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2018 | Book

Dialektische Psychologie

Adornos Rezeption der Psychoanalyse

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About this book

Das Buch befasst sich mit bislang unbekannten Kontexten von Theodor W. Adornos Kritik der Psychoanalyse, darunter vor allem die versuchte „Arisierung“ durch die Neoanalyse im Göring-Institut der NS-Zeit. Wolfgang Bock nimmt dazu einen wichtigen Ausgangspunkt von Adornos Aufsatz „Die revidierte Psychoanalyse“, der 1952 in der Psyche veröffentlicht wird. Der Autor zeigt anhand einer genauen Lektüre eins bislang unveröffentlichten englischen Vortragsmanuskripts von 1946, dass Adornos sich zusammen mit den zur Emigration gezwungenen jüdischen Analytikern vor allem gegen die Zurichtung der freudschen Triebtheorie durch Karen Horney richtet, gegen die er auch in Amerika argumentiert. Er steht damit keinesfalls allein da. Diese Motive werden von Adorno allerdings ab 1950 in Deutschland nicht mehr offen aufgenommen, da er sich mangels anderer Alternativen nun verstärkt um ein Auskommen mit den ehemaligen Nazis bemüht. Wolfgang Bock, der auch der bislang kaum erfolgte Aufarbeitung dieses faschistischen Erbes in der Psychologie im Nachkriegsdeutschland nachgeht, kann zeigen, dass diese Momente weiterhin in Adornos späterer Fassung der Psychoanalyse wirksam bleiben. Vor diesem Hintergrund unterzieht er so gut wie alle Texte Adornos zur Psychoanalyse einer gründlichen Revision, darunter auch kaum bekannte Forschungsprojekte. Es zeigt sich, dass Adorno in den englischen Texten sehr viel offener argumentiert und damit paradoxerweise späteren Kritikern näher ist, als diese annehmen: Das Bild seines Umgangs mit der Psychoanalyse muss von nun an gründlich revidiert werden. Das Buch veröffentlicht zum ersten Mal den englischen Vortragstext Adornos von 1946 und bietet u.a. eine neue deutsche Übersetzung.

Table of Contents

Frontmatter

"Das Konzept der dialektischenPsychologie. Adorno imInstitut für Sozialforschung"

Frontmatter
Chapter 1. Dialektische Psychologie versus analytische Sozialpsychologie. Adornos Konzept von 1934
Zusammenfassung
Nachdem das Institut für Sozialforschung an der Frankfurter Universität von den Faschisten im März 1933 geschlossen wurde, wurden die einzelnen Mitglieder in die Emigration gezwungen. Max Horkheimer, Fritz Pollock, Erich Fromm, Herbert Marcuse und Leo Löwenthal hatten nach den ersten Ergebnissen der empirischen Untersuchungen von Erich Fromm über das Bewusstsein von Arbeitern und Angestellten den Schluss gezogen, dass es, falls Hitler an die Macht käme, kaum nennenswerten Widerstand gegen ihn geben werde.
Wolfgang Bock
Chapter 2. Theoretische und persönliche Konstellationen in Frankfurt und New York. Die Ersetzung Erich Fromms durch Theodor W. Adorno im Institut für Sozialforschung
Zusammenfassung
Erich Fromm wird am 23. März des Jahres 1900 in Frankfurt in einer orthodoxen Familie geboren. Nach dem Abitur studierte er zunächst zwei Semester Rechtwissenschaften in Frankfurt und gründet 1920 dort das Freie Jüdische Lehrhaus mit, eine jüdische Volkshochschule, in der Nehemia Nobel, Franz Rosenzweig, Martin Buber, Leo Baeck und auch Gershom Scholem unterrichten. Anschließend studiert Fromm pro forma Jura in Heidelberg weiter, hört aber hauptsächlich Soziologie und Philosophie.
Wolfgang Bock
Chapter 3. Adornos frühe und mittlere Rezeption der Psychoanalyse. Von der ersten Habilschrift 1927 bis zum ersten Teil der Minima Moralia 1944
Zusammenfassung
Der junge Adorno schreibt sich am 18. April 1921 in der Universität Frankfurt für Philosophie, Soziologie, Musikwissenschaft und Psychologie ein. Er befasst sich mit der geisteswissenschaftlichen Psychologie und besucht unter anderem Seminare der Gestaltpsychologen Adhémar Gelb, Friedrich Schumann und Hans Cornelius. Nach dem raschen Abschluss des ersten Studiums mit einer Doktorarbeit über Husserl 1924 bei Cornelius geht er dann 1925 – 26 für zwei Jahre nach Wien und hat dort unter anderen über seine Lehrer Alban Berg und Eduard Steuermann gesellschaftliche Kontakte zu Psychoanalytikern, die ihm arrogant und besserwisserisch erscheinen.
Wolfgang Bock

"Adorno und Horkheimer –ein spannungsvolles Verhältnis"

Frontmatter
Chapter 4. Freudische Gestalten. Max Horkheimer und die Psychoanalytiker Karl Landauer und Ernst Simmel
Zusammenfassung
Mit seinem neuerlichen Kontakt zum Institut für Sozialforschung 1934 vollzieht Adorno einen Schritt hin zu Max Horkheimer. Dieser hatte eine andere Einstellung zur Psychoanalyse als Adorno, die frühzeitig durch seine persönliche Begegnung mit Karl Landauer geprägt wird. Einen ähnlichen Kontakt zu einem Analytiker kann Adorno nicht aufweisen.
Wolfgang Bock
Chapter 5. Zwei Seiten einer Medaille. Die Dialektik der Aufklärung und die Studien Über Antisemitismus und Vorurteile
Zusammenfassung
Die letzten Jahre in New York hatten Max Horkheimer und Friedrich Pollock, die beiden nach Fromms Ausscheiden verblieben Direktoren des Instituts für Sozialforschung, stetig daran gearbeitet, dieses zu verkleinern, um endlich an die seit langem ins Auge gefasste dialektische Arbeit gehen zu können. Parallel dazu hatte Horkheimer sich auf verschiedenen Reisen in den amerikanischen Westen nach einer Bleibemöglichkeit an der klimatisch günstigeren Westküste umgesehen; auch er litt an dem feuchten und kalten Klima im Osten. Im April 1941 wird schließlich der Umzug nach Kalifornien bewerkstelligt.
Wolfgang Bock
Chapter 6. Im Windschatten des Meisters. Adornos Geste zwischen Benjamin und Horkheimer
Zusammenfassung
Ein kaum behandeltes Thema in der Literatur über die kritische Theorie sind die Differenzen zwischen Horkheimer und Adorno. Jede genaue Befassung mit dem Institut für Sozialforschung zeigt, dass der unumstrittene Meister der kritischen Theorie zunächst Max Horkheimer ist. Der jüngere Adorno gewinnt dessen Zutrauen aufgrund einer radikalen negativen philosophischen Einschätzung der Welt als Jammertal.
Wolfgang Bock

"Adorno in den Klinikenvon Ernst Lewyund Frederik Hacker"

Frontmatter
Chapter 7. Adorno als psychoanalytischer Weiterbildner. Metapsychologische Freudexplikationen für Therapeuten in der Klinik von Ernst Lewy 1948
Zusammenfassung
Auch nach seiner Rede vor der Psychoanalytischen Gesellschaft von San Francisco 1946 trägt Adorno die Position des Instituts für Sozialforschung zur Psychoanalyse in Amerika zu verschiedenen Anlässen weiter vor. Er arbeitet damit nicht nur bei den Forschungsprojekten für die jüdischen Organisationen oder in der Columbia-Universität, sondern auch in psychoanalytisch ausgerichteten Kliniken in Kalifornien. Davon gibt es neben der bekannteren Zusammenarbeit mit der Frederik-Hacker-Klinik, die 1949 – 56 erfolgt, ein weiteres ausführliches Zeugnis, nämlich eine kaum bekannte Vortragsreihe, die er im Frühjahr 1948 im Hospital des Psychiaters Ernst Lewy abhält.
Wolfgang Bock
Chapter 8. Hausfrauen, Stars und Sternchen. Zur Anwendung der Psychoanalyse in Adornos veröffentlichten Arbeiten über Fernsehen und Astrologie in der Frederik-Hacker-Foundation 1952 – 53
Zusammenfassung
Bekannter als die Vorträge bei Ernst Lewy, von denen im Archiv nur die Stichworte der ersten beiden auf Englisch vorliegen, sind die veröffentlichten Resultate von Adornos Arbeit als wissenschaftlicher Leiter der Frederik-Hacker-Foundation in Beverly Hills aus der Kernzeit 1952 bis 1953. Friedrich Hacker (1914 – 1989) ist ebenfalls wie Ernst Lewy ein aus Österreich stammender Psychiater und Psychoanalytiker. Er hört noch einige Vorlesungen Freuds in Wien, bevor er seinerseits 1938 in die Schweiz flieht, wo er das in Wien begonnenes Medizinstudium beendet. 1940 gelangt er in die USA.
Wolfgang Bock
Chapter 9. Perspektivveränderungen. Adornos Selbstilisierung
Zusammenfassung
Adorno macht in seiner Analyse der astrologischen Texte aus der Los Angeles Times also zunächst ganz richtig das Verhältnis solcher Ratschläge zur verwalteten Welt des arbeitsteiligen Kapitalismus deutlich und verweist auf die Nähe zur populärpsychologischen Ratgeber-Spalte der Zeitungen wie zur Kulturindustrie insgesamt mit ihrer Arbeitsteilung. Auf produktive Weise überträgt er Krankheitsmodelle aus der Psychoanalyse auf solche pseudorationalen Systeme und zeigt einmal mehr, wohin ihn seine Aneignung der psychoanalytischen Diskussion führt.
Wolfgang Bock
Chapter 10. Versuchsanordnungen. Weitere Forschungsprojekte Adornos zur dialektischen Psychoanalyse in der Frederik-Hacker-Klinik zwischen 1949 und 1956
Zusammenfassung
Die in den beiden letzten Kapiteln vorgestellten Arbeiten Adornos betrieben Inhaltsanalysen, die im Zusammenhang der Kritik der Kulturindustrie und des Autoritären Charakters verfasst wurden. Mit Frederik Hacker und seiner Klinik gab es aber auch von Adorno bereits früher, nämlich im Mai 1949, eine Zusammenarbeit im klinischen Feld, von der weitere bislang kaum gewürdigte Zeugnisse erhalten sind. Diese bilden praktische Modelle von Adornos dialektischer Psychoanalyse.
Wolfgang Bock

"Psychologie in Deutschlandnach dem Krieg: Lehrstühle,GRUPPENEXPERIMENT unddie Affaire Hofstätter"

Frontmatter
Chapter 11. Psychologie nach 1945 – ein Neuanfang? Bericht einer Arbeitstagung im Institut für Sozialforschung 1952
Zusammenfassung
Während Adorno vom Oktober 1952 bis August 1953 wieder mit Gretel in Kalifornien in der Frederik-Hacker-Foundation an seinen Studien sitzt, wertet er auch die Befragungen aus, die im Jahreswechsel 1950/51 im Rahmen des Gruppenexperimentes in Deutschland stattgefunden haben und mit denen wir uns gleich befassen werden. Horkheimer und das Institut hatten nach ihrer Rückkehr nach Deutschland nicht allein dieses Projekt in Angriff genommen. Sie hatten sich auch in einem möglichen Rahmen um eine Einflussnahme und Konsolidierung der deutschen Hochschullandschaft bemüht, die bis dahin noch weitgehend von den Weichenstellungen der Nazizeit bestimmt gewesen war.
Wolfgang Bock
Chapter 12. Ein einsamer Adorno am Fuße des Läuterungsberges. Empirische Sozialforschung 1950/51 als dialektische Fechtkunst im postfaschistischen Deutschland
Zusammenfassung
Die Methodenfragen, die im vorletzten Kapitel über die Studien Adornos zur Psychoanalyse bei Frederik Hacker angeschnitten wurden und die Versuche eines Neuanfangs in Deutschland beschäftigen Adorno auch nach der endgültigen Rückkehr 1953 weiterhin: Empirische Sozialforschung im Rahmen des neugefassten interdisziplinären Methodenpluralismus am Institut für Sozialforschung, Fundierung einer dialektisch verstandenen Psychoanalyse und essayistische Schreibformen im Zusammenhang mit ästhetischen, soziologischen und im engeren Sinne philosophischen Themen. Dieses Mal haben wir es aber wieder mit einem realisierten Projekt zu tun, in welchem nicht über, sondern mit der Psychoanalyse geforscht wurde.
Wolfgang Bock
Chapter 13. Anhänge und Nachschläge zum Gruppenexperiment. Adornos Auseinandersetzung mit dem Wehrmachtspsychologen Peter Robert Hofstätter
Zusammenfassung
Die kleineren Texte des Anhangs beziehen sich zwar nicht speziell auf das Gruppenexperiment, sondern allgemein auf die Arbeiten des Bandes 9.2 der Gesammelten Schriften Adornos; sie können aber durchaus auch im engeren Sinne als weitere methodenkritische Ergänzung des Gruppenexperiments durchgehen. Wählt man diese Betrachtungsweise, dann bilden beide Teile Beiträge für ein Handbuch zur empirischen Sozialforschung in Deutschland. Dieses käme in einem didaktischen Zusammenhang neben den Soziologischen Exkursen als Explikation soziologischer Grundbegriffe zu stehen, die ebenfalls aus derselben Zeit stammen und sich im Rahmen der Lehrveranstaltung in Frankfurt an die junge Studentengeneration wenden.
Wolfgang Bock

"Indirekte Kritikan der Nachkriegspsychologie:Adorno, die Neo-Analyseund das Göring-Institut"

Frontmatter
Chapter 14. Indirekte Beleuchtung und wilde Projektionen. Adornos späte Gesamtbilder der Psychoanalyse mit kleinen Fehlern. Die Texte der 1950er und 1960er Jahre
Zusammenfassung
Die letzten beiden Kapitel hatten den Rahmen der empirischen Sozialforschung nachgezeichnet, den das Frankfurter Institut für Sozialforschung nach seiner offiziellen Wiedereröffnung 1951 gewählt hatte. Dieser bildet den großen Bogen, in dem die Psychoanalyse hier weiterhin im ideologiekritischen Sinne ihrer Anwendung findet. Wir haben gesehen, dass Adorno bis auf wenige Ausnahmen wie die Hofstätter-Kontroverse 1957 offiziell keine spezielle Auseinandersetzung mit der deutschen Psychologie der Nazizeit aufnimmt, weder mit den Wehr- und Arbeitspsychologen noch mit der „Neuen deutschen Seelenheilkunde“ im Göring-Institut.
Wolfgang Bock
Chapter 15. Der lange Schatten. Zum Nachleben des Göring-Instituts in der deutschen Psychologie nach 1945. Anmerkungen zu einer Debatte
Zusammenfassung
Adornos Vortrag von 1946 weicht in drei Momenten von der später veröffentlichten Fassung „Zum Verhältnis von Psychoanalyse und Gesellschaftstheorie“/„Die revidierte Psychoanalyse“ ab: in den Details zu Fromm und Horney, in der Referenz zu Walter Benjamin und in dem Bezug auf die NS-Praxis des Göring-Instituts, die ebenfalls mit Horneys Positionen verbunden ist. In diesem und dem folgenden Kapitel wird es um den dritten Aspekt, den Bezug zur psychotherapeutischen Praxis im Deutsche Institut für psychologische Forschung und Psychotherapie 1933 – 1945 gehen.
Wolfgang Bock
Chapter 16. Amerikanische und deutsche Neofreudianer. Adorno und die weiteren Dimensionen seiner Kritik an den Neofreudianern
Zusammenfassung
Die Exkurse des letzten Kapitels in der Debatte über die Psychoanalyse während und nach der NS-Zeit in Deutschland legten sowohl Kontinuitäten als auch Diskontinuitäten zu den Abwehrformen des Gruppenexperiments frei. Die Darstellungen waren notwendig, um sich zu vergewissern, mit welcher Lage sich Adorno und das Institut für Sozialforschung Anfang der Fünfzigerjahre im Feld der Psychologie auseinandersetzen mussten. Wenn wir angedeutet haben, dass er sich in seinen Schriften zur Psychoanalyse, die in den Fünfzigerjahren in Deutschland erscheinen, damit nicht explizit befasst, so enthält sein Aufsatz über Karen Horney doch auch implizit eine Kritik an den neuen deutschen Seelenkundlern und den Neoanalytikern des Göring-Instituts.
Wolfgang Bock

"Adornos Rettungder Psychoanalysein der Ästhetik"

Frontmatter
Chapter 17. Unruhige Ruhe in der Kunst. Die beständige Wiederkehr der Elemente der frühen Überlegungen
Zusammenfassung
Ein Hauptangriffspunkt Adornos an der Psychoanalyse war das einseitige Realitätsprinzip und die undialektische Auffassung der Wirklichkeit, die sich bereits bei Freud findet. Diese Tendenzen werden von der Neoanalyse in Amerika und besonders in Deutschland nochmals verstärkt. Eine Sonderrolle kommt dabei dem Feld der Kunst und dem Künstler zu, den ein solches Über-den-Löffel-der-Arbeitsfähigkeit-Barbieren besonders hart ankommen muss.
Wolfgang Bock
Backmatter
Metadata
Title
Dialektische Psychologie
Author
Prof. Dr. Wolfgang Bock
Copyright Year
2018
Electronic ISBN
978-3-658-15325-0
Print ISBN
978-3-658-15324-3
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-15325-0