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2017 | OriginalPaper | Chapter

6. Der Finanzgerichtsprozess (FGO)

Authors : Wolf-Dieter Butz, Rainer Hartmann, Paul-Frank Weise

Published in: Rechtsmittel im Steuerrecht

Publisher: Springer Fachmedien Wiesbaden

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Zusammenfassung

Artikel 19 Abs. 4 GG eröffnet den Rechtsweg allen Bürgern, die sich durch die öffentliche Gewalt in ihren Rechtenverletzt sehen und garantiert somit den wirksamen Individualrechtsschutz ohne überlange Verfahrensdauer. Der Gerichtsschutz ist Teil des effektiven Grundrechtsschutzes. Artikel 103 Abs. 1 GG gewährt den Anspruch auf rechtliches Gehör für jedermann; und Absatz 2 enthält letztlich das auch im Steuerrechtsschutz unverzichtbare Rückwirkungsverbot für belastende Gesetze, mit dem sich das Bundesverfassungsgericht seit 2010 häufiger auseinandergesetzt hat.

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Footnotes
1
Vgl. die drei BVerfG-Beschlüsse vom 07.07.2010 und vom 10.10.2012, 1 BvL 6/07, BStBl II 2012, 932, sowie die Ergänzung vom 17.12.2013, 1 BvL 5/08, zur sog. Klarstellung des geltenden Rechts durch den Gesetzgeber, die als echte Rückwirkung verfassungsrechtlich unzulässig sein kann.
 
2
Vgl. § 1 FGO (Die Finanzgerichtsbarkeit wird durch unabhängige, von den Verwaltungsbehörden getrennte, besondere Verwaltungsgerichte ausgeübt.) und die § 25 DRiG (Der Richter ist unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen.) und § 26 DRiG (Der Richter untersteht einer Dienstaufsicht nur, soweit nicht seine Unabhängigkeit beeinträchtigt ist.).
 
3
Siehe hierzu auch Tipke/Lang, Steuerrecht, § 22 Rz. 63.
 
4
Dazu bedarf es eines jährlichen im Vorhinein vom jeweiligen Senat beschlossenen schriftlichen Mitwirkungsplans nach den §§ 4 FGO i. V. m. § 21g Abs. 2 GVG. Darin muss für jeden Kläger generell-abstrakt – ähnlich einem Gesetz – bestimmt sein, welcher Richter mitentscheidet und wer der Berichterstatter (senatsinterne Zuständigkeit) ist. Das gilt erst Recht für einen sog. überbesetzten Spruchkörper.
 
5
BVerfG-Beschluss vom 24.03.1964, 2 BvR 42/63.
 
6
Vgl. Gräber/Ratschow, FGO, § 119 Rz 4 am Ende.
 
7
Vgl. BFH-Urteil vom 15.04.1996, VI R 98/95, BStBl. II 1996, S. 478–480 – Aufhebung eines Urteils – Schwierigkeiten rechtlicher/tatsächlicher Art; Zurückverweisung an den Vollsenat.
 
8
Vgl. BFH-Beschluss vom 21.10.1999, VII R 15/99, BStBl. II 2000, S. 88; Sunder-Plassmann in HHSp, § 6 FGO Rz. 97; Buciek in Beermann/Gosch, FGO, § 6 Rz. 177.
 
9
Vgl. z. B. BFH-Beschlüsse vom 29.05.1996, IV R 26/95, BFH/NV 1996, S. 908; vom 28.12.1998, V R 33/98, BFH/NV 1999, S. 815; vom 28.01.2003, VI B 75/02, BFH/NV 2003, S. 926; vgl. auch Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 15.10.2001, 8 B 104/01, HFR 2002, S. 658.
 
10
Pahlke, DB 1997, S. 2454 ff.; BFH-Beschluss vom 14.01.1998, IV B 48/97, DStRE 1998, S. 547; Stelkens, NVwZ 1991, S. 209, 215, zu § 87a Abs. 2, Abs. 3 VwGO.
 
11
Dabei weist Seer a. a. O. darauf hin, dass die vom Bundesverfassungsgericht angeführten Ermessenserwägungen im Fall eines positiven Kompetenzkonflikts vom Senat anzustellen sind. Dabei hat der Vorsitzende im Senat eine Entscheidung darüber herbeizuführen, ob der konsentierte Einzelrichter oder der Senat über eine verfassungsrechtlich Frage entscheiden soll. Andererseits sei es dem fakultativen Einzelrichter verwehrt, über solche Fragen zu entscheiden, weil er nur einfache Rechtsstreitigkeiten entscheiden darf.
 
12
BFH-Urteil vom 16.09.2014, X R 30/13 (BFH/NV 2015, S. 150 – Erweiterung des Prüfungszeitraums einer Außenprüfung wegen der Erwartung nicht unerheblicher Änderungen der Besteuerungsgrundlagen – Rechtmäßigkeit einer Ermessensentscheidung – berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit einer nach Abschluss der Außenprüfung erledigten Prüfungsanordnung –).
 
13
Vgl. BFH-Urteil vom 16.09.2014, X R 30/13 (BFH/NV 2015, 150), BFH-Urteile vom 27.07.1983, I R 210/79, BStBl II 1984, S. 285; vom 09.05.1985 IV R 172/83, BStBl II 1985, S. 579.
 
14
Vgl. BFH-Urteil vom 09.05.1978 VII R 96/75, BStBl. II 1978, S. 501; BFH-Beschluss vom 24.06.1982 IV B 3/82, BStBl. II 1982, S. 659.
 
15
Vgl. BFH-Beschlüsse vom 11.07.1979 I B 10/79, BStBl. II 1979, S. 704, und in BStBl. II 1982, S. 659; BFH-Urteil vom 09.05.1985, IV R 172/83, BStBl. II 1985, S. 579.
 
16
BFH-Urteil vom 16.09.2014, X R 30/13 (BFH/NV 2015, S. 150).
 
17
Vgl. zur 6-Monats-Frist und zum Hineinwachsen in die Zulässigkeit einer verfrüht erhobenen Untätigkeitsklage das BFH-Urteil vom 07.03.2006, VI B 78/04, BStBl. II 2006, S. 430.
 
18
Vgl. Seer in Tipke/Lang, Steuerrecht, § 22 Rzn 125, 126 ff.
 
19
Vgl. BFH-Urteile vom 27.07.1988 I R 28/87, BStBl. II 1989, S. 449; vom 20.07.2005, VI R 165/01, BStBl. II 2005, S. 890.
 
20
Vgl. – unabhängig von der Begründetheit – BFH-Urteil vom 11.12.2012, VII R 70/11, BStBl II 2013, S. 475.
 
21
Vgl. BFH-Urteil vom 18.01.2012, II R 49/10, BStBl II 2012, S. 168.
 
22
BFH-Urteil vom 29.07.2003 (VII R 39, 43/02) BStBl. II 2003, S. 828: „…Eine Klage auf Feststellung eines Bruchs des Steuergeheimnisses gegenüber der Gewerbebehörde ist aufgrund des Genugtuungsinteresses des Steuerpflichtigen zulässig; das Feststellungsinteresse hängt nicht davon ab, dass die Feststellung, das Steuergeheimnis sei verletzt worden, die rechtliche und tatsächliche Position des Klägers gegenüber der Gewerbebehörde verbessern könnte…“
 
23
Vgl. z. B. BFH-Beschlüsse vom 19.06.2001, X B 18/01, BFH/NV 2001, S. 1582, und vom 07.08.2001, I B 16/01, BFH/NV 2001, S. 1665, 1666.
 
24
Die inhaltlichen Anforderungen ergeben sich aus den §§ 40 und 65 FGO. Eine Klage ist ein an ein Gericht adressiertes Begehren einer erkennbaren Person auf endgültigen Rechtsschutz, das eine Rechtsverletzung geltend macht und im Übrigen den Voraussetzungen des § 65 FGO genügt. Dazu gehört unter anderem auch die Angabe des Beklagten und eines bestimmten Klagebegehrens.
 
25
„…Dem Erfordernis eigenhändiger Unterschrift unter bestimmende Schriftsätze (hier: die Klageschrift sowie die Revision) ist genügt, wenn der Schriftzug gewährleistet, dass das Schriftstück vom Unterzeichner stammt, und ein dessen Identität kennzeichnender, individuell gestalteter Namenszug vorliegt, der zumindest die Absicht einer vollen Unterschrift erkennen lässt…“
 
26
Vgl. BFH-Beschluss vom 17.08.2009, VI B 40/09, BFH/NV 2009, S. 2000 unter Bezugnahme auf den BFH-Beschluss vom 31.03.2000, VII B 87/99, BFH/NV 2000, S. 1224, m. w. N.
 
27
Hierzu jetzt auch BFH-Beschluss vom 26.06.2009 (III B 32/09, BFH/NV 2009, S. 1818) und vom 24.09.2009 (IV B 75/09 BFH/NV 2010, S. 222) zur unzulässigen bedingten Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde für den Fall, dass einem gleichzeitig gestellten Antrag auf PKH stattgegeben wird.
 
28
Vgl. BFH-Beschluss vom 17.09.2014 – VI B 75/14 sowie die BFH-Entscheidungen vom 08.05.2007 X B 43/06, BFH/NV 2007, S. 1499; vom 24.07.2006 IX B 208/05, BFH/NV 2006, S. 2269; vom 19.07.2005 XI B 206/04, BFH/NV 2006, S. 68; vom 27.05.2004 IV R 48/02, BFHE206, 211, BStBl. II 2004, S. 964.
 
29
„…Da nach ständiger Rechtsprechung bei der Auslegung von Rechtsbehelfen grundsätzlich davon auszugehen ist, dass der Steuerpflichtige den Rechtsbehelf einlegen wollte, der seinen Belangen entspricht und zu dem von ihm angestrebten Erfolg führen kann (vgl. BFH-Urteil vom 18. Dezember 1985 I R 30/85, BFH/NV 1986, 675; BFH-Beschluss vom 31. Januar 2000 V B 190/99, BFH/NV 2000, 872; Senatsbeschluss vom 17. Juli 1996 VII R 43/96, BFH/NV 1997, 50), ist der vorliegende, als “Klage” bezeichnete Rechtsbehelf des Klägers als ein an das FG gerichteter Antrag auf Aufhebung der Vollziehung gemäß § 69 Abs. 3 Satz 3 FGO anzusehen…“
 
30
Ab Rz. 32 ff. „…Durch die genannten Formerfordernisse soll gewährleistet werden, dass für Gericht und Gegner zuverlässig feststeht, ob die säumige Partei trotz ihrer Säumnis den Prozess weiterbetreiben will (vgl. BGHZ 105, 197 (200)) …Da von der Erfüllung der formellen Anforderungen an die Einlegung des Einspruchs die Gewährung des Rechtsschutzes abhängt, dürfen die Formerfordernisse hierfür nicht weitergehen, als es durch ihren Zweck geboten ist…
Rz. 33 …Es überschreitet danach die Grenzen des verfassungsrechtlich Zulässigen, wenn verlangt wird, dass die Einlegung des Einspruchs in der Einspruchsschrift entweder ausdrücklich erklärt oder jedenfalls allein aus deren Formulierung ersichtlich wird… Im Interesse der Klarstellung für Gericht und Verfahrensbeteiligte, ob die säumig gewesene Partei den Prozess weiterführen will, ist es zwar gerechtfertigt, eine Dokumentation dieses Willens durch eine schriftliche Erklärung zu verlangen, die insoweit eine sichere Beurteilungsgrundlage schafft… Vom Regelungsziel her ist es jedoch nicht geboten, Inhalt und Bedeutung dieser schriftlichen Erklärung allein nach deren Formulierung zu beurteilen und alle sonstigen Umstände außer Betracht zu lassen.
Die notwendige Klarheit darüber, dass das Verfahren weitergeführt werden soll, besteht auch dann, wenn sich aus dem Inhalt der schriftlichen Erklärung der Partei in Verbindung mit den Umständen, die nach der Verfahrens- und Interessenlage für das Gericht und die übrigen Verfahrensbeteiligten offensichtlich sind, zweifelsfrei ergibt, dass die Partei sich nicht mit dem Versäumnisurteil abfinden, sondern den Prozess weiterbetreiben will…
Ist auf diese Weise dem rechtsstaatlichen Sinn und Zweck des Formerfordernisses entsprochen, so wäre es eine bloße, mit einer rechtsstaatlichen Verfahrensweise nicht vereinbare Förmelei, den Einspruch allein deshalb als unzulässig oder als nicht eingelegt anzusehen, weil die Erklärung, Einspruch einlegen zu wollen, in der Einspruchsschrift unzulänglich formuliert ist. Die Gerichte können im Interesse der Verfahrensklarheit bei der Beurteilung, ob die Erklärung als Einspruch aufzufassen ist, einen strengen Maßstab anlegen… Bestehen danach aber keine Zweifel am Einspruchswillen des Verurteilten, darf die Unzulänglichkeit der Formulierung nicht zum Verlust des Rechtsbehelfs führen“.
 
31
Vgl. BFH-Beschluss vom 12.06.2009 – Az. II B 166/08: „…Der Kläger ist zwar regelmäßig nicht gehalten, den rechtzeitigen Zugang eines Schriftstücks zu überwachen. Liegen jedoch Umstände vor, die ihn zweifeln lassen, ob die Rechtsmittelfrist eingehalten worden ist, oder hätten ihm aufgrund solcher Umstände Zweifel kommen müssen, beginnt die Antragsfrist spätestens in dem Zeitpunkt, in dem er durch Nachfrage Gewissheit über die Rechtzeitigkeit des Rechtsmittels hätte erlangen können (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Januar 1991 1 BvR 1435/89, Neue Juristische Wochenschrift 1992, 38).
Auch eine gerichtliche Mitteilung über den Eingang eines Schriftstücks löst eine Erkundigungspflicht aus, wenn in ihr eine Tatsachenmitteilung enthalten ist, die unzweideutig bekundet, dass etwas fehlgelaufen ist; es bedarf keines ausdrücklichen Hinweises des Gerichts, dass die Rechtsmittelfrist versäumt worden ist (Erhalt einer Eingangsbestätigung, die einen Eingang nach Ablauf der Klagefrist mitteilt: BFH-Urteil vom 16. Dezember 1988 III R 13/85, BFHE 155, 282, BStBl II 1989, 328; Erhalt eines Streitwertbeschlusses trotz Einlegung der Revision: BFH-Beschluss vom 22. Juli 1997 III R 9/97, BFH/NV 1998, 56)…“
 
32
§ 56 Abs. 2 FGO lautet: (2) Der Antrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen; bei Versäumung der Frist zur Begründung der Revision oder der Nichtzulassungsbeschwerde beträgt die Frist einen Monat. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen.
 
33
Vgl. BFH-Beschluss vom 24.03.2011 – VII R 48/10 – Zeitschrift für Steuern und Recht (ZSteu) 2011, R501–R502:
„…Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm gemäß § 56 Abs. 1 FGO auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. In formeller Hinsicht setzt die Gewährung der Wiedereinsetzung voraus, dass innerhalb einer Frist von einem Monat (§ 56 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 FGO) nach Wegfall des Hindernisses die versäumte Rechtshandlung nachgeholt und diejenigen Tatsachen vorgetragen und im Verfahren über den Antrag glaubhaft gemacht werden, aus denen sich die schuldlose Verhinderung ergeben soll.
Die Tatsachen, die eine Wiedereinsetzung rechtfertigen können, sind innerhalb dieser Frist vollständig, substantiiert und in sich schlüssig darzulegen (ständige Rechtsprechung, z. B. BFH-Beschlüsse vom 24. Juni 2008 X R 38/07, BFH/NV 2008, 1517, und vom 11. Mai 2010 XI R 24/08, BFH/NV 2010, 1834, m.w.N.)….“
 
34
Leitsatz: „…Ein mit ernstlichen Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit einer der angefochtenen Steuerfestsetzung zugrunde liegenden Gesetzesvorschrift begründeter Antrag auf AdV ist abzulehnen, wenn nach den Umständen des Einzelfalles dem Interesse des Antragstellers an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes kein Vorrang vor dem öffentlichen Interesse am Vollzug des Gesetzes zukommt. Einer Prüfung der Verfassungsmäßigkeit bedarf es in diesen Fällen grundsätzlich nicht…“
 
35
Vgl. BFH/NV 2012, S. 1144–1147 unter Berufung auf die BFH-Beschlüsse vom 25.08.2009 – VI B 69/09 – BStBl. II 2009, S. 826, m. w. N.; BFH-Beschluss vom 01.04.2010 – II B 168/09 – BStBl. II 2010, S. 558.
 
36
Erschienen im Verlag Dr. Otto Schmidt, Köln, 2003
 
37
Vgl. BVerfG-Urteil vom 09.12.2008 – 2 BvL 1/07 – 2 BvL 2/07 – 2 BvL 1/08 – 2 BvL 2/08 – (BFH/NV 2009 S. 338) zu den Anforderungen an eine folgerichtige Abgrenzung von Erwerbsaufwendungen im Einkommensteuerrecht. – § 9 Abs. 2 EStG:
1. Danach ist auch hinsichtlich des § 9 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 EStG der verfassungswidrige Zustand rückwirkend ab dem 1. Januar 2007, dem Beginn des Anwendungszeitraums des Steueränderungsgesetzes 2007, zu beseitigen.
2. Deshalb ist bis zum Erlass einer endgültigen – rückwirkenden – gesetzlichen Übergangs- und Neuregelung § 9 Abs. 2 Satz 2 EStG im Wege vorläufiger Steuerfestsetzung (§ 165 AO) sowie entsprechend im Lohnsteuerverfahren, hinsichtlich der Einkommensteuervorauszahlungen und in sonstigen Verfahren, in denen das zu versteuernde Einkommen zu bestimmen ist, mit der Maßgabe anzuwenden, dass die tatbestandliche Beschränkung auf „erhöhte“ Aufwendungen „ab dem 21. Entfernungskilometer“ entfällt.
 
38
Vgl. dazu die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts BVerfG vom 21.02.1961 – 1 BvR 314/60 – BStBl. I 1961, 63; und Seer in Tipke/Lang, Steuerrecht, § 22, Rz. 221.
 
39
1964 in seiner Allphasen – Umsatzsteuer – Entscheidung BVerfG vom 20.12.1966 – 1 BvR 320/57, 1 BvR 70/63 – BVerfGE 21, 12; BStBl. III 1967, 7; „…Die besonders große Bedeutung, die das Umsatzsteuergesetz für die Einnahmen des Bundes, aber auch für die Selbstkosten der Unternehmen und die allgemeine Preisgestaltung hat, lässt es jedenfalls zur Zeit nicht zu, das ganze Gesetz nur deshalb für nichtig zu erklären…Muss hiernach das Umsatzsteuergesetz in seiner gegenwärtigen unvollkommenen Gestalt zunächst noch Bestand haben, so sind seiner Weitergeltung… doch zeitliche Grenzen gesetzt… In Anbetracht dieser besonderen und einmaligen Situation muss die dem Gesetzgeber zuzubilligende Frist geräumig bemessen werden…und bis zum Abschluss der eingeleiteten und in angemessener Zeit vom Gesetzgeber zu verabschiedenden Umsatzsteuerreform hingenommen werden…“
 
40
BFH vom 18.09.2002 – IV S 3/02, BFH/NV 2003, S. 187: „…Der Antrag ist zulässig und begründet.
1. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise aussetzen. Ein diesbezüglicher Antrag ist nach § 69 Abs. 4 FGO nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder teilweise abgelehnt hat.
Da die Antragsteller Nichtzulassungsbeschwerde erhoben haben, ist der BFH das Gericht der Hauptsache i.S. von § 69 Abs. 3 FGO. Auch sind die Zugangsvoraussetzungen des § 69 Abs. 4 FGO für die unmittelbare Anrufung des BFH erfüllt. Das FA hat im Verfahren betreffend die Aussetzung der Vollziehung der auch jetzt strittigen Steuern und Nebenleistungen vor dem FG ausdrücklich mitgeteilt, dass es einen künftigen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ablehnen werde, und dementsprechend beim FG beantragt, den dort gestellten Antrag der Antragsteller abzulehnen.
Unter diesen Umständen kann es nicht mehr darauf ankommen, ob die Antragsteller nach der Beendigung des Klageverfahrens und vor der Antragstellung beim BFH beim FA erneut die Aussetzung der Vollziehung beantragt hatten. Eine bestimmte Form für die Ablehnung der beantragten Aussetzung der Vollziehung durch die Finanzbehörde verlangt das Gesetz nämlich nicht (BFH-Beschluss vom 19. November 1990 III S 6/90, BFH/NV 1991, 459). Zudem muss die Finanzbehörde diese Ablehnung nicht gerade in dem Verfahrensabschnitt ausgesprochen haben, für den der BFH Gericht der Hauptsache ist (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 30. Januar 2001 V S 24/00, BFH/NV 2001, 658; vom 11. Juli 2000, VII B 41/00, BFH/NV 2000, 1512, m.w.N.).“
 
41
Der Leitsatz dieses BFH-Urteils vom 25.02.2014, X R 34/11 lautet: „Die Abziehbarkeit der Versorgungsleistungen korrespondiert lediglich materiell-rechtlich mit der Steuerbarkeit der privaten Versorgungsrente. Der Begünstigte ist deshalb zum Klageverfahren des Verpflichteten nicht notwendig beizuladen.“
 
42
Vgl. BFH-Beschluss vom 12.04.2012 – Az. X B 190-196/11; X B 190/11; X B 191/11; X B 192/11; BFH- Beschluss vom 12.11.2009 VIII B 167/09 – BFH/NV 2010, S. 450; BFH- Beschluss vom 11.11.2009, I B 152/09, BFH/NV 2010, S. 449.
 
43
„…Eine zulässige und wirksame “tatsächliche Verständigung” über eine bestimmte Behandlung von Sachfragen bindet die Finanzbehörde bereits vor Erlass der darauf beruhenden Bescheide (Weiterführung der bisherigen Rechtsprechung) wenn der Sachverhalt nicht, nur erschwert oder nur unter erheblichem und unangemessenem Aufwand ermittelt werden kann.“
 
44
BMF-Schreiben vom 30. Juli 2008 – IV A 3 – S 0223/07/10002 – Tatsächliche Verständigung über den der Steuerfestsetzung zugrunde liegenden Sachverhalt:
Unter Zugrundelegung des Prinzips der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und der Gleichmäßigkeit der Besteuerung sind Vergleiche über Steueransprüche nicht möglich.
Jedoch ist in Fällen erschwerter Sachverhaltsermittlung unter bestimmten Voraussetzungen zur Förderung der Effektivität der Besteuerung als auch zur Sicherung des Rechtsfriedens eine die Beteiligten bindende Einigung über die Annahme eines bestimmten Sachverhalts und über eine bestimmte Sachbehandlung (AEAO, Nr. 1 zu § 88 AO) möglich. Derartige Vereinbarungen zwischen dem Steuerpflichtigen und der Finanzbehörde werden als tatsächliche Verständigung bezeichnet. Beabsichtigen die Beteiligten, sich auf diese Weise über eine bestimmte Sachbehandlung zu verständigen, sind die in dem BMF-Schreiben ausgeführten Grundsätze zu beachten.
Die tatsächliche Verständigung über den Sachverhalt betrifft bereits abgelaufene Zeiträume, hat also eine retrospektive Wirkung. Die Anforderungen an sie sind im BMF-Schreiben vom 30. Juli 2008, BStBl. I 2008, 831 konkretisiert. Danach ist eine tatsächliche Verständigung nur zulässig, a) wenn der Sachverhalt nicht, nur erschwert oder nur unter erheblichem, unangemessenem Aufwand ermittelbar ist, b) wenn sie vom zuständigen Sachgebietsleiter Veranlagung gebilligt wird und c) keine offensichtlich unzutreffende Besteuerung erfolgt. Eine solche Verständigung über Rechtsfragen ist grundsätzlich unzulässig, jedoch ist sie zulässig über Schätzungen und Bewertungen.
 
45
Rz. 38: „Rechtliches Gehör sichert den Parteien ein Recht auf Information, Äußerung und Berücksichtigung mit der Folge, dass sie ihr Verhalten im Prozess eigenbestimmt und situationsspezifisch gestalten können. Insbesondere sichert es, dass sie mit Ausführungen und Anträgen gehört werden…“
 
46
Beschluss vom 19.04.2016, IX B 110/15, BFH/NV 2016, S. 1060 (Widerruf des Verzichts auf mündliche Verhandlung): „…Gemäß § 90 Abs. 1 Satz 1 FGO entscheidet das FG in Urteilsverfahren aufgrund mündlicher Verhandlung. Nach § 90 Abs. 2 FGO kann das FG mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
Ein Verzicht auf die mündliche Verhandlung ist als Prozesshandlung nicht wegen Irrtums (auch über die Tragweite des Verzichts) anfechtbar und auch nicht frei widerrufbar (vgl. BFH-Beschluss vom 10.3.2011, VI B 147/10 – BStBl II 2011, S. 556). Der Verzicht auf die mündliche Verhandlung kann daher nur ausnahmsweise widerrufen werden, wenn sich die Prozesslage nach Abgabe der Einverständniserklärung wesentlich geändert hat (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 23.6.2014 – X B 167/13, BFH/NV 2014, S. 1566). Dies ist vom FG nach pflichtgemäßem Ermessen zu prüfen…
Die Kläger haben hier nicht dargelegt, dass sich die Prozesslage nach Durchführung der mündlichen Verhandlung wesentlich geändert hat. Der bloße Wechsel des Prozessbevollmächtigten als solcher führt noch nicht zu einer wesentlichen Änderung der Prozesslage (vgl. BFH-Beschluss vom 23.05.2012 – III B 209/11, BFH/NV 2012, S. 1477, unter II.1.a, m.w.N.)…“
 
47
Vgl. BVerwG vom 08.11.1963, VII C 58.61, BVerwGE 17, S.127, 129; Gräber-Herbert, FGO, § 80 Ziff. 2.
 
48
Vgl. Gräber/Ratschow, FGO, § 119 Rz.15 unter Hinweis auf den BVerfG-Beschluss vom 29.05.1991 – 1 BvR 1383/90, BVerfGE 84, S. 188.
 
49
„…Nach § 96 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz FGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Zum Gesamtergebnis des Verfahrens gehört auch die Auswertung des Inhalts der dem Gericht vorliegenden Akten.
Ein Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten liegt vor, wenn das FG seiner Entscheidung einen Sachverhalt zu Grunde gelegt hat, der dem schriftlichen oder protokollierten Vorbringen der Beteiligten nicht entspricht, oder wenn es eine nach den Akten klar feststehende Tatsache unberücksichtigt gelassen hat und die angefochtene Entscheidung darauf beruht (vgl. Senatsurteil vom 30. Juli 2003 X R 7/99, BStBl II 2004, 408, m.w.N.)…“
 
50
Vgl. BVerfG-Urteile vom 27.06.1991 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, S. 239, 268 ff., BStBl. II 1991, S. 654, 664 ff. zur Zinsbesteuerung, sog. Zinsurteil und vom 09.03.2004 2 BvL 17/02, BStBl. II 2005, S. 56, 62 ff. zur Besteuerung von Veräußerungsgeschäften bei Wertpapieren, sog. Spekulationsurteil.
 
51
Vgl. BVerfG-Beschluss vom 10.01.2008, 2 BvR 294/06 (DB 2008, S. 273) zu Wertpapierverkäufen im Vz 1999; Verneinung normativen strukturellen Vollzugsdefizits auch bei Gebrauchtwagenhandel (siehe BFH-Urteil vom 22.04.2008- IX R 29/06BStBl. 2009 II, S. 296) und – mit vielen wissenswerten Einzelheiten – bei den Einkünften aus Kapitalvermögen (BFH-Urteil vom 07.09.2005, VIII R 90/04, BStBl. II 2006, S. 61 ff.
 
52
Siehe dazu und zum Folgenden Tipke/Lang, Steuerrecht, § 21 Rzn. 20 ff.
 
53
Vgl. BFH-Urteile vom 29.10.2008, I R 51/07, BStBl II 2009, S. 1022, sowie vom 08.10.2008, I R 74/07, BStBl. II 2009, S. 121.
 
54
„…1. Der Anspruch auf rechtliches Gehör wird verletzt, wenn das FG bei seiner Entscheidung den Inhalt der Außenprüfer-Handakte berücksichtigt hat, ohne diese Akte zum Gegenstand des Verfahrens zu machen.
2. Ein diesbezügliches Rügerecht kann nicht verloren gehen, wenn sich der gerügte Verfahrensverstoß erst aus den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils ergibt und den Beteiligten daher eine rechtzeitige Rüge nicht möglich war…“
 
55
„…§ 78 FGO gewährt die Akteneinsicht ohne Begrenzungen hinsichtlich des gesamten Akteninhalts. Eine Akteneinsicht kann daher nur verweigert werden, wenn sich aus § 78 Abs. 3 FGO oder der Verpflichtung zur Wahrung des Steuergeheimnisses oder unter dem Gesichtspunkt des Datenschutzes Einschränkungen ergeben…“
 
56
„Der nach der sachlich-rechtlichen Auffassung der Vorinstanz entscheidungserhebliche (vgl. dazu BFH-Beschluss vom 22. September 1993 VIII B 38/93, BFH/NV 1994, 387 m. w. N.) Beweisantrag der Klägerin hätte vom FG berücksichtigt werden müssen, da er weder aus formellen noch aus materiell-rechtlichen Gründen außer Acht gelassen werden durfte…
Insoweit kann dahingestellt bleiben, ob Art. 3 § 3 Abs. 2 Satz 1 VGFGEntlG im Streitfall überhaupt anwendbar ist. Jedenfalls fehlte es bereits an einer möglichen Verzögerung des Rechtsstreits. Eine solche liegt nur dann vor, wenn der Rechtsstreit bei Zulassung des verspäteten Vorbringens länger dauern würde als bei dessen Zurückweisung. Durch die Vernehmung eines präsenten Zeugen wird der Rechtsstreit indessen nicht verzögert (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts – BVerfG – vom 31. Oktober 1988 2 BvR 95/88, Neue Juristische Wochenschrift – NJW – 1989, 705 mit umfassenden Nachweisen;)…“.
 
57
§ 169 GVG: Die Verhandlung vor dem erkennenden Gericht einschließlich der Verkündung der Urteile und Beschlüsse ist öffentlich.
 
58
§ 103 FGO: Das Urteil kann nur von den Richtern und ehrenamtlichen Richtern gefällt werden, die an der dem Urteil zugrunde liegenden Verhandlung teilgenommen haben.
 
59
§ 170 GVG: Verhandlungen, Erörterungen und Anhörungen in Familiensachen sowie in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit sind nicht öffentlich.
 
60
§ 171b GVG: Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden, soweit Umstände aus dem persönlichen Lebensbereich eines Prozessbeteiligten, eines Zeugen oder eines durch eine rechtswidrige Tat.
 
61
§ 172 GVG: Es ist eine Gefährdung der Staatssicherheit, der öffentlichen Ordnung oder der Sittlichkeit zu besorgen.
 
62
BFH-Beschluss vom 18.03.2013 – III B 143/12: Die Pflicht zur Sachaufklärung ist verletzt, wenn ordnungsgemäß gestellte Beweisanträge übergangen werden.
„…Nach ihrem Vortrag wurde zum Beweis der Tatsache, dass bei S bereits vor Vollendung des 27. Lebensjahres eine Behinderung vorlag, Urkundenbeweis in Form der beizuziehenden Akten zweier Betreuungsverfahren, Zeugenbeweis durch Vernehmung von drei Ärzten und Sachverständigenbeweis durch Einholung eines Gutachtens bei einem dieser Ärzte angeboten…
Ein ordnungsgemäß gestellter Beweisantrag darf nur unberücksichtigt bleiben, wenn das Beweismittel für die zu treffende Entscheidung unerheblich, das Beweismittel unerreichbar bzw. unzulässig oder absolut untauglich ist oder wenn die in Frage stehende Tatsache zugunsten des Beweisführenden als wahr unterstellt werden kann (ständige höchstrichterliche Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschluss vom 29. Juni 2011 X B 242/10, BFH/NV 2011, 1715, m.w.N.).
Die Klägerin hat die dargelegten Beweisanträge mehrfach ordnungsgemäß gestellt, so etwa durch Bezugnahme auf frühere Beweisanträge im Schriftsatz vom 16. Juli 2012 (Bl. 197 ff. der Finanzgerichtsakte) und explizit im Schriftsatz vom 24. Mai 2012 (Bl. 183 ff. der Finanzgerichtsakte).
Keiner der o.g. Gründe für eine zulässige Nichtberücksichtigung von Beweismitteln lag hinsichtlich der im Streitfall gestellten Beweisanträge vor. Insbesondere waren die Beweismittel nach dem insoweit maßgeblichen materiellen Rechtsstandpunkt des FG (s. hierzu Senatsbeschluss vom 14. Januar 2011 III B 96/09, BFH/NV 2011, 788) nicht unerheblich, da das FG selbst den Nachweis einer vor Vollendung des 27. Lebensjahres eingetretenen Behinderung für erforderlich –wenn auch für nicht geführt– gehalten hat. Auch durfte das FG nicht von einer Untauglichkeit dieser Beweismittel ausgehen…“
 
63
Der Leitsatz lautet so: „§ 244 Abs. 5 Satz 2 StPO verstößt in der Auslegung, die er durch die Rechtsprechung des BGH gefunden hat, nicht gegen Verfassungsrecht. Nach dieser Auslegung ist für einen Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre, maßgebend, ob die Erhebung des beantragten Beweises ein Gebot der Aufklärungspflicht ist. Insoweit ist das Verbot der Beweisantizipation eingeschränkt.“
 
64
Zu den Anforderungen an Glaubwürdigkeitsgutachten siehe BGH-Urteil vom 30.07.1999, 1 StR 618/98, NJW 1999, S. 2746; BGH-Beschluss vom 11.09.2002, 1 StR 171/02; Der Strafverteidiger (StV) 2002, S. 637; BGH-Urteil vom 16.05.2002, 1 StR 40/02, NStZ 2002, S. 636; sowie BGH-Beschluss vom 08.01.2013, 1 StR 602/18; NStZ 2013, S. 672.
 
65
Im Folgenden werden Veröffentlichungen im Internet aus der „Freien Enzyklopädie Wikipedia“ zum Stichwort „Glaubwürdigkeit“ berücksichtigt, eingearbeitet und an den entsprechenden Text-stellen dieses Skripts gekennzeichnet.
 
66
Die Darstellung der Begutachtung und der dabei erzielten Ergebnisse muss nachvollziehbar und transparent sein. Beispielsweise müssen die der Begutachtung vom Sachverständigen zugrunde gelegten Hypothesen im Gutachten im Einzelnen bezeichnet werden, die verwendeten Untersuchungsmethoden und Testverfahren sind zu nennen und es ist zu begründen, warum diese Methoden und Verfahren angewendet wurden. In der Regel sollten auch Audio- und ggf. Videoaufnahmen der Exploration gefertigt werden.
 
67
Arntzen: Vernehmungspsychologie. 3. Auflage, 2008, Verlag C.H. Beck München – und Rolf Bender und Armin Nack: Tatsachenfeststellung vor Gericht, Glaubwürdigkeitslehre und Beweislehre, 4. Auflage, 2014, Verlag C.H. Beck München.
 
68
Sogenannte Nullhypothese: Es wird zunächst davon ausgegangen, die Aussage sei unwahr. Diese Hypothese wird anhand bestimmter Indizien überprüft, um festzustellen, was davon für die Wahrheit spricht. Siehe Weiteres im Urteilstext oben zum BGH-Urteil vom 30.07.1999, 1 StR 618/98, NJW 1999, S. 2746.
 
69
Das BGH-Urteil vom 17.12.1998, 1 StR 156/98, 1 StR 258/98, NJW 1999, S. 657 (vgl. auch Pressemitteilung des BGH Nr. 96 vom 17.12.1998) – hält den Lügendetektor für wissenschaftlich völlig ungeeignet und schließt polygrafische Untersuchungsmethoden im gerichtlichen Verfahren als Beweismittel generell aus, lässt aber den vom Angeklagten beantragten Einsatz bei sich selbst zu; jedenfalls bei freiwilliger Mitwirkung des Beschuldigten kann die Durchführung einer solchen Untersuchung des seine Entlastung erstrebenden Beschuldigten eher dem Schutzgebot der Verfassung und seinem Verteidigungsinteresse gerecht werden.
 
70
Vgl. (z. B. BFH vom 20.06.2007, X R 2/06, BStBl. II 2008, S. 99 sowie vom 25.02.2009, IX R 33/07, BFH/NV 2009, S. 1253 und BFH-Beschluss vom 24.03.2009, III B 37/08, StBW 2009, S. 6).
 
71
Es wird zwischen einem formellen und einem qualifiziertem materiellen Verwertungsverbot unterschieden: Beim ersteren handelt es sich um Verfahrensverstöße, die ein Verwertungsverbot nur dann nach sich ziehen, wenn sie einen gewissen Schweregrad erreichen.
Verletzt eine bestimmte Ermittlungshandlung den grundrechtlich geschützten Bereich eines Steuerpflichtigen, dann darf dieses nicht verwertet und möglicherweise – aber nicht regelmäßig – auch nicht durch zulässige erneute Ermittlungsmaßnahmen geheilt werden. Ein nicht verwertbares Beweismittel kann eine Fernwirkung haben, wenn ein Gericht ein Verwertungsverbot anerkennt; dann sind aufgrund eines Verwertungsverbots gefundene andere Beweismittel ebenfalls nicht verwertbar (Klein/Jäger, AO, § 399 Rz. 70).
 
72
§ 136a Abs. 1StPO lautet: 1) Die Freiheit der Willensentschließung und der Willensbetätigung des Beschuldigten darf nicht beeinträchtigt werden durch Misshandlung, durch Ermüdung, durch körperlichen Eingriff, durch Verabreichung von Mitteln, durch Quälerei, durch Täuschung oder durch Hypnose.
§ 393 Abs. 3 AO hat folgenden Wortlaut: (3) Das Verbot der Absätze 1 und 2 gilt ohne Rücksicht auf die Einwilligung des Beschuldigten. Aussagen, die unter Verletzung dieses Verbots zustande gekommen sind, dürfen auch dann nicht verwertet werden, wenn der Beschuldigte der Verwertung zustimmt.
 
73
§ 393 Abs. 2 AO: Soweit der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht in einem Strafverfahren aus den Steuerakten Tatsachen oder Beweismittel bekannt werden, die der Steuerpflichtige der Finanzbehörde vor Einleitung des Strafverfahrens oder in Unkenntnis der Einleitung des Strafverfahrens in Erfüllung steuerrechtlicher Pflichten offenbart hat, dürfen diese Kenntnisse gegen ihn nicht für die Verfolgung einer Tat verwendet werden, die keine Steuerstraftat ist…
 
74
Das Allgemeininteresse orientiert sich an der Bewahrung einer funktionsfähigen Strafrechtspflege.
 
75
§ 81a stopp: (1) Eine körperliche Untersuchung des Beschuldigten darf zur Feststellung von Tatsachen angeordnet werden, die für das Verfahren von Bedeutung sind. Zu diesem Zweck sind Entnahmen von Blutproben und andere körperliche Eingriffe, die von einem Arzt nach den Regeln der ärztlichen Kunst zu Untersuchungszwecken vorgenommen werden, ohne Einwilligung des Beschuldigten zulässig, wenn kein Nachteil für seine Gesundheit zu befürchten ist.
(2) Die Anordnung steht dem Richter, bei Gefährdung des Untersuchungserfolges durch Verzögerung auch der Staatsanwaltschaft und ihren Ermittlungspersonen (§ 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes) zu.
(3) Dem Beschuldigten entnommene Blutproben oder sonstige Körperzellen dürfen nur für Zwecke des der Entnahme zugrunde liegenden oder eines anderen anhängigen Strafverfahrens verwendet werden; sie sind unverzüglich zu vernichten, sobald sie hierfür nicht mehr erforderlich sind.
 
76
Ein nicht verwertbares Beweismittel kann eine Fernwirkung haben, wenn ein Gericht ein Verwertungsverbot anerkennt; dann sind aufgrund eines Verwertungsverbots gefundene andere Beweismittel ebenfalls nicht verwertbar (Klein/Jäger, AO, § 399 Rz. 70)
 
77
Vgl. Urteil vom 17.02.1970 – III ZR 139/67 (BGHZ 53, S. 245–264): „…Ein Beweis gilt dann als erbracht, wenn das Gericht von der Wahrheit einer Behauptung überzeugt ist. Hieran darf das Gericht aber keine Beweisanforderungen stellen, die nicht erfüllbar sind. Demgegenüber darf der Richter sich aber auch nicht mit einer lediglichen Wahrscheinlichkeit zufriedengeben.Vielmehr darf, respektive muß sich der Richter mit einem Grad von Gewißheit begnügen, der den Zweifeln, ohne sie gänzlich auszuschalten, Schweigen gebietet…“
 
78
„…Die Feststellung, welche Absichten der Steuerpflichtige hatte, hat das FG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung zu entscheiden. Dabei hat es alle Indizien, die für oder gegen die Einkünfteerzielungsabsicht sprechen, zu berücksichtigen und in eine Gesamtwürdigung einzubeziehen (BFH-Urteil in BFHE 183, 142, BStBl. II 1997, 650). Das FG kann allerdings nur dann aufgrund von Indizien auf eine innere Tatsache wie die Einkünfteerzielungsabsicht schließen, wenn das Indiz mit Gewissheit feststeht… Das FG hat im Streitfall zu Unrecht von einer lediglich möglichen Tatsache verbindliche Schlussfolgerungen auf das tatsächliche Vorhandensein einer (inneren) Tatsache gezogen…“
 
79
„…Der Grundsatz der Entscheidung des Tatrichters nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnen Überzeugung entbindet nicht von der Notwendigkeit, die für diese Überzeugung maßgeblichen Tatsachen und Umstände festzustellen und in der Entscheidung die wesentlichen daraus abgeleiteten Folgerungen nachvollziehbar darzustellen. Die nachvollziehbare Ableitung der tatrichterlichen Überzeugung aus den festgestellten Tatsachen ist Rechtsanwendung, die vom Revisionsgericht auch ohne Rüge zu überprüfen ist…“
 
80
Das heißt, dass der Richter oder das Gericht durch eindeutige Beweismittel die volle Überzeugung gewonnen hat, dass die Beweismittel die Wahrheit wiedergeben.
 
81
Vgl. BFH-Beschluss vom 13.07.2010, V B 121/09 (BFH/NV 2010, S. 2015): „…Nach § 158 AO sind die Buchführung und die Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen, die den Vorschriften der §§ 140 bis 148 AO entsprechen, der Besteuerung zugrunde zu legen, soweit nach den Umständen des Einzelfalls kein Anlass besteht, ihre sachliche Richtigkeit zu beanstanden. Danach löst die – formelle – Ordnungsmäßigkeit der Buchführung die Vermutung ihrer sachlichen Richtigkeit aus.
Ist – wie im Streitfall – diese Vermutung widerlegt, ergibt sich aus der gesetzlichen Einschränkung „soweit“, dass die sachlich unrichtigen Teile der Buchführung richtig zu stellen sind. Es sind also nur die Teile der Buchführung zu korrigieren, auf die sich die sachlichen Beanstandungen beziehen.
Diese Korrektur darf erst dann durch eine Schätzung nach § 162 Abs. 1 bis 3 AO erfolgen, wenn und soweit die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann (§ 162 Abs. 1 Satz 1 AO), eine gezielte Korrektur also nicht möglich ist.
Folglich besteht ein Vorrang der Sachverhaltsermittlung und -feststellung gegenüber einer Schätzung von Besteuerungsgrundlagen. Steht danach ein bestimmter Sachverhalt fest, bedarf es keiner Schätzung, es sind vielmehr die festgestellten Besteuerungsgrundlagen der Besteuerung zugrunde zu legen. Ob diese Besteuerungsgrundlagen „unwahrscheinlich“ sind oder außerhalb eines Schätzrahmens liegen, ist ohne Bedeutung. Ebenso wenig bedarf es der Überprüfung dieser Besteuerungsgrundlagen durch eine „Vergleichsrechnung…“
 
82
Vgl. dazu BFH-Urteil vom 24.06.1976, IV R 101/75, BStBl. II 1976, S. 562, 563– Feststellungslast des Steuerpflichtigen; vgl. auch BFH-Urteil vom 18.09.1986 – VI R 185/81 – BFH/NV 1987, S. 162; und BFH-Urteil vom 13.12.1978 – I R 39/7 – BStBl. II 1979, S. 482.
 
83
Siehe hierzu auch Ratschow in Gräber, FGO, § 96 Rzn. 14, 34 f.
 
84
BFH-Urteil vom 07.08.2002 – I R 99/00 (BStBl. II 2003, S. 835): „Bei einer Ausgliederung durch Neugründung gemäß § 123 Abs. 3 Nr. 2 UmwG 1995 ist der übernehmende Rechtsträger nicht Gesamtrechtsnachfolger des übertragenden Rechtsträgers. Dieser bleibt deshalb Steuerschuldner. Er bleibt auch Beteiligter eines anhängigen Aktivprozesses (Anschluss an BGH-Urteil vom 6. Dezember 2000 XII ZR 219/98, NJW 2001, 1217).
Im Verfahren über eine Anfechtungsklage ist eine subjektive Klageänderung nicht sachdienlich, wenn der angefochtene Verwaltungsakt weder gegen den in den Prozess eintretenden Beteiligten ergangen ist noch gegen diesen wirkt (Bestätigung des Senatsurteils vom 28. Oktober 1970 I R 72/68, BFHE 100, 353, BStBl. II 1971, 26)…“
 
85
Vgl. BFH-Urteil vom 19.05.2004 -III R 18/02-BStBl. II 2004, S. 980: „…Wird eine Klage auf Anfechtung eines Zusammenveranlagungsbescheids geändert in eine Klage auf Verpflichtung des FA zur Durchführung einer getrennten Veranlagung, ist die Klageänderung nur zulässig, wenn neben den Voraussetzungen des § 67 FGO die Sachentscheidungsvoraussetzungen für das Verpflichtungsbegehren erfüllt sind. Dazu gehört insbesondere, dass die Verwaltung zuvor die beantragte Veranlagung durch Bescheid abgelehnt hat oder der Kläger bei Untätigkeit der Behörde einen sog. Untätigkeitseinspruch eingelegt hat…“
 
86
Vgl. dazu Gräber/von Herbert, FGO, § 67 FGO Rz. 12 und § 41, Rz. 24 unter Hinweis auf den BFH-Beschluss vom 16.09.2004 – VII B 20/04, BFH/ NV 2005, 231 – Anfechtung trotz Nichtigkeit.
 
87
§ 99 GVG: (1) Wird in einem bei der Kammer für Handelssachen anhängigen Rechtsstreit die Klage nach § 256 Abs. 2 der Zivilprozessordnung durch den Antrag auf Feststellung eines Rechtsverhältnisses erweitert oder eine Widerklage erhoben und gehört die erweiterte Klage oder die Widerklage als Klage nicht vor die Kammer für Handelssachen, so ist der Rechtsstreit auf Antrag des Gegners an die Zivilkammer zu verweisen.
 
88
BFH-Urteil vom 19.12.2012, XI R 38/10, BStBl II 2013, S. 1053 – Nachträgliche Beschränkung des Klageantrags: „Es bestehen keine rechtlichen Bedenken gegen die Zulässigkeit der Beschränkung des Klageantrags. Ebenso wie der Steuerpflichtige den Steuerbescheid wegen eines Teilbetrags der festgesetzten Steuer anfechten kann, ist es ihm auch möglich, seinen Klageantrag nachträglich zu beschränken. Dies stellt gemäß § 264 Nr. 2 der Zivilprozessordnung, § 155 FGO keine Klageänderung dar (vgl. Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 67 Rz 7; Schallmoser in Hübschmann/Hepp/ Spitaler –HHSp–, § 67 FGO Rz. 39, m. w. N.).
Ebenso wenig liegt – entgegen der Ansicht des FA – eine Teilrücknahme der Klage vor, da sich die Erklärung des Klägers nicht auf einen zum Erlass eines Teilurteils geeigneten Teil des Streitgegenstands bezog…“
 
89
Auf die Ausführungen zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung nach 79 FGO unter Abschn. 6.11. wird verwiesen.
 
90
Zitat aus dem BFH-Beschluss vom 03.09.2001 – GrS 3/98, BStBl II 2001, S. 802 – Rz. 62:…„Der Inhalt des Rechts auf Gehör nach § 96 Abs. 2 FGO, Art. 103 Abs. 1 GG besteht darin, dass die Beteiligten Gelegenheit erhalten müssen, sich zu äußern. Wenn die Verfahrensordnung (hier § 90 Abs. 1 Satz 1 FGO) eine mündliche Verhandlung vorschreibt und das Gericht eine solche durchführt, dann umfasst das Recht auf Gehör auch den Anspruch, sich in dieser mündlichen Verhandlung zu äußern (BVerfG, Beschluss vom 5. Oktober 1976 2 BvR 558/75, BVerfGE 42, 364, unter B. II. 1.). Inwieweit sie diese Gelegenheit wahrnehmen, ist Sache der Beteiligten (vgl. BFH-Beschluss vom 27. April 2000 VII B 110/99, Juris). Entscheidet das Gericht verfahrensfehlerhaft aufgrund einer mündlichen Verhandlung, an der der Kläger nicht teilgenommen hat, so hatte der Kläger objektiv keine Gelegenheit, sich in der mündlichen Verhandlung zu äußern, sein Recht auf Gehör ist mithin verletzt…“
 
91
Der Richter bzw. das Gericht ist nicht verpflichtet, seine Rechtsansicht den Beteiligten bekannt zu geben. Er muss lediglich mit den Beteiligten den Rechtsstreit in tatsächlicher Hinsicht erörtern und die Beteiligten dazu anhören, er muss sie aber nicht erhören in dem Sinn, dass er ihre Meinung teilt und seiner Entscheidung zugrunde legt. Das Gericht muss auch nicht auf einen im schriftlichen Verfahren und in der mündlichen Verhandlung nicht vorgebrachten und von den Beteiligten nicht erörterten Gesichtspunkt eingehen, insbesondere, wenn die Beteiligten sach- und fachkundig vertreten sind. Will der Richter aber das Urteil auf einen völlig neuen rechtlichen und zudem unlogischen Gesichtspunkt stützen, muss er das nach völlig unstrittiger Rechtsansicht der Literatur und Rechtsprechung den Beteiligten durch einen Hinweis in der mündlichen Verhandlung eröffnen. Fasst er diesen Entschluss erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung, muss er einen neuen Termin ansetzen, in welchem er dieses den Beteiligten noch einmal darlegt und zur Stellungnahme Gelegenheit gibt; anderenfalls hat er eine Überraschungsentscheidung gefällt und einen Verstoß gegen das rechtliche Gehör begangen (§ 119 Nr. 3 FGO).
 
92
Der BFH-Beschluss vom 03.09. 2001 – GrS 3/98, BStBl II 2001, S. 802 Rz. 50 – ist besonders lesenswert, weil er sich in einer Art „Rundschlag“ zu unnötigen Förmeleien im Finanzprozess, zu überzogenen Darlegungsanforderungen und zu der Bedeutung der Verquickung der absoluten Revisionsgründe des § 119 FGO miteinander durch den Gesetzgeber äußert.
 
93
Vgl. Gräber/Stapperfend, FGO, § 100 Rzn. 3 und 4.
 
94
Siehe hierzu die BFH-Entscheidung vom 24.04.2014 – IV R 25/11 – BStBl II 2014, S. 819: Zu den Grundsätzen der Ausübung des Entschließungs- und Auswahlermessens bei der Festsetzung eines Verzögerungsgelds – Rz. 46– mit den Worten: „…Das FA hat aber sein Entschließungsermessen im Hinblick auf das Ob einer Festsetzung des Verzögerungsgelds und auch sein Auswahlermessen im Hinblick auf die Höhe des festzusetzenden Verzögerungsgelds fehlerhaft ausgeübt…“
 
95
Vgl. Seer in Tipke/Lang, Steuerrecht, § 22 Rz. 201 m. w. N. – ebenso BFH-Urteil vom 15.05.2013 – VI R 28/12 – BStBl. II 2013, S. 737.
 
96
Vgl. BFH-Urteil vom 14.01.2010, IV R 13/06, BFH/NV 2010, S. 1483 – Fehlen der hinreichenden Darstellung des Tatbestandes im FG-Urteil – vgl. Rzn.12 und 13.
 
97
„…Der Tatbestand des Urteils muß aber in sich verständlich sein. Die Darstellung muß ein knapp gehaltenes, klares, vollständiges und in sich abgeschlossenes Bild des Streitstoffes in logischer Folge und unter Hervorhebung der Anträge der Beteiligten enthalten. Das Gesetz will den Richter nur von Schreibarbeit, aber nicht von der gewissenhaften Erfassung und gedanklichen Ordnung des Sachverhaltes entlasten.
Bei der Verweisung auf Schriftsätze und andere Unterlagen müssen diese und der Gegenstand des in Bezug Genommenen hinreichend genau bezeichnet werden. Allgemeine Bezugnahmen auf Akten und Beiakten sind nicht zulässig…
Nur auf diese Weise kann vermittels Bezugnahme wegen Einzelheiten ein ausreichendes Bild des Sach- und Streitstandes gewonnen werden. Fehlende tatsächliche Feststellungen können nicht, wie in der Vorentscheidung ebenfalls geschehen, durch allgemeine Bezugnahmen auf die Prozeßakten und Beiakten ersetzt werden (BFH-Urteil vom 5. März 1968 II R36/67, BFHE 92, 416, BStBl II 1968, 610).
Gibt der Tatbestand eines angefochtenen Urteils einschließlich der in Bezug genommenen Schriftstücke den zum Verständnis seines Inhalts erforderlichen Sach- und Streitstand nicht hinreichend wieder, bildet die Entscheidung keine Grundlage für deren sachliche Nachprüfung durch das Revisionsgericht…“
 
98
BFH-Beschluss vom 12.09.2000 – III R 56/99, BFH/NV 2001, S. 197:
Offenbare Unrichtigkeiten des Rubrums in der Urschrift sind nach § 107 Abs. 1 FGO durch Beschluss des zuständigen Senats beim FG, der das Urteil gefällt hat (vgl. § 107 Abs. 2 Satz 1 FGO), zu berichtigen (vgl. BFH-Beschluss vom 23. August 1989 IV R 44/88, BFH/NV 1990, 306, 307, m. w. N.). Sofern bereits Revision eingelegt worden ist, muss der BFH eine solche offenbare Unrichtigkeit des angefochtenen Urteils berichtigen (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 1990, 104). Das insoweit unzutreffende Rubrum konnte daher nicht durch eine bloße Kanzleiberichtigung korrigiert werden (vgl. auch BFH-Beschluss vom 12. Februar 1996 III B 48/95, BFH/NV 1996, 754), sondern nur durch Beschluss des Gerichts bzw. in der Revisionsinstanz durch das Revisionsgericht selbst.
 
99
BVerfG, Beschluss vom 18.07.2013 – 1 BvR 1623/11, NJW 2014, S. 205 – bei einem Übertragungsfehler des Gerichts, der zu dem fehlerhaften Rubrum führte. Die Rubrumsberichtigung ist nach einfachem Recht insbesondere zulässig und auf Antrag wie auch von Amts wegen (§ 319 Abs. 1 ZPO) geboten, wenn im Rubrum Unklarheiten bestehen oder falsche Verfahrensbeteiligte genannt sind, während zweifelsfrei feststeht, wer tatsächlich als Partei gemeint ist, es sich also hier nicht im Gewand der Rubrumsberichtigung um einen Parteiwechsel handelt (vgl. BAG, Urteil vom 28.08.2008 – 2 AZR 279/07 – NJW 2009, S. 1293).
 
100
Hat das Gericht einen Sachantrag (Klageantrag) überhaupt nicht beschieden, fehlt es im Übrigen nicht an der Begründung, sondern an der Entscheidung selbst. Das Übergehen eines Sachantrags kann daher nicht mit der Rüge nach § 119 Nr. 6 FGO, sondern nur mit dem Antrag nach § 109 FGO auf Ergänzung des Urteils geltend gemacht werden (BFH-Urteil vom 18.06.1996, IV R 66/95, BFH/NV 1996, 840, m. w. N.).
 
101
Die Beschwerde ist unbegründet, soweit die Klägerin vorträgt, das FG habe nicht über den schriftsätzlich gestellten Antrag entschieden, die Kfz-Nutzung nach dem Verhältnis der Gesellschaftsanteile zu verteilen. Weder im Tatbestand des angefochtenen FG-Urteils noch im Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 10. Januar 2005 ist ein solcher Antrag wiedergegeben. Der Urteilstatbestand liefert den Beweis für das mündliche Vorbringen der Beteiligten (§ 155 FGO i. V. m. § 314 der Zivilprozessordnung).
Sofern der Klageantrag im Urteilstatbestand unrichtig wiedergegeben sein sollte, hätte die Klägerin gemäß § 108 Abs. 1 FGO binnen zwei Wochen nach Zustellung des Urteils eine entsprechende Berichtigung des Urteilstatbestands beantragen müssen (BFH-Beschluss vom 31. August 1994 II B 68/94, BFH-Beschluss vom 17. März 2000 VII B 1/00, BFH/NV 2000, 1125, BFH/NV 1995, 240), was sie ausweislich der FG-Akten nicht getan hat. Unrichtigkeiten im Tatbestand des finanzgerichtlichen Urteils sind nicht mit der Verfahrensrüge, sondern mit dem Antrag auf Tatbestandsberichtigung beim FG geltend zu machen (vgl. BFH-Beschluss vom 17. 03.2000 VII B 1/00, BFH/NV 2000, 1125).
 
102
Die Nichtzulassungsbeschwerde war im Streitfall nicht deshalb unzulässig, weil die Kläger zugleich gemäß § 109 FGO beim FG die Ergänzung der Vorentscheidung beantragt hatten…
Eist anerkannt, dass in Zweifelsfällen der Beteiligte sowohl den Antrag nach § 109 FGO stellen als auch das vorgesehene Rechtsmittel einlegen kann
Ein solcher Zweifelsfall ist in Fällen der vorliegenden Art regelmäßig gegeben. Ein Antrag wird nämlich nur dann als „übergangen“ i. S. von § 109 FGO angesehen, wenn er versehentlich unberücksichtigt geblieben ist, nicht aber, wenn er rechtsirrtümlich nicht behandelt oder abgelehnt oder fehlerhaft ausgelegt wurde. Der betroffene Prozessbeteiligte ist aber in aller Regel außerstande, zu ermessen, ob die Tatsache, dass das Gericht über seinen Antrag ganz oder teilweise nicht entschieden hat, auf einem richterlichen Flüchtigkeitsfehler, einem Rechtsirrtum oder falscher Auslegung des Antrags beruht.
 
103
§ 113 Abs. 1 FGO erwähnt Beschlüsse zwar nicht ausdrücklich, nach der Rechtsprechung (BFH-Urteil vom 13.03.1990 – IX R 22/88 – BFH/NV 1991, S. 47) enthält § 113 FGO aber keine abschließende Regelung. Diese Entscheidung führt aus:
Der Beschluß, mit dem eine Beschwerde abgewiesen worden ist, die über einen Befangenheitsantrag befunden hat, hindert den Senat, nach Eintritt der formellen Rechtskraft erneut über dieselbe Sache zu entscheiden…Unerheblich ist, ob der Senat durch Urteil befunden hat (vgl. ausdrücklich § 110 Abs. 1 FGO) oder durch Beschluß, auch wenn in § 113 Abs. 1 FGO die Vorschrift des § 110 nicht aufgeführt ist; denn § 113 Abs. 1 FGO enthält keine abschließende Regelung (vgl. dazu auch BFH-Beschluß vom 14. September 1967, V S 9/67).
 
104
Das sind die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger, die nicht klageberechtigten Gesellschafter und Gemeinschafter nach § 48 FGO und die Finanzbehörde.
 
105
BFH-Urteil vom 19.12.2006, VI R 63/02 (BFH/NV 2007, S. 924, 925), mit folgenden Worten:
Der sachliche Umfang der materiellen Rechtskraft ergibt sich in erster Linie aus der Urteilsformel. Wie weit die Bindungswirkung im Einzelfall reicht, muss im Zweifel durch Auslegung ermittelt werden (siehe auch BFH-Beschluss vom 25. Februar 2004 I B 130/03, BFH/NV 2004, 969). Zum Verständnis der Urteilsformel sind erforderlichenfalls Tatbestand und Entscheidungsgründe heranzuziehen… Dies bedeutet indessen nicht, dass die Begründung eines Urteils als solche bzw. die Urteilselemente rechtskraftfähig wären. Diese können nicht in Rechtskraft erwachsen.
Ebenso hat sich das der BFH im Urteil vom 7.2.1990 (I R 145/87- BStBl. 1990 II, S. 1032) geäußert.
 
106
Siehe hierzu Ratschow in Gräber, FGO, Vor § 115 FGO, Tz. 1.
 
107
Siehe hierzu Gräber/Ratschow, FGO, § 128 Rz. 7.
 
108
FG Berlin, Beschluss vom 29.05.2006, 8 B 5457/04, EFG 2006, S. 1270.
 
109
Zum Problem des Gerichts der Hauptsache bei der AdV und der beantragten Änderung nach § 69 Abs. 6 FGO und der Frage der Anhörungsrüge siehe Stapperfand/Grüber, FGO, 8. Auflage, 2015 § 69 Rz. 275 ff.
 
110
Wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder ein Verfahrensmangel vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
 
111
Siehe hierzu Gräber/Ratschow, FGO, § 124 Rz. 4.
 
112
An der Überprüfung der beiden PKH-Beschlüsse des FG im Rahmen eines auf Zulassung der Revision gerichteten Beschwerdeverfahrens ist der Senat auch nicht deswegen gehindert, weil die Beschlüsse gemäß § 128 Abs. 2 FGO unanfechtbar sind.
Ein solches Hindernis folgt insbesondere nicht aus der Vorschrift des § 124 Abs. 2 FGO. Danach unterliegen der Beurteilung des Revisionsgerichts nicht die dem Endurteil vorausgegangenen unanfechtbaren Entscheidungen. Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift ist jedoch eingeschränkt: Sie erfasst nicht die Rüge solcher Verfahrensmängel, die als Folgen der beanstandeten Vorentscheidung weiterwirkend der angefochtenen Sachentscheidung anhaften, also insbesondere nicht die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs (vgl. dazu Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 124 Rz 3).
Deswegen kann in dem Beschwerdeverfahren zur Zulassung der Revision aufgrund der Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs auch nachgeprüft werden, ob das FG dem Beteiligten in rechtswidriger Weise PKH vorenthalten und ihn um die Möglichkeit einer sachkundigen Vertretung im erstinstanzlichen Verfahren gebracht hat..
Die Gehörsrüge greift jedoch in der Sache nicht durch.
((doppelt)) Gräber/Ratschow, FGO, § 128 Rz. 4.
 
113
Nach § 124 Abs. 2 FGO unterliegen dem Endurteil vorausgegangene Entscheidungen, die nach der FGO unanfechtbar sind, nicht der Beurteilung durch die Revision. Daher kann eine Nichtzulassungsbeschwerde grundsätzlich nicht auf die Ablehnung eines Befangenheitsgesuchs gestützt werden…
Allerdings schließt § 124 Abs. 2 FGO die Rüge solcher Verfahrensmängel nicht aus, die als Folge der beanstandeten Vorentscheidung fortwirken und damit dem angefochtenen Urteil anhaften, sofern die Vorentscheidung gegen das Willkürverbot verstößt oder ein Verfahrensgrundrecht verletzt wird, wie der Anspruch auf rechtliches Gehör oder auf den gesetzlichen Richter…
Für eine solche willkürliche Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs bestehen im Streitfall keine Anhaltspunkte..
 
114
Siehe hierzu Gräber/Ratschow, FGO, § 128 Rz. 4.
 
115
Um Lücken im bisherigen Rechtsschutzsystem zu schließen, sind von der Rechtsprechung teilweise außerhalb des geschriebenen Rechts außerordentliche Rechtsbehelfe geschaffen worden (siehe oben A II 1 a). Diese genügen den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Rechtsmittelklarheit nicht. Die Rechtsbehelfe müssen in der geschriebenen Rechtsordnung geregelt und in ihren Voraussetzungen für die Bürger erkennbar sein.
Wesentlicher Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips ist der Grundsatz der Rechtssicherheit. Er wirkt sich im Bereich des Verfahrensrechts unter anderem in dem Postulat der Rechtsmittelklarheit aus. Das rechtsstaatliche Erfordernis der Messbarkeit und Vorhersehbarkeit staatlichen Handelns führt zu dem Gebot, dem Rechtsuchenden den Weg zur Überprüfung gerichtlicher Entscheidungen klar vorzuzeichnen (vgl. BVerfGE 49, 148<164>; 87, 48<65>). Die rechtliche Ausgestaltung des Rechtsmittels soll dem Bürger insbesondere die Prüfung ermöglichen, ob und unter welchen Voraussetzungen es zulässig ist. Sind die Formerfordernisse so kompliziert und schwer zu erfassen, dass nicht erwartet werden kann, der Rechtsuchende werde sich in zumutbarer Weise darüber Aufklärung verschaffen können, müsste die Rechtsordnung zumindest für eine das Defizit ausgleichende Rechtsmittelbelehrung sorgen (vgl. BVerfGE 93, 99<108>). Diese kann aber zuverlässig nur erteilt werden, wenn die Zulässigkeitsvoraussetzungen des jeweiligen Rechtsbehelfs in der Rechtsordnung geregelt sind.
 
116
Weil die Rechtsbehelfsfrist nicht durch die Anhörungsrüge gehemmt wird, bleibt zunächst nichts anderes übrig als zusätzlich das statthafte Rechtsmittel einzulegen.
 
117
Vgl. Seer in Tipke/Lang, Steuerrecht, § 22 Rzn. 258, 273, 274.
 
118
Siehe hierzu Gräber/Ratschow, FGO, § 133a Rz. 8 mit der Darstellung unterschiedlicher Auffassungen.
 
119
Vgl. hierzu BFH-Beschluss vom 11.09.2013, I S 14/13, BFH/NV 2014, S. 50: Gemäß § 133a Abs. 2 Satz 5 FGO muss die Rüge die angegriffene Entscheidung und das Vorliegen der in § 133a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FGO genannten Voraussetzungen darlegen. Dies erfordert einen schlüssigen und substanziierten Vortrag. […] Nicht ausreichend ist es darzulegen, das Gericht habe in der Sache fehlerhaft entschieden. Denn die Anhörungsrüge dient nicht dazu, die angegriffene Entscheidung in vollem Umfang zu überprüfen.
 
120
Siehe hierzu auch Gräber/Ratschow, FGO, § 133 a Rz. 16.
 
121
Vgl. auch Gräber/Ratschow, FGO, § 133 a Rz. 20.
 
122
„Eine Prüfungsanordnung, die mehrere Steuern betrifft, enthält mehrere selbständige Regelungen i.S. des § 118 AO. Hat das FA u.a. auch die Prüfung von Steuern angeordnet, für deren Prüfung es örtlich nicht zuständig ist, muß die Prüfungsanordnung nach § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO aufgehoben werden, soweit sie wegen örtlicher Unzuständigkeit rechtswidrig ist.“
 
Metadata
Title
Der Finanzgerichtsprozess (FGO)
Authors
Wolf-Dieter Butz
Rainer Hartmann
Paul-Frank Weise
Copyright Year
2017
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-17572-6_6