Elektrifizierung des Antriebs Neue Anforderungen auch in der Lehre

Auszug

Der Antrieb der Zukunft beschäftigt die Fahrzeug- und noch mehr die Powertrain-Ingenieure wie kaum ein anderes Thema zuvor: Vom Ende des Verbrennungsmotors über den Paradigmenwechsel in eine andere Art individueller Mobilität bis hin zum autonomen Fahren reicht das Gedankenspiel. Die massive Forderung von Politik und Gesellschaft nach "emissionsfreien" Antrieben steht im Raum. Für die einen ist dies der CO₂-freie Antrieb, für die anderen die absolute Emissionsvermeidung - somit keinerlei Abgas aus dem Auspuff und damit "rein" - aber nur im lokalen Bereich. Es wird natürlich vergessen, dass jede Art der Energiebereitstellung CO₂ und Schadstoffe verursacht. Nur eine gesamtheitliche Betrachtung, also eine Life Cycle Analysis, erlaubt die objektive Bewertung der Antriebstechnologie. Von uns Antriebsexperten erwartet man exakte und belastbare Prognosen, wie der Antriebsmix - bestehend aus optimiertem Verbrennungsmotor, Hybrid, BEV und FC-Fahrzeug, gepaart mit der aufstrebenden Nutzung nachhaltiger Kraftstoffe - in 10, 20 und mehr Jahren aussehen wird. Hier muss klar gesagt werden: Dies kann derzeit niemand beantworten, da es sich um ein höchst vernetztes System handelt. Technologischer Fortschritt und Kostensenkung bei den sogenannten alternativen Antrieben, insbesondere bei der Batterietechnik, konkurriert mit ebendiesen Fortschritten bei den E-Fuels. Wer macht das Rennen? Der ausgereifte und optimierte Verbrennungsmotor samt nachhaltiger Kraftstoffe und existenter Treibstoffinfrastruktur oder eine neue Elektrotechnologie mit noch fehlender Energieverteilstruktur? Akzeptanzprobleme der Nutzer bei rein elektrischen Fahrzeugen (BEV) aufgrund fehlender Lademöglichkeiten in Städten oder langer Wartezeiten für das Nachladen bei Langstreckenfahrten sind mögliche Showstopper. Diese systemimmanenten Nachteile des BEV können auch alleinige Kostensenkungen nicht wettmachen. Politische Randbedingungen lassen erwarten, dass bis 2025 nahezu der gesamte Pkw-Neubestand in irgendeiner Form elektrifiziert sein wird. Die Gegner der Verbrennungskraftmaschine haben also insofern Recht, als sie in Reinform verschwindet. Trotzdem wird sie als Hybrid sicherlich für das nächste Jahrzehnt mehr als 70 % der Fahrzeuge antreiben. Dieses Nebeneinander der Antriebstechniken besitzt gerade für uns Universitäten einen großen Charme, aber auch eine ebenso große Herausforderung: Know-how muss sowohl in der theoretischen Ausbildung, als auch in der praktischen, experimentellen Anwendung existent sein, um Nachwuchsingenieure für Industrie und Gesellschaft adäquat und für alle Antriebsformen bestens vorzubereiten. Wir an der TU Wien haben die große Chance, 2018 mit dem neuen Science Center ein modern ausgestattetes Experimentallabor für alle Antriebsarten in Betrieb nehmen zu dürfen. Der bewährte Verbrenner wird sowohl in der Thermodynamik als auch in der Abgasnachbehandlung weiter optimiert. Elektroantriebe und -speicher werden weiterentwickelt, und ebenso wird der bereits heute existente Brennstoffzellen-Prüfstand zur Verbreitung dieser Technologie eingesetzt. Ich würde mich freuen, Sie im neuen Laborzentrum in Wien begrüßen zu dürfen. …