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13-09-2016 | Arbeitsrecht | Schwerpunkt | Article

Warum Beschäftigte einen Betriebsrat gründen

Author: Michaela Paefgen-Laß

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Kontrollieren, schützen, regulieren: Betriebsräte fungieren als Mittler zwischen Unternehmensführung und Belegschaft. Selbstverständlich sind sie aber längst nicht.        

Nicht mehr als fünf wahlberechtigte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer braucht es in Deutschland, um nach dem Betriebsverfassungsgesetz in Unternehmen einen Betriebsrat zur Vertretung von Arbeitnehmerinteressen gründen zu können. Gezwungen ist dazu kein Betrieb und so können sich dem aktuellen für 2015 erhobenen Betriebspanel des Nürnberger Institutes für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) 42 Prozent der westdeutschen und 33 Prozent der Ostdeutschen in der Privatwirtschaft Beschäftigten bei Konflikten an einen Betriebsrat wenden. Aus Blickwinkel der Betriebe bedeuten die Zahlen: Nur knapp ein Zehntel der betriebsratsfähigen Unternehmen in Deutschland hat auch einen. Dabei profitieren beide Seiten von der Interessenvertretung.

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Betriebsrat

Als eine der wichtigsten betrieblichen Interessenvertretungen der Arbeitnehmer sind dem Betriebsrat per Gesetz wichtige Rechte eingeräumt. Die rechtlichen Rahmenbedingungen des Betriebsrats sind im Betriebsverfassungsgesetz geregelt. Anhand des Betri

Betriebsräte kurbeln die Produktivität an

Schon zwei Jahre nach der Gründung eines Betriebsrates steigt die Produktivität der Unternehmen, wie Forscher vom Leibnitzinstitut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) im vergangenen Jahr anhand der Daten des IAB  in ihrer Studie "The Dynamic Effect of Work Councils on Labour Productivity" beweisen konnten. Die ersten beiden Jahre wirken sich noch negativ auf die Wertschöpfung pro Arbeitnehmer aus. Als Grund dafür werden Krisensituationen genannt, die eine Gründung erforderlich machten. Außerdem müssen Betriebsräte zunächst Erfahrungen sammeln und sich mit dem Management arrangieren. Danach wirkten sich vertrauensvolle Beziehungen zwischen Arbeitnehmern und ihren Chefs positiv auf die wirtschaftliche Entwicklung aus. Eine aktuelle Studie im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung zeigt jetzt, welche Faktoren die Gründung eines Betriebsrates begünstigen aber auch erschweren. 

Wie Neugründungen gelingen

Die Soziologen Ingrid Artus, Clemens Kraetsch und Silke Röbenack von der Universität Erlangen-Nürnberg haben im Auftrag der Stiftung  für "Betriebsratsgründungen. Typische Phasen, Varianten und Probleme" 54 Betriebsratsgründungen in unterschiedlichen Branchen untersucht. Diese sind in der Regel die Antwort der Belegschaft auf wirtschaftliche Krisen und häufiger noch auf langjährige Missstände. Wichtige Erfolgsfaktoren sind die Mobilisierungsdynamik innerhalb des Unternehmens – wofür es tatkräftige Sprecher braucht, sowie die Akzeptanz des Betriebsrates als legitime Vertretung aller Beschäftigten. Fazit der Studienautoren: "Die Erfolgschancen steigen, wenn es engagierte Beschäftigte, eine geschlossene Belegschaft und Unterstützung durch Gewerkschaften gibt." 

Wie Betriebsräte Angestellten helfen

"Neue Initiativen einer angestelltenorientierten Interessenvertretungspolitik" sind nach Ansicht der Springer-Autoren Thomas Haipeter und Tabea Bromberg an zwei grundlegende Prinzipien gebunden. Das erste ist die "Beteiligung aller Beschäftigten an der Interessenvertretung" (Seite 230). Das zweite Prinzip unterstützt nach der Hilfe-zur-Selbsthilfe Methode die Beschäftigten "bei der eigenständigen Wahrnehmung ihrer arbeitsbezogenen Interessen im Betrieb" (Seite 230). Aufgabe von Betriebsräten ist nach dem Verständnis der Autoren folglich, dass sie Beschäftigten Halt und Anleitung geben bei der eigenständigen Wahrnehmung und Durchsetzung ihrer Anliegen. 

Doch was bewegt Mitarbeiter, einen Betriebsrat zu gründen? Die Hans-Böckler-Studie hat fünf idealtypische Verläufe von Betriebsratsgründungen ermittelt.

 Typische Muster von Betriebsratsgründungen

"Betriebsrat als Schutz der gemeinschaftlichen Sozialordnung"

  • findet sich in Industriellen Mittel- und Kleinbetrieben
  • Reaktion auf einen einschneidenden wirtschaftlichen Vorfall
  • branchenspezifische Mitbestimmungsnähe, Gewerkschaftskontakte, stabile Sozialordnung im Unternehmen

"Betriebsrat als Erweiterung der individuellen Interessenvertretung"

  • typisch für Wissensbetriebe mit qualifiziertem, selbstbewusstem Personal
  • Reaktion auf langwierige Probleme
  • Überzeugungsarbeit für individuelle Interessenvertretung nötig
  • gewerkschaftsferne Milieus/heterogene Arbeitnehmerinteressen hindern
  • braucht professionelle Arbeit als Antwort auf turbulente Startphase

"Betriebsrat als Mittel kollektiver Emanzipation"

  • typisch für Dienstleistungsbetriebe mit prekären Arbeitsbedingungen
  • reagiert auf langjährige Angriffe auf die Würde der Arbeitnehmer
  • wird erschwert durch repressive Managementmethoden
  • Zusammenarbeit mit Gewerkschaften; Einklagen arbeitsrechtlicher Standards

"Betriebsrat als Vertretung von Partialinteressen"

  • ist Reaktion auf Einzelereignisse, die Teile der Belegschaft betreffen
  • vom mittleren Management initiiert, um Führungsentscheidungen anzugreifen
  • geringer Erfolg durch Machtkämpfe und Einschüchterungsversuchen

"Blockierte Partizipation"

  • chronische Missstände lassen die Idee der Gründung regelmäßig aufflackern
  • die Belegschaft ist gespalten
  • es fehlen entschlossene, repräsentative Akteure
  • Repressionsstrategien erschweren Betriebsräten die Professionalisierung

Quelle: Studie "Betriebsratsgründungen. Typische Phasen, Varianten und Probleme"

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