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2017 | OriginalPaper | Chapter

§ 1 Vom Domänenstaat zum Steuerstaat

Author : Werner Plumpe

Published in: Staatseigentum

Publisher: Springer Berlin Heidelberg

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Zusammenfassung

Geht man von der neueren Forschung aus, finden sich Staatsbildungsprozesse im Sinne moderner Staatsdefinitionen vermehrt seit dem 17. Jahrhundert, die sich aus einer Vielzahl von Quellen speisten.1 Versteht man den Staat als Organisationsform des Politischen mit bestimmten Merkmalen wie territoriale Einheit und Souveränität, Gewaltmonopol, Besteuerungsrecht und bürokratischer, rechtsgebundener Verwaltung, dann ist seine Entstehung historisch gesehen eine große Unwahrscheinlichkeit. Und in der Tat blieb der „moderne“ Staat lange Zeit Ausdruck eines europäischen Sonderweges, dessen Entstehung und Etablierung nur historisch aufzuklären ist. Seine Wurzeln jedenfalls sind vielfältiger Art, die zudem durchaus nicht immer in die gleiche Richtung wirkten. Vielmehr ist die moderne Staatlichkeit Folge ganz unterschiedlicher Kräfte und Machtkonstellationen, deren Gegeneinanderwirken häufig für seine Form von entscheidender Bedeutung war. Auffällig ist auf jeden Fall, dass der „multipolare Prozess“2 der Staatsbildung in der frühen Neuzeit zugleich eine Zeit heftiger kriegerischer Auseinandersetzungen, sei es zwischen Obrigkeiten und Territorien, seien es Bürgerkriege, war, die in der Regel auch um Struktur, Rechte und Handlungsmöglichkeiten der sich etablierenden politischen Organisationsformen geschlagen wurden, ja nicht selten lag gerade in der Umkämpftheit seiner Ausprägung ein Grund für seine schließlich relativ rasche Etablierung, da nur sie die Möglichkeit einer Ressourcenabschöpfung eröffnete, von der der Erfolg in den genannten Kämpfe abhingen. Angesichts einer sich seit dem 14. Jahrhundert rasch wandelnden militärischen Lage konnte nur der überleben bzw. seine Souveränität behaupten, so ließe sich zugespitzt formulieren, der sich eine kostspielige militärische Infrastruktur leisten konnte.3 Deren Finanzierung überschritt sehr rasch die traditionellen Formen der fürstlichen Geldbeschaffung aus der Nutzung von Krondomänen und gelegentlichen Steuererhebungen.4 Auch die traditionell genutzte Verschuldung stieß an Grenzen, wenn der Schuldner keine geordnete Schuldenwirtschaft vorweisen konnte, was bis in die frühe Neuzeit bei der Mehrzahl der Fürstenhofe der Fall war. Eine leistungsfähige politische Organisation wurde mithin zum entscheidenden Mittel der militärischen Selbstbehauptung – und sie bedeutete vor allem die Entstehung und Etablierung einer regulären Finanzverwaltung.5 Wolfgang Reinhard geht so weit zu behaupten, „Soldat und Steuereinnehmer gemeinsam gründeten den Staat, denn Machtpolitik und Machtmittel bedingten sich gegenseitig“.6

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Footnotes
1
Grundlegend Wolfgang Reinhard, Geschichte der Staatsgewalt. Eine vergleichende Verfassungsgeschichte Europas von den Anfängen bis zur Gegenwart, 2. Aufl., München 2000.
 
2
Ronald G. Asch, Jörn Leonhard, Art. Staat, in: Enzyklopädie der Neuzeit, Bd. 12, Sp. 494-518, hier Sp. 498 f.
 
3
Geoffrey Parker, The Military Revolution 1560-1660 – a Myth?, in: Parker, Geoffrey, Spain and the Netherlands, London 1979, S. 86-103.
 
4
Marjolein ´t Hart, Art. Staatsfinanzen, in: Enzyklopädie der Neuzeit, Bd. 12, Sp. 582-590.
 
5
Ronald G. Asch, Kriegsfinanzierung, Staatsbildung und ständische Ordnung in Westeuropa im 17. und 18. Jahrhundert, in: Historische Zeitschrift 268, 1999, S. 635-671.
 
6
Reinhard, Geschichte der Staatsgewalt, S. 305.
 
7
Zur kommunalen Finanzwelt Eberhard Isenmann, Die deutsche Stadt im Mittelalter 1150-1550. Stadtgestalt, Recht, Verfassung, Stadtregiment, Kirche, Gesellschaft, Wirtschaft, Wien, Köln, Weimar 2012.
 
8
Ronald G. Asch, Jörn Leonhard, Art. Staat, in: Enzyklopädie der Neuzeit, Bd. 12, Sp. 497 f.
 
9
Reinhard, Geschichte der Staatsgewalt, S. 308.
 
10
Marjolein ´t Hart, Art. Staatsfinanzen, in: Enzyklopädie der Neuzeit, Bd. 12, Sp. 582 f.
 
11
Reinhard, Geschichte der Staatsgewalt, S. 310.
 
12
Peter Dickson, The Financial Revolution in England. A Study in the Development of Public Credit 1688-1756, London 1967.
 
13
Reinhard, Geschichte der Staatsgewalt, S. 323.
 
14
Reinhard, Geschichte der Staatsgewalt, S. 325-328.
 
15
Siehe die Beiträge in Marjolein ´t Hart, Joost Joncker, Jan Luiten van Zanden (Hg.), A Financial History of the Netherlands, Cambridge 1997.
 
16
Horst Lademacher, Geschichte der Niederlande. Politik, Verfassung, Wirtschaft, Darmstadt 1983, Kap. II.
 
17
Reinhard, Geschichte der Staatsgewalt, S. 310 f., 331 f.
 
18
Gunda Ulbricht, Finanzgeschichte Sachsens im Übergang zum konstitutionellen Staat 1763-1843, St. Katharinen 2001.
 
19
Niall Ferguson, Der Aufstieg des Geldes. Die Währung der Geschichte, Berlin 2010, S. 108-157. Vgl. auch William Goetzmann, Money Changes Everything: How Finance made Civilization possible, Princeton 2016, S. 347-362.
 
20
Reinhard, Geschichte der Staatsgewalt, S. 307.
 
21
Reinhard, Geschichte der Staatsgewalt, S. 309.
 
22
Franz Schneider, Geschichte der formellen Staatswirtschaft von Brandenburg-Preussen, Berlin 1952.
 
23
Gerold Ambrosius, Der Staat als Unternehmer: Öffentliche Wirtschaft und Kapitalismus seit dem 19. Jahrhundert, Göttingen 1984.
 
24
Dieter Ziegler, Eisenbahnen und Staat im Zeitalter der Industrialisierung. Die Eisenbahnpolitik der deutschen Staaten im Vergleich, Stuttgart 1996.
 
25
Matthias Freese, Burkhard Zeppenfeld (Hg.), Kommunen und Unternehmen im 20. Jahrhundert. Wechselwirkungen zwischen öffentlicher und privater Wirtschaft, Essen 2000. Marcus Gräser, Wohlfahrtsgesellschaft und Wohlfahrtsstaat: Bürgerliche Sozialreform und welfare state building in den USA und in Deutschland 1880-1940, Göttingen 2008.
 
26
Gerold Ambrosius, Staat und Wirtschaft im 20. Jahrhundert, München 1990, S. 66 f.
 
27
Ziegler, Eisenbahnen, S. 291 f.
 
28
Dietmar Bleidick, Die Hibernia-Affäre. Der Streit um den preußischen Staatsbergbau im Ruhrgebiet zu Beginn des 20. Jahrhunderts, Bochum 1999.
 
29
Werner Plumpe, Debatten über die Gestaltbarkeit des Kapitalismus 1900-1933. Macht und Ohnmacht der Zivilgesellschaft, in: Forschungsjournal Soziale Bewegungen 2016, Heft 3, S. 164-181.
 
30
Heiner Radzio, Unternehmen mit Energie. Aus der Geschichte der Veba, Düsseldorf 1990. Manfred Pohl, VIAG Aktiengesellschaft 1923-1998. Vom Staatsunternehmen zum internationalen Konzern, München 1998. Bernhard Stier, Johannes Laufer, Von der Preussag zur TUI. Wege und Wandlungen eines Unternehmens 1923-2003, Essen 2005.
 
31
Carl Böhret, Aktionen gegen die kalte Sozialisierung 1926-1930. Ein Beitrag zum Wirken ökonomischer Einflussverbände in der Weimarer Republik, Berlin 1966.
 
32
Ambrosius, Staat und Wirtschaft, S. 65 f. Vgl. auch Hans Staudinger, Der Staat als Unternehmer, Berlin 1932.
 
33
August Meyer, Das Syndikat. Reichswerke „Hermann Göring“, Braunschweig 1986. Vgl. auch Alexander Donges, Die Vereinigte Stahlwerke AG im Nationalsozialismus. Konzernpolitik zwischen Marktwirtschaft und Staatswirtschaft, Paderborn 2014.
 
34
Hans Mommsen, Manfred Grieger, Das Volkswagenwerk und seine Arbeiter im Dritten Reich 1933-1948, Düsseldorf 1997.
 
35
Lutz Budraß, Flugzeugindustrie und Luftrüstung in Deutschland 1918-1945, Düsseldorf 1997.
 
36
Ambrosius, Staat und Wirtschaft, S. 65 f.
 
37
John-Wesley Löwen, Die dezentrale Energiewirtschaft. Industrie, Kommunen und Staat in der westdeutschen Elektrizitätswirtschaft 1927-1957, Berlin 2015.
 
38
Ambrosius, Staat und Wirtschaft, S. 65 f.
 
Metadata
Title
§ 1 Vom Domänenstaat zum Steuerstaat
Author
Werner Plumpe
Copyright Year
2017
Publisher
Springer Berlin Heidelberg
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-662-54308-5_1