Skip to main content
Top

24-10-2023 | Digitale Währungen | Schwerpunkt | Article

EZB-Entscheidung schürt Zweifel am digitalen Euro

Author: Angelika Breinich-Schilly

6:30 min reading time

Activate our intelligent search to find suitable subject content or patents.

search-config
loading …

Der digitale Euro geht in die Vorbereitungsphase. In dieser sollen die technischen und rechtlichen Weichen gestellt werden. Die Realisierung der von der EZB anvisierten Vorteile für Verbraucher und Wirtschaft sehen Branchenexperten allerdings skeptisch.

In den kommenden beiden Jahren will die Europäische Zentralbank (EZB) mögliche Anbieter auswählen, die eine Plattform und die dazugehörige Infrastruktur für den digitalen Euro entwickeln können. Für die Umsetzung muss allerdings der Gesetzgebungsprozess der Europäischen Union abgeschlossen sein. Der von der EU-Kommission vorgelegte Vorschlag eines Rechtsrahmens soll nach der Europawahl im Juni 2024 diskutiert werden. 

Editor's recommendation

2023 | OriginalPaper | Chapter

Der digitale Euro – das Geld der Zukunft?

Mit der Erfindung von Kryptowährungen haben sich neue Wege für die Schaffung privaten Geldes ergeben, das in Konkurrenz zum bisherigen öffentlichen Geld tritt. Vor diesem Hintergrund beschäftigen sich immer mehr Zentralbanken mit der Ausgabe einer eigenen digitalen Währung, so auch die Europäische Zentralbank. Die digitale Währung soll Eigenschaften des Bargelds wie Anonymität und Unabhängigkeit mit den Vorteilen des elektronischen Geldes, nämlich für Zahlungen in der digitalen Welt nutzbar zu sein, verbinden. 

Digitaler Euro als Grundlage innovativer Services

Wie die EZB sieht auch die Deutsche Bundesbank im digitalen Euro unter anderem ein europäisches Gegengewicht zur internationalen Konkurrenz auf dem Zahlungsmarkt. 

So könnte die Kreditwirtschaft den digitalen Euro nicht nur in ihr Leistungsangebot integrieren, sondern auf dieser Basis auch innovative und wertschöpfende Dienstleistungen entwickeln. Diese hätten dank digitalem Euro europäische Reichweite", betonte Burghard Balz, im Vorstand der Deutschen Bundesbank für die Themen Zahlungsverkehr und Abwicklungssysteme zuständig, anlässlich des Hamburger Bankenaufsichtstags Mitte Oktober. 

Wenn der digitale Euro eine flächendeckende Akzeptanz- und Nutzungsinfrastruktur bereitstellen würde, ließe sich auch EPI beziehungsweise die sogenannte Wero-Wallet besser europaweit ausrollen. Mitte September hatte sich die European Payments Initiative (EPI) für "Wero" als Handelsnamen für ihre digitale Geldbörsenlösung entschieden. Ziel des Projektes ist die Bereitstellung einer europäischen, digitalen Zahlungslösung, die sich verändernden Anforderungen anpasst. Sie soll "Verbrauchern und Händlern in ganz Europa ein nahtloses und benutzerfreundliches Zahlungserlebnis bieten", hieß es zur Begründung. 

Wirtschaft knüpft Hoffnungen an Digitalgeld

Aktuelle Studienergebnisse der Beratungsgesellschaft Cofinpro von Ende September belegen ein großes Interesse der Wirtschaft am digitalen Geld:  

Zwei Drittel der Dienstleister, und mehr als die Hälfte der Industrieunternehmen beschäftigen sich bereits mit den Einsatzmöglichkeiten des Digitalen Euro, es werden sogar schon konkrete Anwendungsfälle definiert. Jetzt müssen Politik und Finanzwirtschaft nachziehen, um die Use Cases mit Leben zu füllen", betont Cofinpro-Branchenexperte Eric Neumann. 

Dabei verbinden die 225 im Juli online befragten Finanzentscheider aus mittelständischen Industrie-, Handels- und Dienstleistungsunternehmen mit der digitalen Zentralbankwährung die Hoffnung, im Zahlungsverkehr eine Alternative zu den dominierenden US-amerikanischen Karten- und Zahlungsanbietern aufbauen zu können. Ihnen gehe es vor allem darum, die Abhängigkeit von Anbietern außerhalb der EU zu verringern. 

Weltweit arbeiten einer aktuellen Umfrage der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich zufolge 90 Prozent der Notenbanken an Projekten zur Einführung an Central Bank Digital Currency, kurz (CBDC). Bis 2030 könnten so 24 staatliche Digitalwährungen existieren.

EZB lässt wichtige Weichenstellungen aus

Ob der digitale Euro tatsächlich ein Erfolg wird, ist für die Experten keine ausgemachte Sache. Im Auffangbecken für ausrangierte und unbedeutende Finanzmarktinnovationen dümpelten bereits zahlreiche, einst groß angekündigte Projekte wie die Geldkarte oder auch Paydirekt:  

Damit dem Digitalen Euro ein ähnliches Schicksal erspart bleibt, muss die digitale Zentralbankwährung Unternehmen, Banken und Privatpersonen einen Mehrwert und bisher nicht realisierbare Möglichkeiten bieten. Der nun veröffentlichte Grundsatzbeschluss lässt jedoch viele wichtige Weichenstellungen vermissen", sagt Norman Philipp, Manager bei Cofinpro.

Denn bei der Konzeption des Digitalen Euro liege der Fokus scheinbar darauf, bekanntes Terrain nicht zu verlassen und Anwender nicht mit neuen Funktionalitäten zu überfordern. Unternehmen, Privatnutzer und Banken könnten künftig zwar ein weiteres Zahlungsmittel nutzen. "Es spielt gegenüber den bereits etablierten Payment-Optionen aber nur marginale Vorteile aus", betont Branchenkenner Neumann.

Unternehmen sind enttäuscht

Enttäuschend für die Unternehmen seien die "vorerst nur sehr eingeschränkten Möglichkeiten, selbst mit der neuen digitalen Währung zu bezahlen". Dadurch entfielen für diese Zielgruppe viele mögliche Anwendungsfälle, die sich die Wirtschaft wünscht. So könnte beispielsweise im Zahlungsverkehr mit der öffentlichen Verwaltung eine spezielle Schnittstelle für den Digitalen Euro die Prozesse deutlich vereinfachen, wenn etwa Daten- und Zahlungsverkehr verknüpft wären. Zahlungen seien leichter zuordbar und der Verwaltungsaufwand ließe sich reduzieren. 

Gleiches gelte für Transaktionen zwischen Unternehmen oder von Unternehmen an private Endkunden. "Die Wünsche nach einer Erweiterung des Funktionsumfangs werden in der jetzigen Fassung nur unzureichend aufgegriffen, obwohl hier das größte Potenzial zu heben gewesen wäre. Eine Ausweitung hält sich die EZB aber offen."

Bargeldrelevanz in Europa noch sehr hoch

Auch die Ökonomen der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) sind skeptisch. Sie beziehen sich in einem aktuellen Schwerpunkt unter anderem auf eine Anlayse des Bruegel Instituts, der zufolge die Bargeldnutzung in der EU noch immer sehr verbreitet ist und mehr als die Hälfte aller Transaktionen in bar abgewickelt wird. Zwar sei der digitale Euro von der EZB nicht als Ersatz für Scheine und Münzen gedacht, was allerdings die Rechtfertigung als digitales Bargeldäquivalent untergrabe, so die LBBW-Experten. 

Auch gebe es kein dringendes Problem der finanziellen Inklusion, da mehr als 90 Prozent der EU-Bürger über ein Bankkonto verfügen, so dass der Großteil der Bevölkerung Zugang zu Finanzdienstleistungen habe. Es sollte hingegen die grundlegende Frage der digitalen Exklusion - also fehlende Smartphones, schlechte Internetverbindungen oder mangelnde digitale Kenntnisse beim Digital Banking - adressiert werden. 

Zwar sei der Fokus der europäischen Politik auf resiliente Systeme, die man selbst kontrolliert und in denen sich die Werte Europas widerspiegeln, "sehr nachvollziehbar" und der digitale Euro könnte eine Lösung für einen Zahlungsverkehrsmarkt bieten, der derzeit vor allem von Anbietern aus den USA beherrscht werde. "Vielleicht wäre es aber sinnvoller, die bestehenden Zahlungsverkehrssysteme in Europa besser zu nutzen und zu verbessern, als einen digitalen Euro einzuführen." 

E-Euro schon bei Einführung veraltet

Die Experten befürchten, dass ein E-Euro bei Einführung den privatwirtschaftlichen Entwicklungen in Sachen Technologie und Nutzererfahrung um Jahre hinterherhinkt. Insbesondere verzichte die EZB in ihrem Design auf die vielleicht interessanteste Entwicklung: der Programmierbarkeit im Sinne blockchainbasierter Smart Contracts. "Der Fokus der EZB liegt beim Retail-Euro auf seiner Zahlungsverkehrsfunktion. Die wesentliche Neuerung im Zahlungsverkehrsbereich, die Programmierfähigkeit von Geld, die ja die eigentliche Neuerung des Kryptosektors war, wird es beim digitalen Euro nicht geben", erläutern die LBBW-Analysten. 

Zwar gebe es noch keine genauen Grenzen, doch auch als zentrales Wertaufbewahrungsmittel sei das Digitalgeld wenig tauglich. Verbraucher werden nur einen Maximalbetrag von voraussichtlich 3.000 digitale Euro auf ihren Konten halten dürfen. Alles, was darüber hinausgeht, werde automatisch auf das Girokonto gebucht. Zinszahlungen seien nicht vorgesehen. 

Die EZB schaffe mit dem digitalen Euro sehr wahrscheinlich ein prozessuales "Monster". Seine Einführung dürfte in ihrer Komplexität mindestens der Gründung des Euroraums gleichkommen. Zumindest für die Retail-Kunden der Banken gebe es dafür nur wenig Vorteile. 

Wholesale CBDC bietet große Potenziale

Anders hingegen die Sachlage im Interbankenhandel - dem eigentlichen Anwendungsfall einer Central Bank Digital Currency (CBDC). Das belegten Experimente der Zentralbanken des Eurosystems und der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ). Mit einem sogenannten Wholesale CBDC werde digitales Zentralbankgeld programmierfähig gemacht und könne auf Plattformen, der Blockchain, eingesetzt werden. Damit ergeben sich "nicht unerhebliche Produktivitätspotenziale" - insbesondere im grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr. 

Für die Deutsche Krdeditwirtschaft steht fest, dass der digitale Euro nicht übereilt eingeführt werden darf. "Negative Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft müssen vermieden und der digitale Euro in der Bevölkerung breit akzeptiert werden", fordert Tanja Müller-Ziegler, Vorstandsmitglied des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR), federführend für die DK. 

Digitales Pendant zu Bargeld

Ein digitaler Euro könne nur dann Mehrwerte für Europa stiften, wenn er angemessen gestaltet wird. Aus Sicht der Deutschen Kreditwirtschaft würde dies durch eine digitale Form des Bargelds am besten erreicht. "Der digitale Euro sollte als digitales Pendant zu Bargeld dessen Eigenschaften in die digitale Welt überführen und sich im Sinne eines neuen Zahlungsmittels in die bestehende Landschaft innovativer und effizienter Zahlungsverkehrslösungen der Privatwirtschaft integrieren lassen", so Müller-Ziegler. 

Related topics

Background information for this content