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21-11-2012 | Bauplanung | Interview | Article

Mit Sicherheit gesund bauen

Author: Annette Galinski

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Peter Bachmann ist Umwelttechniker sowie Geschäftsführer und Gründer der Sentinel-Haus Institut GmbH – Wohngesunde Baukonzepte. Aktuell ist die 2. Auflage seines Fachbuches „Mit Sicherheit gesund bauen“ erschienen, das er gemeinsam mit Matthias Lange, Marketingleiter der Sentinel-Haus Institut GmbH, herausgibt.

Anlässlich der Neuauflage veröffentlichen wir an dieser Stelle Auszüge aus einem Interview der beiden Autoren mit Prof. Dr. Michael Braungart, Gründer und Leiter von EPEA Internationale Umweltforschung GmbH. Michael Braungart hat das Cradle to Cradle®-Design-Konzept maßgeblich entwickelt, er ist Querdenker, Mit- und Vordenker und sucht nach Lösungen für die drängendsten Fragen dieser Erde: Wie kann der Mensch sich in das Leben auf der Erde wirklich integrieren? Wie kann er nicht nur wenig Schaden anrichten, sondern wie kann er nützlich sein?

Peter Bachmann und Matthias Lange: Sie erwähnen in Ihrem Buch die Lust an der frischen Luft. Kollidiert der Gedanke an die Umwelt mit der Gesundheit, wenn der Bewohner oder Nutzer feststellt: „Ich habe Achtkammerfenster und schütze damit die Umwelt, aber ich darf sie nicht mehr öffnen.“

Michael Braungart: Der Hintergrund ist ein sehr trauriger. Wir fühlen uns so schädlich auf der Erde, dass wir sagen, es wäre besser, wir würden nicht existieren. Darum die Begriffe Nullemission oder kohlenstoffneutral. Das ist ganz interessant: Dadurch, dass Sie da sind, können Sie keine Nullemission haben; selbst, wenn Sie sich jetzt sofort erschießen würden, hätten Sie Emissionen. Oder wenn man kohlenstoffneutral sein will – kein Baum ist kohlenstoffneutral. Ja, die Bäume sind sogar kohlenstoffpositiv. Deshalb zu versuchen, möglichst wenig schädlich zu sein, funktioniert nicht, weil wir dafür zu viele sind. Und indem man versucht, durch Energieeffizienz und Materialeffizienz die bestehenden Produkte zu optimieren, macht man sie damit nur gründlich falsch. Und die Effizienzsteigerung führt letztlich gesehen zu viel mehr Zerstörung als ein ineffizientes System, das keinerlei Regulierung hat.

Wir sind in unserem täglichen Schaffen damit beschäftigt, wohngesunde beziehungsweise innenraumhygienisch akzeptable Lebensräume zu erstellen. Das lässt sich natürlich nur mit der Baubranche umsetzen. Es gibt ja viele Architekten, die sich in den letzten Jahren mit Nachhaltigkeit und Energieeffizienz beschäftigt haben. Wie kann die Architektur, die schlussendlich dafür verantwortlich ist, dass man Fenster nicht mehr öffnen soll, ökoeffektiv werden?

Das Konzept der Nachhaltigkeit ist falsch. Es geht davon aus, dass man etwas, das man falsch gemacht hat, wieder ausgleichen muss. Das ist so, wie wenn ich Sie fragen würde: „Wie geht's Ihnen so mit Ihrer Lebensgefährtin?“ Jetzt würden Sie sagen: „Nachhaltig." Dann würde ich sagen: „Herzliches Beileid." Das ist so wie „kompostierbar“. Das ist gerade das Minimum. Die Nachhaltigkeit hat historisch eine große Bedeutung: Mitteleuropa war im 18., 19. Jahrhundert praktisch abgeholzt gewesen und man hat auch dadurch, dass man den deutschen Wald romantisiert und besungen hat, erstmal Mitteleuropa wieder aufgeforstet. Das ist aber ein rückwärtsgewandtes Konzept: Etwas, das man gemacht hat, wieder auszugleichen.

Das erste Problem entsteht, wenn man die Natur überhöht. Wenn die Leute von „Mutter Natur“ reden, dann ist das Kind immer schlecht, weil die Mutter ja gut sein muss. Wenn man aber sieht, dass die am stärksten krebserzeugenden Stoffe immer noch Naturstoffe sind, auch die giftigsten Stoffe, muss man feststellen: „Keine Mutter würde ihrem Kind Krebs geben!“ Das heißt, es gibt keine „Mutter Natur“. Die Natur ist unsere Lehrmeisterin, aber nicht unsere Mutter.

Das heißt, wir können von der Natur lernen, aber wir können auch stolz auf uns selbst sein. Unsere natürliche Lebenserwartung wäre etwa 30 Jahre. Die Natur braucht uns nicht, wenn wir älter als 30 sind. Der Grund, dass wir älter werden als 30, liegt an den Errungenschaften der Architektur, der Chemie, Physik und Biologie etc. und wir müssen uns dafür nicht entschuldigen. Es geht jetzt darum, das, was wir in 30 Jahren Weltuntergang-Blame-und-Shame-Diskussion gelernt haben, in Qualität umzusetzen. Darum ist es ganz wichtig zu verstehen, dass es nicht um „grüne“ oder „nachhaltige“ Architektur geht; es geht nur um gute oder schlechte Architektur. Architektur, die die Menschen krankmacht, die die Natur zerstört, Architektur, die Müll verursacht, die mit Kinderarbeit verbunden ist, ist einfach nur schlechte Architektur. Denn wenn ich diese in die grüne Nische packe, dann packe ich sie auf die Ebene der Verantwortung und der Ethik.

Es geht darum, dass wir Architektur nicht als ethisches Konzept verstehen, sondern als Qualitätskonzept. Das heißt also, dass wir dann investieren, wenn wir in der Krise sind, weil wir wissen, dass wir ein Qualitätsproblem haben. Es geht eben nur um qualitätsvolle Architektur oder um umfassende, ganzheitliche Qualität. Im europäischen romantisierenden Sinne: „Es geht um Schönheit.“ Ein Haus, das die Leute krankmacht, ist einfach kein schönes Haus.

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2013 | Book

Mit Sicherheit gesund bauen

Fakten, Argumente und Strategien für das gesunde Bauen, Modernisieren und Wohnen