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2019 | Book

Die Ästhetik der Autopoiesis

Architekturbewertung in Wettbewerben

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About this book

Marcus van Reimersdahl untersucht den Vorgang der Bewertung von Architektur in Preisgerichten. Mit einem phänomenologisch-hermeneutischen Untersuchungsansatz entwickelt er eine neue Deutung darüber, was tatsächlich geschieht, wenn ein Preisgericht über Wettbewerbsentwürfe urteilt. Das Verständnis der Fachwelt und der Öffentlichkeit, wonach ein Preisgericht ein „objektives“ Auswahlverfahren sei, bei dem „Qualität“ ermittelt werde, stellte er dabei infrage. Das Verstehen der Jurorinnen und Juroren erzeugt sich performativ über das im ästhetischen Objekt Verhandelte hinaus. Es entwickelt sich eine mimetische Spirale, in der sich kulturelle Codes umbilden und etwas Neues entsteht.​

Table of Contents

Frontmatter

Ausgangspunkte

Frontmatter
Kapitel 1. Einleitung
Zusammenfassung
Die Vergabe von Architektenleistungen im Rahmen von Wettbewerben besitzt in Deutschland eine lange Tradition und genießt sowohl in der Öffentlichkeit als auch in der Fachwelt eine hohe Wertschätzung. In den Kommentierungen zur aktuellen Wettbewerbsordnung traut man dem Architektenwettbewerb zu, „Lösungen für künftige Lebensräume zu schaffen“, die beispielsweise „den Anforderungen der zu leistenden Energiewende, der Bildungsoffensive und dem Schaffen von gutem und bezahlbarem Wohnraum“ Rechnung tragen. Der Architektenwettbewerb ist nach Auffassung der Berufsverbände der Architekten die Voraussetzung dafür, dass mit „zukunftsfähigen Ideen, Kreativität und Leistungsfähigkeit tragfähige Lösungen entwickelt werden“.
Marcus van Reimersdahl
Kapitel 2. Fragestellung und Forschungsstand
Zusammenfassung
Architektur als baulich gestaltete Umwelt des Menschen steht im Zusammenhang mit ihrer Rezeption und Bewertung. Bewohner bilden sich in konkreten Situationen des Gebrauchs eine Auffassung darüber, ob ein Gebäude für sie „passend“ ist oder nicht. Die gebaute Umwelt unterliegt daher einer fortwährenden Evaluation, die sich - neben vielen anderen Diskurshorizonten - insbesondere auf die konkrete Erwartungshaltung der jeweils betroffenen Menschen bezieht. Bei den in der vorliegenden Arbeit untersuchten Preisgerichten für Bauaufgaben der öffentlichen Hand sind die an die Gebäude herangetragenen Anforderungen so zahlreich und vielgestaltig wie die Zahl ihrer Nutzer und Rezipienten.
Marcus van Reimersdahl
Kapitel 3. Theoretischer Ansatz und methodische Umsetzung
Zusammenfassung
Das leitende Wissenschaftsverständnis der vorliegenden Untersuchung gründet auf der Architekturtheorie als Erfahrungswissenschaft, wie sie der Architekturtheoretiker Achim Hahn als Beispielshermeneutik entwickelt. Ausgangspunkt ist somit nicht eine generelle Sicht auf die Architektur oder auf Theorien der Architekturbewertung. Stattdessen wird der Blick auf die Praxis der Architektenwettbewerbe gerichtet und die dort geübten Sichtweisen. „Das architektonische Verhalten, als konkretes Zeugnis menschlicher Anwesenheit und Räumlichkeit, kann nicht abstrakt vorgetragen werden.
Marcus van Reimersdahl
Kapitel 4. Rechtliche Grundlagen
Zusammenfassung
Die Handlungssituation in Preisgerichten ist nur dann umfassend zu verstehen, wenn auch die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen in den Blick der Untersuchung genommen werden. Dabei macht die nachfolgende Untersuchung zu den Kommentierungen der Wettbewerbsrichtlinien deutlich, dass es unkontrollierbare Faktoren im Bewertungsverfahren gibt und damit die Zuverlässigkeit der Preisgerichte im Sinne einer „objektiven“ Bewertung in Frage steht. Die im Kapitel „Forschungsstand“ identifizierten Aspekte der Eigendynamik innerhalb eines Preisgerichtes, die insbesondere skandinavische Forscher betonen, finden sich in den Kommentierungen der Wettbewerbsrichtlinien wieder.
Marcus van Reimersdahl
Kapitel 5. Wettbewerbe als Verfahrenspraxis
Zusammenfassung
Das Kapitel betrachtet den gesellschaftlichen Rahmen, in den Wettbewerbe eingebettet sind. Wettbewerbsstatistiken zeigen, welche Verfahrensart die unterschiedlichen Bauherren bevorzugt wählen. Eine Auswertung von Beiträgen aus Fachzeitschriften verdeutlicht die unterschiedliche Erwartungshaltung zu Wettbewerbsverfahren von Seiten der Auftraggeber und von Seite der Architekten.
Marcus van Reimersdahl

Empirie

Frontmatter
Kapitel 6. Teilnehmende Beobachtung Preisgericht Justizzentrum
Zusammenfassung
Um herauszufinden, um welche Art der Informationsgewinnung und Erkenntnis es sich bei einem Preisgericht handeln könnte, verfolgt die vorliegende Arbeit einen beispielhermeneutischen Ansatz. Die Beobachtungen des Autors aus der teilnehmenden Beobachtung von Preisgerichtsverfahren sind das empirische Material, auf das sich die Auswertungen stützen. Damit werden die konkrete, einmalige Situation der Entwurfsbewertung und das damit verbundene spontane Sprechen der Preisrichter für die Untersuchung zugänglich.
Marcus van Reimersdahl
Kapitel 7. Experteninterviews Justizzentrum
Zusammenfassung
Die Beobachtungen zu der Preisgerichtssitzung für das Justizzentrum verdeutlichen, dass das Verstehen der Wettbewerbsentwürfe eingebunden ist in die konkrete individuelle Handlungssituation, in der sich die Mitwirkenden vor Ort befinden. Weiterhin ist klar geworden, dass sich das Handeln der Juroren nicht auf der Grundlage von normierten Annahmen erklären lässt, sondern nur über ein möglichst genaues Verständnis ihrer Erfahrungen und Überzeugungen. Bei der teilnehmenden Beobachtung in dem Preisgericht für das Justizzentrum ist es aber nur eingeschränkt möglich gewesen, mit den Juroren über ihre Vorgehensweise zu sprechen.
Marcus van Reimersdahl

Ergänzungen der Theoretischen Memos durch Wissenschaften

Frontmatter
Kapitel 8. Aspekte der Bildwissenschaft
Zusammenfassung
Empirie und Theorie stehen in der Beispielhermeneutik in einem Ergänzungsverhältnis. In der teilnehmenden Beobachtung im Preisgericht und in den Experteninterviews beschreiben die Juroren ihre Erfahrungen, die sie im Umgang mit den zu bewertenden Wettbewerbsentwürfen machen. Die Schwerpunkte der Untersuchungsergebnisse sind im vorangegangenen Kapitel als „gegenstandsbezogene Theorien“ in Form der Theoretischen Memos formuliert.
Marcus van Reimersdahl
Kapitel 9. Aspekte der Psychologischen Handlungstheorie
Zusammenfassung
Das Preisgerichtsverfahren ist ein mehrstufiges Auswahlverfahren, dessen formaler Ablauf die Wettbewerbsrichtlinie RPW regelt. Das Vorgehen zur Ermittlung des besten Entwurfs ergibt sich nach RPW durch das „Abarbeiten“ eines Ablaufschemas in den verschiedenen Wertungsrundgängen. Das Prinzip der schrittweisen Verkleinerung des Untersuchungsfeldes durch das Ausscheiden von Arbeiten ist der einzige Hinweis, den die RPW zur Methodik der Prüfung gibt.
Marcus van Reimersdahl
Kapitel 10. Aspekte der Zeichentheorie
Zusammenfassung
Für die Analyse der in der teilnehmenden Beobachtung bemerkten Phänomene hat im vorangegangenen Kapitel die psychologische Handlungstheorie zusätzliche Hinsichten eingebracht. Mit dem Handlungsfeldmodell lässt sich das konkret beobachtete Verhalten der Preisrichter mit Prinzipien der Handlungsregulation abgleichen. Im Fall einer Entsprechung kann das in der Empirie Vorgefundene mit den Aspekten der Theorie eine treffende Beschreibung erhalten.
Marcus van Reimersdahl

Folgerungen

Frontmatter
Kapitel 11. Das Preisgericht als Inszenierung des Werkes
Zusammenfassung
Den Analysen des empirischen Materials aus der teilnehmenden Beobachtung und aus den Experteninterviews haben die vorangegangenen Kapitel Theorien auswärtiger Wissenschaften gegenübergestellt. Die Aspekte, die ergänzend die psychologische Handlungstheorie beisteuert, machen darauf aufmerksam, dass man das in der Empirie Beobachtete als einen Prozess der schrittweisen Komplexitätsreduzierung verstehen kann. Es entwickelt sich im Handlungsgeschehen eines Preisgerichtes eine Eigendynamik, da sich die Zwischenziele der Juroren mit jedem betrachteten Entwurf verändern und damit der Zielpunkt der Suche fortwährend wechselt.
Marcus van Reimersdahl
Kapitel 12. Wahrheit und ästhetische Wahrheit
Zusammenfassung
Der schrittweise Vergleich der Wettbewerbsarbeiten zueinander führt im Preisgericht zur Wahl eines Siegers. Im Verlauf der Wertungsrundgänge gewinnen die Juroren eine Sicherheit dahingehend, ob ein Wettbewerbsbeitrag als Lösung angemessen ist oder nicht. Wie im vorangegangenen Kapitel dargestellt, besteht in manchen Hinsichten eine Strukturähnlichkeit zwischen einem Wettbewerbsentwurf und einem Kunstwerk, etwa in der jeweiligen Offenheit und Unabgeschlossenheit ihrer Aussage.
Marcus van Reimersdahl
Kapitel 13. Das Preisgericht als Poet
Zusammenfassung
Das Geschehen in einem Preisgericht zeigt sich im vorangegangenen Kapitel als Spiel. In diesem bringen sich die Wettbewerbsentwürfe über die Beschreibungen der Juroren zur Ausführung. Mit Gadamer wird deutlich, dass es sich bei diesem Vorgang um eine Wahrheitsfindung handelt.
Marcus van Reimersdahl
Kapitel 14. Das Preisgericht als Performance
Zusammenfassung
In der bisherigen Untersuchung der Arbeit hat der physische Handlungsraum der Preisgerichtssitzung noch keine Rolle gespielt. Es soll im Schlusskapitel der Arbeit mit einem nochmaligen Blick auf die Empirie der Blick darauf gelenkt werden, welche Bedeutung das räumliche Dispositiv des Preisgerichtes besitzt. In der teilnehmenden Beobachtung zeigen sich Phänomene, die in der räumlich-sozialen Anordnungsform des Preisgerichts begründet sind. Der bisherigen Fokussierung auf die Beschreibung der ästhetischen Wirkung, die von den Wettbewerbsarbeiten ausgeht, tritt eine neue Hinsicht hinzu, mit der sich ein Preisgericht kategorial anders verstehen lässt.
Marcus van Reimersdahl

Ergebnis

Frontmatter
Kapitel 15. Die Ästhetik der Autopoiesis
Zusammenfassung
Die vorliegende Arbeit identifiziert über die teilnehmende Beobachtung und mit Hilfe von Experteninterviews das Handeln der Akteure in den Jurysitzungen als ein hervorbringendes Geschehen. Das Urteil eines Preisgerichtes entsteht im Ergebnis eines Aushandlungsprozesses, wobei die Preisrichter in einen Mitvollzug zu dem Dargebotenen treten. Die in der Arbeit aufgezeigten Phänomene dieses Mitvollzugs weisen darauf hin, dass es sich um eine Kommunikation handelt, bei der die Juroren eine ästhetische Erfahrung machen.
Marcus van Reimersdahl
Backmatter
Metadata
Title
Die Ästhetik der Autopoiesis
Author
Marcus van Reimersdahl
Copyright Year
2019
Electronic ISBN
978-3-658-25104-8
Print ISBN
978-3-658-25103-1
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-25104-8