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2021 | Book

Die doppelte Defensive

Soziale Lage, Mentalitäten und Politik der Ingenieure in Deutschland 1890 - 1933

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Wie keine andere Beruflichkeit repräsentieren die Ingenieure die (industrielle) Moderne. In Kaiserreich und Weimarer Republik standen der enormen zahlenmäßigen Expansion der Berufsgruppe allerdings vergleichsweise ungünstige Arbeitsbedingungen und Einkommen gegenüber. Dies galt besonders für die Diplom-Ingenieure, deren Akademisierung an den industriellen Anforderungen vorbei ging. Lässt sich die völkisch-rechtskonservative politische Radikalisierung vieler technischer Experten am Vorabend des ,Dritten Reiches‘ mit diesen beruflich-sozialen Friktionen tatsächlich vollständig erklären?

Erstmals erschlossene Daten zu beruflich-sozialen Lagen, zu Konsum, Freizeit und politischem Verhalten der Ingenieure im Umfeld der höheren und akademischen Berufe lassen im Betrachtungszeitraum bereits Konturen spätmoderner, gegenwärtiger Gesellschaftlichkeit erkennen. Dies macht komplexere Erklärungsansätze erforderlich und ermöglicht generelle Einsichten in die Dynamiken sozialer Krisen.Die vorliegende Studie zur (historischen) Professions-, Ungleichheits- und politischen Soziologie erscheint in der dritten, vollständig überarbeiteten Auflage.

Table of Contents

Frontmatter
Kapitel 1. Einleitung
Zusammenfassung
Mit der Wende zum 20. Jahrhundert schienen die Ingenieure im Kreis der Eliten der bürgerlichen Gesellschaft, in einem Bürgertum im engeren Sinne, angekommen zu sein. Seit 1899 vergaben zunächst die preußischen Technischen Hochschulen den Titel Diplom-Ingenieur und erlangten gleichzeitig das Promotionsrecht zum Dr.-Ing. Die ‚Commerzien‘-Karriere industrieller technischer Experten war damit zu höchsten akademischen Weihen gelangt.
Tobias Sander
Kapitel 2. Gebrochene Professionalisierung: die soziale Lage der technischen Experten
Zusammenfassung
Für die Zeit der Früh- und Hochindustrialisierung (etwa 1840 bis 1900) lässt sich die Zahl der berufstätigen Ingenieure lediglich schätzen. Bis zur Reichsgründung von 1871 stand den insgesamt etwa drei- bis fünftausend Regierungsbauräten, kommunalen Baubeamten sowie staatlich besoldeten Vermessungstechnikern eine vermutlich kaum größere Zahl angestellter technischer Experten in der Industrie gegenüber. Darüber hinaus lassen sich wenige Hundert Freiberufler, sprich Einzelselbständige, in der halbstaatlich organisierten Dampfkesselüberwachung identifizieren.
Tobias Sander
Kapitel 3. Lebensstile und Mentalitäten: verhinderte Verbürgerlichung
Zusammenfassung
Die Diplom-Ingenieure zählten sicherlich zu den bedeutsamsten Verlierergruppen des wirtschaftlichen und sozialen Strukturwandels des frühen 20. Jahrhunderts – so paradox es auch anmuten mag. Die weitgehende Chancengleichheit mit den Mittelschulabsolventen, die allgemein schlechten Erwerbsbedingungen sowie die fragile gesellschaftliche Anerkennung sorgten für eine eher kleinbürgerliche denn veritabel bürgerliche beruflich-soziale Lage. Wie en detail noch zu sehen sein wird, imaginierten die Funktionäre der Ingenieurvereine ihre Basis durchaus als bürgerliche Gruppierung. Wo lagen also die alltagskulturellen Grenzen des Bürgertums? Inwieweit war die neue Berufsgruppe der Ingenieure mit den etablierten akademischen und wirtschaftlichen Eliten, mit den Bildungs- und Wirtschaftsbürgern, verflochten? Inwieweit teilte man grundsätzliche Muster der Alltagsbewältigung, also Mentalitäten und Lebensstile?
Tobias Sander
Kapitel 4. Politisches Verhalten: zwischen Interessenpolitik und radikalkonservativer Utopie
Zusammenfassung
Das berufliche Organisationswesen der Ingenieure durchlief im 19. und frühen 20. Jahrhundert mehrere Wandlungsprozesse. Der erste tief greifende Formwandel bestand in dem Bedeutungsschwund des rein fachlichen Austausches in den 1890er, 1900er Jahren. Vor allem zwei neu gegründete Verbände setzten die Verbesserung der sozialen Lage ihrer Mitglieder ganz oben auf die Agenda – und grenzten sich damit von der Konzentration des Verbandszweckes auf den fachlich-wissenschaftlichen Austausch ab: Dem Bund der technisch-industriellen Beamten (Butib, gegründet 1904) gesellte sich im Jahr 1909 der Verband deutscher Diplom-Ingenieure (VDDI) hinzu.
Tobias Sander
Kapitel 5. Resümee
Zusammenfassung
Die Eingliederung in ein bürgerliches Elitenmilieu der ‚alten‘ Akademiker und größeren Unternehmer zählte nicht zu den typischen Lebenszielen eines Großteils der technischen Eliten. Auch die akademisch gebildeten und in vergleichsweise hohem Maße bürgerlich sozialisierten Diplom-Ingenieure bildeten hier keine Ausnahme. Solche alltagskulturellen Grenzen zwischen den etablierten ruling classes und den aufstrebenden Mittelschichten technischer Beruflichlichkeit zeigten sich sowohl an den persönlichen Kontaktkreisen in Vereinen und Gesellschaften als auch an übergreifenden Mustern der Alltagsgestaltung (Konsumverhalten, Freizeitgestaltung, Familienplanung).
Tobias Sander
Backmatter
Metadata
Title
Die doppelte Defensive
Author
Dr. Tobias Sander
Copyright Year
2021
Electronic ISBN
978-3-658-35357-5
Print ISBN
978-3-658-35356-8
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-35357-5