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08-06-2015 | Fahrzeugtechnik | Schwerpunkt | Article

Fahrwerk ist zentral für Fahrsicherheit und Fahrkomfort

Author: Alexander Heintzel

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Fahrwerke bei Autos und Motorrädern sind immer komplexere Systeme. Trotz des Fokus auf immer effizientere Vernetzung bleibt der Mensch ein wichtiger Faktor bei Entwicklung und Validierung. Porsche, Hyundai und Continental zeigen wichtige Entwicklungen im Zwei- und Vierradbereich.

Die bisher gebräuchlichen hydraulischen Systeme werden immer mehr durch elektromechanische abgelöst, beispielsweise durch elektromechanische Vorderradlenkungen oder den Einsatz elektromechanischer Bremskraftverstärker statt Vakuumpumpen bei Hybridfahrzeugen. Dabei nimmt allerdings die Komplexität zu, da Energie immer stärker rein bedarfsorientiert zur Verfügung gestellt wird. So liegt beispielsweise der Fokus von Porsche darauf, "dass wir beste Fahrdynamik und Lenkpräzision durch hochperformante Fahrwerk-, Lenk- und Allradsysteme realisieren möchten", wie Dr. Manfred Harrer, Leiter Entwicklung Fahrdynamik und Performance, im Interview mit ATZ betont. Vor allem die Spreizung zwischen Performance und Fahrkomfort soll so maximiert werden. Regelsysteme setzen dabei idealerweise auf ein perfekt arbeitendes mechanisches Fahrwerk auf, mit dem Ziel, sowohl den Fahrkomfort als auch die Performance zu steigern.

Die Vielzahl existierender Fahrwerkregelsysteme koexistiert oft als singuläre vernetzte Lösungen. Fahrwerkstechniker, so Harrer, könnten hier vor allem in Bezug auf die Verwaltung der Applikationsdaten und in der frühen Projektphase, wo noch kein reales Fahrzeug für die Teststrecke existiert, von den Motorenentwicklern lernen. Porsche hat hierzu ein Vorzeige-Projekt, bei dem das Calibration Data Management der AVL für die Belange im Fahrwerkbereich angepasst wurde. Fahrwerke spielen für Fahrsicherheit und Fahrkomfort auch zukünftig eine große Rolle - egal, welcher Antrieb das Auto antreibt und wie autonom es geführt wird. Der Faktor Mensch ist dabei auch zukünftig in der Fahrwerkentwicklung nicht zu unterschätzen.

Objektivierung der Parameter bei Lenkung durch HiL

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Das Lenkgefühl als für den Kunden spürbares Resultat eines Fahrwerks, spielt eine wichtige Rolle bei der Wahrnehmung des Fahrverhaltens. Aktuelle Simulationsumgebungen und Hardware-in-the-Loop(HiL)-Prüfstände bieten hier Möglichkeiten für einen reproduzierbaren und effizienten Abstimmungsprozess unter Laborbedingungen. So hat Hyundai aktuell zusammen mit IPG Automotive die Machbarkeit einer solchen virtuellen Abstimmung der Parameter eines elektromechanischen Lenksystems (EPS-System) nachgewiesen, wie im Artikel "Verbesserung des Lenkgefühls - Virtueller Ansatz mit HiL" aus der ATZ 6-2015 beschrieben wird. Um das gewünschte Lenkgefühl von hoher Qualität zu vermitteln, erfolgt die endgültige Lenkabstimmung in der Regel hauptsächlich auf Prüfgeländen und öffentlichen Straßen durch erfahrene Spezialisten. Bei den Fahrzeugen von Hyundai wird die Abstimmung der Lenkunterstützung voll elektronisch mittels Software durchgeführt und die Parameter werden auf dem integrierten Steuergerät abgelegt.

Simulationswerkzeuge erlauben es unabhängig von realem Testfahrzeug, Prüfgelände oder öffentlicher Straße, von Fahrexperten und Wetterlage zu arbeiten. Sämtliche Fahrversuche können schnell und ohne Gefahr für Personen oder Material sofort und reproduzierbar in jeder beliebigen Fahrsituation durchgeführt und variierende Paramater schnell angepasst werden. So lassen sich Komponenteneigenschaften direkt im Gesamtfahrzeugkontext validieren. Theoretisch erlaubt diese Kombination von Labortests und Computersimulation eines validierten Fahrzeugmodells eine optimale Reproduzierbarkeit von Tests. Da kein realer Fahrer in den Prozess eingebunden werden soll, funktioniert diese vollständige Abstimmung mittels Simulation nur dann, wenn sie auf objektiven Bewertungskriterien basiert. Um dies zu erreichen, wurden dieselben Fahrzeuge, die subjektiv in verschiedenen Fahrmanövern bewertet wurden, auch objektiv in Prüfgeländeversuchen verglichen.

Eine erste Machbarkeitsstudie deckt die wichtigsten kundenrelevanten Bereiche ab. Um allerdings der Komplexität des Lenkgefühls insgesamt gerecht zu werden, müssen die Fahrmanöver und Zielwerte auf Bereiche höherer Lenkgeschwindigkeiten und höherer Querbeschleunigungen erweitert werden. Derzeit untersuchen die Beteiligten deshalb Möglichkeiten zur Optimierung mithilfe von statistischer Versuchsplanung. Sie setzen dabei auch darauf, dass die Computersimulation die Prozessabläufe so objektiviert, dass weitgehend automatisiert vorgegangen werden kann. Ziel ist auch, die Entwicklungszeit deutlich zu reduzieren.

Ein-Kanal-ABS: Gewinn an Fahrsicherheit bei kleinen Zweirädern

Im Zweiradbereich ist das Fahrwerk ein noch wichtigerer Faktor für Fahrsicherheit, als beim Automobil, da ein blockierendes Vorderrad für einen Zweiradfahrer einen Sturz mit möglicherweise schweren Folgen bedeuten kann. Laut einer Studie zur weltweiten Verkehrssicherheit der Weltgesundheitsorganisation (WHO) aus dem Jahr 2013 machen Zwei- und Dreiradfahrer weltweit einen Anteil von 23 Prozent an den Verkehrstoten aus. Während diese Zahl in Europa bei 12 Prozent liegt, liegt sie in Südostasien bei 33 Prozent. Da bisher für Krafträder mit kleinem Hubraum keine gesetzliche Verpflichtung zur ABS-Ausstattung bestand, existierten auch keine geeigneten technischen Lösungen. Inzwischen hat sich die Gesetzeslage jedoch grundlegend geändert: Für Motorräder mit mehr als 125 Kubikzentimeter Hubraum wird die Antiblockierfunktion der Bremse in der EU ab 2016 Pflicht für neu entwickelte Modellreihen sowie ab 2017 für neu verkaufte Motorräder. In der Klasse zwischen 50 und 124,9 Kubikzentimeter kann wahlweise ein ABS oder eine Kombibremse verbaut werden - mit klaren Vorteilen für das ABS.

Continental bietet hier mit dem neuen, seit Anfang 2014 in einigen Vespa-Modellen verbauten, Ein-Kanal-ABS MiniMAB für leichte Krafträder ein kostengünstiges System, um die Fahrsicherheit von Zweiradfahrern dieser Fahrzeugklasse zu erhöhen. Es ist so kompakt, dass es sich im Bereich der Lenkstange platzieren lässt, wie im Artikel "Ein-Kanal-ABS für leichte Krafträder" aus der ATZ 6-2015 hervorgeht. Bisher standen im wesentlichen Zwei-Kanal- und Drei-Kanal-ABS zur Verfügung. Bei beiden Systemen liefern Raddrehzahlsensoren die erforderlichen Rohdaten. Für die kostensensitive Hubraumklasse zwischen 50 und 125 Kubikzentimeter, ist jedoch ein leistungsfähiges Einstiegssystem erforderlich, das sich wirtschaftlich im Weltmarkt abbilden lässt.

Als Ein-Kanal-ABS wirkt das MiniMAB ausschließlich auf das Vorderrad, wo auch in dieser Fahrzeugklasse zunehmend hydraulische Scheibenbremsen verbaut werden. Aus fahrdynamischer Sicht ist das Ein-Kanal-ABS ein reiner Schlupfregler, der bei einem drohenden Blockieren des Vorderrads den Bremsdruck kontrolliert unterhalb der Bremsdruckanforderung des Fahrers am Bremshebel moduliert. Ein Niederdruckspeicher nimmt den Strom der abgeregelten Hydraulikflüssigkeit auf und fördert das Volumen zum Handbremshebel zurück. Geht das Ein-Kanal-ABS in Regelstellung, spürt der Fahrer dies durch Druckpulsationen am Handbremshebel. Die Eingangssignale für das elektronische Bremssystem liefert ein berührungslos arbeitender Raddrehzahlsensor auf Magnetfeldbasis. Im Vergleich zur sogenannten Kombibremse, die ein rein hydraulisches System ist, bietet das Ein-Kanal-ABS daher das volle Potenzial eines Schlupfreglers.

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