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18-07-2016 | Elektromobilität | Nachricht | Article

Ulmer Ingenieure entwickeln Allradantrieb für Elektro-Zweiräder

Author: Christiane Brünglinghaus

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Ulmer Ingenieure haben einen Allradantrieb für rein elektrisch betriebene Zweiräder entwickelt. Dieser soll für mehr Fahrsicherheit sorgen und ist zudem zur Rekuperation fähig.

Ingenieure des Instituts für Mess-, Regel- und Mikrotechnik (MRM) der Universität Ulm haben einen Allradantrieb für rein elektrisch betriebene Zweiräder entwickelt, der E-Motorräder sicherer und energieeffizienter machen soll. Nach drei Jahren haben die Wissenschaftler das Verbundprojekt "Sicherheitsfahrwerk mit Elektro-Allradantrieb für E-Bikes und E-Motorräder" nun abgeschlossen - und präsentieren gemeinsam mit dem Unternehmen Gigatronik Technologies aus Ulm sowie den Stuttgarter Firmen ID-Bike und ipdd einen funktionsfähigen Prototypen. Gefördert wurde das Projekt vom Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Baden-Württemberg sowie den Industriepartnern.

Elektroleichtkraftrad mit Nabenmotor auf Basis des Elmoto-Kleinkraftrads

Im Automobilbereich schätzen Fahrer den Allradantrieb bereits seit Längerem. Obwohl auch Zweiräder enorme Vorteile durch das Antriebsprinzip haben, habe sich ein zusätzlicher Motor am Vorderrad jedoch unter anderem aufgrund von Problemen bei der Konstruktion bisher nicht in der Serienproduktion durchsetzen können, erklären Ulmer Ingenieure. Sie haben nun einen Allradantrieb für E-Motorräder und andere rein elektrisch betriebene Zweiräder entwickelt, der die Fahrsicherheit in allen Fahrsituationen erhöhen und das Energiemanagement optimieren soll. Als Prototyp diente ein Elektroleichtkraftrad mit Nabenmotor auf Basis des bis zu 45 km/h schnellen Elmoto-Kleinkraftrads vom Fahrzeughersteller ID-Bike, der das "Krad" für den Allradantrieb modifizierte. Gigatronik hat das Testgefährt mit einem hybriden Energiespeicher ausgestattet und eine neue Stromregelung für die Elektromotoren implementiert, damit beim Bremsen Energie zurückgewonnen werden kann. Für den Fall, dass der Speicher voll ist oder der Fahrer bei geringen Geschwindigkeiten bremsen muss, hat ein weiterer Partner, ipdd, eine elektromechanische Bremseinheit bereitgestellt, mit der über eine elektrische Ansteuerung auch die klassische Reibbremse eingesetzt werden kann.

Verbesserte Fahrdynamik und effektive Bremskraftnutzung für höhere Reichweite

"Das Herzstück des Prototypen ist die Gesamtsteuerung, die den Fahrerwunsch für Antrieb oder Bremsen auf die Räder verteilt", erklärt Dr. Michael Buchholz, der das Projekt am MRM (Leitung Professor Klaus Dietmayer) koordiniert hat. "Über ein sensorgestütztes Verfahren erfasst die Steuerungseinheit zusätzlich den momentanen Fahrzustand und passt daraufhin gezielt die Verteilung von Brems- oder Antriebsmomenten auf Vorder- und Hinterrad an", so Buchholz weiter. "Die Dynamik und insbesondere auch die Sicherheit verbessern sich beim Fahren hierdurch enorm." Ein weiterer Vorteil von zwei über den Elektromotor angetriebenen beziehungsweise gebremsten Rädern: Es lasse sich deutlich mehr und effizienter Bremskraft gewinnen und als Energie speichern. Dadurch werde die Reichweite erhöht und es trete kaum Verschleiß beim Bremsen auf. Der so entstehende zusätzliche Freiheitsgrad gegenüber Elektrokrafträdern mit Einzelmotoren wurde von den Ingenieuren weiter ausgenutzt, um die Energieeffizienz zu steigern: Sie haben einen intelligenten Algorithmus programmiert, der die optimale Ansteuerung der beiden Motoren in Echtzeit berechnet. Gleichzeitig berücksichtigt der Algorithmus nach wie vor auch vom Fahrer ausgeführtes Bremsen oder Gas geben. Die Ulmer Wissenschaftler konnten mit diesem System auch die Sicherheit während des Fahrens steigern: Zusätzlich haben sie ein Zweirad-ABS entwickelt, das ebenfalls über die Elektromotoren funktioniert. Hierdurch biete sich eine einfache und kostengünstige Möglichkeit, diese Technik in allen Leistungsklassen zu realisieren, insbesondere auch bei Leicht- und Kleinkrafträdern, wo solche Systeme heutzutage noch nicht verfügbar sind.

Dem gefährlichen Bremslenkmoment entgegengesteuern

Darüber hinaus untersuchten die Ingenieure im Zuge des Projekts beispielsweise auch das Bremslenkmoment, eine häufige Unfallursache bei Motorradunfällen. Bremst ein Fahrer in einer Kurve plötzlich, kann sich die Maschine durch die Einwirkung auf das Vorderrad überraschend aufrichten und fährt einen viel weiteren Bogen als erwartet. "Das Motorrad läuft dadurch Gefahr, von der Spur abzukommen und in den Graben zu fahren oder mit einem entgegenkommenden Auto zu kollidieren", erklärt Projektkoordinator Buchholz. "Bislang konnte der Fahrer diese Situation nur kontrollieren, indem er die Bremse zur richtigen Zeit im richtigen Maße einsetzt - in einem Schreckmoment ist das jedoch selbst für geübte Motorradfahrer eine Herausforderung." In der funktionsintegrierten Gesamtsteuerung der Ulmer "Tüftler" übernimmt der intelligente Algorithmus die richtige Dosierung von Bremskraft auf beide Räder in kritischen Situationen: Dem gefährlichen Bremslenkmoment werde also entgegengesteuert.

Die Ergebnisse des Verbundprojekts können auf alle Klassen von Zweirädern mit elektrischem Antriebsstrang übertragen werden. Und auch herkömmlich betriebene Motorräder könnten von den Erkenntnissen der Ulmer Ingenieure profitieren und sicherer werden. Sind diese mit sogenannten Brake-by-Wire-Systemen ausgestattet, lassen sich die in Ulm entwickelten Algorithmen auch bei diesen Zweirädern integrieren. Derzeit planen die Ingenieure bereits Folgeprojekte, die auch Chancen für Kooperationen mit weiteren Partnern aus Forschung und Industrie bieten.

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