Dimensionen des Wandels
Mensch–Maschine-Schnittstelle
Operative Arbeitsebene
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Zum einen ist davon auszugehen, dass Arbeitsplätze mit niedrigen Qualifikationsanforderungen und einfachen, repetitiven Tätigkeiten durch intelligente Systeme in hohem Maße substituiert werden. Als Beispiele hierfür sind einfache Tätigkeiten in der Logistik, bei der Maschinenbedienung und bei der der bisher manuellen Datenerfassung und -eingabe zu nennen. In welchem Umfang Substitutionsprozesse aber eintreten werden, ist derzeit allerdings kaum abschätzbar.
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Zum Zweiten kann für die früher qualifizierte Facharbeiterebene eine Tendenz zur Dequalifizierung von Tätigkeiten befürchtet werden. Zu nennen sind hier Aufgaben wie einfachere Maschinenbedienung, material- und werkstoffbedingte Einstellungen sowie verschiedene Kontroll- und Überwachungsfunktionen, die automatisiert werden. Auch Dispositionsentscheidungen in der Produktionslogistik könnten mithilfe der neuen Systeme teilweise automatisiert werden. Denn benötigte Güter und Waren von Produktionsanlagen können weitgehend selbstständig angefordert werden, so dass die entsprechenden Steuerungsaufgaben der in der Fertigung eingesetzten Mitarbeiter entfallen. Sie greifen folglich nur noch in seltenen Ausnahmefällen in die Produktionsabläufe ein. In der Forschung wird daher von einer verbleibenden „Residualkategorie“ von qualifizierter Produktionsarbeit gesprochen, die jene Tätigkeiten umfasst, die nicht oder nur mit einem unverhältnismäßigen Aufwand automatisiert werden können. Dazu zählen etwa anspruchsvolle Wartungs- und Rüstaufgaben, bestimmte Einlegearbeiten, die Zuführung von Material und Halbfertigprodukten oder manuelle Produktionsfertigkeiten, die Experten- und Erfahrungswissen voraussetzen. Eine mögliche Konsequenz ist, dass die Betriebe nun niedriger qualifiziertes Personal als zuvor kostengünstig und ohne längere Anlernzeiten einsetzen können. Die Handlungsspielräume dieser Beschäftigtengruppe sind auf Grund strikter Systemvorgaben naturgemäß sehr eng.
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Zum Dritten kann aber auch eine Qualifikationsaufwertung und Tätigkeitsanreicherung erwartet werden. Als Grund hierfür können die erhöhte Komplexität der Fertigung und die informationstechnologischen Dezentralisierung von Entscheidungs-, Kontroll- und Koordinationsfunktionen angesehen werden. Daher werden die betroffenen Beschäftigten auf der operativen Ebene gefordert sein, zunehmend eigenständig zu planen und Abläufe abzustimmen. Erforderlich wird beispielsweise ein breiteres Verständnis über das Zusammenwirken des gesamten Produktionsprozesses, der Logistikanforderungen sowie der Lieferbedingungen. Neben dem steigenden Bedarf an Überblickswissen erlangen auch soziale Kompetenzen einen erhöhten Stellenwert, da mit der intensivierten Integration früher getrennter Funktionsbereiche der Bedarf an Interaktion – real wie computervermittelt – mit unterschiedlichen Personengruppen und weiteren Funktionsbereichen ansteigt. In der Forschung wird in diesem Zusammenhang das Schlagwort des „Facharbeiteringenieurs“ angeführt, mit dem zum Ausdruck gebracht werden soll, dass manuelle Fertigkeiten an Bedeutung verlieren, während zunehmend bestimmte Programmierkenntnisse sowie das Steuern, Führen und Einstellen von komplexen Systemen an Gewicht gewinnen.
Indirekte Bereiche und Leitungsebenen
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Zum einen deuten Evidenzen darauf hin, dass auf Grund der dezentralen Selbstorganisation der Systeme und einer entsprechend flexiblen Arbeitsorganisation auf der operativen Ebene ein Teil von bisher auf der Leitungsebene von technischen Experten und vom Produktionsmanagement ausgeführten Planungs- und Steuerungsfunktionen „nach unten“ abgegeben werden. Das heißt, mit Industrie 4.0-Systemen verbindet sich ein Dezentralisierungsschub und Hierarchieabbau innerhalb oft ohnehin schon relativ „flach“ strukturierter Fabrikorganisationen.
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Zum Zweiten ist davon auszugehen, dass eine ganze Reihe von Aufgaben in indirekten Bereichen automatisiert und damit vereinfacht oder gar substituiert werden können. Je nach Systemauslegung kann es sich dabei Planungs- uns Steuerungsaufgaben, Tätigkeiten der Instandhaltung und des Service wie aber auch qualitätssichernde Aufgaben handeln.
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Zum Dritten dürften komplexitätsbedingt erweiterte und neue Planungsaufgaben auf diese Bereiche zukommen. Einige Hinweise deuten darauf hin, dass angesichts der Systemkomplexität Aufgaben des „trouble shooting“ deutlich an Bedeutung gewinnen. Zudem kann davon ausgegangen werden, dass auf der Planungs- und Managementebene früher getrennte Aufgaben und Kompetenzen, beispielsweise IT- und Produktionskompetenzen, verschmelzen.
Divergierende Muster der Arbeitsorganisation
Stellhebel für die Arbeitsgestaltung
Alternative Automatisierungskonzepte
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Zum einen kann von einem technologiezentrierten Automatisierungskonzept gesprochen werden. Diese Konzeption läuft auf eine weitreichende Substituierung von Arbeitsfunktionen durch die automatische Anlage hinaus. Die Rolle von menschlichem Arbeitshandeln hat in diesem Fall kompensatorischen Charakter. Ihm verbleiben Aufgaben, die nur schwer oder nicht zu automatisieren sind und sie umfassen generelle Überwachungsaufgaben. Anders formuliert, menschliches Arbeitshandeln hat in diesem Fall eine Lückenbüßerfunktion und der denkbare Endzustand einer solchen Systemauslegung ist die vollständige Automation. Es steht außer Frage, dass sich mit diesem Systemkonzept fortschreitend engere Spielräume für die Gestaltung von Arbeit verbinden.
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Zum anderen kann von einem komplementären Automatisierungskonzept gesprochen werden. Dieses Gestaltungskonzept richtet sich darauf, eine Aufgabenteilung zwischen Mensch und Maschine zu entwerfen, die eine zufriedenstellende Funktionsfähigkeit des Gesamtsystems ermöglicht. Dies setzt eine ganzheitliche bzw. kollaborative Perspektive auf die Mensch–Maschine-Interaktion voraus, die die spezifischen Stärken und Schwächen von menschlicher Arbeit und technischer Automatisierung identifiziert. Für die Gestaltung von Arbeit wird bei dieser Systemkonzeption ein technologischer Rahmen gesetzt, der in unterschiedlicher Weise genutzt werden kann.