Der Nahost-Konflikt gilt als der älteste ungelöste Regionalkonflikt von internationaler Bedeutung. Seine Ursprünge reichen bis in das späte 19. Jahrhundert zurück. Doch streng genommen gibt es den „Nahost-Konflikt“ nicht. Was unter diesem Begriff firmiert, sind zwischen lokal, regional und global handelnden Akteuren vielfach verknüpfte Beziehungen, in deren Zentrum die Konkurrenz um Palästina, das Land zwischen dem Fluss Jordan und dem Mittelmeer, steht. Vielgestaltig sind auch die Austragungsformen dieses Konflikts. Zwar konnte die Diplomatie an einigen seiner Fronten Teilerfolge vermelden. Aber sein Gewaltpotenzial bricht sich periodisch immer wieder Bahn, wobei die Skala von staatlich organisierten Operationen großer militärischer Verbände bis hin zum Selbstmordattentat sogenannter Märtyrer reicht.
Der Nahe Osten ist eine Teilregion des Vorderen Orients. Eine verbindliche wissenschaftliche Übereinkunft darüber, welche Staaten zum Vorderen Orient und welche zum Nahen Osten zu rechnen sind, gibt es nicht. Für die Zwecke dieses Überblicks wird eine enge Definition des Nahen Ostens, der Mashrek (arabisch für Osten), zugrunde gelegt (vgl. Schmid 1993: 26). Zu ihm gehören Israel und die von ihm besetzten Palästinensischen Gebiete sowie seine arabischen Nachbarstaaten Ägypten, Jordanien, Libanon und Syrien.
Mit dem Begriff „Friedensprozess“ wird weithin die Periode in den israelisch-arabischen Beziehungen bezeichnet, in der die am Nahost-Konflikt beteiligten Parteien seit 1991 in direkten Gesprächen und Verhandlungen eine Lösung suchten. Vorläufer lassen sich bis in die 1970er Jahre finden, als im Zusammenhang mit den ägyptisch-israelischen und syrisch-israelischen Truppenentflechtungsabkommen 1974 erste Schritte zu einer Rückgabe besetzten arabischen Territoriums gemacht wurden. Diese Schritte wurden damals ausdrücklich mit dem Ziel eines gerechten und dauerhaften Friedens in der Region verknüpft. Mit ihrer fast zeitgleich vorgenommenen Annäherung an die Möglichkeit einer Zweistaatlichkeit – ein Staat Palästina neben dem Staat Israel – hatte sich die PLO ihrerseits auf den Weg zu einer Konfliktlösung begeben.
Das folgende Kapitel informiert über die wichtigsten Sachfragen, um die im Nahost-Konflikt gestritten wird, und über die Streitparteien sowie weitere Staaten bzw. internationale Organisationen, die sich in diesem Konflikt engagieren und Einfluss auf seinen Verlauf nehmen. Dabei lassen sich Vorgriffe und Rückverweise nicht immer vermeiden. Denn Streit über Sachfragen ist ohne Berücksichtigung der Streitenden nicht darstellbar, und Akteure handeln nicht im luftleeren Raum, sondern lassen sich in ihrem konkreten Handeln von Interessen leiten, die ihren Umgang mit den Sachfragen bestimmen.
Der Nahost-Konflikt ist bis heute ungelöst. Palästina, wo seit über hundert Jahren Juden und Araber bzw. Israelis und Palästinenser um Land und Herrschaft streiten, erlebte seit dem Altertum kriegerische Auseinandersetzungen und eine wechselvolle Herrschaftsgeschichte prägte den Landstrich. Im Mittelalter breiteten sich von hier die beiden Nachfolgereligionen des Judentums, das Christentum und der Islam, nach Westen aus. In umgekehrter Richtung wurde Palästina zum Schauplatz kriegerischer Expeditionen europäischer Herrscher.