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2011 | Book

Die Keplersche Vermutung

Wie Mathematiker ein 400 Jahre altes Rätsel lösten

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About this book

Sir Walter Raleigh wollte wissen, wie Kanonenkugeln in einem Schiff am dichtesten aufgestapelt werden können. Im Jahre 1611 gab der Astronom Johannes Kepler die einleuchtende Antwort: genau so, wie Gemüsehändler Orangen und Tomaten auf den Marktständen aufstapeln. Doch dies war lediglich eine Vermutung, die Mathematiker vier Jahrhunderte lang zu beweisen versuchten. Erst 1998 gelang es dem amerikanischen Mathematiker Thomas Hales, die Vermutung mit der Hilfe von Computern mathematisch zu beweisen. Sowohl allgemeininteressierte Leser als auch Mathematikstudenten, Schüler und Lehrer werden dieses Buch mit Interesse lesen.

Table of Contents

Frontmatter
1. Kanonenkugeln und Melonen
Zusammenfassung
Der englische Adlige und Seefahrer Sir Walter Raleigh (1552–1618) ist vielleicht ein eher unwahrscheinlicher Vorläufer für ein intellektuelles Abenteuer. Seine wissenschaftlichen Leistungen werden mitunter angezweifelt, dennoch stieß er eine der großen mathematischen Untersuchungen der letzten vierhundert Jahre an: Irgendwann gegen Ende der 1590er Jahre, als Raleigh seine Schiffe für eine weitere Entdeckungsreise ausrästete, bat er seinen besten Freund und mathematischen Assistenten Thomas Harriot um einen Gefallen. Harriot solle eine Formel aufstellen, mit deren Hilfe Raleigh die Anzahl der Kanonenkugeln in einem gegebenen Stapel einfach anhand der Form des Stapels ermitteln konnte.
George G. Szpiro
2. Das Puzzle der Dutzend Kugeln
Zusammenfassung
Harriots Briefpartner Johannes Kepler wurde in der Nähe von Stuttgart als Kind von Heinrich und Katharina Kepler (geb. Guldenmann) geboren. Heinrich und Katharina heirateten am 15. Mai 1571, und sieben Monate später, am 27. Dezember desselben Jahres, wurde der kleine Johannes geboren. Damit man nicht glaube – Gott verhüte! –, daß Katharina bereits an ihrem Hochzeitstag schwanger war, nehme man zur Kenntnis, daß Johannes eine Frühgeburt war. Er selbst behauptete, daß er am Morgen nach der Hochzeitsnacht siebenunddreißig Minuten nach vier Uhr empfangen worden sei.
George G. Szpiro
3. Hydranten und Fußballspieler
Zusammenfassung
In diesem und im folgenden Kapitel beschränken wir die Diskussion auf zwei Dimensionen, das heißt, auf die Ebene. Und in der Ebene – wir stellen uns einfach eine Tischplatte vor – wollen wir zweidimensionale Kugeln, das heißt, Kreise, auf effiziente Weise anordnen. Die offensichtliche Frage ist, wie man Scheiben der gleichen Größe so anordnen kann, daß die Dichte in der Ebene maximiert wird. In Kapitel 1 hatten wir ausgerechnet, daß sechs Kreise, die in einem regelmäßigen Sechseck um einen mittleren Kreis herum angeordnet werden, eine Dichte von 90,7 Prozent erreichen. Durch herumschubsen der Münzen kann man experimentell leicht nachprüfen, daß das die dichtestmögliche Packung in zwei Dimensionen ist. Aber ist daß ein Beweis? Offensichtlich nicht! In diesem und im nächsten Kapitel werden wir zeigen, daß die hexagonale Anordnung tatsächlich die dichtestmögliche Packung ist.
George G. Szpiro
4. Die zwei Versuche von Thue und Fejes Tóths Leistung
Zusammenfassung
Im vorhergehenden Kapitel hatten wir Packungen und Überdeckungen in zwei Dimensionen betrachtet. Wir hatten darauf hingewiesen, daß das tatsächlich zwei verschiedene Fragen sind, die in Abhängigkeit davon untersucht werden müssen, ob die Mittelpunkte der Kreise auf einem Gitter liegen oder nicht. Joseph-Louis Lagrange lieferte die Zutaten für den Beweis, daß die hexagonale Anordnung die dichteste gitterförmige Packung in zwei Dimensionen ist. Wir wollen uns nun in Richtung des allgemeinen Falles bewegen. Gibt es vielleicht eine unregelmäßige Anordnung, die eine dichtere Packung gestattet?
George G. Szpiro
5. Dreizehn Kugeln sind eine zuviel
Zusammenfassung
In diesem Kapitel gehen wir zeitlich zurück bis ans Ende des siebzehnten Jahrhunderts und begeben uns räumlich „nach oben“ in die dritte Dimension. Im Jahr 1694 fand auf dem Campus der Universität Cambridge in England eine berühmte Diskussion zwischen Isaac Newton und David Gregory, den beiden damals führenden Naturwissenschaftlern, statt. In ihrem Disput ging es um das „Kußproblem“. Schrauben Sie aber bitte Ihre Erwartungen nicht allzu hoch. Der Begriff Kuß hat in diesem Zusammenhang nichts mit der bekannten Geste der Zuneigung zu tun. Hier bezieht sich das Verb küssen auf das Billardspiel und bedeutet, daß sich zwei Kugeln leicht berühren.
Newton und Gregory stritten sich über die Anzahl von Kugeln mit gleichem Radius, die in Kontakt mit einer mittleren Kugel gebracht werden können. Auf einer Geraden können zwei Kugeln eine mittlere Kugel küssen, eine links und eine rechts.
George G. Szpiro
6. Netze und Knoten
Zusammenfassung
Im Jahr 1869 reichte ein Mathematiker namens Bender aus der schönen Schweizer Stadt Basel einen Beweis des Kußproblems bei dem hochangesehenen Archiv der Mathematik und Physik ein, einer in Deutschland verlegten Zeitschrift. Die Arbeit hatte den sperrigen Titel „Bestimmung der grössten Anzahl gleich grosser Kugeln, welche sich auf eine Kugel von demselben Radius, wie die übrigen, auflegen lassen.“ Die auf den Disput zwischen Newton und Gregory zurückgehenden Wurzeln des Problems wurden nicht erwähnt und waren dem Autor anscheinend unbekannt, der sich gerade einem geometrischen Problem zugewandt hatte, das er interessant fand.
George G. Szpiro
7. Verdrehte Schachteln
Zusammenfassung
Anno 1831 erschien ein Buch eines unbekannten Professors der Physik und Mathematik, das indirekt zu unserem Problemkreis gehört. Das Buch selbst hatte keinen großen Einfluß auf die Mathematik, eine Rezension des Buches dafür umso mehr. Ludwig August Seeber (1793–1855) hinterließ weder in der Physik noch in der Mathematik bedeutende Spuren. Gerade mal drei seiner Arbeiten sind bekannt. Eine von ihnen befaßte sich mit der Struktur von Festkörpern und wird gelegentlich, wenn auch selten, in der heutigen Literatur zur Kristallographie erwäahnt. Eine andere Arbeit ist vollkommen in Vergessenheit geraten. Seine dritte Arbeit, ein Buch, das er 1831 veröffentlichte, trug den Titel Untersuchungen über die Eigenschaften der positiven ternären quadratischen Formen. Dieses Buch ist Seebers Hauptbeitrag zur Mathematik und es ist dieses Werk, das uns im vorliegenden Kapitel interessiert.
George G. Szpiro
8. Dieser Kongreß tanzt nicht
Zusammenfassung
Nachdem Gauß das Buch von Seeber rezensiert hatte, fiel Keplers Vermutung in einen fast siebzigjährigen Winterschlaf. Gauß hatte gezeigt, daß es im Falle von Gitterpackungen keine Anordnungen gibt, die dichter als die von Kepler angegebenen Anordnungen sind. Das war der Stand der Dinge. Die Frage, obeine beliebige Anordnung noch dichter sein kann, wurde erst im Jahr 1900 auf einem Mathematikerkongreß wiederbelebt. Am 8. August hielt David Hilbert einen Vortrag auf dem 2. Internationalen Mathematikerkongreß in Paris. Er vertrat den Standpunkt, daß offene Probleme das Zeichen der Lebenskraft eines Themas sind und warf unter dem Titel „Mathematische Probleme“ dreiundzwanzig Probleme auf, von deren Lösungen er sich Impulse für wichtige neue Entdeckungen im bevorstehenden Jahrhundert versprach.
George G. Szpiro
9. Der Wettlauf um die kleinste obere Schranke
Zusammenfassung
Hans Frederik Blichfeldt war der Erste, der sich an einer oberen Schranke versuchte, die ein gutes Stück unter 100 Prozent lag. Die Lebengeschichte dieses Mannes ist eines der Märchen, die über einen Aufstieg von ganz unten zu Ruhm und Ehre berichten. Blichfeldt schaffte es, sich aus dem Stand eines einfachen Arbeiters nach oben zu arbeiten und wurde schließlich Leiter des Mathematik-Departments einer der weltweit renommiertesten Universitäten.
George G. Szpiro
10. Rechte Winkel für runde Räume
Zusammenfassung
In den späten 1980er Jahren betrat ein neuer Spieler die Bühne: Thomas Callister Hales, Dozent für Mathematik an der Universität Michigan. Er konnte tadellose akademische Zeugnisse vorweisen: die Grade B. A. und M. A. von Stanford, ein Jahr an der Universität Cambridge in England und eine Dissertation an der Princeton University.
George G. Szpiro
11. Wackelkugeln und Hybridsterne
Zusammenfassung
Der ungarische Mathematikprofessor László Fejes Tóth löste 1940 das zweidimensionale Packungsproblem und konzentrierte sich dann auf das dreidimensionale Problem. Dort riß jedoch seine Glückssträahne ab. Wie in Kapitel 9 beschrieben, endete sein Versuch, eine neue obere Schranke zu finden, mit einem totalen Schiffbruch. In der Folgezeit ging sein vergeblicher Versuch als dodekaedrische Vermutung in die Geschichte ein.
George G. Szpiro
12. Simplex, Cplex und Symbolische Mathematik
Zusammenfassung
Der Beweis der Kepler-Vermutung ist im Wesentlichen ein Optimierungsproblem. Tom Hales hat den Beweis auf die Optimierung der Bewertung von Delaunay-Sternen reduziert. Die Keplerschen Konfigurationen haben eine Bewertung von 8 pts und Tom zeigte, daß kein Stern eine höhere Bewertung haben kann. Seine Aufgabe bestand zunächst darin, die maximale Bewertung aller möglichen Sterne zu finden und anschließend zu zeigen, daß diese maximale Bewertung unter 8 pts liegt. Eine Hürde war die Auflistung aller möglichen Delaunay-Sterne1. Ein anderes Hindernis war die Maximierung der Bewertungen.
George G. Szpiro
13. Aber ist das wirklich ein Beweis?
Zusammenfassung
Sonntagmorgen, 9. August 1998. Der vorhergehende Tag war der achtundneunzigste Jahrestag der berühmten Rede David Hilberts auf dem Zweiten Internationalen Mathematikerkongreß in Paris. Tom Hales war endlich fertig. Er setzte sich an seinen PC, um per E-Mail mitzuteilen, daß Keplers Vermutung keine Vermutung mehr sei. Fünf Minuten vor zehn sandte er die Nachricht an seine Kollegen rund um die Welt.
George G. Szpiro
14. Nochmals Bienenwaben
Zusammenfassung
Wir haben nun fast das Ende der Saga erreicht. Keplers Vermutung war gelöst, Tom Hales konnte sich zurücklehnen und sich im Ruhm seines Beweises eines uralten Problems sonnen. Aber die Arbeit eines Mathematikers ist nie zu Ende. Die erfolgreiche Lösung eines Problems eröffnet neue Wege, führt zu weiteren Vermutungen und bringt neuartige Theorien hervor.
George G. Szpiro
15. Allgegenwärtige Packungen
Zusammenfassung
Wir wollen zum Ende des sechzehnten Jahrhunderts zu Thomas Harriot und Johannes Kepler zurückkehren, um einige Anwendungen der Theorie der dichtesten Packung zu beschreiben. Harriot, der über Raleighs Kanonenkugeln „hinausging“, fragte sich, wie Atome rund um einander angeordnet sind. Das ist außerordentlich bemerkenswert, da die Atome damals lediglich ein Phantasiegebilde waren. So glaubte etwa Kepler nicht, daß diese kleinen „Kugeln“ überhaupt existieren. Aber Harriot war auf dem richtigen Weg. Die Packung von Kugeln im dreidimensionalen Raum dient als korrektes Modell für das Verständnis dessen, wie Materie aufgebaut ist.
George G. Szpiro
16. Irrwege eines mathematischen Beweises
Zusammenfassung
Am 8. August 1998 hatte Thomas Hales per E-Mail Dutzenden von Kollegen mitgeteilt, daß er die fast 400 Jahre alte Vermutung von Johannes Kepler gelöst habe. Sechs Jahre später war der Beweis immer noch in keiner Fachzeitschrift veröffentlicht worden. Wieso?
George G. Szpiro
Backmatter
Metadata
Title
Die Keplersche Vermutung
Author
George G. Szpiro
Copyright Year
2011
Publisher
Springer Berlin Heidelberg
Electronic ISBN
978-3-642-12741-0
Print ISBN
978-3-642-12740-3
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-642-12741-0

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