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20-11-2012 | Bankvertrieb | Schwerpunkt | Article

Serie Schiffsfonds in Not - Teil 3: Ein konkreter Lösungsansatz aus der Praxis

7:30 min reading time

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Banken haben in den Jahren vor der Lehman-Pleite viele Milliarden Euro Eigenkapital in Schiffsfonds platziert. Dementsprechend steht nun auch eine große Angriffsfläche zur Verfügung. Im Folgenden erfahren Sie, wie ein Institut die von notleidenden Schiffsfonds im vertriebenen Portfolio drohenden Risiken erfolgreich verringerte.

Die Schieflage oder Pleite eines einzelnen Fonds kann – je nach Vertriebsaktivität – leicht zu einer sechsstelligen Schadenssumme für die Bank führen. Häufig war es in der Vergangenheit der Fall, dass mehrere gleichartige Schiffsfonds mit jeweils großem Kommanditkapital über einen längeren Zeitraum vertrieben wurden. Die Finanz- und Wirtschaftskrise hat außerdem gezeigt, dass auch die im Bereich der Vermögensstrukturierung allgemein anerkannte und angewandte Portfoliotheorie nach Markowitz ihre Grenzen hat. Auch in gut strukturierten Portfolios konnten sich große Risiken aufsummieren. Geraten also ein oder gar mehrere Schiffsmarktsegmente und/oder „systemrelevante“ Charterer (auch hier gab es bereits Insolvenzen, zum Beispiel Korea Line oder Sanko) in existenzielle Probleme, kann sich das Schadensersatzrisiko für die Bank innerhalb kurzer Zeit zu einem siebenstelligen Bereich aufbauen.

Für die Bemessung des Drohrisikos ist nicht allein maßgeblich, dass bei einem Schiffsfonds bereits massive Schwierigkeiten oder gar die Insolvenz vorliegen. Es genügt bereits, dass der Fonds wesentlich hinter seinen prospektierten Werten zurückliegt und keine kurz- bis mittelfristige Verbesserung des Ergebnisses wahrscheinlich ist. Der Investor kann auch in diesem Fall mit dem Gedanken spielen, die frühere Anlageentscheidung rückgängig machen zu wollen.
Die beschriebenen Risiken sind geeignet, den Bankgewinn in einem oder gar mehreren Jahren hintereinander wesentlich negativ zu beeinflussen. Manch ein Institut könnte gar gezwungen sein, Reserven aufzulösen, um die gewohnte Dividende auf die Geschäftsguthaben noch darstellen zu können. Es erscheint sehr unwahrscheinlich, dass die Banken für den diskutierten Risikokomplex heute bereits ausreichend bilanzielle Vorsorge getroffen haben.

Ein Lösungsansatz

Wie soll sich eine Bank mit einem Portfolio aus notleidenden Schiffsfonds intern sowie gegenüber den betroffenen Kunden verhalten? Ein konkretes Beispiel mit einzelnen Maßnahmen folgt hierzu aus der Praxis.

Die Ausgangssituation

Eine mittelgroße Genossenschaftsbank hatte sich Anfang 2012 entschieden, sämtliche Risiken im Produktsegment „Geschlossene Fonds“ (insbesondere Schiffsbeteiligungen) vollständig zu quantifizieren und diese pro-aktiv zu minimieren. Im Frühjahr hatte die Bank eine Leistungsbilanz über alle geschlossenen Fonds erhalten, die sie bisher über ihren Großvertriebspartner platziert hatte. Bei Prüfung der Bilanz durch den Sachverständigen stellte sich heraus, dass einige der Schiffsfonds, die noch als weitgehend „im Plan“ geführt waren, sich bereits in einer kritischen Situation befanden, dies noch nicht entsprechend an Anleger und Vertrieb kommuniziert, aber kurzfristig absehbar war. Bei den als „unter Plan“ geführten Fonds war die Bandbreite sehr groß, von Fonds, die nur einige Prozent Ausschüttung unter Prospektkalkulation ausgezahlt hatten, bis hin zu Fonds, die kurz vor dem Totalverlust standen. Es drohte grundsätzlich die Gefahr, dass ein Kunde in Abständen von Wochen und Monaten über weitere Verschlechterungen oder gar neue Schieflagen des Fonds informiert werden musste. Die Beratungsleistung würde beim Kunden einen schlechten Eindruck hinterlassen, da die Bank bzw. der Berater offensichtlich nicht qualifiziert genug war, die Situation aller Fonds richtig einschätzen und prognostizieren zu können. Generell ist es auch unter psychologischen Aspekten vorteilhaft, alle Risiken – auch die kurz- bis mittelfristig noch drohenden – gleich zu Anfang darzulegen, um den Anleger auf kommende schlechte Nachrichten besser vorzubereiten.

Die konkreten Schritte im Überblick:

  • 1 Das Fondsgutachten

  • 2 Betroffene Kunden identifizieren

  • 3 Beraterschulung

  • 4 Kundenberatung

1 Das Fondsgutachten

Zunächst hat der Sachverständige anhand aktueller Informationen zu allen in der Vergangenheit von der Bank vertriebenen und noch laufenden Schiffsfonds ein Kurzgutachten erstellt. Dieses sollte nicht nur den aktuellen Sachstand und die wichtigsten Kennzahlen abbilden (man bedenke: die letzte offizielle Gesellschafterinformation konnte schon sechs bis neun Monate zurück liegen), sondern auch eine eventuelle Rückgewährshaftung für die Auszahlungen nach § 172 (4) HGB berücksichtigen und die voraussichtliche Entwicklung in der nahen Zukunft. Eine farblich abgestufte Ergebniskennzeichnung signalisierte die Dringlichkeit des Eingreifens. Besondere Aufmerksamkeit galt dabei der Identifikation und Bewertung von noch nicht bekannten bzw. akuten, aber kurz- bis mittelfristig drohenden Risiken. Für Fonds, bei denen bereits Kapitalmaßnahmen an- bzw. bevorstanden, wurden konkrete Handlungsempfehlungen für Berater und Kunden gegeben. Die Kurzgutachten dienten als Leitfäden für die Kundenberatung und als Grundlage für die bankinterne bilanzielle Risikovorsorge.

2 Betroffene Kunden identifizieren

An dieser Stelle war es wichtig, Kunden zu ermitteln, die vorrangig bearbeitet werden sollten, zuerst die von der Schifffahrtskrise besonders betroffenen Kunden (zum Beispiel wegen hoher Anlagebeträge oder Klumpenrisiken im Portfolio).

3 Beraterschulung

Im nächsten Schritt wurden alle mit Schiffsfonds befassten Berater intensiv geschult. Hierbei erhielten sie wichtiges Grundlagenwissen über den Schiffsmarkt, die Sicht- und Arbeitsweise der schiffsfinanzierenden Banken, die Bewertung von Schiffsfonds, Checklisten und Leitfäden als Argumentationshilfe für Kundengespräche sowie Quellen zur laufenden kostenfreien und unabhängigen Informationsbeschaffung. Die Berater bekamen auf Wunsch auch Informationen zu Schiffsfonds, die Kunden zwar im Bestand, aber nicht über diese Bank erworben hatten. Somit war auch eine qualifizierte Beratung zu bankfremden Produkten gewährleistet. Begleitend wurden Beratungsgespräche unter Haftungsaspekten analysiert und die Beratungsdokumentation mithilfe von Protokollen aus ersten aktuellen Schiffsfonds-Beratungsgesprächen verbessert.

4Kundenberatungen

Ziel des Workshops war es, dass jeder Berater möglichst genug fachliches Know-how sammelt, um sämtliche Kundenberatungen ohne Hilfe von außen qualifiziert durchführen zu können. Nur in besonders kritischen bzw. sensiblen Einzelfällen wurde die Beratung - in Kooperation mit dem zuständigen Kundenbetreuer - durch den Sachverständigen durchgeführt bzw. begleitet.

Beispiele hierfür sind:

  • sehr gut informierte und kritische Kunden

  • Kunden mit sehr hohen Anlagesummen

  • Kunden mit besonderer öffentlicher Reputation oder Position.

Auch ein Aufsichtsrat der Bank hatte in einige Schiffsfonds investiert. Hier galt es auch zu verhindern, dass dessen eventuelle Unzufriedenheit über seine Meinungs- und Stimmbeeinflussung im Aufsichtsrat negativ auf den Bankvorstand zurückfiel. Nach Abschluss der Kundenberatungen sind weiterführende Maßnahmen zur Kundenbetreuung und auch Neukundengewinnung im Zusammenhang mit Schiffsfonds denkbar. Dabei ist jedoch nicht der Absatz neuer Schiffsbeteiligungen das Ziel.

Generelle Vorschläge für den Umgang mit Kunden im Überblick: 

Es wurde ein Maßnahmenpaket beschlossen, das dem Bedarf der Bank im vorgestellten Fall so individuell wie möglich entsprechen sollte:

  • Schulung aller Berater, die Kunden mit Schiffsfonds betreuen

  • Erarbeitung einer geeigneten Vorgehensweise in der Kundenansprache/ -beratung gemeinsam durch Berater und Schiffsfonds-Sachverständigen (insbesondere auch Beratungshaftungsaspekte, -dokumentation)

  • Umfassende Beratung aller ausgewählten Schiffsfonds-Anleger

  • In besonders schwierigen Fällen kann eine Beratungsbegleitung durch den unabhängigen Sachverständigen erfolgen.

  • Bewertung des gesamten vertriebenen Schiffsfondsportfolios einschließlich kurz- bis mittelfristiger Prognose

Die Resultate

Der Workshop verschaffte den Beratern nicht nur das Fachwissen, sondern auch die Sicherheit im Umgang mit dem Kunden. Es wurden Impulse vermittelt, die zu einer Neustrukturierung und Verbesserung des Beratungs- und Betreuungsangebotes für Kunden mit Anlagen nicht nur in Schiffsfonds, sondern auch in geschlossenen Fonds allgemein führten.

Die Bank hat detaillierte Kenntnis über ihre aktuelle Risikoposition im Bereich Schiffsfonds erhalten und kann ihre bilanzielle Vorsorge frühzeitig danach steuern. Die beschriebenen Maßnahmen hatten in dem konkreten Fall wesentlich zufriedenere Kunden zum Ergebnis und konnten so das Ansehen der Bank verbessern sowie das Prozess- bzw. Schadenersatzrisiko senken. Bereits das Verhindern der Klage einer Minimumbetrags-Anlage oder der Beendigung einer längerfristigen Kundenbeziehung mit einem vermögenden Kunden kann die Kosten des gesamten Maßnahmepakets weit überkompensieren, ungeachtet der allgemein erhöhten Kundenzufriedenheit, so die (der?) Vertriebsleiter des Instituts.

Nahezu alle Kunden machten der Genossenschaftsbank keine Vorwürfe (mehr) für die Schieflagen bei ihren Schiffsfonds. Allerdings beklagten sich viele teilweise nachdrücklich darüber, dass die Bank seit Abschluss des Fondskaufs nur in seltenen Fällen bei negativem Produktverlauf ein Beratungsgespräch angeboten hat.

Im Fall der gerade laufenden Kapitalmaßnahme eines Schiffsfonds sowie der bereits absehbaren Nachschussforderung eines anderen Fonds konnte das Verständnis der Kunden in die Notwendigkeit bzw. den Nutzen der Maßnahmen in ihrem Interesse deutlich gefördert werden, ebenso die Bereitschaft, die Fonds mit frischem Geld zu stützen. Die Aktion, sofern breit eingesetzt, ist außerdem geeignet, die Teilnahme der Gesellschafter an Abstimmungen zu verbessern und drohende Nachteile für alle Anleger eines Fonds aus dem Nichtzustandekommen wichtiger Beschlüsse zu mindern oder gar zu verhindern. Einzelne der unternehmerisch geprägten Investoren in Schiffsfonds nahmen als Ergebnis der Beratung die Krise auch als Chance wahr und äußerten sogar das Interesse, möglicherweise bald antizyklisch wieder in Schiffsfonds investieren zu wollen.

Serie Schiffsfonds in Not - Teil 1: Vertriebsfehler

Serie Schiffsfonds in Not - Teil 2: Konsequenzen für den Vertrieb

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