Skip to main content
Top
Published in: Standort 4/2022

Open Access 11-10-2022 | Angewandte Geographie

Institutionelle Dynamiken und (ungenutzte) Potenziale im Markt für Heimstromspeicher in Deutschland

Authors: Hans-Martin Zademach, Andrea Käsbohrer

Published in: Standort | Issue 4/2022

Activate our intelligent search to find suitable subject content or patents.

search-config
loading …

Zusammenfassung

Der Markt für stationäre Batteriespeicher in Privathaushalten in Deutschland weist aktuell ein ausgesprochen dynamisches Wachstum auf, gekennzeichnet sowohl von rasantem technischen Fortschritt und rapide steigenden Verkaufszahlen als auch von organisatorischen Neuerungen, die großes Potenzial dazu haben, den Energiemarkt grundlegend zu revolutionieren. Insbesondere eröffnen sich Möglichkeiten für dezentrale Energiegemeinschaften, in denen meist private, dezentrale Photovoltaikanlagen und Solarstromspeicher mithilfe digitaler Technologien zu großen virtuellen Kraftwerken miteinander verbunden werden und so selbst produzierter Solarstrom unter den Mitgliedern ohne die etablierten Energiekonzerne geteilt werden kann. Wie im Beitrag unter Rückgriff auf das Konzept des Layering of Policies ausführlicher dargelegt, bleibt ein großer Teil dieses Potenzials jedoch ungenutzt, und dies vor allem aufgrund institutioneller Rahmenbedingungen und politischer Interessen(-konflikte). Dazu präsentiert der Beitrag originäre empirische Befunde, vorwiegend aus problemzentrierten Interviews und teilnehmenden Beobachtungen. Auf konzeptioneller Ebene vertiefen die präsentierten Erkenntnisse unser Wissen über die Rolle institutioneller Dynamiken auf verschiedenen Maßstabsebenen im Allgemeinen und die (verzögerte) Durchsetzung von Nachhaltigkeitsinnovationen im Besonderen.

Einleitung

Neben dem Ausbau erneuerbarer Energien ist eine Erhöhung der Speicherkapazität ein gewichtiger Baustein der Energiewende in Deutschland. Tatsächlich weist der Markt für Heimspeicher, konkret für stationäre Batteriespeicher in Privathaushalten, aktuell ein dynamisches Wachstum auf, gekennzeichnet sowohl von technischem Fortschritt und steigenden Verkaufszahlen als auch von innovativen Geschäftsmodellen: Durch Heimspeicher kann der Verbrauch von selbst erzeugtem Strom, mittels Photovoltaik (PV) oder auch Windkraft, und damit die Autarkie von Privathaushalten gesteigert werden. Zudem eröffnen sich Möglichkeiten für dezentrale Energiegemeinschaften, sog. Communities, wenn PV-Anlagen kombiniert mit Heimspeichern digital zu einem Schwarm verbunden werden. Dadurch kann innerhalb des sog. Stromsharings selbst produzierter Solarstrom unter den Mitgliedern dieser Energiegemeinschaften geteilt werden (Käsbohrer und Zademach 2021). Auch können Heimspeicher durch kurzzeitiges Einspeisen von Strom ins Netz oder Einspeichern von Strom aus dem Netz im Zuge der sog. Regelleistung Schwankungen der Netzfrequenz ausgleichen.
Allerdings bleibt ein großer Teil dieses Potenzials gegenwärtig ungenutzt. Wie nachfolgend im Rückgriff auf das Konzept des Layering of Policies gezeigt, sind dafür zuvorderst regulatorische Hürden verantwortlich. So enthalten vor allem die beiden für die Förderung und Regulierung der erneuerbaren Energien in Deutschland zentralen Gesetzeswerke, das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG), eine Reihe von Schwachstellen und Unzulänglichkeiten, die die Wirtschaftlichkeit der neuen Geschäftsmodelle deutlich schmälern. Auch wenn laufend Novellierungen beider Rahmenwerke vorgenommen werden, die auch regulatorische Erleichterungen bringen (zuletzt in den Jahren 2020 und 2021), steht die deutsche energiewirtschaftliche Regulierung – gemeinhin als Regulatorik bezeichnet (z. B. Tepe et al. 2021) – dennoch nach wie vor unter deutlicher Kritik: Eine mehrfach anfallende Belastung mit Steuern und Netzentgelten besteht weiterhin, der Messaufwand ist erheblich sowie die administrativen Vorgaben für das Stromsharing unverhältnismäßig. Die Gesetzestexte dazu sind komplex, lückenhaft und bisweilen sogar widersprüchlich.
Der vorliegende Beitrag beleuchtet die Entwicklung und Durchsetzung jüngerer Geschäftsmodelle im Markt für Stromspeicher in ihrem konkreten Zusammenspiel mit institutionellen Aspekten auf Grundlage von empirischen Befunden, die zwischen Sommer 2020 und Frühjahr 2022 mithilfe eines Mixed-Methods-Designs erhoben und ausgewertet wurden. In dem Zuge wurden u. a. 25 problemzentrierte Interviews mit Speicherherstellern, konventionellen und Ökostromanbietern, weiteren Verbänden, Verteil- und Übertragungsnetzbetreibern sowie Regulierungsbehörden durchgeführt, dazu insgesamt 42 teilnehmende Beobachtungen in (Online‑)Meetings der relevanten Branchenverbände. Konzeptionell greift der Beitrag auf den wohl etablierten Ansatz der Sustainability Transitions zurück, analytisch geschärft um das Konzept des Layering of Policies.

Konzeptionelle Grundlagen: Politische Regelwerke und der Übergang in eine nachhaltigere Wirtschaft und Gesellschaft

Die Transformation zu einer nachhaltigeren Wirtschaft und Gesellschaft zählt unstrittig zu den größten Herausforderungen unserer Zeit. Als heuristischer Analyserahmen sehr zentral in dieser Debatte ist der Ansatz der Sustainability Transitions (ST) nach Geels (2002). Im Fokus dieses Konzepts stehen am Leitgedanken der Nachhaltigkeit ausgerichtete Produkte und Dienstleistungen, die sich langfristig durchsetzen. Sog. Nischeninnovationen halten im Zuge einer Transition Einzug in etablierte Regime, destabilisieren sie oder lösen sie sogar ab. Regime determinieren die Arbeits- und Organisationsformen (z. B. etablierte Technologien, Unternehmensnetzwerke oder Fachpolitiken) für bestimmte Wirtschaftszweige oder Produktgruppen (z. B. fossile und erneuerbare Energieerzeugung). Der damit verbundene soziale, technische und institutionelle Wandel wird aus einer koevolutionären Perspektive betrachtet. Konkrete Forschungsgegenstände sind zuvorderst Interaktionen zwischen Nischen und Regimen, wenn etwa Akteure aus beiden Ebenen für ihre unterschiedlichen Interessen eintreten, miteinander verhandeln oder in Netzwerken ihr jeweiliges Wissen austauschen (Köhler et al. 2019).
Die Energiewende in Deutschland wurde bereits vielfach aus der Perspektive der ST betrachtet. Kernelemente sind dabei der Ausbau der erneuerbaren Energien sowie Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz (z. B. Markard 2018; Lauber und Jacobsson 2016; Sterner 2017). Das Regime fossiler sowie vorwiegend zentraler Energieerzeugung geht damit in eine erneuerbare und vermehrt dezentrale Energieversorgung über; die Systemintegration von Energiespeichern ist ein wesentlicher Bestandteil dieser Transition. Neben anderen Speicherformen gewinnen gegenwärtig insbesondere stationäre Heimspeicher an Bedeutung (Tepe et al. 2021). Aufgrund einiger sehr typischer Charakteristika kann dieser Markt als besonders geeignetes Fallbeispiel für eine Nachaltigkeitsinnovation angesehen werden. Zu diesen Charakteristika zählen erstens die nach wie vor hohe Unsicherheit über den zukünftigen Entwicklungspfad dieser Nischeninnovation gegenüber anderen höherskaligen Speicherformen; zweitens widersprüchliche Haltungen von Akteuren des etablierten und neuen Regimes sowie drittens die Bedeutung koevolutionärer Entwicklungen: Innovative Geschäftsmodelle entstehen unter wechselseitiger Beeinflussung von technisch weiterentwickelten Speichersystemen samt digitaler Steuerung einerseits sowie organisatorischen Neuerungen wie neuen Vertriebswegen andererseits. Für deren langfristige Etablierung müssen die Geschäftsmodelle und der bestehende institutionelle Rahmen, in diesem Fall die energiewirtschaftliche Regulatorik um das EEG und EnWG, wiederum politisch und/oder organisatorisch aufeinander zugeschnitten werden.
Um eben diese Beziehung zwischen dem Themenkreis Organisation/Geschäftsmodelle einerseits und Fragestellungen zur politischen Steuerung andererseits genauer zu ergründen, werden in den Rahmen der ST regelmäßig weitere theoretische Ansätze, z. B. auch aus den Politikwissenschaften, integriert (z. B. Köhler et al. 2019; Markard et al. 2016). Insbesondere das Konzept des Layering of Policies ist hilfreich, so das Argument dieses Beitrags, um Schwachstellen und Unzulänglichkeiten in der Regulatorik in Deutschland nachvollziehen zu können. Politische Regelwerke und Instrumente, wie z. B. Zuschüsse, Steuergutschriften oder Nutzungsgebühren – in ihrer Gesamtheit auch als Policy Mix bezeichnet –, werden demnach als Ergebnis teils widersprüchlicher Interessen verstanden (z. B. Rogge und Reichhardt 2016). Dabei fassen etwa Kern et al. (2019) die Evolution von Regelwerken und Instrumenten als Ausdruck einer fortlaufenden Umgestaltung und Erweiterung bestehender politischer Regelsetzungen, die immer wieder auch mit weiter- oder neuentwickelten und eingeführten Instrumenten verbunden sind. Das Ergebnis eines solchen Vorgehens des Layering of Policies sind regelmäßig besonders komplexe, auch inkohärente und inkonsistente Gesetzeslagen, die nur sehr kostspielig verwaltet werden können und ausgesprochen schwerlich in ihren Grundzügen zu verändern sind (Daugbjerg und Swinbank 2016; Howlett und Rayner 2007). Denn oft werden über lange Zeit gefestigte Privilegien etablierter Marktakteure – im vorliegenden Fall etwa großer konventioneller Energieversorger oder Netzbetreiber – bedient.

Der Markt für Heimstromspeicher in Deutschland

Um erneuerbare Energien durch die Entkopplung von Erzeugung und Verbrauch möglichst effizient nutzen zu können, sind Speicher notwendig. Dies gilt insbesondere für Strom aus PV und Windenergie, die die Hauptanteile der erneuerbaren Energien im Strommix der Energiewende darstellen (Sterner 2017). Dabei halten Langzeitspeicher (Pumpspeicher, Speicherwasserkraftwerke oder Öl- und Gasspeicher) Energie über mehrere Tage und Wochen bis hin zu Jahren vor, um saisonale Schwankungen wie anhaltende Windflauten, geringe Wassermengen in der Wasserkraft oder sonnenarme Perioden auszugleichen. Kurzzeitspeicher sind hingegen dazu konzipiert innerhalb eines Tages auch binnen Sekunden mehrfach Energie aufzunehmen und wieder abzugeben. Anwendungsbereiche sind Netzdienstleistungen wie die Regelleistung oder das Zwischenspeichern von Strom zur späteren Nutzung im Laufe eines Tages. Darunter fallen z. B. Pumpspeicher, Druckluftspeicher, Schwungradspeicher und Batteriespeicher (Sterner 2017).
Batteriespeicher werden in Heimspeicher mit einer Kapazität von bis ca. 30 kWh (Abb. 1), mittelgroße Industriespeicher (30–1000 kWh) und Großspeicher (über 1000 kWh) unterteilt. In allen Marktsegmenten steigen die Installationszahlen. Vor allem der Heimspeicherbereich zeigt dabei ein dynamisches Marktgeschehen (Tepe et al. 2021). Die ersten industriell gefertigten stationären Heimspeicher waren in Deutschland ab 2011 erhältlich; als klassische Nischeninnovationen waren diese Speicher noch mit sehr hohen Kosten verbunden, bei vergleichsweise geringer Leistungsfähigkeit. Steigende Absatzzahlen (Abb. 2) sind angestoßen durch ein KfW-Förderprogramm mit zinsgünstigen Darlehen erst seit 2013 zu verzeichnen (Kairies et al. 2019). Ende 2021 waren laut dem Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) 413.000 Solarstromspeicher in Deutschland installiert.
Neben den technischen Entwicklungen unterliegt der Markt auch in organisatorischer Hinsicht hoher Dynamik. Das zentrale Element der neu aufkommenden Geschäftsmodelle um Heimspeicher ist die Erhöhung des PV-Eigenverbrauchs sowie die Steigerung des Eigenversorgungsanteils. Das heißt, dass Eigentümer*innen von PV- und Speicheranlagen als sog. Prosumer – bzw. Active Customers, wie auf EU-Ebene benannt – den über den momentanen Bedarf hinausgehend produzierten Strom speichern und zu einem späteren Zeitpunkt selbst verbrauchen können. Dabei lohnt sich die Steigerung von PV-Eigenverbrauch und -versorgung sowohl angesichts steigender Verbraucherpreise als auch sinkender oder völlig auslaufender Einspeisevergütungen (Kairies et al. 2019). Aus Endkundenperspektive werden die zugehörigen Abrechnungsmodelle oftmals als Cloud bezeichnet, da der aktuell nicht benötigte Strom in einem virtuellen Stromkonto zwischengespeichert wird.
Zudem werden Heimspeicher über PV-Eigenverbrauch und -versorgung hinaus zunehmend im sog. Multi-Use für mehrere Anwendungsfälle zugleich eingesetzt: Eine Vielzahl von dezentral vernetzten Speichern kann für die Regelleistungserbringung und den Stromhandel genutzt werden. Beim Einsatz von Regelleistung wird im Falle von ungeplanten Abweichungen von Stromerzeugung und -verbrauch kurzzeitig Strom vom Speicher ins Netz zurückgespeist oder entsprechend aus dem Netz eingespeichert, um somit einen Beitrag zur Frequenzstabilität im Netz zu leisten. Technisch wird hierzu mit Blockchain-Lösungen gearbeitet. Auf diese Weise kann ebenso im Zuge des sog. Demand-Side-Management auf die hohe Volatilität des Strompreises im internationalen Stromhandel, mit bis zu negativen Preisen auf dem Intradaymarkt, reagiert werden, auch zum ökonomischen Eigennutz (Tepe et al. 2021). Vermarktet werden solche Aggregationskonzepte als Schwarm, Communities oder virtuelle Kraftwerke (Virtual Power Plants), oder auch unter dem Stichwort Stromsharing. Bei letzterem wird Strom abhängig von Erzeugung und Bedarf bilanziell unter den Mitgliedern einer Community geteilt. Weitere Bestandteile derartiger Angebote sind festgelegte Freistrommengen, Prämienzahlungen oder digital kommunizierende Stromzähler, sog. Smart Meter (Sousa et al. 2019).
Die Anbieterlandschaft stellt sich als heterogen dar: Einerseits gibt es eine Reihe von mittelständischen Speicherherstellern (z. B. sonnen GmbH, SENEC GmbH, E3/DC), die auch als Stromversorger tätig sind. Andererseits bieten verschiedene kleinere Anbieter von (meist Öko‑)Strom-Lösungen mit Heimspeichern an. Die großen Versorger (RWE, Vattenfall, E.ON, EnBW) ziehen inzwischen nach, z. B. mit der SENEC.Cloud von EnBW oder E.On Solarstrom. Zudem bieten seit jüngstem auch Automobilhersteller unter dem Stichwort Vehicle-to-grid in Kooperation mit Energieversorgern und Ladesäulenherstellern kombinierte Lösungen an, also etwa Elektrofahrzeuge mit Heimspeichern samt den Wallboxen dazu, oder werden sogar selbst zum Energieversorger; ein Beispiel dafür ist Volkswagen Naturstrom (vgl. weiterführend Fuhs 2021). Eine zentrale Triebkraft dieser Entwicklung ist das enorme Potenzial der sog. bidirektionalen Netzintegration der Speicher von Elektrofahrzeugen, etwa zur Erhöhung des PV-Eigenverbrauchs oder wiederum zur Netzstabilisierung, die aktuell aber noch Zukunftsmusik ist.

Der regulatorische Rahmen im Licht des Layering of Policies

Für einen nochmals intensiveren Einsatz von Batteriespeichern stellt die energiewirtschaftliche Regulatorik um das EEG und das EnWG unseren empirischen Befunden zufolge die zentrale Hürde dar. So liegt ein grundsätzliches Problem bereits in der fehlenden Definition und damit energiewirtschaftlichen Einordnung von Speichern. Demnach gilt gemäß § 3 Nr. 15d EnWG und auch § 3 Nr. 1 EEG ein Speicher bei der Einspeicherung von Strom als Letztverbraucher, bei der Ausspeicherung hingegen als Erzeugungsanlage (Abb. 3). Das heißt für den Eigenverbrauch, dass das Zwischenspeichern von Strom, der mit der eigenen PV-Anlage erzeugt wurde, als Stromverbrauch eingestuft wird, das Ausspeichern vor der letztendlichen Nutzung hingegen als Stromerzeugung. Damit verbunden ist ein zweimaliges Entrichten von Stromsteuern, Netzentgelten und Umlagen. Eine Befreiung von Netzentgelten gilt dabei lediglich für Netzentgelte im engeren Sinne ausschließlich der Umlage für abschaltbare Lasten sowie der Offshore- und Netzumlage und nur für einen Speichereinsatz ohne Eigenverbrauch. Ähnlich verhält es sich mit der Stromsteuer (vgl. § 118 Absatz 6 EnWG; § 61l EEG; § 5 Absatz 4 StromStG).
Die EEG-Umlage betreffend sieht das EEG laut § 61l zwar grundsätzlich eine Befreiung der Doppelbelastung bei Multi-Use-Anwendungen vor (vgl. nochmals Abb. 3); gemäß unseren Erhebungen, gerade auch unter juristisch ausgewiesenen Interviewpartner*innen, sind entsprechende gesetzliche Vorgaben jedoch nicht umsetzbar, da verschiedene Stromflüsse aufgrund unterschiedlicher Belastung mit Abgaben und Umlagen differenziert sowie mess- und eichrechtskonform gemessen werden müssen, was mit derzeitigen Stromzählern nicht nachweisbar ist. Nach dem sog. Ausschließlichkeitsprinzip gilt die Befreiung von der EEG-Umlage nur für erneuerbaren Strom. Sobald zusätzlich aus dem Netz bezogener Strom eingespeichert oder direkt verbraucht oder auch wieder zurückgespeist wird, etwa im Zuge der Regelleistung, ist dafür die volle EEG-Umlage zu entrichten. Im Falle von gemeinschaftlichem Verbrauch erhöht sich der Messaufwand nochmals. Betreiber*innen von PV-Anlage und Speicher werden bei Verkauf überschüssigen Stroms rechtlich zum Energieversorger. Dadurch ist das Messen der Stromflüsse nicht mehr im EEG geregelt, sondern geht zum allgemeinen Mess- und Eichrecht über, was wiederum zu ungeklärten Inkonsistenzen führt, da ein Verrechnen von Strom eichrechtlich nicht gestattet ist.
Inkonsistenzen bestehen auch gegenüber der Erneuerbare-Energien-Richtlinie und der Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie der EU. Darin werden im Gegensatz zur deutschen Gesetzgebung eine Definition von Energiespeichern, ein verhältnismäßiger administrativer sowie messtechnischer Aufwand, die Abschaffung des Ausschließlichkeitsprinzips sowie der Pflicht zu Abgaben und Umlagen bei Anlagen bis zu 30 kW gefordert. Entsprechend handelt es sich hier um ein treffendes Beispiel für multiskalare Institutionen, die im Konflikt zueinander und dabei im Fokus der institutionellen Arbeit stehen (Köhler et al. 2019). Denn vor allem von Wirtschaftsverbänden der Speicher- und Erneuerbaren-Energien-Branche wurden diese EU-Forderungen im Zuge der Novellierung des EEG und des EnWG der Jahre 2020 und 2021 mittels Verbändeanhörungen, Positionspapieren sowie der Ansprache von Mitgliedern in Bundestag und Bundesrat aufgenommen. Die EEG- und EnWG-Novellen führten in der Tat zu verbesserten Rahmenbedingungen. Als größte Veränderung wurde die Bagatellgrenze der EEG-Umlage bei Neu- und Bestandsanlagen auf EU-rechtskonforme 30 kW angehoben (vgl. § 61b EEG). In Deutschland galt eine solche Bagatellgrenze bis dato nur für Anlagen kleiner 10 kW. Die besprochenen inkohärenten Gesetzeslagen bezüglich Stromsteuern und Netzentgelten sollten analog zur EEG-Umlage gelöst werden und bleiben dementsprechend verbunden mit einem hohen Messaufwand sowie Rechtsunsicherheit bei Multi-Use-Anwendungen, weil entsprechende Anpassungen hinsichtlich eichrechtskonformem Messen im EnWG fehlen (vgl. § 19 Absatz 2 StromNEV; § 118 Absatz 6 EnWG). Auch eine Definition von Stromspeichern abseits der Kategorien Erzeugung und Verbrauch steht nach wie vor aus.
Unsere empirischen Erhebungen veranschaulichen das Layering of Policies insofern, als dass die vielen schrittweisen Änderungen die Verständlichkeit des energierechtlichen Rahmens zunehmend eintrüben und damit als inkonsistente und inkohärente Regelungen die Wirtschaftlichkeit vorhandener Lösungen mit stationären Heimspeichern deutlich schmälern. Neben der schwer handhabbaren Komplexität der Gesetzeslage erachten Interviewpartner*innen sich widersprechende Brancheninteressen als dafür verantwortlich: Während sich auf der einen Seite vor allem Anbieter der neuen Geschäftsmodelle in Zusammenarbeit mit den entsprechenden Branchenverbänden gegenüber dem Gesetzgeber auf die EU-Regulierung berufen, gelten auf der anderen Seite insbesondere konventionelle Energieversorger sowie Übertragungs- und Verteilnetzbetreiber samt staatlicher Regulierungsbehörden als Bremser. Allerdings werden auch an dieser Stelle Argumente vorgebracht: Netzbetreiber seien haftbar zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit verpflichtet und argumentieren ausgehend davon mit einer schlechten Prognostizierbarkeit von Heimspeichern. Außerdem komme das Entsolidarisierungsproblem zum Tragen: Dass auch für Eigenversorger die volle Netzkapazität für den Fall einer Nichtverfügbarkeit von erneuerbarem Strom vorgehalten werden muss, sollte sich entsprechend auf die Zahlung von Netzentgelten abbilden, um keine Mehrkosten für alle anderen Stromkunden zu generieren. Konventionelle Energieversorger werden von unseren Gesprächspartner*innen wiederholt als risikoavers und zurückhaltend gegenüber neuen, kleinteiligen Geschäftsmodellen auf Haushaltsebene charakterisiert. Als Gegenposition wird von regulierungsbehördlicher Seite vorgeschlagen, aus Effizienzgründen statt Eigenverbrauch in Privathaushalten eine strommarkt- und damit strompreisgetriebene zentrale Steuerung von Angebot und Nachfrage aufzubauen.

Fazit

Innovative Geschäftsmodelle unter Einsatz von Heimspeichern ermöglichen aufgrund technischer Weiterentwicklungen sowie organisatorischer Neuerungen um den Prosumer eine Vielzahl neuer, gerade auch für die Energiewende potenziell förderlicher Anwendungen: Eigenverbrauch und -versorgung können gesteigert werden und durch Community-Lösungen ist es möglich, flexibel auf Wetterbedingungen und volatile Strompreise am Strommarkt zu reagieren. Aus geographischer Sicht bemerkenswert ist die damit einhergehende räumliche Reorganisation des Energiemarktes weg von einer historisch zentralisiert ausgerichteten Infrastruktur um große Kraftwerke inklusive Versorgungsnetze hin zu einer dezentralen Stromerzeugung und -speicherung. Wie im Beitrag gezeigt, sind diese Potenziale in Deutschland aufgrund von Widersprüchen und Lücken im regulatorischen Rahmen einschließlich überhöhter administrativer und messtechnischer Vorgaben allerdings bei Weitem nicht ausgeschöpft. Schrittweise vorgenommene Änderungen bzw. Layer der zentralen Regelwerke EEG und EnWG führen wiederum zu einer äußerst komplexen und schwer verständlichen Gesetzeslage.
Damit wird im Markt für Heimspeicher die besondere Bedeutung institutioneller Rahmenbedingungen für die verlangsamte oder beschleunigte Durchsetzung von Nachhaltigkeitstransitionen sehr gut deutlich – konkret: Die Entwicklung von innovativen Geschäftsmodellen im Multi-Use wird vom gesetzlichen Rahmen eingebremst. Gegner von Heimspeichern – meist Vertreter des etablierten Regimes – bringen dazu Argumente wie die fehlende Prognostizierbarkeit von Speichern oder die Entsolidarisierung bezüglich Netzentgelten vor. Demgegenüber steht die institutionelle Arbeit vonseiten der Nischenvertreter, etwa Speicherhersteller, Ökostromanbieter und zunehmend auch konventionelle Energieversorger, die meist in Branchenverbänden zusammenarbeiten und mit dem Rückhalt der EU-Regulierung versuchen, als Vermittler zwischen Politik und Wirtschaft im Zuge laufender Novellierungen von EEG und EnWG Verbesserungen zu erzielen.
Darüber hinaus veranschaulicht das Fallbeispiel Heimspeicher grundlegende Mechanismen, die auch für andere Märkte kennzeichnend sind: Zu diesen Kennzeichen zählen erstens Widersprüche zwischen den Gesetzesrahmen auf verschiedenen räumlichen Skalen, die als Argument für die institutionelle Arbeit geschickt genutzt werden; zweitens dürfen aus Endkundenperspektive die Gedanken von Sharing und Autarkie als Motivation nicht ungeachtet bleiben; drittens treten Akteure aus anderen Branchen, wie in diesem Fall der Automobilindustrie, in den Energiemarkt ein und nehmen grundlegende Marktrollen ein. Inwiefern solche neu eintretenden, branchenfremden Akteure Einfluss auf den regulatorischen Rahmen im deutschen Energiemarkt ausüben, sollte in dieser Diskussion um Regulatorik und institutionelle Arbeit im Zuge von ST zukünftig größere Beachtung geschenkt werden.

Danksagung

Die Autoren danken den Moderatoren des vorliegenden Themenhefts Thomas Feldhoff und Thomas Held sowie zwei anonymen Gutachter*innen und Andreas Kallert für hilfreiche Kommentare zu früheren Versionen des Beitrags. Die zugrunde liegenden Forschungsarbeiten werden gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) – Projektnummer 432274419.
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
Die in diesem Artikel enthaltenen Bilder und sonstiges Drittmaterial unterliegen ebenfalls der genannten Creative Commons Lizenz, sofern sich aus der Abbildungslegende nichts anderes ergibt. Sofern das betreffende Material nicht unter der genannten Creative Commons Lizenz steht und die betreffende Handlung nicht nach gesetzlichen Vorschriften erlaubt ist, ist für die oben aufgeführten Weiterverwendungen des Materials die Einwilligung des jeweiligen Rechteinhabers einzuholen.
Weitere Details zur Lizenz entnehmen Sie bitte der Lizenzinformation auf http://​creativecommons.​org/​licenses/​by/​4.​0/​deed.​de.
Literature
go back to reference Daugbjerg C, Swinbank A (2016) Three decades of policy layering and politically sustainable reform in the European Union’s agricultural policy. J Policy Admin Inst 29(2):265–280 Daugbjerg C, Swinbank A (2016) Three decades of policy layering and politically sustainable reform in the European Union’s agricultural policy. J Policy Admin Inst 29(2):265–280
go back to reference Geels FW (2002) Technological transitions as evolutionary reconfiguration processes. A multi-level perspective and a case-study. Res Policy 31(8-9):1257–1274CrossRef Geels FW (2002) Technological transitions as evolutionary reconfiguration processes. A multi-level perspective and a case-study. Res Policy 31(8-9):1257–1274CrossRef
go back to reference Howlett M, Rayner J (2007) Design principles for policy mixes: cohesion and coherence in ‘new governance arrangements’. Policy Soc 26(4):1–18CrossRef Howlett M, Rayner J (2007) Design principles for policy mixes: cohesion and coherence in ‘new governance arrangements’. Policy Soc 26(4):1–18CrossRef
go back to reference Kairies K‑P, Figgener J, Haberschusz D, Wessels O, Tepe B, Sauer DU (2019) Market and technology development of PV home storage systems in Germany. J Energy Stor 23:416–424CrossRef Kairies K‑P, Figgener J, Haberschusz D, Wessels O, Tepe B, Sauer DU (2019) Market and technology development of PV home storage systems in Germany. J Energy Stor 23:416–424CrossRef
go back to reference Käsbohrer A, Zademach H‑M (2021) Speichertechnologien und Solarstromspeicher in Deutschland: Grundsätzliche Bedeutung, jüngere Entwicklungen und aktuelle Herausforderungen. In: Becker S, Klagge B, Naumann M (Hrsg) Energiegeographie: Konzepte & Herausforderungen. Eugen Ulmer, Stuttgart, S 182–194 Käsbohrer A, Zademach H‑M (2021) Speichertechnologien und Solarstromspeicher in Deutschland: Grundsätzliche Bedeutung, jüngere Entwicklungen und aktuelle Herausforderungen. In: Becker S, Klagge B, Naumann M (Hrsg) Energiegeographie: Konzepte & Herausforderungen. Eugen Ulmer, Stuttgart, S 182–194
go back to reference Kern F, Rogge KS, Howlett M (2019) Policy mixes for sustainability transitions: New approaches and insights through bridging innovation and policy studies. Res Policy 48(10):1–16CrossRef Kern F, Rogge KS, Howlett M (2019) Policy mixes for sustainability transitions: New approaches and insights through bridging innovation and policy studies. Res Policy 48(10):1–16CrossRef
go back to reference Köhler J et al (2019) An agenda for sustainability transitions research: state of the art and future directions. Environ Innov Soc Transit 31:1–32CrossRef Köhler J et al (2019) An agenda for sustainability transitions research: state of the art and future directions. Environ Innov Soc Transit 31:1–32CrossRef
go back to reference Lauber V, Jacobsson S (2016) The politics and economics of constructing, contesting and restricting socio-political space for renewables – The German Renewable Energy Act. Environ Innov Soc Transit 18:147–163CrossRef Lauber V, Jacobsson S (2016) The politics and economics of constructing, contesting and restricting socio-political space for renewables – The German Renewable Energy Act. Environ Innov Soc Transit 18:147–163CrossRef
go back to reference Markard J (2018) The next phase of the energy transition and its implications for research and policy. Nat Energy 3:628–633CrossRef Markard J (2018) The next phase of the energy transition and its implications for research and policy. Nat Energy 3:628–633CrossRef
go back to reference Markard J, Suter M, Ingold K (2016) Socio-technical transitions and policy change—advocacy coalitions in Swiss energy policy. Environ Innov Soc Transit 18:215–237CrossRef Markard J, Suter M, Ingold K (2016) Socio-technical transitions and policy change—advocacy coalitions in Swiss energy policy. Environ Innov Soc Transit 18:215–237CrossRef
go back to reference Rogge KS, Reichhardt K (2016) Policy mixes for sustainability transitions: an extended concept and framework for analysis. Res Policy 45(8):1620–1635CrossRef Rogge KS, Reichhardt K (2016) Policy mixes for sustainability transitions: an extended concept and framework for analysis. Res Policy 45(8):1620–1635CrossRef
go back to reference Sousa T, Soares T, Pinson P, Moret F, Baroche T, Sorin E (2019) Peer-to-peer and community-based markets: a comprehensive review. Renew Sustain Energy Rev 104:367–378CrossRef Sousa T, Soares T, Pinson P, Moret F, Baroche T, Sorin E (2019) Peer-to-peer and community-based markets: a comprehensive review. Renew Sustain Energy Rev 104:367–378CrossRef
go back to reference Sterner M (2017) Energiespeicher im Wandel der Zeit. In: Sterner M, Stadler I (Hrsg) Energiespeicher – Bedarf, Technologien, Integration. Springer, Berlin, Heidelberg, S 3–24CrossRef Sterner M (2017) Energiespeicher im Wandel der Zeit. In: Sterner M, Stadler I (Hrsg) Energiespeicher – Bedarf, Technologien, Integration. Springer, Berlin, Heidelberg, S 3–24CrossRef
go back to reference Tepe B, Collath N, Hesse H, Rosenthal M, Windelen U (2021) Stationäre Batteriespeicher in Deutschland: Aktuelle Entwicklungen und Trends in 2021. Energiewirtsch Tagesfr 71(3):23–27 Tepe B, Collath N, Hesse H, Rosenthal M, Windelen U (2021) Stationäre Batteriespeicher in Deutschland: Aktuelle Entwicklungen und Trends in 2021. Energiewirtsch Tagesfr 71(3):23–27
Metadata
Title
Institutionelle Dynamiken und (ungenutzte) Potenziale im Markt für Heimstromspeicher in Deutschland
Authors
Hans-Martin Zademach
Andrea Käsbohrer
Publication date
11-10-2022
Publisher
Springer Berlin Heidelberg
Published in
Standort / Issue 4/2022
Print ISSN: 0174-3635
Electronic ISSN: 1432-220X
DOI
https://doi.org/10.1007/s00548-022-00810-5

Other articles of this Issue 4/2022

Standort 4/2022 Go to the issue

Rückblick

Rückblick

Editorial

Editorial

Organe des Verbandes

Organe des Verbandes

Campus und Karriere

Campus und Karriere