2010 | OriginalPaper | Chapter
Große Koalitionen in Deutschland
Authors : Wenke Seemann, Sebastian Bukow
Published in: Die Große Koalition
Publisher: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Activate our intelligent search to find suitable subject content or patents.
Select sections of text to find matching patents with Artificial Intelligence. powered by
Select sections of text to find additional relevant content using AI-assisted search. powered by
Die Bundestagswahl 2005 kann als Durchbruch zu einem echten bundesweiten Fünf- Parteien-System in Deutschland verstanden werden (Herzog et al. 2005; Niedermayer 2008). Zugleich verdeutlicht das Wahlergebnis das mit der Fragmentierung des Parteiensystems verbundene Problem bei der Regierungsbildung, ist doch das bis dato übliche Koalitionsmuster nicht ohne Weiteres auf die veränderten Bedingungen eines Fünf-Parteien- Systems übertragbar. Die 2005 gebildete Große Koalition kann zudem kaum als Wunschkoalition der beteiligten Akteure betrachtet werden. Große Koalitionen – verstanden als Koalition von CDU/CSU und SPD
2
– gelten nicht nur als unbeliebte Regierungskonstellation, sie werden zudem oftmals als koalitions- und regierungstechnischer Sonderfall verstanden. Dies ist auf Bundesebene
nicht
verwunderlich, weil mit der Regierungsbildung 2005 eine Große Koalition erst zum zweiten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik zustande kam. Dies ist jedoch
sehr
verwunderlich, weil auf Landesebene zwischen 1949 und 2007 – vor und auch nach der Deutschen Einheit – immerhin jede fünfte Regierungskoalition eben diesem Muster entsprach und eine Große Koalition somit auf der föderalen Ebene keine Besonderheit darstellt (Haas 2007: 19). Auf gesamtstaatlicher Ebene werden mit dieser Regierungskonstellation gleichwohl unterschiedlichste Chancen und Gefahren verbunden, die Einschätzungen changieren zwischen der Hoffnung auf grundlegende Reformen im ansonsten politikverflochtenen
grand coalition state
einerseits und der Annahme einer Gefahr für die Demokratie andererseits. Aufgrund dieser Überlegungen ist es sinnvoll, das Phänomen
Große Koalition
genauer zu betrachten. Der nachfolgende Beitrag greift dabei den skizzierten Spannungsbogen auf und diskutiert die Besonderheiten bundespolitischer großkoalitionärer Regierungskonstellationen in vier Schritten:
1.
Zunächst gilt es, die Regierungsbildung auf gesamtstaatlicher Ebene genauer zu betrachten, wobei insbesondere der vermeintliche Sonderfall einer Großen Koalition von Interesse ist
2.
Mit Blick auf diese Mehrheits- und Regierungskonstellation wird daran anschließend diskutiert, welche Effekte einer großkoalitionären Mehrheit zu erwarten und welche Risiken einer solchen übergroßen Regierungsmehrheit anzunehmen sind. Zentral ist dabei die Frage, welche Folgen eine solche Konstellation für das bundesdeutsche Regierungssystem haben könnte
3.
Im Anschluss daran erfolgt eine vergleichende Betrachtung der beiden bundespolitisch realisierten Großen Koalitionen, wobei vorrangig spezifische Entstehungshintergründe sowie ausgewählte strukturelle Aspekte herausgearbeitet werden, um davon ausgehend die zweite Große Koalition adäquat zu würdigen.
4.
Abschließend – und zugleich als Zusammenführung der in diesem Buch vorgenommenen Einzelanalysen – werden konkrete Erwartungen an das Regierungshandeln der Großen Koalition 2005-2009 abgeleitet und unter Rückgriff auf die Einzelbeiträge dieses Bandes bilanzierend erörtert.