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30-07-2015 | Fahrzeugtechnik | Interview | Article

"Mit höheren Automatisierungsgraden gibt es mehr Freiheiten für das Interior"

Author: Michael Reichenbach

6:30 min reading time

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Unfall- und Pannenhilfe oder Fahrzeugdiagnose: Opel zeigt auf der IAA 2015 den Online-Service-Assistenten OnStar im neuen Astra. Im Interview sprachen wir mit Wolfgang Schwenk, General Director GME Vehicle Development bei Opel, über automatisiertes Fahren und Datenabsicherung bei OnStar.

Auf der IAA in Frankfurt wird neben der Vernetzung des Autos mit dem Smartphone das automatisierte Fahren der zweite Techniktrend sein. Welche Chancen und Perspektiven bietet das vollautomatisierte Fahren für Interieur und Package?

Es gibt die verschiedenen Stufen laut VDA, BASt und SAE, wie man zum vollautomatisierten beziehungsweise autonomen Fahren kommt. Mit den höheren Graden gibt es auch mehr Freiheiten für das Interior. Der Fahrerplatz ist wandelbar und nicht mehr dauerhaft im Auto vorhanden, man kann ohne Fahraufgabe seine Arbeit auf einem zentralen Display verrichten oder Filme anschauen, während das Auto fährt. Pedale und Lenkrad werden weggenommen. Wenn sie nicht mehr erforderlich sind, klappen sie bei Bedarf zurück. Bei der höchsten Ausbaustufe hat man die absolute Designfreiheit - setzt sich quasi in einen Zug ohne Schienen - und die Möglichkeit zu einem hohen Grad an individueller Mobilität. Bis zu diesem Level müssen aber noch viele rechtliche, haftungs- und versicherungstechnische Fragen geklärt und die gesellschaftliche Akzeptanz erzeugt werden. Das fing so schon bei den autonomen Notbremsassistenten an mit Fragen, wie er kalibriert ist, damit der Hintermann nicht auffährt, wenn man zu abrupt bremst. Dies zeigt die Problematik im Kleinen auf, beim automatisierten Fahren wird es weit komplexer.

Wie kann der moderne Fahrerarbeitsplatz beim automatisierten Fahren künftig aussehen?

Unsere Studie des Monza Concept zeigte auf der IAA 2013, wie man sich Connectivity im Innenraum vorstellen kann. Wir nutzen einen rahmenlosen Bildschirm auf der gesamten Instrumententafel, der bedarfsbezogen Informationen darstellt, je nachdem ob ich allein oder automatisiert fahre. Was mich heute fasziniert ist, dass man wie selbstverständlich mit Tablet und Vernetzung umgeht. Ich gehöre ja nicht der ganz jungen Generation mehr an, aber heute haben junge Wilde nicht mehr Notizblock und Armbanduhr dabei, sie laden ihre Studienarbeiten auf Uni-Plattformen hoch und recherchieren im Internet. Diese Funktionen wollen wir ins Auto übertragen: Entweder wir klinken ein Tablet in die Mittelkonsole ein, oder besser: Wir schaffen uns mehr Freiraum durch rahmenlose Bildschirme, drehbare Sitze sowie wegklappendes Lenkrad und Pedalerie. Auch ein Tisch kann ausklappen. Den Bildschirm, den ich bislang für Fahrzeug- und Fahrfunktionen gebraucht habe, schiebe ich mir rüber und nutze ihn für Büroarbeit oder auch persönliche Angelegenheiten samt Internetzugang, E-Mails und Spracherkennung. Wir gewinnen freie Zeit für Produktivität oder auch die angenehmen Dinge des Lebens.

Hat Opel dies schon als Sitzstudie in der Entwicklung?

Schon bei den ersten Gedankenspielen zu einem neuen Fahrzeug werden unsere Sitzentwickler - die eine globale Verantwortung bei GM tragen - involviert, da insbesondere die dimensionale Integration und Positionierung der relativ voluminösen Sitze von Anfang an berücksichtigt werden müssen. Zudem haben Sitzkomponenten großen Einfluss auf Insassenergonomie, Fahrzeugbedienung, Sicherheitskonzept und Gewicht des neuen Modells. Die Entwicklung der passenden Sitzlandschaft dauert prinzipiell genauso lange wie die Entwicklung des Gesamtfahrzeugs. Die Sitzentwicklung für den neuen Astra begann also vor knapp fünf Jahren.

Gibt es schon Prototypen für das vollautomatisierte Fahren auf der Straße?

GM wird in etwa zwei Jahren sein erstes Auto mit automatisierter Fahrtechnologie auf den Markt bringen. Einen mit intelligenten und vernetzten Technologien ausgerüsteten Insignia haben wir letztes Jahr vorgestellt. Das Versuchsfahrzeug, ausgestattet mit Kameras, Lidarsensoren, Fahrzeug-zu-Fahrzeug- und Fahrzeug-zu-Infrastruktur-Kommunikation (Vehicle-to-Infrastructure, V2I), zeigt die Möglichkeiten vernetzter Mobilität bei niedrigen Geschwindigkeiten sowohl im städtischen Stop-and-Go-Verkehr als auch bei automatisierten Fahrten in Autobahntempo. Aber schon jetzt kommen im neuen Astra, neben Opel OnStar und dem Matrix-Licht IntelliLux LED, zahlreiche Sicherheits-, Fahrerassistenz- und Komfortsysteme zum Einsatz, von denen in dieser Klasse viele ihresgleichen suchen. Zum Beispiel: Der Verkehrsschildassistent sowie der Spurassistent mit intelligenter, aktiver Lenkkorrektur machen die Fahrt im neuen Astra ebenso wie die Abstandsanzeige und der Frontkollisionswarner mit automatischer Notbremsfunktion bis 60 km/h nicht nur angenehmer, sondern vor allem sicherer.

Was verbirgt sich hinter OnStar im neuen Astra genau?

Der Dienst umfasst das automatische Absetzen eines Notrufsignals bei Auslösen des Airbags, eine Notruftaste im Auto sowie einen 24-Stunden-Service für Navigation, aber auch die Möglichkeit, aus der Ferne per Smartphone-App Pkw-Türen zu entriegeln oder zu verriegeln. Zusätzlich gibt es einen leistungsstarken WLAN-Hotspot mit schneller und stabiler Mobilfunkanbindung. Ich kann mir den Zustand des Fahrzeugs mobil anzeigen lassen, dazu zählen etwa aktueller Ölzustand, Tankinhalt und Reifendrücke. Dies erfolgt ein Mal im Monat automatisch, ich kann es aber auch bei Bedarf abfragen. Die USA sind mit dem Dienst schon länger vertraut: Es gibt dort zahlreiche Geschichten, wie OnStar Leben gerettet hat.

Wie gelingt die Datenabsicherung bei OnStar?

Nur der Kunde bestimmt, was OnStar mit seinen Daten machen darf. Dieses System wird nie Kunden-Daten ohne deren Zustimmung an Dritte weiterleiten. OnStar erfasst Daten nur, um abonnierten Dienste zur Verfügung zu stellen, und nur dann, wenn der Kunde diese mit uns teilt, beispielsweise Name, Adresse, E-Mail oder Fahrzeugdaten wie Kilometerstand, Reifendruck, Ölrestlebensdauer und Kraftstoffstand.

Wie sieht Ihre OnStar-Lösung im Vergleich zu GM aus, bin ich noch anonym unterwegs?

Opel OnStar zeichnet Streckenverläufe nicht auf. Der Kunde entscheidet, wann OnStar seinen Standort sieht: Mit der Privat-Taste kann er seinen Standort jederzeit verbergen. Wenn er seine Meinung ändert, drückt er erneut die Privat-Taste. Damit gibt er OnStar seinen Standort wieder bekannt. Die Privat-Funktion wird ausschließlich in Notfällen außer Kraft gesetzt, um Leben zu schützen.

Welche Connectivity-Pakete gibt es bei Opel, wie wird das Smartphone aufs Display gespiegelt?

Per Telefonintegration können wir das Smartphone ganz einfach im Auto nutzen. Deshalb werden wir die Integration von Apple CarPlay und Android Auto zu besonders attraktiven Preisen über die gesamte Modellpalette anbieten. Der Zugriff auf die Anwendungen ist denkbar einfach. Auf dem Monitor des jeweiligen Opel-Modells zeigt ein Symbol die Möglichkeit an, das Smartphone mit dem Auto zu verbinden. Sobald ein kompatibles Gerät über die USB-Schnittstelle verbunden ist, wechselt das Symbol - je nach System - auf das Apple-CarPlay- oder Android-Auto-Icon.

Unterhalb der Kompaktklasse ist Opel mit Corsa, Adam und Karl nun gut aufgestellt. In der Mitte stehen neuer Astra und Insignia. Oben fehlt noch etwas aus Rüsselsheim. Wie muss ein Luxusklassemodell à la moderner Senator oder Kapitän beschaffen sein?

Premium muss nicht immer über die Größe oder den Preis definiert werden. Unser Lifestyle-Auto Adam und unser Cabriolet Cascada belegen dies. Der Cascada ist größer als manche Premiummodelle, sein Preis allerdings ist günstiger. Unsere Interior-Qualität und -Optik sind preisgekrönt. Mit dem Monza-Konzept haben wir gezeigt, was Premium für uns bedeutet.

Herr Schwenk, ich bedanke mich für das Gespräch.

Der andere Teil des Interviews wird in der ATZ 9-2015 erscheinen.

Zur Person

Dipl.-Ing. (FH) Dipl.-Wirt.-Ing. (FH) Wolfgang Schwenk (Jahrgang 1957)studierte Kunststofftechnik an der FH Darmstadt und in einem zweiten Studiengang Allgemeine Betriebswirtschaftslehre an der FH Mainz im Abendstudium. Schwenk ist seit August 2012 General Director GME Vehicle Development bei Opel. Zudem ist er Mitglied im Kuratorium des FKFS in Stuttgart sowie in der Jury des Stahl-Innovationspreises und des ATZ-Beirats aktiv.
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