2025 — Die Versicherung der Zukunft

Nur noch ein Kundentermin steht an. Constantin Müller trinkt seine fast ausgekühlte Tasse Cappuccino aus. Vor fünf Jahren hat er sein Studium beendet. Danach hat er zwei Jahre in einem mittelgroßen Maklerbetrieb gearbeitet und sich dann selbstständig gemacht. Zusammen mit Verena Andersen und Gianna Tamesi, die er schon während des Studiums kennengelernt hatte. Seine beiden Kolleginnen, beide Anfang 30, mit denen er sich das Maklerbüro teilt, sind bei einem Firmenkunden im Gespräch und werden nicht mehr zum Büro zurückkommen. Constantin hat gerade nochmal nachgeschaut: Der Firmenwagen, mit dem die beiden unterwegs sind, ist noch auf dem Gelände des Kunden geparkt. Sie haben ihn gerade für eine Stunde für ein Car-Sharing freigegeben. Das reduziert die Kosten im Unternehmen. Und ein autonomes Auto wie das der jungen Unternehmer soll ja auch nachhaltig genutzt werden. Jedenfalls wird es rechtzeitig für den offenbar längeren Termin wieder auf dem Parkplatz warten.

Welchen Schluss können wir also für die Versicherungsbranche aus den Beispielen, die in diesem Buch beschrieben sind, ziehen? Für mich ziehe ich den Schluss, dass wir in der Assekuranz zunehmend den weiten Blick über den eigenen Tellerrand riskieren müssen, ohne dabei auf andere zu warten, die uns zu Richtungsänderungen zwingen. Andere Wirtschaftszweige machen es uns vor. Wir reden beispielsweise über Industrialisierung, schauen dabei beispielsweise auf die Automobil-Industrie, stellen fest, dass dort ständig die Prozesse verändert werden. Veränderungen sind dort an der Tagesordnung. Es wird ständig optimiert. Aber offensichtlich ist der systemimmanente Veränderungsdruck in der Assekuranz enorm schwach ausgeprägt. Zum dreißigjährigen Jubiläum des Studiengangs BWL-Versicherung an der DHBW in Karlsruhe 2009 stellte Professor Nold die provokante These zur Eröffnung der Podiumsdiskussion in den Raum: Der Treiber der Versicherungswirtschaft ist der Gesetzgeber. Die Diskussionsteilnehmer taten sich schwer, stärkere Treiber zu definieren. Wir sind getrieben. Und setzen so kaum proaktive Energien für zukunftsweisende Innovationen ein. Selbst diese Treiber genügten aber nicht: Die Digitalisierung und ihre Wirkungen, nicht zuletzt neue Geschäftsmodelle, InsureTechs, mussten hinzu kommen. Sie sind uns damals nicht bewusst gewesen. Das Phänomen InsureTechs gab es noch nicht.

Ich möchte zunächst ein paar Beispiele von Ereignissen unkommentiert aufzählen, die mir in den letzten eineinhalb Jahren begegnet sind.

Was ich in den Jahren zuvor auch an mir und in mir selbst gespürt habe, zeigt sich in eben diesen Erscheinungen, Berichten und Studien, die mir in dieser unvollständigen Auflistung begegnet sind. Also was läuft da nun schief?

Gleichzeitig ist völlig klar, dass Firmen optimale Ergebnisse erwirtschaften wollen und zum Fortbestand auch müssen. Und genau deshalb müssen diese Firmen realisieren, dass dieser Erfolg nur dann optimal eintritt, wenn Menschen und Organisationen im Mittelpunkt stehen. Das bedeutet auch, dass nicht 70 % der Investitionen in Maschinen, IT, Geschäftsprozesse fließen, sondern dass die 70 % des Erfolges, die von den Menschen kommen, auch entsprechende Investitionen in Menschen bedeuten. Der Mensch muss also, um gesund zu arbeiten und sein Optimum abliefern zu können, im Mittelpunkt stehen und nicht mehr Mittel sein. Punkt.

Die Welt und unsere gesellschaftlichen Verhältnisse, die Verhältnisse an den Arbeitsplätzen sind, so wie sie sind, stark verbesserungswürdig. Der Mensch, so wie er ist und denkt und handelt, tut sich damit offensichtlich schwer. Der Arbeitsplatz ähnelt viel zu häufig einem Hamsterrad. Wir laufen und laufen, ohne jemals anzukommen.