2012 | OriginalPaper | Chapter
Einführung
Author : Samuel Strehle
Published in: Zur Aktualität von Jean Baudrillard
Publisher: VS Verlag für Sozialwissenschaften
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Wer heute den Fernseher einschaltet, ist vermutlich hin und her gerissen zwischen zwei sich widersprechenden Erfahrungen. Immer wieder scheint inmitten des dicht geknüpften Bilder- und Sprachgewebes der Massenmedien einmal etwas durch, das den Blick fesselt und auf eine außerhalb des Apparates liegende politische und soziale Wirklichkeit verweist: Aufstände, Revolutionen, Naturkatastrophen, Ereignisse im starken Sinne des Wortes. Sie sind es, die uns bei der Stange halten und das Gegengewicht zu jener zweiten Erfahrung bilden, die uns die Massenmedien vermitteln. Denn die meiste Zeit über erschöpft sich das Sperrfeuer der Zeichen in einer eher unwirklich daherkommenden Mischung aus Politikersprech, Werbespots, modernen Gladiatorenspielen und Konservengelächter. Dazu der seltsame Anblick einer ganzen Klasse von Menschen, die vor den Augen der Kameras ein zweites Leben führen, das längst ihr erstes geworden scheint: Menschen, deren Lebenszweck vornehmlich darin besteht, dass sich ein Publikum um sie schart, sei es in der Seifenoper, im Reality-TV, im Sport, im Musikantenstadl, in der Politik oder in der Mode. Auch für die Konsumenten selbst ist die massenmediale Bilderwelt zur eigentlichen Welt avanciert, in der freilich umso weniger passiert, je wilder geschossen wird. Mitten im Zentrum unserer Kultur fließt ein referenzloser Zeichenstrom, dessen unaufhörliche Kreisbewegung jedes Ereignis zu verschlucken oder bereits im Vorfeld zu unterbinden sucht.