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14-12-2023 | Automobilwirtschaft | Gastbeitrag | Article

VW-Krise als Vorbote für die Deindustrialisierung?

Author: Dirk Kreuter

5:30 min reading time

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VW vermeldet arge wirtschaftliche Schwierigkeiten und steckt knietief in der Krise. Was bedeutet das für den Standort Deutschland? Und wie lässt sich das Ruder doch noch herumreißen? 

Wenn selbst der Markenchef von VW einräumt, dass der Konzern international nicht mehr wettbewerbsfähig ist, dann läuft definitiv schon länger etwas falsch. Dabei geht es vor allem um die bisherigen Strukturen, Prozesse und die hohen Kosten – dem ehemaligen Riesen der Automobilbranche ist die Konkurrenz buchstäblich vor der Nase weggefahren. Das liegt einerseits an der Behäbigkeit des VW-Konzerns und andererseits an dem Unvermögen, sich wie andere Autobauer neue Märkte zu erschließen und gleichzeitig die Produktionskosten möglichst niedrig zu halten. Die Konkurrenz verdient bereits ein Vielfaches; allein aufgrund der niedrigeren Produktionskosten. Wenn es so weitergeht, werden andere Autobauer folgen und die viel prophezeite Deindustrialisierung Deutschlands einläuten. 

Noch im September dieses Jahres fand VW diesen Pessimismus übertrieben – nun ist der Konzern selbst näher ans eigene Aus gerückt. Trotz steigender Preise, Fachkräftemangel und der Gaskrise wollten Vertreter der Automobilindustrie die Lage nicht dramatisieren. Es braucht allerdings auch einen realistischen Blick, um die passenden Weichen zu stellen. Nur wenn man sich der Krise stellt, gibt es auch ein Herauskommen aus der misslichen Lage. Viel zu lange wurde der Kopf in den Sand gesteckt und viele Unternehmen hofften einfach, dass die Krise schon vorbeiziehen würde. Solch eine passive Haltung kann aber niemals die Lösung sein. Die Verantwortlichen in den Unternehmen müssen endlich ins Handeln kommen und Verantwortung übernehmen.

Letzter Weckruf

Zwar konnte der VW-Konzern in den ersten sechs Monaten deutlich mehr elektrobetriebene Autos verkaufen. Doch die Nachfrage nach E-Autos sinkt und der Hauptgrund für die hohen Auslieferungszahlen in der ersten Jahreshälfte ist, dass der Hersteller noch Aufträge aus dem vergangenen Jahr erfüllt. Lieferengpässe haben eine Auftragsstau verursacht, der sich nun langsam auflöst. Bei der Kernmarke Volkswagen lagen im Juni die Auslieferungen 2,4 % unter Vorjahresniveau. Zusätzlich lässt der Preiskampf in China die Nachfrage einbrechen: Nach dem Ende der Corona-Lockdowns hatte die chinesische Regierung Autoverkäufe mit Steuererleichterungen angekurbelt. Das ist nun Geschichte und die Zukunft der Marke steht auf dem Spiel. Was das milliardenschwere Effizienzprogramm wirklich bringen wird, lässt sich aktuell schwer beurteilen. Zehn Milliarden Euro Einsparungen soll das Programm bis 2026 leisten – ob das die Gesamtlage hierzulande beeinflussen mag, ist wohl eher zweifelhaft.

Die Autobauer stehen unbestritten vor großen Herausforderungen: Der Abschied vom Verbrenner, die steigenden Preise, fehlende Fachkräfte, der Ukraine-Konflikt und die Energiewende. Die Old Economy muss sich schnellstens reformieren. Und wenn nicht jetzt – wann dann? Nicht nur die Big Player der Branche sind nun gefragt, auch die kleinen und mittelständischen Unternehmen – das Rückgrat, auf dem die deutsche Wirtschaft fußt – müssen selbst aktiv werden, statt nur allein auf Lösungen aus der Politik zu hoffen. 

Vorboten der Deindustrialisierung 

Denn die deutsche Wirtschaft stagniert und ein Ende der Krise ist nicht in Sicht. Das Münchner Ifo-Institut warnt schon länger und die Unternehmensberatung PWC prognostiziert ein Schrumpfen der Wertschöpfung beim Bau von Verbrennungsmotoren von 20 Milliarden im Jahr 2025 auf 1,5 Milliarden in 2035. Die Vormachtstellung der deutschen Produzenten im oberen Preissegment in der Welt der Verbrennerautos ist angezählt. Ob die Bundesrepublik auch in Sachen Elektro vorne mitspielen kann, ist aktuell noch offen. 

Und nicht nur die Autobauer haben zu kämpfen – alle Industriezweige leiden. Seit Beginn der Aufzeichnungen sind die Erzeugerpreise noch nie so in die Höhe geschossen wie diesen Sommer: Das statistische Bundesamt gibt eine Erhöhung von 45,8 % an. Diese Preisexplosion spricht außerdem dafür, dass die Inflation gekommen ist, um zu bleiben. Denn für die wenigsten Produzenten lohnt es sich noch, in deutschen Landen herzustellen. Die immer wieder steigenden Energiepreise befeuern diese Situation: Die Rechnung ist simpel; ohne Energie, keine industrielle Produktion. Das betrifft kleinere Unternehmen besonders hart, aber auch die großen Konzerne wie BASF oder Siemens haben damit zu kämpfen. Viele stehen also vor dem Aus oder vor der Entscheidung, ihre Produktion in andere Länder zu verlagern – beides führt langfristig zur Deindustrialisierung Deutschlands. Das wirft die Frage auf: Wie kann das Land seine Position in einer sich wandelnden globalen Wirtschaft überhaupt noch behaupten? 

Blick nach vorn

Nun gilt es, die Augen vor dieser Situation nicht zu verschließen, sondern endlich, die sogenannte Chancenbrille aufzusetzen. Sicherlich ist die Industrie gefordert, aus der prekären Lage einen Vorteil zu ziehen und aus dem Jammertal herauszukommen. Die Unternehmen sind die einzigen, die etwas dafür tun können, ihre eigene Situation zu verbessern. Wer nun nur auf die Politik setzt, dem ist nicht mehr zu helfen. Denn wer jetzt erwartet, dass die politischen Entscheider die Problematik schon lösen, der kann lange warten. Deswegen gilt es, selbst die Ärmel hochzukrempeln, und den sprichwörtlichen Karren aus den Dreck zu ziehen. Zuallererst benötigen wir die systematische Förderung von Innovationen und Technologie, hier hat Deutschland schon zu lange an Boden verloren. Es braucht eine Technologieoffenheit insgesamt und in den einzelnen Unternehmen – ein: "Das haben wir immer schon so gemacht" ist rückwärtsgewandt. 

Dann sollten die Themen Fachkräfteentwicklung sowie eine verstärkte internationale Zusammenarbeit im Wirtschaftsbereich ganz oben auf die Agenda. Eine qualifizierte Belegschaft ist entscheidend für den Erfolg von Unternehmen – hier müssen Arbeitgeber mehr bieten. Denn die besten Kräfte gehen aktuell lieber ins Ausland. Wer A-Mitarbeiter will, muss auch A-Bedingungen schaffen. Ebenso unerlässlich: die gezielte und langfristige Förderung von kleinen und mittelständischen Unternehmen – ohne sie geht es auch zukünftig nicht. Das schließt natürlich nicht aus, dass diese Unternehmen sich auch selbst um ihre Zukunft kümmern müssen; in Krisenzeiten muss auch manches Mal um die Ecke gedacht werden: Welche Chancen lassen sich aus der Situation für den Betrieb ziehen? Tun sich etwa neue Absatzmärkte auf oder wie locke ich die benötigten Fachkräfte an? Denn wo es Schatten gibt, gibt es auch immer Licht.

Zusätzlich dazu sollten die Verantwortlichen sich auch den Zukunftsthemen widmen: Umwelttechnologien und das Thema Nachhaltigkeit. Hier stecken enorme Potenziale für die etwas verstaubte deutsche Industrie. Nur durch eine umfassende und koordinierte Anstrengung kann die ehemalige Industriemacht Deutschland die Position als eine der führenden Wirtschaftsnationen der Welt wiedererlangen und die Deindustrialisierung eindämmen. Die alles entscheidende Frage ist doch: Sind die Unternehmen bereit, die Extrameile zu gehen und sich in Richtung Zukunft zu bewegen?

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