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2015 | Book

Kulturjournalismus

Medien, Themen, Praktiken

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About this book

Der Kulturjournalismus befindet sich im Umbruch. Das klassische Feuilleton steht unter Begründungsdruck, gleichzeitig wachsen Formate und Zuständigkeiten des Kulturjournalismus. Das vorliegende Buch gibt einen aktuellen Überblick über ein zentrales Feld der medialen Arbeit. Die Darstellung reflektiert Kultur- und Rollenverständnis von Kulturjournalisten, verortet Kulturjournalismus im Beziehungsgefüge zwischen Kulturinstitutionen und Rezipienten. Im Blickpunkt stehen Beispiele gelungener Praxis und die Frage: Wie plant und schreibt man eigentlich guten Kulturjournalismus?

Table of Contents

Frontmatter
1. Einleitung
Zusammenfassung
Kulturjournalismus hat Konjunktur. Selten zuvor in der Geschichte war sein Zuständigkeitsbereich derart weit gespannt, seine Faszinationskraft so voll entfaltet wie gerade jetzt. Und selten zuvor war der Kulturjournalismus derart deckungsgleich mit der Faszinationskraft der Medienwelt überhaupt. In dieser Sparte verdichtet sich die Brisanz medialer Komplexität selbst – in ihrer Reflexivität und Beobachterkompetenz, aber auch in ihrer glamourösen Leuchtkraft. Mediale Formate wie das „Literarische Quartett“, die Online-Plattform „Perlentaucher“, die Feuilletons großer Tageszeitungen wie der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ und der „Süddeutschen Zeitung“, Debattenbücher wie Florian Illies’ „Generation Golf“ oder Frank Schirrmachers „Ego“, um nur einige Ausprägungen von Kulturjournalismus zu benennen, belegen mediale Vitalität und gesellschaftliche Virulenz eines ganzen Genres. Gleichzeitig gilt diese Sparte des medialen Betriebes als Synonym für eine Krise, die mediale Praxis, gesellschaftliche Akzeptanz und ökonomische Basis gleichermaßen betrifft. Gerade als Feuilleton – um die historisch ältere und enger an redaktionellem Spartendenken orientierte Bezeichnung zu benutzen – schien der Kulturjournalismus in den letzten Jahren einem Verdikt verfallen zu sein, das unisono von Medienanalysten, Chefredakteuren und Zeitgeistbeobachtern formuliert worden ist. Kulturjournalisten erweiterten unterdessen ihren Aktionsradius kontinuierlich. Im gleichen Zeitraum schien die Relevanz ihres medialen Stellenwerts unaufhaltsam zu schwinden. Eine Diagnose des Widerspruchs? Allerdings.
Stefan Lüddemann
2. Kulturjournalismus – ein konstruktivistisches Modell
Zusammenfassung
Konstruktivismus als Lesart, gar Grundlegung von Kulturjournalismus – das klingt nach der Allianz von professioneller Praxis und einem modischen Paradigma soziologischer Theorie. Eine konstruktivistische Sicht auf Kulturjournalismus erscheint hingegen als dringend gebotene Option. Kulturjournalismus bildet Kultur nicht einfach nur ab, Kulturjournalismus produziert selbst Kultur: Diese These leitet die Sicht auf Kulturjournalismus, die in der vorliegenden Darstellung eingenommen wird. Damit ist gemeint, dass Kulturjournalismus nicht einfach nur über Geschehnisse in der Kultur berichtet, sondern mit Interpretationsleistungen selbst zu Kultur beiträgt. Dieser Beitrag besteht in einer Produktion von Lesarten, die als kommunikative Anschlüsse angeboten werden, und die dazu beitragen, die Produktivität von Kultur anzuregen. Diese Produktivität beweist sich in der Produktion komplexer Bedeutungen, die als Sinnkonstrukte einer Gesellschaft Halt und Orientierung geben. Diese Konstrukte bilden keine außerhalb ihrer selbst liegende Wirklichkeit ab, sie gewinnen vielmehr selbst Wirklichkeitscharakter, weil sie eine Struktur bereitstellen, die mit einem Set an Themen, Inszenierungs- und Kommunikationsformen das individuelle und gemeinschaftliche Leben ordnet und damit besser lebbar macht. Wenn eine Kultur als Konstrukt begriffen wird, dann bildet sie sich aus den Perspektiven vielfältiger Beobachter, die sich untereinander austauschen, ihre Interpretationen abgleichen und damit das Kulturkonstrukt fortsetzen und zugleich permanent umbauen. Kultur lebt aus der Kopplung von Wiederholung und Variation – und aus einem Prozess, der sich aus immer neuen Anschlüssen speist.
Stefan Lüddemann
3. Kultur: Kulturverständnis des Kulturjournalismus
Zusammenfassung
Kulturjournalismus ist selbst Kultur, genauer gesagt, er produziert Kultur als „Kontakt, Verhandlung, Austausch zwischen den Disziplinen und medialen Sphären“. Dies war das Ergebnis des vorherigen Abschnitts. Kulturverständnis und Begriff von Kultur müssen im Hinblick auf den Kulturjournalismus dennoch weiter spezifiziert werden. Zu sehr an der Kunst und am Event orientiert, bildungsbürgerlich, womöglich gar elitär – das sind die wichtigsten Kritikpunkte, die Medienwissenschaftler gegen das traditionelle Feuilleton anführen. Aber auch journalistische Praktiker wandten sich gegen den vermeintlich zu engen Kulturbegriff des Feuilletons. Kultur sei längst ein Special Interest und als solcher nicht mehrheitsfähig, stellte der langjährige Leiter des ZDF-Kulturmagazins „Aspekte“, Wolfgang Herles, fest. Der ehemalige Intendant des Deutschlandradios, Ernst Elitz, monierte gar, die „Konzentration auf klassische Kulturangebote und ein damit verbundener klassischer Kulturauftritt“ seien Barrieren für den Mediennutzer. Das Gegenmittel: ein demonstrativ ausgeweiteter Kulturbegriff. Kultur sei die „Summe aller schöpferischen Handlungen“ oder ganz ähnlich: „Kultur ist Summe schöpferischen Handelns von Menschen“. Die Intention dieses Kulturverständnisses ist deutlich. Er soll dazu dienen, die Akzeptanzkrise des Feuilletons durch Ausweitung seines Zuständigkeitsbereiches zu beheben. Am Ende ist alles, was der Mensch macht, auch und gleichzeitig Kultur. Die Qualität des Schöpferischen lässt sich allen nur denkbaren Dingen und Handlungen beimessen. Es ist bezeichnend genug, dass dieser weite Kulturbegriff in Bezug auf den Kulturjournalismus seit Jahrzehnten fast unverändert verwendet wird. Immerhin spricht schon Emil Dovifat von Kultur als der „inneren Einheit alles geistig-seelischen Besitzes“. Dieser Kulturbegriff erscheint praktikabel, weil vielfältig anwendbar. In Wirklichkeit ebnet er jedoch Differenzen ein und verengt den Blick. Kulturjournalismus lebt jedoch nur dann, wenn Vorstellungen von Kultur auch unterschieden werden – nicht im Interesse neuer Hierarchien, wohl aber im Interesse trennscharfer Wahrnehmung und Diskussion.
Stefan Lüddemann
4. Geschichte: Kulturjournalismus im Wandel
Zusammenfassung
Beginnt die Geschichte des Kulturjournalismus im Jahr 1800? In jenem Jahr grenzt der Abbé de Geoffroy im „Journal des Débats“ einen eigenen Raum für Kritiken, Plaudereien, Betrachtungen, kurz für Texte ab, die in den Bereich des Kulturjournalismus fallen. Damit scheint jenes Zeitungsressort geboren zu sein, das als Feuilleton seinen ebenso glanzvollen wie umkämpften Weg machen sollte. Das Wort selbst verweist auf „Blättchen“, die der eigentlichen Zeitung anfangs noch angefügt werden und die jene Texte enthalten, die sich mit Gegenständen der Kultur beschäftigen. Der Ausdruck „unter dem Strich“ bezeichnet einen anderen publizistischen Ort, an dem Texte des Kulturjournalismus über lange Zeit der Pressegeschichte hinweg versammelt werden – unter jenem Strich, der die der Kultur gewidmeten Texte von jenen Beiträgen abgrenzt, die sich mit der Politik, den hohen Staatsangelegenheiten als eigentlich wichtigen Sujets des Journalismus beschäftigen. Ob Blättchen oder Strich – gemessen an der aktuellen Situation des Kulturjournalismus bezeichnen diese Frühformen des Feuilletons eine lange überwundene Etappe.
Stefan Lüddemann
5. Praxis: Kulturjournalismus schreiben
Zusammenfassung
Kulturjournalismus ist eine reflektierte Praxis. Sie verwirklicht sich in Texten, Radio- und Fernsehbeträgen oder, um auf aktuelle und zukünftige Formen abzuheben, in komplex gebauten Themenclustern im Netz, die Text, Bild, Video, Rückkopplung- und Debattenformate in verzweigten Strukturen vereinigen. In solchen medialen Formaten verwirklicht sich der Beitrag des Kulturjournalismus als kulturelle Produktion. Mit jedem journalistischen Beitrag fokussieren Kulturjournalisten nicht nur Themen, sie formulieren vor allem Lesarten der Kultur, in deren Kontext sie agieren. Journalistische Texte lenken die Wahrnehmung ihrer Adressaten, sie bieten aber auch Verknüpfungen und Interpretationen zur Überprüfung an. Leserinnen und Leser können beipflichten oder ablehnen.
Stefan Lüddemann
6. Mediale Bühnen: Gegenwart und Zukunft des Kulturjournalismus
Zusammenfassung
Textsorten eröffnen Optionen für Zugänge zu Gegenständen der Kultur. Das vorherige Kapitel hat gezeigt, wie mit Texten und ihren Bauformen Blickwinkel und Reflexionsweisen konstituiert werden, die Kultur als Thema erschließen und sie zugleich mit jenen Sinndeutungen fortsetzen, die Kulturjournalismus liefert. Zu diesen Optionen gehören nicht nur Textsorten, sondern auch Medienkanäle – mediale Bühnen, die Möglichkeiten eröffnen, Themen darzustellen, Diskurse zu betreiben, Wahrnehmung auszurichten. Medien sind keine bloßen Reflektoren, sie konstituieren ihre Gegenstände wesentlich mit. Dies gilt vor allem für Gegenstände und Formen der Kultur, die immer medial fundiert, imprägniert, konfiguriert sind. Deshalb soll im letzten Kapitel dieses Buches auf die medialen Kanäle geschaut werden, in denen sich Kulturjournalismus verwirklicht. Dabei geht es nicht um eine vollständige Bestandsaufnahme, sondern um paradigmatische Beispiele, die die Variationsbreite von Kulturjournalismus aufzeigen. Zum Abschluss wird die Zukunft des Kulturjournalismus in den Blick genommen. Wie geht es weiter mit dem, was einst das „Feuilleton“ hieß? Sieben, als zugespitzte Thesen formulierte Prognosen weisen Entwicklungslinien auf. Eines ist dabei klar: Der Kulturjournalismus hat Zukunft.
Stefan Lüddemann
Backmatter
Metadata
Title
Kulturjournalismus
Author
Stefan Lüddemann
Copyright Year
2015
Electronic ISBN
978-3-531-19650-3
Print ISBN
978-3-531-19649-7
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-531-19650-3