2018 | OriginalPaper | Chapter
Ästhetische Selbstständigkeit als urheberrechtliche Selbstständigkeit
Zur verlorenen Freiheit der freien Benutzung nach § 24 Abs. 1 UrhG
Author : Frédéric Döhl
Published in: Die Produktivität von Musikkulturen
Publisher: Springer Fachmedien Wiesbaden
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Der Beitrag beschäftigt sich mit der urheberrechtlichen Institution der sogenannten freien Benutzung. Bereits im Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der Literatur und Tonkunst (kurz: LUG), welches zwischen dem 1. Januar 1902 und dem 31. Dezember 1965 in Deutschland galt, fand sich eine derartige Regelung. In dem seit dem 1. Januar 1966 geltenden Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (kurz UrhG) ist sie in § 24 Abs. 1 normiert. Es ist eine Ausnahmeregelung. Sie erklärt die Benutzung geschützter Werke Dritter für frei, insofern die Aneignung zu einem „selbständigen Werk“ führt. Im Vorgängergesetz hatte es in § 13 Abs. 1 noch „eigenthümliche Schöpfung“ geheißen. Gemeint ist letztlich dasselbe: ästhetische Eigenständigkeit. Alle schaffen auf Basis des bereits Existierenden. Schon künstlerisches Arbeiten in Genres, Gattungen, Stilen etc. kann gar nicht anders funktionieren. Zugleich soll es Künstlern nicht erspart bleiben, eigene Leistung zu erbringen und sie sollen keinesfalls ohne eigenes Zutun von der Kreativität Dritter quasi schmarotzend profitieren. Die freie Benutzung ist also die gesetzliche Regelung, deren Zweck es ist, eine Balance zu schaffen zwischen der Idee geistigen Eigentums und der Realität kultureller Produktion. Nun wird anhand fremdreferenziellen Komponierens von Musik, das auf Sound Sampling basiert, exemplarisch deutlich, dass der faktische Anwendungsbereich des § 24 Abs. 1 UrhG durch vorgelagerte Hürden soweit reduziert worden ist, dass er kaum noch greifen kann. Der Beitrag skizziert Gründe und Folgen für musikalische Produktivität. Hierin möchte er auf diese Diagnose aufmerksam machen und dafür werben, die ursprüngliche Intention bei der Inkorporation dieser Norm wieder ernst zu nehmen: nämlich im Wege der Einzelfallentscheidung nach der ästhetischen Selbstständigkeit des vermeintlich abhängigen Werks zu fragen und dafür starre, in ihrer Unbeweglichkeit kunstferne Hürden wieder aufzugeben – um ästhetisch produktive Aneignung gegenüber bloß parasitärer zu privilegieren.