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2010 | Buch

Umwelt- und Technikkonflikte

herausgegeben von: Peter H. Feindt, Thomas Saretzki

Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften

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Über dieses Buch

Umwelt- und Technikpolitik sind durch vielfältige Konflikte und Konfliktlösungsstrategien gekennzeichnet. Diese sind zwar immer wieder diskutiert, aber noch nicht systematisch zum Gegenstand einer politikwissenschaftlichen Publikation gemacht worden. Vor diesem Hintergrund führt der hier vorgelegte Band in die konflikttheoretischen und praktischen Zusammenhänge ein, gibt einen Überblick über zentrale Umwelt- und Technikkonflikte in Deutschland, reflektiert kritisch anhand von Fallbeispielen die wichtigsten Ansätze zur Konfliktvermittlung bei Umwelt- und Technikkonflikten und macht dabei die Vielfalt der politikwissenschaftlichen Ansätze in diesem Forschungsfeld sichtbar.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Umwelt- und Technikkonflikte in Deutschland zu Beginn des 21. Jahrhunderts – Bestandsaufnahme und Perspektiven

Umwelt- und Technikkonflikte in Deutschland zu Beginn des 21. Jahrhunderts – Bestandsaufnahme und Perspektiven
Zusammenfassung
Umwelt- und Technologiepolitik erscheinen in der öffentlichen und politikwissenschaftlichen Wahrnehmung mitunter als Refugien einer kooperativen, konsensorientierten Politik. Begriffe wie Umwelt-Governance (Young 1997; Weale et al. 2000; Jordan et al. 2003), Technologienetzwerk (kritisch: Dolata 2001; BMBF 2005), lokale Nachhaltigkeitsnetzwerke (Geißel 2007) und Umweltmediation (Weidner 1996; Zilleßen 1998; Geis 2005) signalisieren, dass in diesen beiden Politikfeldern wichtige Innovationen im Hinblick auf eine Modernisierung der Politik stattfinden, die auf die Einbeziehung einer großen Bandbreite von Interessen und auf die Bildung von Akzeptanz, Kooperation und Konsens angelegt sind. Der Schutz öffentlicher Umweltgüter und der wissenschaftlich-technische Fortschritt scheinen zunächst einmal wenig konfliktäre Gegenstände zu sein. Die Problemlagen liegen auf den ersten Blick vor allem in der Überwindung von Trittbrettfahrerproblemen und der Stabilisierung von Kooperation: Wer zahlt für Umweltschutzmaßnahmen und technische Innovationen, die allen zugute kommen? Wie werden Nutzen und Lasten gerecht verteilt? Welche politischen Instrumente können Verhaltensänderungen und Innovationen stimulieren? Die Forschung hat sich vor allem auf die politischen und institutionellen Antworten auf Umwelt- und Technikprobleme konzentriert. Auf diese Weise konnte gezeigt werden, dass etwa die Umweltpolitik zu den Vorreitern einer umfassenden Modernisierung der Politik und der Staatstätigkeit gehört (Jacob et al. 2007). Auch die Debatte über neue, v.a. informationelle und anreizbasierte politische Instrumente ist wesentlich aus der Umweltund Technikpolitik angeregt worden (Canzler/Dierkes 2001; Jordan et al. 2007).
Peter H. Feindt

Konflikttheoretische und praktische Zusammenhänge

Frontmatter
Umwelt- und Technikkonflikte: Theorien, Fragestellungen, Forschungsperspektiven
Zusammenfassung
In der Umwelt- und Technologiepolitik ist immer wieder viel von Konsens die Rede. Diese verbreitete Konsensrhetorik verdankt ihre Konjunkturen allerdings oft dem mehr oder weniger langen Schatten eines vergangenen oder drohenden Konflikts. Im historischen Rückblick zeigt sich rasch, dass die politische Entwicklung in der Umwelt- und Technologiepolitik nicht konfliktfrei verlaufen ist. Vielmehr sind in beiden Politikfeldern seit den 1970er Jahren teilweise heftige Konflikte zu verzeichnen. Diese drohten in einigen Fällen (wie der Kerntechnik) so weit zu eskalieren, dass die Grenzen des etablierten Konfliktregelungssystems demokratischer Rechtsstaaten erreicht schienen und die Suche nach neuen Formen einer demokratischen Konfliktbearbeitung und -regelung einsetzte. Diese Konflikte und Konfliktlösungsstrategien wurden von der politikwissenschaftlichen Umwelt- und Technikforschung zwar aufmerksam registriert und in vielen Einzelstudien auf differenzierte Weise untersucht. Ihre Analyse und Bewertung ist aber bisher noch nicht systematisch zum Gegenstand einer politikwissenschaftlichen Diskussion geworden, in der die Frage nach politikfeldbezogenen Konflikten über die Vielzahl unterschiedlicher Umweltprobleme und Technisierungsprozesse hinweg ins Zentrum der Analyse gestellt wurde. Vielmehr dominieren in den Policy-Analysen zur Umwelt- und Technologiepolitik gegenwärtig eher Beiträge, die sich unmittelbar an einer effizienzorientierten Steuerungs- oder Governanceperspektive ausrichten. Die Frage nach den Konflikten, die Ursache oder Folge dieser Steuerungsbemühungen sind oder sein könnten, bleibt dabei eher im Hintergrund. Policy- Analyse und Konfliktforschung stehen so auch im Bereich der Umwelt- und Technologiepolitik oft noch relativ unvermittelt nebeneinander.
Thomas Saretzki
Wie beliebig ist der Umgang mit politischen Konflikten im Raum der strategischen Energie- und Umweltpolitik?
Zusammenfassung
Die Fragestellung der politikwissenschaftlichen Tagung, auf die alle Beiträge dieses Buches zurückgehen, war für die politische Praxis so interessant, wie wir uns vorstellen können, dass unsere politische Praxis durch politikwissenschaftliche Arbeiten und deren Vermittlung besser möglich ist als ohne sie. Es liegt mir fern, das Aufgabenfeld der Politikwissenschaft auf diese aktuelle praktische Funktion zu reduzieren. Wohl kann ich mir keine Politikwissenschaft vorstellen, die mit ihrer ratio essendi nicht immer auch Möglichkeitswissen über den aktuell anzustrebenden Umgang mit dem Politischen erarbeiten und vermitteln wollte. Wenn ich dieses Aufgabenverständnis der Politikwissenschaft nicht voraussetzen dürfte, wüsste ich nicht, wie ich die Disziplin adressieren sollte.
Reinhard Ueberhorst

Konfliktfelder der Umwelt- und Technikpolitik

Frontmatter
Der endlose Streit um die Atomenergie. Konfliktsoziologische Untersuchung einer dauerhaften Auseinandersetzung
Zusammenfassung
Wenn heute in Deutschland von Umweltbewegung die Rede ist, dann sind die ersten Assoziationen die prominenteste Organisation der Bewegung, Greenpeace, und das wichtigste Thema der Bewegung, der Widerstand gegen die Atomenergie. In keinem anderen Land wird die Umweltbewegung so durch den Konflikt um die zivile Nutzung der Kernenergie geprägt wie in Deutschland. Andere Themen der Umweltbewegung kamen und gingen: Wasserschutz, Tempolimit, Waldsterben, Biodiversität, Klimaschutz. Die Atomenergie war dagegen in der Vergangenheit ein Thema, das immer wieder zu großen, oft auch vergleichsweise radikalen Protesten Anlass gab. Die Ausdauer, mit der um die Atomenergie intensiv gestritten wurde und wird, ist erstaunlich – also erklärungsbedürftig. Es gibt wenige Themen, zu denen ähnlich anhaltend mobilisiert wurde, und es gibt kein anderes Land, in dem sich der Streit um die Atomenergie über so lange Zeit hinzog.
Jochen Roose
Reflexive Wissenspolitik: die Bewältigung von (Nicht-) Wissenskonflikten als institutionenpolitische Herausforderung
Zusammenfassung
Wissen garantiert Innovation. Wissen stiftet Frieden. Die Erzeugung von Wissen ist die Urform eines demokratischen Prozesses. Wissenschaftliches Wissen erhielt in modernen Gesellschaften aufgrund seines Status als methodisch gesichertes experimentelles Wissen eine Vielfalt von gesellschaftlichen Funktionen zugewiesen. Es trug zu einer enormen Steigerung technischer Innovationen, ökonomischer Wertschöpfung und gesellschaftlicher Wohlfahrt bei. Und je erfolgreicher sich Wissenschaft entwickelte umso weit gespannter wurden die sozialen Erwartungen an eben dieses Wissen. Die mit der Erzeugung wissenschaftlichen Wissens schon immer verbundenen Konflikte konnten durch eine institutionelle Trennung zwischen Wissenschaft und Gesellschaft bewältigt werden. Denn die Sonderstellung der Wissenschaft qua Forschungsfreiheit war der Garant für die Erzeugung eines Wissens, das sich allen gesellschaftlichen Bindungen entsagte, allein der unvoreingenommenen Wahrheitsfindung verpflichtet war und damit unangefochtene Legitimationskraft besaß. So garantiert(e) in modernen Gesellschaften die Sonderstellung wissenschaftlichen Wissens die Befriedung jedweder Art von Wissenskonflikten.
Stefan Böschen
Konflikte um verrückte Kühe? Risiko- und Interessenkonflikte am Beispiel der europäischen BSE-Politik
Zusammenfassung
Wissenschaftliches Wissen – insbesondere in seiner naturwissenschaftlichen Form – spielt bei vielen Umwelt- und Technikkonflikten in den modernen westlichen Demokratien eine herausragende Rolle. Dies gilt vor allem für Konflikte um Risiken, die sich einer unmittelbar sinnlichen Wahrnehmung entziehen. Ob Gentechnik, FCKW oder BSE – stets wird dabei auf Modelle, Theorien oder Hypothesen aus den Naturwissenschaften zurückgegriffen. Prima facie ist der Einfluss von naturwissenschaftlichem Wissen auf die Regulierung von Risiken evident: Ohne die Risikohypothesen und daran anschließende empirische Nachweisverfahren aus den Naturwissenschaften würden weder Politik noch Öffentlichkeit über horizontalen Gentransfer, Ozonloch oder die neue Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit diskutieren und es gäbe insofern auch keine Konflikte. Auch in denjenigen Fällen, in denen ein Risikoverdacht zuerst in anderen gesellschaftlichen Subsystemen formuliert wurde, wurde meist zu einem späteren Zeitpunkt auf wissenschaftliches Wissen zurückgegriffen; sei es um den Verdacht zu erhärten, zu widerlegen oder auch nur um das Risiko neu zu definieren. Der Einfluss von (natur-)wissenschaftlichem Wissen auf derartige Risikokonflikte ist deutlich erkennbar, und es erscheint daher gerechtfertigt, das Augenmerk gerade auf diese Wissensform und ihre Rolle bei der Regulierung von Risiken zu legen.
Robert Fischer
Der Konflikt um die Grüne Gentechnik und seine regulative Rahmung. Frames, Gates und die Veränderung der europäischen Politik zur Grünen Gentechnik
Zusammenfassung
Die Einführung von neuen Techniken ist nicht erst seit der Spätmoderne paradigmatischer Auslöser und Gegenstand von gesellschaftlichen Konflikten. Bereits im 18. und 19. Jahrhundert hatte die Mechanisierung der Textilindustrie zu heftigen, teilweise gewalttätigen gesellschaftlichen Auseinandersetzungen geführt (Randall 1995), die den eingeschlagenen Pfad der Technisierung und Industrialisierung nicht in Frage stellen konnten. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden Konflikte um die Einführung neuer Technologien dagegen als Ausdruck eines zumindest von Teilen der Gesellschaft als problematisch empfundenen gesellschaftlichen Wandels verstanden. Beispiele sind die Auseinandersetzung um die Kernenergie, die Kontroverse um die Einführung moderner I&K-Technologien in den 1980er Jahren und der bis heute andauernde Kampf um die Grüne Gentechnik. Dabei waren und sind derartige Technikkonflikte nicht nur gesellschaftliche Kontroversen um Interessen und Weltbilder, sondern auch politische Auseinandersetzungen, bei denen es wesentlich um die Implementierung verbindlicher Regeln geht.
Jürgen Hampel, Helge Torgersen
Ein lokaler Umweltkonflikt in Latenz: grüne Gentechnik und Entwicklungspfade der Pflanzenbiotechnologie
Zusammenfassung
Die beiden Leitfragen dieses Beitrags sind, ob und in welcher Form gesellschaftliche Kontroversen um die grüne Gentechnik in Deutschland Entwicklungspfade und -muster der Pflanzenbiotechnologie in dem Innovationsverbund InnoPlanta in Nordharz/Börde beeinfluss(t)en, und weshalb es zu keinem Umwelt- und Technikkonflikt vor Ort kam. Außerdem wird abschließend nach den Möglichkeiten und Grenzen der Verallgemeinerbarkeit dieses Falls auf Umwelt- und Technikkonflikte in der Pflanzenbiotechnologie gefragt. Seine empirische Basis ist eine 2004 abgeschlossene sozialwissenschaftliche Begleitstudie über Optionen und Restriktionen ebendieses Innovationsnetzwerks (vgl. Conrad 2005).
Jobst Conrad
Konflikte um die Offshore-Windkraftnutzung – eine neue Konstellation der gesellschaftlichen Auseinandersetzung um Ökologie
Zusammenfassung
An der Windenergienutzung scheiden sich die Geister. Für die einen zählt sie zu den tragenden Säulen einer unter Umwelt- und Klimaschutzgesichtspunkten unabdingbaren Energiewendepolitik sowie zu einem inzwischen relevanten Wirtschafts- und Arbeitsmarktfaktor. Für andere manifestiert sich in der gesetzlichen Förderung der Stromerzeugung aus Windenergie eine politische Fehlsteuerung, die, so der Einwand, nicht nur volkswirtschaftlich bedenklich sei, sondern infolge der Errichtung vieler Tausend Windkraftanlagen längst auch zu erheblichen Beeinträchtigungen beim Landschafts- und Naturschutz geführt habe. Die Kontroverse wird auch auf bundespolitischer Ebene ausgetragen (etwa im Bundestagswahlkampf 2005), insofern es in der FDP und in Teilen der CDU Kritik an dem geltenden Einspeisevergütungsmodell für Windstrom und Präferenzen für eine stärker marktwirtschaftlich ausgerichtete Regulierung gibt.
Rüdiger Mautz
Windenergienutzung in Deutschland im dynamischen Wandel von Konfliktkonstellationen und Konflikttypen
Zusammenfassung
Die Entwicklung der Windenergie in Deutschland ist durch eine bemerkenswerte Dynamik gekennzeichnet. Jedoch verlief die Entwicklung nicht linear. Sie wurde begleitet durch eine phasenweise Transformation vielschichtiger Umwelt- und Technikkonflikte, die eingebettet sind in sich immer wieder neu konstituierende Konfliktkonstellationen. Sie ist eng gekoppelt an die Debatte um die künftige Energieversorgung: Die nukleare Energieversorgung ist riskant, die Ölpreise steigen, die fossilen Ressourcen sind endlich und es gibt immer neue Konflikte um die vorhandenen Öl- und Gasreserven. Das besondere Charakteristikum der Windenergie stellt ihre Rolle einerseits als Konfliktlösungsmittel dar – als Technologie zur Verhinderung eines fortschreitenden Klimawandels – und andererseits ist sie selbst Gegenstand von Macht-, Strategie- und Interessenskonflikten.
Dörte Ohlhorst, Susanne Schön
Politiksektoren als Determinanten von Umweltkonflikten am Beispiel invasiver gebietsfremder Arten
Zusammenfassung
Ein zentraler Grund für Umsetzungsdefizite im Umweltschutz liegt in der mangelnden Integration in andere Sektorpolitiken (SRU 2004). Aufgrund des Querschnittscharakters von Umweltpolitik ist ihr Erfolg wesentlich davon abhängig, dass die umweltpolitischen Ziele in anderen Sektoren, die Umweltressourcen nutzen und potenzielle Verursacher von Umweltschäden sind, umgesetzt werden. Umweltpolitik steht somit im Spannungsfeld vielfältiger Konflikte mit anderen Sektoren, in denen der Schutz der Umwelt untergeordnete Bedeutung hat. Der Konfliktregelung in und zwischen Politiksektoren kommt daher eine Schlüsselstellung für den Erfolg oder Misserfolg von Umweltpolitik zu.
Christiane Hubo, Max Krott
Konflikte um die Global Governance biologischer Vielfalt. Eine historisch-materialistische Perspektive
Zusammenfassung
Das Konfliktfeld des Schutzes bzw. Erhalts und der Aneignung biologischer Vielfalt steht exemplarisch für die Entwicklungen einer Global Environmental Governance. Dabei hängt es nicht zuletzt von theoretischen Vorannahmen ab, wo Konflikte, Kooperationen, Konsense und Kompromisse je konkret identifiziert und in welches Verhältnis sie zueinander gesetzt werden. Dominant sind in den Forschungen und Policy-Papieren zu internationaler Umweltpolitik die Möglichkeiten und Bedingungen von Kooperation und Konsens. Im politischen Prozess selbst spielen zudem Kompromisse eine wichtige Rolle. Es wird übergreifend nach Konstellationen gesucht, in denen verschiedene Akteure und die Natur (im Sinne ihres Schutzes oder ihrer nachhaltigen Nutzung) gewinnen. Man könnte hier von “win-win-win-Konstellationen“ sprechen. Konflikte werden eher als störend empfunden und zuvorderst als unmittelbare politische Konflikte angenommen, die durch Argumentieren oder Verhandeln überwunden werden können. Politikwissenschaftlich zeigt sich das an der Dominanz der Regimetheorie zumindest in der englisch- und deutschsprachigen Diskussion.
Ulrich Brand

Konfliktvermittlung bei Umwelt- und Technikkonflikten

Frontmatter
Beteiligungsverfahren zwischen Politikberatung und Konfliktregelung: Die Frankfurter Flughafen-Mediation
Zusammenfassung
Der Frankfurter Flughafen soll 2011 im Zuge eines großen Ausbauprogramms eine vierte Landebahn erhalten. Mit dem Ausbau wäre dann eine mehr als zehnjährige Kontroverse vorläufig zum Abschluss gelangt, in der ein viel beachtetes „Mediationsverfahren“ eine zentrale Rolle gespielt hat. Dass mit der vierten Bahn der Expansionsbedarf des siebtgrößten Flughafens der Welt ein für allemal befriedigt wäre, stünde indes nicht zu erwarten. Der Luftverkehrsbranche werden langfristig Wachstumsprognosen gestellt, die bei Eintritt den Konflikt zwischen Anrainern und Flughafen im Rhein-Main-Gebiet zum unlösbaren Dauerkonflikt machen würden. Seit den 1960er Jahren wird dieser traditionelle Konflikt zwischen Ökologie und Ökonomie immer wieder manifest, geändert haben sich jedoch die politischen Strategien der Konfliktbearbeitung. Wurde der Massenprotest der Bürger gegen die Startbahn West in den 1970/80er Jahren nach jahrelangen Auseinandersetzungen mit Hilfe staatlicher Gewalt ‚erstickt‘, so griff die Hessische Landesregierung Ende der 1990er Jahre zu einem Dialogverfahren, das alle Konfliktparteien frühzeitig an dem Entscheidungsprozess beteiligen sollte. Am Beispiel des Frankfurter Flughafens lässt sich sehr gut beobachten, dass bei der Bearbeitung von Umwelt- und Technikkonflikten politische Entscheidungsträger zunehmend auf Partizipation und Dialog setzen (Feindt 2001; Abels/Bora 2004; Bogner/Torgersen 2005). Gerade auch bei Flughafenerweiterungen sind in den letzten Jahren mehrfach partizipative Verfahren erprobt worden.
Anna Geis
Kooperatives Konfliktmanagement für Mobilfunksendeanlagen
Zusammenfassung
Das mobile Telefonieren wird nicht nur im geschäftlichen, sondern auch im privaten Bereich immer mehr zum Bestandteil des täglichen Lebens. Bereits im Jahr 2000 hat die Zahl der Mobilfunkteilnehmer die Zahl der Festnetzanschlüsse übertroffen. Die ständig wachsende Zahl der Mobilfunknutzer macht allerdings auch einen steten Ausbau des Netzes notwendig. Derzeit gibt es rund 50.000 Mobilfunksendeanlagen in Deutschland. Mit dem Erwerb der UMTS-Lizenzen haben sich die Netzbetreiber verpflichtet, bis Ende 2003 für mindestens 25 Prozent der Bevölkerung und bis 2005 für 50 Prozent einen Empfang mit UMTS-Netz zu ermöglichen. Für den UMTS-Ausbau ist mittelfristig eine Verdoppelung der Sendestandorte zu erwarten. Tendenziell ist der Widerstand gegen die Errichtung von Mobilfunkanlagen in den letzten Jahren trotz nachweisbar verbesserter Kommunikationsprozesse nicht wesentlich zurückgegangen (Deutsches Institut für Urbanistik 2005).
Christina Benighaus, Hans Kastenholz, Ortwin Renn
Kooperative Bearbeitung von Wertkonflikten im Küstenschutz
Zusammenfassung
Mit den Ausdrucksmitteln der Poesie schildert Hilke Arnold in diesen Versen einen Landnutzungskonflikt im Küstenbereich. Aus den Salzwiesen im Deichvorland seien die Menschen verdrängt und sei das Land den Vögeln zur Nutzung überlassen worden. Fremde, frohlockende Naturschützer aus küstenfernen, sturmflutsicheren Großstädten und ohne jedes Verständnis für Erfordernisse des Deichbaus hätten per Gesetz und durch Instrumentalisierung von EU-Recht die Verfügungsgewalt über das Deichvorland an sich gerissen. Ein Herrschaftskonflikt zwischen Küstenbewohnern und Binnenländern?
Meinfried Striegnitz
Nanotechnologiepolitik: Die Antizipation potenzieller Umwelt- und Technikkonflikte in der Governance der Nanotechnologie
Zusammenfassung
Anfang 2006 gelingt einem ‚Nano-Unternehmen’ ein eindrucksvoller Start an der Börse: Die Neosino Nanotechnologies AG vertreibt Nahrungsergänzungsmittel mit nanopartikulären Mineralstoffen, die die Regeneration des Körpers optimieren sollen und daher besonders für Sportler angepriesen werden. Der Deutsche Sportbund empfiehlt die Mittel, der FC Bayern München wirbt für sie. Am ersten Handelstag steigt der Preis der ausgegebenen Aktien zeitweise um mehr als 70 Prozent und verdreifacht sich sogar innerhalb weniger Wochen. Im März 2006 kommt es zu negativen Schlagzeilen: Das Produkt enthält laut einem Bericht des Fernsehmagazins Panorama überhaupt keine Nanopartikel, die angebliche Produktionsstätte auf Malta existiert nicht einmal. Der Kurs fällt, bleibt jedoch oberhalb seines Ausgabewertes – trotz einer breiten negativen Berichterstattung und obwohl die Staatsanwaltschaft ermittelt.
Petra Schaper-Rinkel
Konfliktlösung durch Dissens? Bioethikkommissionen als Instrument der Bearbeitung von Wertkonflikten
Zusammenfassung
Technik- und Umweltkonflikte haben tiefe Spuren in modernen Gesellschaften hinterlassen. Greifbar wird dies nicht zuletzt in der Resonanz auf neue gesellschaftliche Selbstbeschreibungen wie die der „Risikogesellschaft“ (Beck 1986). Erst kürzlich, anlässlich des Gedenkens an den Reaktorunfall in Tschernobyl vor zwanzig Jahren, wurde noch einmal in Erinnerung gerufen, welch immense Herausforderung allein der Konflikt um die Atomkraft für etablierte Politikmuster und Institutionen in der BRD darstellte. Orte wie Whyl, Brokdorf oder Gorleben stehen für Kristallisationspunkte einer Protestbewegung, die als lokale Bürgerinitiativen begonnen hatte und – als überregionale Ökologie-Bewegung – bald einen gemeinsamen Nenner mit der Friedensbewegung fand. Hunderttausende von Menschen beteiligten sich damals an Großdemonstrationen gegen die von der Politik forcierten Nuklearprojekte (vgl. dazu den Beitrag von Roose in diesem Band).
Alexander Bogner, Wolfgang Menz
Backmatter
Metadaten
Titel
Umwelt- und Technikkonflikte
herausgegeben von
Peter H. Feindt
Thomas Saretzki
Copyright-Jahr
2010
Verlag
VS Verlag für Sozialwissenschaften
Electronic ISBN
978-3-531-92354-3
Print ISBN
978-3-531-17497-6
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-531-92354-3