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2006 | Book

Interkulturelle Kompetenz deutscher Expatriates in China

Qualitative Analyse, Modellentwicklung und praktische Empfehlungen

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Table of Contents

Frontmatter
1. Einleitung
Auszug
Das moderne, ökonomisch prosperierende China mit seiner groβen Ausdehnung (9,5 Mio. km2) und mit seinen Menschenmassen von 1,3 Milliarden Einwohnern kann künftig „sowohl konstruktive Weltmacht als auch obstruktive Chaosmacht“ sein, zumal da „manche Ökonomen inzwischen von einer auf China zentrierten Weltwirtschaft sprechen“ (Gap 2004, S. 28).
2. Problemstellung, Ziele und Aufbau der Arbeit
Auszug
Die Internationalisierung, die Globalisierung und die Transnationalisierung der ökonomischen Märkte stellen an das Management stetig steigende Anforderungen. Dabei spielen die Expatriates in ihrer Anbindung an das Mutterhaus und in ihrer Tätigkeit im neuartigen, fremden Umfeld die entscheidenden Bindeglieder dar. Ihre Erfolge und Misserfolge schlagen sowohl im Mutterhaus wie auch im Zielland zu Buche, und dies nicht zuletzt deshalb, weil die Personalkosten inzwischen durchschnittlich bei 250.000 Euro pro Expatriate per annum liegen. Schon im Jahr 2000 erreichten die Expatriates in der Position eines Chief Executives bis 230.000 US$, im oberen Management bis zu 150.000 Dollar.
3. Genereller chinesischer Bedingungsrahmen als Bezugsfeld der Arbeit der Expatriates
Auszug
Eine der Schwächen der bisherigen Literatur über Expatriates besteht darin, dass dem Leser nicht ausreichend vermittelt wird, in welchem generellen Bedingungsrahmen sie ihre Arbeit zu verrichten haben. Dieser generelle Bedingungsrahmen umfasst politische und die wirtschaftspolitische, rechtlichen, wirtschaftliche, soziale, technische, geografische und lokale Bedingungen.’ Erst die Kenntnis zentraler Aspekte dieses generellen Bedingungsrahmens macht es möglich, die Interviews, die wir mit Expatriates der oben genannten Firmen geführt haben, in ihrer Aussage vertieft zu verstehen, da die Interviews sich naturgemäβ auf einige deutsche und in hohem Maβe auf chinesische Bedingungen beziehen, die ihrerseits wiederum die Aussagen und Urteile der Expatriates formen und auch vielfach erst begründen. Interkulturelle Kompetenz, auf die hin ja letztlich die Interviews ausgewertet werden sollen, ist für die Interviewten kein Abstraktum, sondern eine Realität, eine Bewährungsprobe, der sie sich täglich neu zu stellen haben. Die fördernden und hemmenden Auswirkungen des Bedingungsrahmens werden in den Interviews unmittelbar angesprochen oder formen auch einen Hintergrund an Realitäten und Handlungen und Mentalitäten, die die Erlebnisse und Urteile bei Expatriates konditionieren. Soweit der generelle Bedingungsrahmen für die Auswertung der Interviews von Bedeutung ist, soll im Verlauf der Arbeit ein Umriss desselben gegeben werden.
4. Theoretische Grundlagen
Auszug
Die Anforderungen, die an die Expatriates während ihres Chinaaufenthaltes gestellt werden, werden in der Literatur durchgehend als ausnehmend hoch eingeschätzt, schon allein um das finanzielle Engagement der Investoren nicht zu enttäuschen. In dem von der einschlägigen Literatur entworfenen Anforderungsprofil an die Expatriates stehen die Fähigkeiten zu interkultureller Kompetenz, interkulturellem Management und die Fähigkeit zur Verhandlungsführung ganz obenan. In absteigender Linie folgen Kenntnisse des Vertragsrechts, der Sprache, der Kommunikation, des Personalmanagements, des Projektmanagements, Kenntnisse hinsichtlich des politischen Umfeldes und des Marketing (Reisach et al. 1997, S. 205). Nicht zu vergessen ist auch die Fähigkeit zur Improvisation, da die Expatriates in der Praxis immer wieder vor ungeahnte Probleme gestellt werden, zu deren Lösung sie sich unkonventioneller Lösungen bedienen müssen, die im Stammhaus bisweilen „für verrückt“ gehalten werden (Schmidt et al. 1998, S.50).
5. Methode
Auszug
Unter den Strategien zur Interpretation der Daten wählt diese Arbeit nicht das theoretische Kodieren (offenes, axiales und selektives Kodieren (nach (Strauss und Corbin 1990), weil dem die Datenmenge entgegensteht und weil das offene Kodieren, Segmentieren und Kategorisieren stark auβengesteuert erscheint, wodurch u. U. genau das verloren zu gehen droht, was das Anliegen sein muss, nämlich die Menge der Meinungen, der Faktoren etc., seitens der Probanden zur authentischen Erscheinung zu bringen. Ferner empfiehlt sich der qualitative Forschungszugriff auch deswegen, weil es sich bei der Erhebung um kleine Fallzahlen handelt, die keine statistischen Analysen zulassen und relativ weiche Daten produzieren. Überdies dienen qualitative Forschungsmethoden dazu, ein Untersuchungsfeld zu strukturieren, Ideen zu generieren, Alternativen auszuwählen, Ursachen zu erforschen und schlieβlich situationsrelevante Einflussfaktoren aufzudecken (Kepper 1994, S.134 f.). Ein ganz wesentlicher Vorzug der qualitativen Methode ist schlieβlich damit gegeben, „bis in unbewusste oder verdrängte Ebenen vorzudringen“ (Kepper 1994, S.148).
6. Erste Analyse des Textmaterials
Auszug
Die Auswertung der Interviews beginnt mit einem Blick auf die Chinabilder, Stereotypen und Klischees, wie sie sich in Europa in den letzten Jahrhunderten herausgebildet haben und sich in Spuren noch an einzelnen Stellen der Interviews direkt oder indirekt bemerkbar machen. Sodann ist zu fragen, über welche Chinabilder die Expatriates im Augenblick ihrer Ausreise verfügten. Und schlieβlich ist der direkt fassbare Niederschlag des oben im dritten Kapitel skizzierten chinesischen Bedingungsrahmens aus den Interviews abzulesen.
7. Zweite Analyse des Textmaterials
Auszug
Nach dem oben skizzierten Zelger’schen GABEK-Modell inklusive WinRelan werden nun die Interviews mit den richtigen Zwischenschritten, also mit Sätzen (verbale Datenbasis), Gestalten, Hypergestalten Hyperhypergestalten bis hin zu den terminalen Hyperhyperhypergestalten (Zusammenfassung) ausgewertet. Aus dieser Auswertung entsteht der Gestaltenbaum, wie er in Abbildung 19 dargestellt ist.
8. Dritte Analyse des Textmaterials
Auszug
Die Analysen dieses Kapitels gehen vom Drei-Komponenten-Modell Müller-Gelbrichs aus. Dementsprechend werden die Interviews zuerst auf die Präsenz der drei inhärenten Komponenten Affekt, Kognition und Konation befragt. Eine weiterreichende systematische Durchsicht der Interviews belegt aber auch, dass das in den Interviews vorhandene Dimensionen-Vorkommen damit nicht erschöpft ist. Die Analysen fördern vielmehr auch die Dimensionen Motivation, Demotivation, Interaktion, Analytisch-Synthetisch und Volition zutage. Ein solches Ergebnis belegt dann auch, dass unsere obige theoretische Annahme, dass das Drei-Komponenten-Modell für die Analyse komplexer Texte nicht zureicht, sondern jeweils nach den vorliegenden Dimensionen erweitert werden muss.
9. Interkulturelle Kompetenz
Auszug
Wir sind nun an dem Punkt angelangt, an dem zu bestimmen ist, was aus den verschiedenen Analyseschritten (angefangen mit den Interviews der Betreuerinnen bzw. der Rückkehrer, der Chinabilder der Expatriates bei ihrer Ausreise, der Auswertung des Gestaltenbaumes, der Anlegung der Häufigkeitsliste, der Auswertung der Bewertungsliste, der Desiderate der Chinesenmeinung und der Kausalliste) hinsichtlich der Dimensionen und Faktoren für die Bestimmung von interkultureller Kompetenz gewonnen ist.
10. Direkte Empfehlungen für das Handeln vor Ort
Auszug
Innerhalb dieses Radius notwendiger interkultureller Kompetenz geben die Expatriates zusätzlich auch eine Reihe von Handlungsempfehlungen für das erfolgreiche tägliche Arbeiten, Handlungsempfehlungen, die sich in groβer Zahl über die Interviewtexte verstreut finden. Die Expatriates geben damit zu verstehen, über welche Ausbildung und über welche erworbenen und zu erwerbenden Eigenschaften die künftigen Expatriates ihrer Meinung nach verfügen sollten, um in China zu reüssieren. Die Summe der erhebbaren einzelnen Empfehlungen beläuft sich auf etwa 800–1000, wobei sich allerdings eine sehr hohe Redundanz ergab.95 Zur Erhebung der Handlungsempfehlungen wurden in einem ersten Schritt die Interviewtexte in Oberziele, Zwischenziele und Grundwerte unterteilt.96 Aus dieser Unterteilung ergaben sich Themenbereiche, anhand aus denen dann redundante Handlungsempfehlungen entnommen werden konnten.97 Der nächste Schritt bestand dann in der Löschung der Redundanzen. Und schlieβlich wurden die eng verwandten Handlungsempfehlungen unter Hauptbegriffen zentriert, um daraus möglichst genaue Empfehlungen abzuleiten.98
11. Empfehlungen für die heimische Vorbereitung und Ausbildung von Expatriates
Auszug
Aufgabe dieses Abschnitts ist es, aus der Interpretation der Interviews gewonnene Einsichten über die Erfordernisse interkultureller Kompetenz entsprechende Vorbereitungsempfehlungen für künftige Expatriates zu entwickeln. Im Verlauf der theoretischen Grundlegung für die Auswertung von Untersuchungsergebnissen hinsichtlich interkultureller Kompetenz wird darauf verwiesen, dass diese Diskussion sich auch positiv in der Theorie sowie in der praktischen Handhabung von Trainingsmethoden niedergeschlagen hat. Dies mit dem Ziel, eine möglichst optimale heimische Vorbereitung der zu entsendenden Expatriates zu garantieren. Dabei ging es zunächst darum, „Mittel und Wege zu finden, [um] Erfolg und Misserfolg von kostspieligen Auslandsentsendungen zu erklären und vorherzusagen“ (Moosmüller 1996, S. 272). Die Kommunikationswissenschaften, die interkulturelle Psychologie, das internationale Management und die Kulturanthropologie haben jeweils aus ihrer Sicht einen Beitrag zu diesem interkul turellen Training geleistet (Herbrand 2000, S. 83). Im Laufe der Entwicklung kamen sowohl passive als auch aktive Entwicklungsmethoden zur Geltung. Die Trainingskonzepte selber integrieren Erkenntnisse der psychologischen Trainingsforschung, der Austauschforschung, der kulturvergleichenden und der inter kulturellen Ansätze (Thomas 1995, S. 104; Herbrand 2000, S. 96). In der Praxis haben sich Usancen eines betriebsinternen wie auch eines betriebsexternen Trainings herausgebildet (Gudykunst und Hammer 1983, S.126). Einzelne Institute haben sich auf verschiedene Methoden in ihren Seminaren zur Vermittlung des interkulturellen Trainings spezialisiert.100 Das Training in den verschiedenen Instituten erstreckt sich auf verschiedene Ziele und Inhalte, so etwa auf den „Einfluss von Kultur auf Organisationsstrukturen, Verhandlungsführungen, Manage mentkonzepte und Kommunikationsziele“ und auf die Bearbeitung von kulturellen Kontrasten und divergierenden Kulturstandards (Herbrand 2000, S. 114).
12. Zusammenfassung und Ausblick
Auszug
Um unser Wissen über die interkulturelle Kompetenz von Expatriates zu vertiefen, waren eine Reihe von deutschen in China tätigen Expatriates zu interviewen, um anhand dieser Interviews näheren Einblick in die interkulturelle Kompetenz der Entsandten zu gewinnen. In Hinsicht auf die Auswertung der Interviews war zunächst der Bedingungsrahmen zu skizzieren, innerhalb dessen die Expatriates zu arbeiten haben. Durch diesen Bedingungsrahmen war die in der einschlägigen Literatur häufig anzutreffende fehlerhafte Versuchsanordnung zu vermeiden, als verrichteten die Expatriates ihre Arbeit in einem a-historischen und a-politischen Raum, der sowohl von deutschen wie auch von den in China gegebenen staatlichen, gesellschaftlichen und sozialen Einflüssen frei wäre. Die Analyse der Interviews bestätigte vielmehr, dass die Expatriates tagtäglich in ihrem pragmatischen Handeln von dem vorgenannten Bedingungsrahmen unablässig beeinflusst werden. Ein einführender Blick auf den Bedingungsrahmen war vor allem auch deshalb unabdingbar, weil China sich derzeit in einem sozialistisch-postsozialistischen Transformationsprozess befindet. Dieser Spagat zwischen einer sich nach wie vor monolithisch verstehenden Parteiherrschaft und einer sich nach kapitalistischen Gesetzen entwickelnden Volkswirtschaft führt zu negativen Verwerfungen, aber auch zu langsam fortschreitenden positiven Veränderungen in der Administration, der Justiz, der Ökologie und den Menschenrechten. Diese Verwerfungen und Veränderungen aber gehören zu den Herausforderungen, angesichts deren sich die interkulturelle Kompetenz der Expatriates zu bewähren hat. Dass die deutsch-(und EU-)chinesischen Beziehungen sich seit gut 20 Jahren dynamisch entwickeln, weil von beiden Seiten wie von chinesischer Seite an einer multipolaren Welzpolitik gearbeitet wird, kommt ach der Arbeit der Expatriates zugute und gibt ihnen eine Grundsicherheit, durch die sie auch dann in ihrer Arbeit unterstützt werden, wenn sich im betrieblichen Handeln und bisweilen auch im privaten Umgang mit Locals Hindernisse auftun. Die Dynamik der chinesischen Wirtschaft wird auch dort noch spürbar, wo einzelne Firmen bzw. Joint Ventures rote Zahlen schreiben. Die Hoffnung auf eine bessere Zukunft lässt gegenwärtige Minuszahlen als vorübergehende Schwächung betrieblichen Handelns erscheinen.
Backmatter
Metadata
Title
Interkulturelle Kompetenz deutscher Expatriates in China
Author
Thomas Wittkop
Copyright Year
2006
Publisher
DUV
Electronic ISBN
978-3-8350-9070-5
Print ISBN
978-3-8350-0240-1
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-8350-9070-5