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2019 | Book

Grundlagentexte der Medienkultur

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Ziel dieser Text- und Theoriesammlung ist es, die Breite an medienkulturellen Themen und Problemstellungen abzubilden und unterschiedliche Sicht- und Herangehensweisen vorzuführen. Die systematische Anordnung erfolgt über Schlagworte, an denen die Eigenlogik und Eigenmacht der Medien und ihrer Effekte für Mensch, Kultur, Geschichte und Gesellschaft deutlich wird: von Anthropomedialität und Computing über Graphien, Infrastrukturen und Maschinenwelten bis hin zu Massenmedien und Vergesellschaftung. Diese Themenblöcke sind gleichermaßen historisch wie theoretisch angelegt und offerieren in Auszügen Originaltexte von Benjamin, Bergson, Baudrillard, Deleuze, Haraway, Heidegger, Innis, Latour, Luhmann, Ong, Simondon, Turing, Virilio und vielen anderen mehr.

Table of Contents

Frontmatter

Anordnungen

Frontmatter
Zur Einführung

Anordnungen sind räumliche oder diskursive Formationen. Sie bestimmen Abstände und Durchgänge sowie Ansichten und Durchsichten. Sie bilden und bedingen somit buchstäblich Einsichten. Anordnungen legen Bedingungsstrukturen für Unterscheidungen an, die sich zu Urteilen und Bewertungen fügen.

Simon Frisch
Walter Benjamin: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit (1935)

Die Umwälzung des Überbaus, die langsamer als die des Unterbaus vor sich geht, hat mehr als ein halbes Jahrhundert gebraucht, um auf allen Kulturgebieten die Veränderung der Produktionsbedingungen zur Geltung zu bringen. In welcher Gestalt das geschah, läßt sich erst heute feststellen. An diese Feststellungen sind gewisse prognostische Anforderungen berechtigt.

Andreas Ziemann
Robert Warshow: Die unmittelbare Erfahrung (1954)

Das Kino, und besonders das amerikanische, steht im Zentrum jenes ungelösten Problems der „Populärkultur“, das die Kritik immer wieder in peinliche Verlegenheit bringt und das sich all unseren Bemühungen aufdrängt, den Charakter unserer Kultur zu verstehen und unser eigenes Verhältnis zu ihr zu bestimmen. Dass dieses Verhältnis überhaupt einer Bestimmung bedarf, ist genau der Kern des Problems. Kulturell sind wir alle „selbstgemacht“, wir schaffen uns selbst, indem wir angesichts der immensen Vielzahl sich darbietender Anregungen eine Auswahl treffen. […] Meiner Meinung nach ist eine Kritik der Populärkultur dringend erforderlich, die guten Gewissens deren tiefgreifende und verstörende Kraft anerkennen kann, ohne die überlegenen Ansprüche der höheren Kultur aus dem Auge zu verlieren.

Andreas Ziemann
Kitarō Nishida: Ort (1926)

In der gegenwärtigen Erkenntnistheorie unterscheidet man Gegenstand, Inhalt und Akt und erörtert ihre Beziehung zueinander. […] Meines Erachtens wird aber im Grunde dieser Unterscheidung nur der Gegensatz zwischen dem sich zeitlich wandelnden Erkenntnisakt und dem akttranszendenten Gegenstand in Betracht gezogen. […] Um jedoch sagen zu können, daß Gegenstand und Gegenstand sich aufeinander beziehen, ein System bilden und sich selbst erhalten, ist etwas anzunehmen, das dieses System selbst erhält, in sich zustande kommen läßt und in dem sich dieses System befindet. Seiendes muß sich in etwas befinden. Wäre dies nicht der Fall, könnte man Vorhandensein und Nichtvorhandensein nicht unterscheiden. Logisch lassen sich die Glieder einer Beziehung und die Beziehung selbst unterscheiden. Es müßte sich auch das die Beziehung Vereinigende, und dasjenige, in dem sich die Beziehung befindet, unterscheiden lassen.

Andreas Ziemann

Anthropomedialität

Frontmatter
Zur Einführung

Medienanthropologie fragt nach den medialen Bedingungen menschlicher Existenzweisen und ihrer (Selbst-)Verständnisse. Das tut sie in der Verschränkung zweier Perspektiven: In medienhistorischer Perspektive geht es um die lebensweltlichen Veränderungen, die durch einzelne Medien und Medienverbünde, wie Schrift, Drucktechnik, Dampfmaschine, Fließband, Auto, Satelliten, TV und Computer etc., zu bestimmten Zeiten und an bestimmten Orten zu verzeichnen sind. In medienphilosophischer Perspektive wird die wechselseitige Bestimmung von Mensch und Medium kontextsensibel analysiert sowie epistemisch, ethisch und ästhetisch reflektiert. Der Medienbegriff umfasst dabei zweierlei: erstens alle Funktionen der Vermittlung und Trennung, der Weitergabe und des Speicherns, des Herstellens und Austauschens; zweitens die materiellen Instanzen, die festlegen, wie sie zu handhaben und zu verarbeiten sind. Wenn menschliches Selbstverstehen, Handeln und Wahrnehmen als vermittlungsabhängige Aktivitäten gelten können, so sind sie eo ipso medienabhängig.

Christiane Voss
Ernst Kapp: Grundlinien einer Philosophie der Technik (1877)

Noch steht unsere Untersuchung erst am Eingang zu dem mächtigen Aufschwung der heutigen Cultur, und noch reicht der Begriff Maass auf diesem Standpunkt wenig über die Begrenzung der Werkzeugsphäre hinaus, insofern er vorläufig auf das, was unter Maass und Gewicht im gewöhnlichen Leben verstanden wird, beschränkt ist.

Andreas Ziemann
Martin Heidegger: Die Frage nach der Technik (1954)

Technik ist eine Weise des Entbergens. Die Technik west in dem Bereich, wo Entbergen und Unverborgenheit, wo ἀλήϑεια, wo Wahrheit geschieht.

Andreas Ziemann
Günter Anders: Die Welt als Phantom und Matrize. Philosophische Betrachtungen über Rundfunk und Fernsehen (1956)

Ehe man die Kulturwasserhähne der Radios in jeder ihrer Wohnungen installiert hatte, waren die Schmids und Müllers, die Smiths und Millers in die Kinos zusammengeströmt, um die für sie in Masse und stereotyp hergestellte Ware kollektiv, also auch als Masse, zu konsumieren. Es läge nahe, in dieser Situation eine gewisse Stileinheit: eben die Kongruenz von Massenproduktion und Massenkonsum, zu sehen; aber das wäre schief. Nichts widerspricht den Absichten der Massenproduktion schroffer als eine Konsumsituation, in der ein und dasselbe Exemplar (oder eine und dieselbe Reproduktion) einer Ware von mehreren oder gar zahlreichen Konsumenten zugleich genossen wird. Für das Interesse der Massenproduzenten bleibt es dabei gleichgültig, ob dieser gemeinsame Konsum ein „echtes Gemeinschaftserlebnis“ darstellt, oder nur die Summe vieler Individualerlebnisse.

Andreas Ziemann
Vilém Flusser: Digitaler Schein (1991)

Vor unseren ungläubigen Augen beginnen alternative Welten aus den Computern aufzutauchen: aus Punktelementen zusammengesetzte Linien, Flächen, bald auch Körper und bewegte Körper. Diese Welten sind farbig und können tönen, wahrscheinlich können sie in naher Zukunft auch betastet, gerochen und geschmeckt werden. Aber das ist noch nicht alles, denn die bald technisch realisierbaren bewegten Körper, wie sie aus den Komputationen emporzutauchen beginnen, können mit künstlichen Intelligenzen vom Typ Turing’s man ausgestattet werden, so daß wir mit ihnen in dialogische Beziehungen treten können.

Andreas Ziemann

Archiv

Frontmatter
Zur Einführung

Stellt man sich die Blätter der fünf Texte, die in diesem Kapitel zusammengestellt sind, als Aktenstapel vor, der dem Leser oder der Leserin vorgelegt wird, dann bilden der erste und der letzte Text eine Art Umschlag und zugleich eine symbolische Verkörperung des Archivs: Obenauf liegt eine noch sehr aktuelle Stellungnahme der Juristin und Medienwissenschaftlerin Cornelia Vismann, worin es um den Zugang zu Archiven geht – unter Voraussetzung von deren konstitutiver Unzugänglichkeit. Am anderen Ende des Stapels stößt die Leserin oder der Leser auf ein Räsonnement des Juristen und Dichters Johann Wolfgang von Goethe aus dem Jahr 1823, worin der Plan zur Umwandlung einer Sammlung von disparaten Schriftstücken in Archivobjekte umrissen wird, für die der angemessene Raum und eine wohleingerichtete Verfassung und Regelung von Zugangsmöglichkeiten überhaupt erst noch errichtet und erdacht werden müssen.

Jörg Paulus
Cornelia Vismann:Was weiß der Staat noch? (2004)

Es ist ein offenes Geheimnis, dass Archive unzugänglich sind. Ihre Unzugänglichkeit ist nicht etwa erst das Produkt von Arkanpolitiken und Zutrittsverboten. Nicht erst umständliche Öffnungszeiten und andere schikanöse Reglements blockieren die Einsichtnahme in alte Akten. Sicher, Archivare sahen es noch nie gern, dass Fremde in den von ihnen sorgsam gehüteten Schätzen herumwühlen, Unordnung schaffen und wer weiß, was noch anrichten. Doch bilden Archive auch ohne satzungsgemäße Benutzerunfreundlichkeit bereits eine Bastion gegen Eindringlinge jeder Art. Archive sind konstitutiv unzugänglich.

Andreas Ziemann
Gilles Deleuze: Ein neuer Archivar (Archäologie des Wissens) (1970)

Ein neuer Archivar ist in der Stadt berufen worden. Aber wurde er, strenggenommen, wirklich berufen? Handelt er nicht vielmehr in eigenem Auftrag? Gehässige Leute nennen ihn den neuen Repräsentanten einer Technologie, einer strukturalen Technokratie. Andere, die ihre Dummheit für geistreich halten, nennen ihn einen Handlanger Hitlers; oder sie behaupten wenigstens, daß er die Menschenrechte beleidigte (man verzeiht ihm die Verkündung des „Todes des Menschen“ nicht).

Andreas Ziemann
Jacques Derrida: Das Schreibmaschinenband. Limited Ink II (2001)

Es gibt ein Gedächtnis, es gibt auch eine Geschichte und ein Archiv des Bekenntnisses, eine Genealogie der Bekenntnisse: des Wortes „Bekenntnis“ (confession), der ziemlich späten christlichen Institution, die diesen Namen trägt, aber auch von Werken, die im Abendland unter diesem Titel registriert sind. Über ihre Zugehörigkeit zur Literatur bleibt noch zu entscheiden.

Andreas Ziemann
Bolesłas Matuszewski: Eine neue Quelle für die Geschichte. Die Einrichtung einer Aufbewahrungsstätte für die historische Kinematographie (1898)

Es wäre falsch zu glauben, dass alle Arten bildlicher Dokumente, die der Geschichte Hilfe leisten, in Museen oder Bibliotheken zu finden sind. Neben den Stichen, Medaillen, bemalten Tongefäßen, Skulpturen usw., usw., die dort gesammelt und klassifiziert sind, gibt es für die Photographie zum Beispiel keine eigene Abteilung. In Wahrheit haben die Dokumente, die sie liefert, nur selten einen erkennbar Historischen Charakter, und vor allem gibt es ihrer zu viele! Irgendwann jedoch wird man Porträts von Menschen, die auf ihre Zeit einen deutlich Einfluss ausgeübt haben, in Serien klassifizieren.

Andreas Ziemann
Johann Wolfgang von Goethe: Archiv des Dichters und Schriftstellers (1823)

Mehr als einmal während meiner Lebenszeit stellte ich mir die dreißig niedlichen Bände der Lessingischen Werke vor Augen, bedauerte den Treff lichen, daß er nur die Ausgabe des ersten erlebt, und freute mich des treuergebenen Bruders, der seine Anhänglichkeit an den Abgeschiedenen nicht deutlicher aussprechen konnte, als daß er, selbst thätiger Literator, die hinterlassenen Werke, Schriften, auch die kleineren Erzeugnisse und was sonst das Andenken des einzigen Mannes vollständig zu erhalten geschickt war, unermüdet sammelte und unausgesetzt zum Druck beförderte.

Andreas Ziemann

Bilder

Frontmatter
Zur Einführung

In dieser Sektion werden Texte der Bildtheorie und Bildwissenschaft des 20. Und 21. Jahrhunderts vorgestellt, die einen weiten, zuweilen anthropologischen Bildbegriff konzipieren. Die hier collagierten philosophischen, soziologischen und kulturwissenschaftlichen Überlegungen können auf Funktionen, Gebrauchsweisen und Rezeptionsweisen von sehr heterogenen Bildformen übertragen werden: Bildende Kunst, Fotografie, Film, Fernsehen, Visuelle Kultur und aktuelle Hybridformen medienkultureller Gefüge. Sie reichen von einem philosophischen Bildbegriff bei Henri Bergson über den Begründer der Ikonologie, Aby Warburg, bis zu wichtigen zeitgenössischen Vertretern des Pictorial Turns, W. J. T. Mitchell und Georges Didi-Huberman.

Julia Bee
Henri Bergson: Von der Auswahl der Bilder bei der Vorstellung. Die Rolle des Leibes (1896)

Wir wollen uns einen Augenblick vorstellen, daß wir weder von den Theorien über die Materie noch von den Theorien über den Geist etwas wissen, ebenso wenig von den Streitigkeiten über die Realität oder Idealität der Außenwelt. Und da sehe ich mich denn umgeben von Bildern – das Wort im unbestimmtesten Sinne verstanden –, Bilder, die ich bemerke, wenn ich meine Sinne öffne und nicht mehr bemerke, wenn ich jene schließe. Diese Bilder üben mit all ihren geringfügigsten Bestandteilen eine Wirkung und Gegenwirkung auf einander aus und zwar nach konstanten Gesetzen, welche wir Naturgesetze nennen, und da eine vollkommene Kenntnis dieser Gesetze uns zweifellos in den Stand setzen würde, zu berechnen und vorauszusehen, was in jedem dieser Bilder geschehen wird, so muß die Zukunft der Bilder in ihrer Gegenwart enthalten sein und ihr nichts mehr hinzu zu fügen haben.

Andreas Ziemann
George Didi-Huberman: Die Mnemosyne-Montage: Tafeln, Raketen, Details, Intervalle (2002)

Vor allem aber ist Mnemosyne eine photographische Installation. Die aus der riesigen, von Warburg zusammengetragenen Sammlung stammenden Papierabzüge wurden zunächst einmal auf große Bögen schwarzen Kartons aufgezogen, die dann, nach Themen geordnet, Kante an Kante, an den Wänden des – elliptischen – Lesesaals der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg aufgehängt wurden […]. Ihre endgültige Form fand die Anordnung, als Warburg und Saxl große schwarze, auf Rahmen gespannte Leinwände von anderthalb mal zwei Metern Größe benutzten, auf denen sie die Photographien problemlos anordnen und mit kleinen, leicht zu handhabenden Stecknadeln befestigen konnten […].

Andreas Ziemann
William J. T. Mitchell: Was will das Bild? (1997)

In der jüngeren Literatur zur Visual Culture und Kunstgeschichte waren die vorherrschenden Fragen zum Bild interpretativ und rhetorisch. Wir möchten gerne darüber Bescheid wissen, was Bilder bedeuten und was sie bewirken: wie sie als Zeichen und Symbole kommunizieren und über welche Art von Macht sie verfügen, menschliche Emotionen und Verhaltensweisen hervorzurufen. Sobald die Frage nach dem Begehren aufgeworfen wird, wird dieses gewöhnlich in den Produzenten oder Konsumenten von Bildern verortet, wobei das Bild als ein Ausdruck für das Begehren des Künstlers behandelt wird bzw. als ein Mittel, in einem Betrachter ein Begehren hervorzurufen.

Andreas Ziemann
Stuart Hall: Das Spektakel des ‚Anderen‘ (1997)

Wie repräsentieren wir Menschen und Orte, die sich wesentlich von uns unterscheiden? Warum ist ‚Differenz‘ ein so zwingendes Thema, ein so umkämpfter Bereich der Repräsentation? Was ist die geheime Faszination der von ‚Andersheit‘ und warum bezieht sich alltagskulturelle Repräsentation so häufig darauf? Welche typischen Formen und Praktiken werden heute angewandt, um ‚Differenz‘ in der Alltagskultur zu repräsentieren und wo kommen diese populären Figuren und Stereotypen her? Dies sind einige der Fragen, die wir in diesem Artikel behandeln werden.

Andreas Ziemann

Computing

Frontmatter
Zur Einführung

Zu den gängigen Annahmen der Medienwissenschaft gehört, dass Medienkulturen sich anhand ihrer basalen Operationen als solche erkennen, beschreiben und unterscheiden lassen. Bleibt der Begriff der ‚Operation‘ damit zwar noch einigermaßen unbestimmt, herrscht doch weitgehend Einigkeit über wenigstens drei sogenannte Kulturtechniken, die in diesem Sinne medienkulturstiftend wirken: lesen, schreiben und rechnen.

Moritz Hiller
Alan M. Turing: Über berechenbare Zahlen mit einer Anwendung auf das Entscheidungsproblem (1937)

Die „berechenbaren“ Zahlen sind in Kürze beschreibbar als diejenigen reellen Zahlen, deren Dezimalausdrücke mit endlichen Mitteln errechnet werden können. Obwohl die berechenbaren Zahlen das ausdrückliche erklärte Thema dieses Artikels bilden, ist es beinahe gleichermaßen einfach, berechenbare Funktionen einer ganzzahligen oder reellen oder berechenbaren Variablen, berechenbare Prädikate usw. zu definieren und zu untersuchen.

Andreas Ziemann
Vannevar Bush: Wie wir denken werden (1945)

Dieser Krieg war nicht ein Krieg der Wissenschaftler; es war ein Krieg, an dem alle Anteil hatten. Die Wissenschaftler haben ihre alten Rivalitäten zugunsten der gemeinsamen Sache begraben, haben zusammengearbeitet und viel gelernt. Diese Zusammenarbeit war wirkungsvoll und aufregend.

Andreas Ziemann
Douglas C. Engelbart: Die Verstärkung der menschlichen Intelligenz – ein konzeptioneller Rahmen (1962)

Der konzeptionelle Rahmen, den wir anstreben, soll uns Orientierung bieten – Orientierung in Bezug auf die realen Möglichkeiten und Probleme bei der Nutzung moderner Technik, die den Einzelnen unmittelbar darin unterstützen soll, komplexe Situationen zu verstehen, deren bedeutsame Faktoren zu isolieren und Probleme zu lösen. Um uns diese Orientierung zu verschaffen, werden wir untersuchen, wie Einzelne ihr derzeitiges Niveau der Effektivität erreichen. Wir erwarten von dieser Untersuchung, dass sie Möglichkeiten der Verbesserung erkennen lässt. […]

Andreas Ziemann

Gender

Frontmatter
Zur Einführung

Gender Media Studies oder medienwissenschaftliche Geschlechterstudien befassen sich mit der Intersektion von Medienwissenschaft und Geschlechterstudien und gehen dem wechselseitig konstitutiven Verhältnis von Medium und Geschlecht nach. Ging es in der feministischen Filmtheorie um das genaue Verhältnis von Narration, dem Abgebildeten, dem Abbildungsmodus und sozialen und politischen Machtstrukturen, so erfolgte mit den Gender Studies innerhalb der langen und facettenreichen Theoriegeschichte der Geschlechterdarstellungen in den Medien und ihrer Repräsentationskritik der entscheidende Wandel. In der Filmwissenschaft, hauptsächlich aber in der Medienwissenschaft, geht es nun neben der Repräsentation um die Codierung, verschiebt sich die Aufmerksamkeit von der visuellen Oberfläche zum Dispositiv.

Hedwig Wagner
Judith Butler: Gender-Regulierungen (2004)

Auf den ersten Blick scheint der Begriff „Regulierung“ die Institutionalisierung des Prozesses nahezulegen, durch den Personen normalisiert werden. Verwendet man ihn im Plural, so erkennt man in der Tat jene konkreten Gesetze, Regeln und Praktiken an, die die rechtlichen Instrumente konstituieren, durch die Personen normalisiert werden. Dennoch wäre es meines Erachtens ein Fehler, die verschiedenen Formen, durch die Gender reguliert wird, auf diese empirisch gegebenen rechtlichen Instanzen zurückführen zu wollen.

Andreas Ziemann
N. Katherine Hayles: Code-Traumata (2006)

Sprache ist auch nicht mehr das, was sie einmal war. In der computervermittelten Kommunikation, etwa bei Handytelefonaten, E-Mails, Gesprächen in Chatrooms, in Blogs und allen auf einem Computer geschriebenen Dokumenten, wird die Sprache, die wir mit der Muttermilch aufgesogen haben, durch einen Computercode generiert. Zwar scheint computervermittelte Sprache so mühelos zu fließen wie in einer Face-to-Face-Unterhaltung oder wie beim schnellen Kritzeln von Wörtern auf Papier, doch in Wirklichkeit laufen im Turmbau der Programmiersprachen sowohl in der Aufwärts- als auch in der Abwärtsrichtung komplizierte, rasend schnelle Prozesse der Codierung und Decodierung ab: Buchstaben werden mit Programmierbefehlen verknüpft, Befehle werden kompiliert und interpretiert, ein Quellcode wird dem Objektcode der binären Symbole zugeordnet, diese werden in Spannungsdifferenzen umgewandelt.

Andreas Ziemann
Donna J. Haraway: Das Abnehme-Spiel. Ein Spiel mit Fäden für Wissenschaft, Kultur, Feminismus (1994)

„Natur“ ist ein Topos; ein Gemeinplatz. Natur ist ein Thema (topic), das ich nicht umgehen kann. Es ist der implodierte, extrem verdichtete Ort für die ethnospezifischen, kulturellen, politischen und wissenschaftlichen Gespräche, die sich darum drehen, wie die zulässigen Handlungsstrukturen und die möglichen Handlungsfäden in den geheiligten säkularen Dramen der Technowissenschaft – und zugleich in der Analyse dieser Wissenschaft – beschaffen sein könnten.

Andreas Ziemann

Graphien

Frontmatter
Zur Einführung

Geht man von dem griechischen Verb graphein aus, das „schreiben, zeichnen“ bedeutet, so ließe sich der Begriff „Graphien“ so verstehen, dass er Speichermedien aller Art bezeichnet, bei denen es zu einer Einschreibung kommt. Nicht umsonst ist dieses Wort in Komposita wie Fotographie und Kinematographie enthalten: Diese bedeuten nichts anderes als Lichtschrift und Bewegungsschrift.

Michael Cuntz
Jack Goody: Auf dem Weg zu einer Wissensgesellschaft (2010)

Der nächste Entwicklungssprung der Wissenssysteme erfolgte dann mit der „Urbanen Revolution“ der Bronzezeit. Damals wurde nicht nur die Landwirtschaft durch die Einführung von Pflug, Rad und Zugtieren mechanisiert, die wiederum zur Verbreitung von Handwerkstechniken beitrugen (von denen einige mit der Landwirtschaft und andere mit der ökonomischen Schichtenbildung zusammenhingen, die damit einherging und den Tausch förderte). Darüber hinaus wurde auch um ca. 3000 v. Chr. die Schrift erfunden.

Andreas Ziemann
Walter J. Ong: Buchdruck, Raum und Abgeschlossenheit (1982)

Schon seit Jahrtausenden stellten die Menschen mit Hilfe verschiedener Arten behandelter Oberflächen Drucke her. Seit dem siebten oder achten Jahrhundert druckten Chinesen, Koreaner und Japaner Texte, zuerst mittels gravierter Holzblöcke. […] Die entscheidende Wende jedoch in der Geschichte des Druckes war die Erfindung einer Drucktechnik der beweglichen Lettern im Europa des 15. Jahrhunderts.

Andreas Ziemann
Bruno Latour: Drawing Things Together: Die Macht der unveränderlich mobilen Elemente (1990)

Es wäre schön, wenn man in der Lage wäre zu definieren, was für unsere moderne wissenschaftliche Kultur spezifisch ist. Es wäre sogar noch schöner, wenn man die ökonomischste Erklärung (die nicht die wirtschaftlichste sein muss) ihrer Ursprünge und besonderen Charakteristika finden könnte. Um bei einer sparsamen Erklärung anzukommen, ist es am besten, sich nicht auf universelle Charakterzüge der Natur zu beziehen. Hypothesen über Veränderungen im Geist oder im menschlichen Bewusstsein, in der Struktur des Gehirns, in sozialen Beziehungen, „mentalités“ oder in der wirtschaftlichen Infrastruktur, die postuliert werden, um das Auftreten von Wissenschaft oder ihre momentanen Errungenschaften zu erklären, sind in den meisten Fällen einfach zu grandios – um nicht zu sagen hagiographisch –, in anderen Fällen offensichtlich rassistisch.

Andreas Ziemann
Jacques Derrida: Linguistik und Grammatologie (1967)

„Man vergißt zuletzt, daß man sprechen lernt, ehe man schreiben lernt, und das natürliche Verhältnis ist umgedreht“. Gewalt des Vergessens. Als mnemotechnisches Mittel ist die Schrift Supplement für das gute Gedächtnis, das spontane Gedächtnis; sie bezeichnet das Vergessen. Genau dies meinte Platon im Phaidros, wenn er die Schrift gegen das gesprochene Wort hielt wie die hypomnesis gegen die mneme, die Gedächtnisstütze gegen das lebendige Gedächtnis. Vergessen: Vermittlung und Aus-sich-Heraustreten des Logos, der ohne die Schrift in sich verbliebe.

Andreas Ziemann

Infrastrukturen

Frontmatter
Zur Einführung

Infrastrukturen sind ebenso allgegenwärtig wie unscheinbar. Sie durchziehen die Orte und Situationen unseres Alltags. Sie formieren Organisationen, legen Abläufe fest und regeln Beziehungen, für die Gesellschaft ebenso wie etwa für die Wissenschaft, die Wirtschaft oder die Politik. Wörtlich bedeutet Infrastruktur so viel wie „Unterbau“ (von infra „unterhalb“ und structura „Bau“); und das verweist bereits auf die ‚tragende‘ Rolle von Infrastrukturen als Basis und Voraussetzung gesellschaftlichen Lebens: Infrastrukturen versorgen uns mit Wasser und Strom, entsorgen den Müll, stellen Transport- und Kommunikationssysteme, aber auch soziale und kulturelle Einrichtungen bereit, wie etwa Krankenhäuser, Schulen und Behörden, Theater und Kinos oder Einkaufszentren und Sportanlagen.

Gabriele Schabacher
Harold A. Innis: Imperien und Kommunikationswege (1950)

Eine Besonderheit des zwanzigsten Jahrhunderts ist seine Beschäftigung mit der Untersuchung von Zivilisationen. Spengler, Toynbee, Kroeber, Sorokin und andere haben Werke vorgelegt, die darauf abzielten, die Ursachen des Aufstiegs und Niedergangs von Zivilisationen zu erhellen, und in denen auch eine intensive Beschäftigung mit der möglichen Zukunft unserer eigenen Zivilisation zum Ausdruck kommt. Nun besagt der Titel dieser Vorlesungen über die imperiale Wirtschaftsgeschichte deutlich, dass wir uns in unserer Zivilisation nicht nur mit Zivilisationen, sondern auch mit Reichen beschäftigen, und dass wir in der Frage des Erfolgs oder Scheiterns von Zivilisationen bisher auf die Rolle der Wirtschaft fixiert gewesen sind.

Andreas Ziemann
Paul Virilio: Die innere Steuerung (1984)

Das automobile Vehikel ist keine „Maschine“ wie andere, handelt es sich doch um eine Maschine, die sowohl stationär als auch beweglich ist. Stationär ist der Motor auf dem Prüfstand oder auf seinem Fahrgestell; beweglich ist das Antriebssystem (Räder, beziehungsweise Raupenketten), welches das Vehikel zu der jeweiligen Startfläche, auf die Piste, die Landstraße oder die Autobahn befördert. Das Kräftepaar, gebildet aus Antriebsrädern und Nachrichtenanlage, bewirkt dann die Erzeugung von Geschwindigkeitseffekten, Artefakten, die für alle Vehikel, die sich auf dem Boden oder in seiner unmittelbaren Nähe mit großer Schnelligkeit fortbewegen, typisch sind.

Andreas Ziemann
Bruno Latour: Gedankenzüge: Piaget, Formalismus und die fünfte Dimension (1996)

Stellen Sie sich zwei Reisende vor, Zwillinge. Der eine ist eine Frau, sie hat sich in den dichten Dschungel aufgemacht und schlägt sich mit dem Beil einen Pfad frei, der kaum sichtbar ist. In jeder Minute, in der sie ihren Weg um nur wenige Zentimeter vorantreibt, altert sie um mehr als eine Minute.

Andreas Ziemann
Susan Leigh Star/Geoffrey C. Bowker: Wie man infrastrukturiert (2002)

Zentraler Gegenstand dieses Kapitels ist die den neuen Medien zugrunde liegende Infrastruktur. Dabei bedeutet „Neue Medien“ für unsere Zwecke ganz überwiegend: das Internet in allen seinen Erscheinungsformen. […] Unser Hauptargument lautet, dass ein gesellschaftliches und theoretisches Verständnis von Infrastrukturen entscheidend ist für das Design von Medien-Anwendungen in unserer hochgradig vernetzten, durch Informationskonvergenz geprägten Gesellschaft.

Andreas Ziemann

Maschinenwelten

Frontmatter
Zur Einführung

Mediale Welten sind in erheblichem Maße technische Welten. Tatsächlich treten uns Medien immer wieder als technische Objekte, z. B. Radios, Fernseher, Computer, entgegen. Entsprechend zahlreich sind jene Medientheorien, die ihren Gegenstand ausgehend von der materiellen Kultur der Maschinen begriffen haben. Schon Marshall McLuhan definiert Medien als „Technik“, die, wie er hinzufügt, ihrerseits als Extension des menschlichen Körpers zu verstehen ist.

Henning Schmidgen
Karl Marx: Maschinerie und große Industrie (1867)

Mathematiker und Mechaniker – und man findet dies hier und da von englischen Ökonomen wiederholt – erklären das Werkzeug für eine einfache Maschine und die Maschine für ein zusammengesetztes Werkzeug. Sie sehn hier keinen wesentlichen Unterschied und nennen sogar die einfachen mechanischen Potenzen, wie Hebel, schiefe Ebne, Schraube, Keil usw., Maschinen.1 In der Tat besteht jede Maschine aus jenen einfachen Potenzen, wie immer verkleidet und kombiniert. Vom ökonomischen Standpunkt jedoch taugt die Erklärung nichts, denn ihr fehlt das historische Element.

Andreas Ziemann
Franz Reuleaux: Theoretische Kinematik (1875)

Eine Maschine ist eine Verbindung widerstandsfähiger Körper, welche so eingerichtet ist, dass mittelst ihrer mechanische Naturkräfte genöthigt werden können, unter bestimmten Bewegungen zu wirken. […]

Andreas Ziemann
W. Ross Ashby: Die determinierte Maschine (1956)

Wir kommen nun zu einigen Begriffen, die wir wiederholt verwenden werden. Nehmen wir das einfache Beispiel, daß bloße Haut unter Sonneneinwirkung bräunt: Dasjenige, worauf eingewirkt wird, nämlich die bloße Haut, nennen wir Operand, den einwirkenden Faktor (die Sonnenstrahlen) Operator, und als Transformierte bezeichnen wir das, was unter Einwirkung des Operators auf den Operand entsteht. Der Übergang, der sich eindeutig darstellen läßt durch blasse Haut → gebräunte Haut nennen wir Transition.

Andreas Ziemann
Gilbert Simondon: Genese des technischen Objekts: Der Prozess der Konkretisation (1958)

Das technische Objekt ist einer Genese unterworfen, aber es ist schwierig, die Genese jedes einzelnen technischen Objekts zu definieren, denn die Individualität der technischen Objekte verändert sich im Lauf ihrer Genese: Nur schwer kann man die technischen Objekte über ihre Zugehörigkeit zu einer technischen Spezies bestimmen; es ist zwar leicht, die Arten für den praktischen Gebrauch grob zu unterteilen, solange man akzeptiert, das technische Objekt über den praktischen Zweck zu erfassen, dem es entspricht; doch handelt es sich dabei um eine trügerische Artzugehörigkeit, denn einem bestimmten Gebrauch entspricht keine fixe Struktur.

Andreas Ziemann
Gilles Deleuze/Félix Guattari: Programmatische Bilanz für Wunschmaschinen (1972)

Die Wunschmaschinen haben weder mit gadgets oder Kleinsterfindungen à la Lepine- Wettbewerb noch mit Phantasien etwas zu tun. Vielmehr, sie haben, allerdings in einem konträren Sinne. Denn die gadgets, die trouvailles und Phantasien sind Reststücke von Wunschmaschinen, die denen des internen Marktes der Psychoanalyse unterworfen sind (es gehört zum psychoanalytischen „Vertrag“, die gelebten Zustände des Patienten zu reduzieren und sie in Phantasien zu übersetzen).

Andreas Ziemann

Massenmedien

Frontmatter
Zur Einführung

Das Zeitalter der Massenmedien scheint vorüber zu sein. Das wird am deutlichsten durch das mächtigste Massenmedium je, das Fernsehen, und die grundlegenden Transformationen, die es gegen Ende des 20. Jahrhunderts nach 50jähriger Dominanz im Zuge seiner Digitalisierung erfahren hat. Die Konvergenz der Medien in nur einem einzigen Hüllmedium, dem Computer, oder, umgekehrt, die Ausbreitung des Computers in alle Lebenszusammenhänge hinein, haben die Unterscheidung verschiedener Medien, insbesondere der Individualmedien und der Massenmedien, voneinander und auch diejenige der Medien von der außermedialen Wirklichkeit, wie sie im Begriff der Massenmedien immer noch zu Grunde gelegt zu sein schienen, aufgelöst.

Lorenz Engell
Max Horkheimer/Theodor W. Adorno: Kulturindustrie. Aufklärung als Massenbetrug (1947)

Die soziologische Meinung, daß der Verlust des Halts in der objektiven Religion, die Auflösung der letzten vorkapitalistischen Residuen, die technische und soziale Differenzierung und das Spezialistentum in kulturelles Chaos übergegangen sei, wird alltäglich Lügen gestraft. Kultur heute schlägt alles mit Ähnlichkeit. Film, Radio, Magazine machen ein System aus.

Andreas Ziemann
Jean Baudrillard: Die göttliche Referenzlosigkeit der Bilder und das Ende des Panoptikums (1978)

Bei Jean Baudrillards Text handelt es sich um einige Abschnitte aus dem Kapitel „Die Präzession der Simulacra“ aus seinem Band „Die Agonie des Realen“, einer vom Berliner Merve Verlag im Jahr 1978 besorgten Zusammenstellung einiger Essays Baudrillards, die in dieser Form nie in Frankreich erschienen ist. „Die Präzession der Simulacra“ war im selben Jahr in der französischen Zeitschrift „Traverses“ erschienen, zu deren Herausgebern (u. a. neben Jean-François Lyotard) Baudrillard gehörte. Er bildet später auch das Einleitungskapitel des Buches „Simulacres et simulation“, das in Frankreich Jahr 1981 erschienen ist. Es handelt sich also um die früheste und (mehr oder weniger) systematische Ausarbeitung der Simulationstheorie Jean Baudrillards und überhaupt bis heute um eine der wenigen Begründungen des Simulationsbegriffs.

Andreas Ziemann
Daniel Dayan/Elihu Katz: Medienereignisse (1987)

Fernsehen behandelt das Ereignis nicht nur in einer narrativen Art und Weise, es behandelt das Ereignis als ein einheitliches narratives Spektakel. Es führt die verstreuten Elemente eines Ereignisses für sein Publikum zusammen, das erwartet, alle Segmente – vom Anfang bis zum Ende – zu sehen. Das Fernsehen nötigt sogar die Organisatoren, sich das Ereignis als ein Ganzes vorzustellen und seinen Ablauf so zu organisieren, dass es eine eigenständige Kohärenz und einen unvorhergesehenen ‚Beat‘ – eine neue ‚Gestalt‘ erhält.

Andreas Ziemann

Vergesellschaftung

Frontmatter
Zur Einführung

Die Soziologie begegnet seit ihren Anfängen als Kulturwissenschaft zahlreichen Veränderungsbewegungen und Krisenerscheinungen des modernen Lebens und beschreibt dieses dann idealtypisch als fortlaufenden und zunehmenden Differenzierungs-, Rationalisierungs- und Versachlichungsprozess. An der Evolution und Umformung von Kultur und Gesellschaft haben diverse Medien ihren Anteil; teils sind sie Bedingung, teils Effekt dessen. Man kann deshalb bisweilen einen ausgeprägten soziologischen Sensus für die Wechselwirkung zwischen Kultur und Medien feststellen, eben eine Beschreibung und Theorieanstrengung gegenüber dem, was wir unter „Medienkultur“ verstehen und rubrizieren.

Andreas Ziemann
Georg Simmel: Das Geld in der modernen Cultur (1896)

Wenn die Soziologie den Gegensatz der neueren Zeit, insbesondere gegen das Mittelalter, in eine Formel bringen wollte, so könnte sie es mit der folgenden versuchen. Im Mittelalter findet sich der Mensch in bindender Zugehörigkeit zu einer Gemeinde oder zu einem Landbesitz, zum Feudalverband oder zur Korporation; seine Persönlichkeit war eingeschmolzen in sachliche oder soziale Interessenkreise, und die letzteren wiederum empfingen ihren Charakter von den Personen, die sie unmittelbar trugen. Diese Einheitlichkeit hat die neuere Zeit zerstört.

Andreas Ziemann
Niklas Luhmann: Die Unwahrscheinlichkeit der Kommunikation (1981)

Ohne Kommunikation gibt es keine menschliche Beziehungen, ja kein menschliches Leben. Eine Theorie der Kommunikation kann sich deshalb nicht nur mit Ausschnitten aus dem Bereich des gesellschaftlichen Zusammenlebens befassen. Sie kann sich nicht damit begnügen, einzelne Techniken der Kommunikation zu erörtern, auch wenn in der heutigen Gesellschaft solche Techniken und ihre Folgen, weil sie neu sind, besondere Aufmerksamkeit auf sich ziehen.

Andreas Ziemann
Bruno Latour: Über technische Vermittlung: Philosophie, Soziologie und Genealogie (1994)

Für Heidegger ist Technik niemals ein Instrument, ein bloßes Werkzeug. Bedeutet das, dass Techniken Handlungen vermitteln ? Nein, weil wir selbst zu keinem anderen Zweck als der Instrumentalisierung selbst Instrumente geworden sind. Männer – bei Heidegger niemals Frauen – sind von der Technik besessen, und es ist eine vollkommene Illusion zu glauben, dass wir sie meistern könnten.

Andreas Ziemann
Backmatter
Metadata
Title
Grundlagentexte der Medienkultur
Editor
Prof. Dr. Andreas Ziemann
Copyright Year
2019
Electronic ISBN
978-3-658-15787-6
Print ISBN
978-3-658-15786-9
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-15787-6