dem wir verschiedene Anlagestrategien getestet und umgesetzt haben. Dadurch wurde mir sehr früh klar, wo meine Interessen liegen und welche Richtung meine Karriere einschlagen soll. Darüber hinaus habe ich während diverser Praktika Einblick in verschiedene Bereiche der Finanzindustrie bekommen: von Audit und Buchhaltung bis zu Businessentwicklung und Finance bei der Bank. 

Welche Einflüsse haben Ihre berufliche Entscheidung noch bestimmt?

Meine Berufserfahrung konzentriert sich jedoch hauptsätzlich auf systematische Anlagelösungen/Indexing. Nach meinem Studium entschied ich mich aus zwei Gründen für einen Index-Anbieter beziehungsweise die Finanzdienstleistung: Zum einen war das Unternehmen noch jung und bot ein großes Potenzial für eine hohe und diverse Lernkurve, zum anderen durfte ich mit komplexen Anlagestrategien aus verschiedenen Anlageklassen arbeiten und direkten Kontakt mit führenden Asset Managern, Investmentbanken und ETF-Anbietern aufbauen. Der Wechsel in das klassische Vermögensmanagement war ein logischer Schritt in meiner Karriereentwicklung.

Insgesamt sind Frauen aber noch immer in vielen Bereichen der Finanzbranche, insbesondere als Führungskräfte und Top-Managerinnen in Banken, unterrepräsentiert. Diese Arbeitgeber gelten als familienunfreundlich und von Männern dominiert. Trifft diese Aussage heute überhaupt noch so zu oder gibt es die gefürchteten Karrierebremsen noch immer in den klassischen Bankstrukturen?

In den letzten zehn Jahren hat sich die Frauenquote in den Vorständen großer Banken in Deutschland positiv entwickelt. Dennoch sind Frauen in Führungspositionen in der Finanzbranche nach wie vor stark unterrepräsentiert. Statistiken zeigen, dass nur etwa jede zehnte Vorstandsposition von einer Frau besetzt ist. Generell sehe ich aber zwei Trends als Haupttreiber für eine höhere Geschlechterdiversität in naher Zukunft: Nachwuchskräftemangel und die zunehmende Bedeutung von Diversität und Inklusion in Unternehmen. In der Bankenbranche hat sich der Mangel an Fach- und Führungskräften zugespitzt. So stehen auch Banken im Wettbewerb um Talente und passen sich zunehmend flexibleren Jobstrukturen an, anstatt ausschließlich auf das Gehalt als Anreiz zu setzen. Viele Unternehmen haben erkannt, dass eine vielfältige Belegschaft ein wichtiger Wettbewerbsvorteil ist, der zu besseren Entscheidungen und innovativen Lösungen beitragen kann. Deshalb fördern sie aktiv die Geschlechtervielfalt und Inklusion von Frauen als Teil der Unternehmensstrategie.

Wo muss die Branche aus Ihrer Sicht dringend Hand anlegen? 

Es gibt jedoch immer noch Herausforderungen, insbesondere in Bezug auf den Gender Pay Gap und die Verfügbarkeit von flexiblen Arbeitsmodellen für Frauen. Hier kann die zunehmende Integration des Themas ESG (Environmental, Social, Governance) auf Unternehmensebene von Vorteil sein, indem Banken den Fokus auf die sozialen Aspekte der Unternehmen, wie Vielfalt und Inklusion am Arbeitsplatz legen. Zusätzlich können sie eine Unternehmenskultur fördern, die die Chancengleichheit von Frauen und Männern unterstützt. Dies kann zum Beispiel sein, dass Unternehmen in ihren ESG-Richtlinien und -Maßnahmen spezifische Ziele und Verpflichtungen in Bezug auf den Frauenanteil in Führungspositionen setzen. Eine ESG-orientierte Unternehmenskultur, die sich auf soziale Aspekte konzentriert, fördert automatisch eine Umgebung, in der sich Frauen sicher fühlen, ihre Karriere vorantreiben und Führungspositionen in der Finanzbranche anstreben können.

In einigen Bereichen müssen Finanzdienstleister dringend ihre Personallücken schließen - das reicht von der IT, über die Compliance bis zur Markt- und Anlageexpertise. Kann es sein, dass sich Frauen von diesen Positionen erst gar nicht angesprochen fühlen oder sich die Verantwortung nicht zutrauen?

Die Tatsache, dass sich weniger Frauen auf offene Stellen im Finanzsektor und anderen Wirtschaftszweigen bewerben, ist ein drängendes Thema. Diesen Trend beobachten wir bei uns auch. Meiner Ansicht nach spielen dabei zwei miteinander zusammenhängende Aspekte eine entscheidende Rolle: Zum einen unterscheiden sich Frauen und Männer in Bezug auf Selbstbewusstsein und Selbsteinschätzung. Frauen achten oft penibel auf die Passgenauigkeit der ausgeschriebenen Stellen und bewerben sich im Zweifel erst gar nicht. Männer überschätzen sich hingegen häufig. 

Was heißt das zum Beispiel in Bezug auf konkrete Stellenausschreibungen?

Dort können Begriffe und Sprachmuster unbewusst dazu beitragen, Frauen von Jobs auszuschließen, obwohl sie für die Stellen qualifiziert wären. Mehrere Forschungsergebnisse der Sozialstudien haben gezeigt, dass Stellenanzeigen, die eine größere Anzahl von "maskulinen" oder stereotypischen männlichen Begriffen enthalten - zum Beispiel "selbstständig", "analytisch" oder "durchsetzungsstark" - Frauen weniger ansprechen. Es ist daher also wichtig, dass Arbeitgeber darauf achten, ihre Stellenanzeigen so zu formulieren, dass sie sowohl männliche als auch weibliche Kandidaten ansprechen. Sie sollten vermeiden, stereotype Geschlechterrollen zu verfestigen und stattdessen eine Sprache verwenden, die neutral und inklusiv ist. Außerdem sollten Unternehmen Frauen ermutigen, sich auf Positionen zu bewerben, für die sie möglicherweise nicht alle Anforderungen erfüllen.

Wie müssen sich Banken und Finanzdienstleister aufstellen, damit sich nicht nur mehr Frauen bewerben, sondern sich auch stärker auf bislang von Männern dominierte Bereiche fokussieren?

Ich persönlich habe das Verhältnis zwischen Frauen und Männern in den relevanten Berufsstudiengängen als ziemlich ausgeglichen wahrgenommen. Dennoch entschieden sich nur wenige meiner Studienkolleginnen für eine Karriere in der Finanzbranche. Die Finanzindustrie leidet einerseits unter einem Imageproblem, das durch reißerische Medienberichte und Hollywood- Produktionen wie zum Beispiel "The Wolf of Wall Street" oder jüngst "Bad Banks" verstärkt wird. Andererseits können auch mangelnde Sichtbarkeit von Frauen in Führungspositionen und der Mangel an weiblichen Vorbildern dazu führen, dass Frauen sich nicht ausreichend repräsentiert fühlen und deshalb daran zweifeln, in diesen Bereichen erfolgreich zu sein. Um mehr Frauen als Nachwuchskräfte zu gewinnen, müssen Recruiter gezielt auf Frauen zugehen und ihnen die verschiedenen Karrierewege in der Branche aufzeigen. Zudem sollten Stereotype bezüglich der Unternehmenskultur und Anstellungsbedingungen in direkten Gesprächen differenziert dargestellt werden.

Wie können Politik und Wirtschaft dafür sorgen, dass es mehr weiblichen Nachwuchs in strategisch wichtigen Wirtschaftsbereichen gibt? In anderen Ländern scheint das deutlich besser zu funktionieren – etwa in den skandinavischen oder baltischen Staaten.

Das ist natürlich eine komplexe Angelegenheit. Ein wichtiger Hebel ist sicherlich die Attraktivität von technischen bzw. von Männern dominierten Bereichen bereits früh in der Ausbildung zu erhöhen. Die Finanzbranche ist hier nur ein Beispiel. Auch in naturwissenschaftlichen Studiengängen - oder generell in sogenannten MINT-Fächern Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik - sind noch immer mehrheitlich Männer vertreten. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, insbesondere denke ich hier an vollumfängliche Möglichkeiten der Kundenbetreuung sowie die Förderung der flexiblen Arbeitsmodelle. Wirtschaft und Politik müssen besonders hier gemeinsam gute Lösungen finden, gezielt auf die Bedürfnisse und Anforderungen von Frauen eingehen und Maßnahmen ergreifen, die eine tatsächliche Veränderung bewirken. 

Was raten Sie jungen Frauen, die sich für eine Ausbildung oder ein Studium entscheiden, dass sie auch in die Finanzbranche führen kann? Gibt es aus Ihrer Sicht besondere Eigenschaften, die beim Aufstieg in der Finanzwelt besonders helfen? 

An all die jungen Frauen, die noch dabei sind, ihre Karrierewege zu planen, möchte ich gerne folgenden Rat geben: Seid mutig und zeigt euch! Nutzt die Gelegenheit während eures Studiums, um möglichst viele verschiedene Bereiche innerhalb der Finanzbranche zu erkunden. Das hilft, eigene Stärken und Interessen zu identifizieren. Nur so kann man herausfinden, welcher Bereich einen wirklich begeistert und wo man sein volles Potenzial entfalten kann. Arbeitet dabei an eurem Selbstvertrauen, um den Schritt in eine bisher männerdominierte Branche zu wagen. Lasst euch dabei nicht von Stereotypen oder Vorurteilen entmutigen, sondern konzentriert euch auf eure eigenen Fähigkeiten und Leistungen!

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