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27.11.2023 | Klimaschutz | Schwerpunkt | Online-Artikel

Unternehmen investieren mehr in den Klimaschutz

verfasst von: Angelika Breinich-Schilly

6:30 Min. Lesedauer

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Die deutsche Wirtschaft hat 2022 ihre Klimaschutzinvestitionen deutlich gesteigert. Doch der Weg zur Klimaneutralität ist noch weit, sagen KfW-Experten. Bessere Rahmen- und Finanzierungsbedingungen müssen her - vor allem für den Mittelstand.

Bei fast zwei Drittel der Betriebe in Deutschland gehört der Klimaschutz zumindest teilweise zur Unternehmensstrategie. Das sind zehn Prozent mehr als im Jahr 2021. Wie die Förderbank KfW in ihrem aktuellen Klimabarometer zeigt, hat der Mittelstand in diesem Bereich gegenüber den Großunternehmen aufholen können. Letztere hatten bereits im vergangenen Jahr ein deutlich höheres Aktivitätsniveau an den Tag gelegt. 

Klimaschutzstrategien noch ausbaufähig

Es besteht allerdings noch Luft nach oben bei der Operationalisierung der Klimaschutzstrategien in konkreten Plänen der Unternehmen zur Treibhausgasminderung. Rund 70 Prozent der Unternehmen haben bislang keine konkreten Pläne entwickelt, dies betrifft vor allem kleine und mittlere Unternehmen", heißt es in dem im November veröffentlichten Report. 

Für die Erhebung hat die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) Daten aus dem KfW-Mittelstandspanel analysiert. Dieses wird seit dem Jahr 2003 als schriftliche Wiederholungsbefragung der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) in Deutschland mit einem Umsatz von bis zu 500 Millionen im Jahr durchgeführt. Die Datenbasis umfasst bis zu 15.000 Betriebe pro Jahr und dienst dem Institut als zentrale Quelle für mittelstandsrelevante Fragestellungen. In der aktuellen Welle haben sich laut KfW insgesamt 11.328 mittelständische Unternehmen beteiligt.

Jeder siebte Euro für den Klimaschutz

Auch wenn nur 15 Prozent der Firmen, darunter meist größere Betriebe, ein eigenes Klimaneutralitätsziel haben, sind die Investitionen in den inländischen Klimaschutz 2022 nominal um fast ein Drittel (31 Prozent) auf insgesamt 72 Milliarden Euro geklettert. Selbst unter Berücksichtigung der Inflation beträgt das Plus noch immer 18 Prozent, betonen die KfW-Ökonomen.

Insgesamt floss in vergangenen Jahr etwa jeder siebte Euro (15 Prozent) der Investitionen des Unternehmenssektors in den Klimaschutz. Darunter subsumieren die KfW-Experten Investitionen in Maßnahmen zur Vermeidung oder Verminderung von Treibhausgasemissionen im jeweiligen Betrieb, wobei der Klimaschutz "nicht zwingend oberste Priorität gehabt haben muss".

Teure Energie macht Klimaschutz attraktiv

Treiber dieser Entwicklung war den KfW-Experten zufolge vor allem die Teuerung bei den Preisen für Energie. Diese habe Investitionen in die Energieeffizienz und die Nutzung erneuerbarer Energien attraktiver gemacht. "Aber auch Vorzieheffekte aufgrund der sich abzeichnenden Fremdkapitalverteuerung und steigender Investitionsgüterpreise dürften vor allem in der ersten Jahreshälfte 2022 der Investitionstätigkeit einen Schub verliehen haben", heißt es weiter. 

Im Detail floss Kapital vor allem in klimafreundliche Mobilität, den Ausbau erneuerbarer Energien und in energieeffiziente Bestandsgebäude. Dabei teilen sich die Investitionen je zur Hälfte auf den Mittelstand und Großunternehmen auf.

Mammutaufgabe für den Mittelstand

Allerdings stellt der Klimaschutz gerade den Mittelstand vor eine Mammutaufgabe, wie die beiden Springer-Autorinnen Antonia Thiele und Yvonne Zwick im Buch "Klimaneutralität in der Industrie" erläutern: 

Da die meisten KMU Kleinstunternehmen sind haben sie meist nicht das Kapital und die personellen Kapazitäten, die strategischen Schwachstellen im Unternehmen aufzudecken und Energie- und Ressourceneinsparpotenziale durch entsprechende Investitionen zu heben. Dies ist ein Hemmnis, da für die kleinen Betriebe das Tagesgeschäft und die Einhaltung von Aufträgen hinreichend anspruchsvoll angesichts knapper Ressourcen ist."

Klassische Bankdarlehen als Mittel der Wahl

So stemmt die Mehrheit der KMU ihre Klimainvestitionen auch nicht aus Bordmitteln, sondern über eine Förderung oder durch klassische Bankdarlehen. Während neun von zehn Großunternehmen (91 Prozent) genug finanzielle Reserven für diese Aufgaben haben, hat die Kreditfinanzierung im Mittelstand hat im Vorjahresvergleich an Bedeutung gewonnen, zeigen die Zahlen der KfW.

"Das Gesamtvolumen der im Jahr 2022 für Klimaschutzinvestitionen eingesetzten Kredite von Banken und Sparkassen (inklusive Kontokorrentkredite oder Dispokredite) über alle Größenklassen hinweg lag bei rund zwölf Milliarden Euro", haben die Studienautoren ermittelt. Bei Banken und Sparkassen erfordert diese Entwicklung den Aufbau adäquater Fachkenntnisse zu Klima- und Umweltrisiken: 

Dieser Wissensaufbau muss sich jedoch nicht nur in den obersten Gremien, sondern in sämtlichen Strukturen niederschlagen. Dies gelingt einerseits über eine Stärkung des regulatorischen Rahmens, der die Akteurinnen und Akteure zu einer tiefgehenden Auseinandersetzung mit diesen Fragen zwingt. Anderseits braucht es neue Kapazitäten und Kompetenzen in den Häusern damit Transformationsperformance und -aktivitäten in der Realwirtschaft auf wissenschaftsbasierter Transformationspfade eingeschätzt werden können", schreiben hierzu Vanessa Bolmer und David Knewitz im Buchkapitel "Kohle für den Klimaschutz". 

Stetiger Dialog mit den Stakeholdern

Denn, so stellt die KfW in ihrem Report fest, "Klimaneutralität erfordert weiterhin deutliche Mehrinvestitionen". Zum Investitionsbedarf des privaten Unternehmenssektors, der bis Mitte des Jahrhunderts auf durchschnittlich rund 120 Milliarden Euro jährlich geschätzt wird, klafft noch eine enorme Lücke. Auf diese Summe wird die Wirtschaft ohne finanzielle Mittel aus Bankkrediten nicht kommen. 

Dabei gehen Bolmer und Knewitz davon aus, dass sich Unternehmen und die Finanzbranche auf ihrem Transformationspfad in ständigem Austausch stehen: "Ob strukturierte Unternehmensdialoge, das Einbringen oder Unterstützen von Shareholder Resolutionen oder strategisches Voting - jedes Instrument zählt und sollte bewusst eingesetzt werden."

Dabei berufen sich die Springer-Autoren unter anderem auf eine Studie der Boston Consulting Group aus dem Jahr 2021, die solche, für aktivistische Investoren typische Bemühungen bei vielen Stakeholdern feststellen: "Insbesondere Aktionäre, passive Anleger oder ETF-Anbieter werden aktiver in den Dialog mit Unternehmen treten und ihre Interessen zu Umwelt-, Sozial- und Governance- sowie zu strategischen Themen kundtun."

Klimaschutz muss wirtschaftlich sein

Doch bis dahin bleibt noch viel zu tun. Unter anderem müssen Investitionshürden aus dem Weg geräumt werden. Neben den fehlenden finanziellen Ressourcen ist das drängendste Hemmnis laut der KfW-Experten die Unsicherheit über die Wirtschaftlichkeit der Klimaschutzinvestitionen.

Nur solche Unternehmen, die sich glaubwürdige Klimaziele gesetzt haben und ihren eigenen wissenschaftsbasierten Transformationspfad zur Klimaneutralität kennen wissen, welches die Kernaktivitäten für die Emissionsminderung sind und an welcher Stelle das Management reduzierende Maßnahmen ergreifen muss. Um beurteilen zu können, ob ein Unternehmen auf einem guten Weg in Richtung Paris-Kompatibilität ist, braucht es außerdem entsprechende Kompetenz und Vergleichsmöglichkeiten", bringen es Bolmer und Knewitz auf den Punkt. 

Plattform für Nachhaltigkeitsdaten

Da Standards für Berechnungen, Messmethoden und deren Art des Ausweises bislang fehlen, braucht es den Springer-Autoren zufolge eine Plattform, die all diese Daten zusammenführt. "Die EU-Kommission schlägt einen European Single Access Point vor. Das soll eine zentrale Plattform sein, die öffentlich zugängliche Nachhaltigkeitsdaten aufbereitet, verfügbar macht und damit eine für die Begleitung der Transformation notwendige Dateninfrastruktur etablieren kann."

Notwendig ist aber auch, dass Unternehmen Nachhaltigkeits- sowie Klimaneutralitätsziele in ihren Organisationen etablieren. "Je stärker das Thema Nachhaltigkeit in ein allgemeines Unternehmensleitbild und eine Unternehmensstrategie eingebunden ist, desto eher wird sie als Bestandteil des organisationalen Handelns verstanden und nicht als zusätzliches Thema, dass "on top" gesetzt wird", führt Springer-Autorin Regina Osranek aus. 

Nachhaltigkeit zum Leitbild machen

Zwar stammen ihre Empfehlungen für die praktische Umsetzung aus dem Jahr 2017, doch sie haben auch heute noch nichts an Aktualität verloren: 

Für die Umsetzung [...] müssen in einer Organisation zahlreiche Akteure mit unterschiedlichen Funktionen und Zuständigkeiten einen Beitrag leisten: Dies sind neben der obersten Unternehmensleitung vor allem Führungskräfte als weitere Funktionsträger der Personalführung, NachhaltigkeitsVerantwortliche sowie Vertreter der Organisationsentwicklung und des Personalmanagements."

Sind die genannten Funktionen und Verantwortlichkeiten aufgrund mangelnder Größe des Betriebs nicht oder nicht ausreichend vorhanden, müssen die hier beschriebenen Aufgaben gegebenenfalls von anderen Personen übernommen oder neue Funktionen geschaffen werden, rät die Autorin. Die konkrete Ausgestaltung mit einzelnen Zielen und Maßnahmen könne dann "auf jeder Hierarchieebene verschiedenen Akteuren überlassen werden" - je nach organisationalem Anspruch an die Einbindung nachgeordneter Ebenen.

Politik muss geeigneten Rahmen setzen

Schließlich richten die KfW-Ökonomen in ihrem Report auf Forderungen in Richtung der Politik. Sie plädieren für ein "verlässliches und ansteigendes CO2-Preissignal und "die Bereitstellung eines ausreichenden Finanzierungs- und Förderahmens" als zentrale Stellschrauben. Zudem müssen Lieferschwierigkeiten bei Klimaschutztechnologien, der Fachkräftemangel sowie Informationsdefizite – insbesondere beim Mittelstand - minimiert werden. 

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