Skip to main content
Top

2014 | Book

Lobbying in der Europäischen Union

Zwischen Professionalisierung und Regulierung

insite
SEARCH

About this book

Dem EU-Lobbying eilt ein schlechter Ruf voraus. Die Brüsseler Lobbyingszene gilt als besonders korrupt und intransparent. Die Bürger assoziieren mit ihr üppige Arbeitsessen und geheime Absprachen. Das negative Image wurde durch Skandale wie die „Dalligate“ oder die „Cash-for-Amendments-Affäre“ noch verstärkt. Seither treten Lobbyisten lieber als Interessenvertreter, Consultants oder Public Affairs Manager auf. Dabei ist ihre Expertise ein elementarer Bestandteil europäischer Gesetzgebungsprozesse. Die versuchte Einflussnahme ist nicht per se zu verurteilen, wohl aber die mangelnde Transparenz. Die zunehmende Professionalisierung und Differenzierung europäischer Interessen muss daher mit einer gesetzlichen Regulierung einhergehen.

Table of Contents

Frontmatter
Einleitung: Entmystifizierung von EU-Lobbying
Zusammenfassung
Anfang 2011 ging ein Aufschrei durch die ehrwürdigen Hallen des Europäischen Parlaments. Der „Geld-für-Gesetze“-Skandal, durch den ein österreichischer EU-Abgeordneter traurige Berühmtheit erlangte, stellte die gesamte Institution unter Generalverdacht. Erstmals wurde das Ausmaß der Verflechtungen zwischen den europäischen Mandatsträgern und der Wirtschaft einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. Die Mängel der bis dahin bestehenden Transparenzregeln wurden gnadenlos offen gelegt; und dies obwohl in den Skandal kein einziger ‚echter‘ Lobbyist verwickelt war. Der Skandal und seine Folgen – nämlich die Verschärfung der Transparenz- und Verhaltensregeln für Europaabgeordnete und Lobbyisten – werden im Beitrag aufgezeigt. Daran anschließend werden der aktuelle Stand der Ausgestaltung des gemeinsamen „Transparenzregisters“ kritisch diskutiert und mögliche Auswege aus dem Transparenzdilemma und aus dem damit einhergehenden institutionellen Imageverlust aufgezeigt.
Doris Dialer, Margarethe Richter

Abschnitt I: Auftakt und theoretische Annährung

Frontmatter
Warum die EU-Politik Lobbying braucht? Der Tauschansatz als implizites Forschungsparadigma
Zusammenfassung
EU-Lobbying als Forschungsobjekt wird häufig mithilfe eines tauschtheoretischen Ansatzes beleuchtet. Die Berechtigung dieses vorherrschenden Ansatzes zu erklären und darüber hinaus mit praktischen Überlegungen zum Mehrwert von Lobbying zu verbinden ist Gegenstand des einleitenden Kapitels. Dargelegt wird zunächst, worum es beim Tauschansatz geht, wie er sich durch die Literatur zieht, und welche Anwendung er im heutigen Stand der Forschung findet – um anschließend die Praxistauglichkeit des Ansatzes zu überprüfen. Der zweite Teil des Kapitels beschäftigt sich damit, was der Praxisalltag eines Lobbyisten birgt, welcher Mehrwert daraus entsteht, wer daraus einen Nutzen ziehen kann.
Irina Michalowitz
Erfolg durch Prozesskompetenz. Paradigmenwechsel in der Interessensvertretung nach dem Vertrag von Lissabon
Zusammenfassung
Klemens Joos analysiert die neuen Herausforderungen für Interessenvertretung bei den Institutionen der EU, die der Vertrag von Lissabon mit sich brachte. Dabei stehen drei Aspekte im Zentrum der Untersuchung: Die EU wurde insgesamt nach außen wie nach innen gestärkt. Sie hat an Kompetenz hinzugewonnen. Noch mehr Entscheidungen als bisher unterliegen jetzt im Rat dem Mehrheitsprinzip. Das Europäische Parlament ist ein vollwertiger Partner im Gesetzgebungsverfahren geworden.
Im Ergebnis zeigt sich, dass Interessenvertretung nach dem Vertrag von Lissabon eines wirklich europäischen Ansatzes bedarf – mitgliedstaats-, institutions- und parteiübergreifend. Interessenvertretung über mitgliedstaatliche Entscheidungsebenen ist in der Regel nicht mehr erfolgversprechend. Effektive und effiziente Interessenvertretung darf sich nicht nur auf inhaltliche Kompetenz und Sachargumente beschränken. Von ebenso großer Bedeutung ist die Prozesskompetenz, also die genaue Kenntnis der formellen und informellen Verfahrensweisen und Entscheidungsstrukturen der EU.
Klemens Joos
Lobbyismus und Interessenvertretung auf europäischer Ebene. Zwischen Professionalisierung und Regulierung?
Zusammenfassung
Um die EU herum hat sich in den letzten Jahren ein Markt für Lobbying entwickelt, der es mit jeder anderen Hauptstadt der Welt „aufnehmen“ kann. Der Beitrag geht der Frage nach, was die Gründe und die Besonderheiten des Lobbyismus auf europäischer Ebene sind, wie sich Lobbying aus Sicht der Institutionen darstellt, welche Risiken es birgt und wie die Institutionen vor zu viel Einfluss geschützt sind. Hierbei geht es insbesondere um Schutz durch Verfahren, Neutralitätspflichten der Beamten und Unabhängigkeit der politischen Akteure. Abschließend geht es um die Frage, ob zusätzlich eine gesetzliche Regulierung von Lobbying notwendig ist oder ob ein möglichst transparentes Verfahren unter Beteiligung mehrerer Akteure zur Entscheidungsfindung ausreicht.
Christian Linder
Lobbying im Mehrebenensystem der EU: Licht und Schatten
Zusammenfassung
Interessenvertreter gehören zu Brüssel wie Pralinen oder belgisches Bier. An die 15.000 bis 20.000 Lobbyisten versuchen täglich zu ihren Gunsten Einfluss auf den Gesetzgebungsprozess der Europäischen Union zu nehmen. Das Mehrebenensystem der Europäischen Union hat sich zu einer politischen Arena entwickelt in der die unterschiedlichsten Interessensgruppen ihre spezifischen Interessen artikulieren und in den politischen Entscheidungsfindungsprozess einfließen lassen wollen. Der Informationsaustausch zwischen Interessenvertretern und Entscheidungsträgern auf europäischer Ebene ist notwendig und wichtig. Doch wo hört legitime, demokratische Interessensvertretung auf und wo beginnt illegitime Einflussnahme?
Patrick Griesser

Abschnitt II: Hauptadressaten im EU-Institutionengefüge

Frontmatter
Konsultationsprozess der Kommission: Steuerung von EU-Lobbying?
Zusammenfassung
Der Beitrag von Kotzian und Quittkat legt empirisch offen, wie die Kommission den Einsatz von Konsultationsinstrumenten an ihrem Bedürfnis nach Information und Legitimation ausgerichtet und dabei Lobbyingaktivitäten von Interessengruppen zu steuern vermag. Die starke Präferenz für öffentliche Akteure lässt erkennen, dass die Konsultationen primär der reibungslosen Implementation europäischer Politik durch die Mitgliedstaaten dienen. Zugleich gelingt es der Kommission mit den meisten Konsultationsinstrumenten die zur Legitimitätssteigerung geforderte Vielfalt an Interessen zu erreichen. Wie die Studie verdeutlicht, nutzen dabei eine Reihe von Interessengruppen die Konsultationsinstrumente der Kommission systematisch als Lobbyinginstrument. Diese Form der Professionalisierung der Interessenvermittlung steht, auch dies ist erkennbar, weniger mit der Ressourcenausstattung der Interessenvertreter im Zusammenhang als vielmehr mit deren strategischen Entscheidung, beständig über den gesamten Politikzyklus hinweg und in allen Konsultationen, unabhängig von deren direkten Nützlichkeit als Lobbyinginstrument, Präsenz zu zeigen.
Peter Kotzian, Christine Quittkat
Interessensvertretung beim Rat der Europäischen Union
Zusammenfassung
Die EU-Mitgliedstaaten sind zentrale Akteure im EU-Gesetzgebungsprozess. Dabei ist diese entscheidende Rolle in der europäischen öffentlichen Meinung wenig präsent. Aber: Die EU kann im Grunde nur das machen, was die Mitgliedstaaten zulassen, deswegen ist der Rat ein sehr starker Akteur. Alle 28 Mitgliedstaaten haben die Doppelrolle Akteur und Adressat inne. Mitgliedstaaten sind aber nicht immer beides gleichzeitig, sondern je nach Interessenslage und Politikbereich einerseits mehr auf der Adressatenebene, andererseits mehr auf der Akteursebene einzuordnen. Die Komplexität der Entscheidungsfindung nahm durch die Aufnahme jedes neuen EU-Mitgliedstaates zu, wodurch sich auch die Anzahl der Akteure exponentiell erhöht hat. Wie der Einfluss auf den Entscheidungsfindungsprozess seitens der Mitgliedstaaten optimiert werden kann, hängt von der Qualität der Zusammenarbeit zwischen der Hauptstadt und den Ständigen Vertretungen sowie von den involvierten Stellen ab. Mehr Wissen über die Funktionsweise der EU würde zu mehr Verständnis über die Rolle der Mitgliedstaaten als „Lobbyisten“ nationaler Interessen führen.
Mirjam Dondi
Power to the Grassroots! Die Ablehnung des ACTA-Abkommens durch das Europäische Parlament
Zusammenfassung
Im Zuge der Verhandlungen um das ACTA-Abkommen (Anti-Counterfeiting Trade Agreement) im Jahr 2012 wurden EU-Abgeordnete mit einer umfangreichen und bisher einzigartigen Protestwelle konfrontiert, als deren Ergebnis das Abkommen letztlich abgelehnt wurde. Verschiedenste Initiativen und Organisationen bedienten sich im Zuge der Protestkampagne der in Europa vergleichsweise unentwickelten Mobilisierungsmethoden des Grassroots Lobbying, bei denen auf die Aktivierung von BürgerInnen abgezielt wird. Der vorliegende Beitrag diskutiert, welchen Einfluss die eingesetzten Methoden von Grassroots Lobbying auf den Entscheidungsprozess im Europäischen Parlament genommen haben.
Sandra Breiteneder
Der Ausschuss der Regionen: Politische Vertretung und Lobbyist für Städte und Regionen
Zusammenfassung
Die von der EU im Rahmen des Legislativprozesses getroffenen Entscheidungen beeinflussen in vielen Bereichen unmittelbar das Leben von über 500 Mio. EU-Bürgern. Daneben sind sie mittelbar betroffen von europäischen Förderprogrammen, insbes. von Strukturfonds, die Investitionen unterstützen, die vielen Regionen und Städten zugutekommen. Der Ausschuss der Regionen (AdR), dessen Stellung durch den Lissabon-Vertrag deutlich gestärkt wurde, nimmt an allen Etappen des europäischen Entscheidungsverfahrens teil. Er muss vom Gesetzgeber bei Vorschlägen gehört werden, welche sich auf regionale und kommunale Belange auswirken und übermittelt der Kommission Initiativberichte zur Ausgestaltung von zukünftigen Gesetzgebungsvorschlägen. Auch mit der jeweiligen EU-Ratspräsidentschaft wird ein Arbeitsprogramm mit Fokus auf Städte und Regionen vereinbart. Der AdR zeigt durch seine Arbeit bespielhaft wie im Interesse der Städte und Regionen wirksam auf europäische Entscheidungen Einfluss genommen werden kann.
Gerhard Stahl

Abschnitt III: Akteure - Die Lobbyingszene in Brüssel

Frontmatter
Reality Check: Kommunikation zwischen Interessenvertretern und EU-Institutionen
Zusammenfassung
Der Beitrag stellt die für EU-Lobbying wichtigen Eckpfeiler der Kommunikation aus Sicht einer Praktikerin und vor dem wissenschaftlichen Hintergrund dar. Er ist ein Plädoyer für die europäische Interessenvermittlung bzw. für seriöses EU-Lobbying. Eingangs werden theoretische Überlegungen zum wissenschaftlichen Diskurs angestellt und der Versuch unternommen, beide Begriffe, Lobbying und Interessenvertretung, zu erörtern. Exemplarisch wird aufgezeigt, wie sich die Akteure organisieren, wie sie kommunizieren und transparent agieren. Parlament, Rat und Kommission sowie die Medien werden anhand von Beispielen aus der Praxis in ihrem Kommunikations- und Interaktionsverhalten mit Interessenvertretern untersucht. Die Analyse von Internetplattformen sowie eine schematischen Planskizze verdeutlichen die Kommunikationsbreite.
Christine Rödlach-Rupprechter
Der Lebensmittelsektor: Mondelēz International in Brüssel
Zusammenfassung
Es gibt wenige Themen, die einen Verbraucher in derselben Weise anrühren wie die tägliche Ernährung. Essen, das ist nicht nur die tägliche Nahrungsaufnahme, sondern Essen ist auch Lebenskultur und Teil unserer nationalen und ganz persönlichen Identität. Doch das Vertrauen in den Lebensmittelsektor wurde durch eine Reihe von Skandalen erschüttert, die ihren Höhepunkt Anfang der 90er Jahre fand (BSE, Dioxin, etc.). Gleichzeitig nimmt das Wissen des Verbrauchers über Herkunft und Produktionsweise stetig ab. Als Interessenstreter von „Big Food“ hat man es also nicht leicht, wenn man durch die Korridore Brüssels schleicht. Wer sind wir? Wo verbringt ein Lebensmittellobbyist seine Tage jenseits des alltäglichen Grabenkampfes an der Brüsseler Cocktailfront? Und welches Interesse hat ein international tätiger Lebensmittelkonzern an Brüssel? Fragen, auf die dieser Beitrag einige, wenn auch nicht alle, Antworten geben will.
Franz Kraus
Die europäische Medienpolitik als Spiegelbild der Entwicklung der EU zu einer Wirtschafts- und Wertegemeinschaft
Zusammenfassung
Die Medienregulierung ist der Gradmesser einer jeden Demokratie. Medienregulierung wurde schon immer von technologischen Entwicklungen getrieben. Was die neueste Entwicklung der Internetökonomie auszeichnet, ist die Dominanz der Netze und die Gewinnmaximierung auf globaler Ebene, bei der Inhalte immer mehr in den Hintergrund geraten. Politikgestaltung und Lobbying müssen sich entlang der Doppelnatur des Rundfunks bzw. der Medien als Kultur- und Wirtschaftsgut entwickeln. Neben der oft von Kompentenz- und Richtungsstreitigkeiten geprägten Brüsseler Szene wurde auf der ruhigeren und weniger beachteten Ebene des Europarats in den letzten Jahrzehnten ein Wertekatalog zu dem entwickelt, was Medienpolitik in Europa eigentlich ausmacht: der Sicherstellung des freien Zugangs zu pluralistischen Inhalten. Doch auch die EU-Verträge spiegeln inzwischen das wider, was die EU auch ist: eine Wertegemeinschaft.
Pascal Albrechtskirchinger
Im Interesse der Gesundheit. Pharmalobbyist in Brüssel
Zusammenfassung
Obwohl die Ausgestaltung der Gesundheitspolitik - und somit auch der Zugang zu Medikamenten - fast ausschließlich in der Kompetenz der Mitgliedsstaaten liegt, ist die Pharmaindustrie dennoch von sehr vielen auf europäischer Ebene getroffenen Entscheidungen, Maßnahmen und Initiativen betroffen. In der Konsequenz ist es für die Pharmabranche unerlässlich am Ort des Geschehens mitzumischen. Dies geschieht in großem Umfang durch die diversen in Brüssel ansässigen europäischen Pharmaverbände oder durch die für Einzelunternehmen tätigen Lobbyisten. Was tut ein „Pharmalobbyist“? Monitoring der Arbeiten der EU-Institutionen, Informationsaustausch mit den Stakeholdern in den EU-Institutionen, Rückkoppelung mit den Unternehmen in den Mitgliedsstaaten durch interne Briefings und Präsentationen und nicht zuletzt Teilnahme an Fachkonferenzen sowie Networking in Brüssel gehören zu den zentralen Aufgaben.
Jörg Jenewein
EU-Lobbying durch NGOs: Internationale Menschenrechtsorganisationen
Zusammenfassung
Der Beitrag geht auf die Rolle von Nichtregierungsorganisationen (NRO) und ihre Einflussnahme auf das auswärtige Handeln der Europäischen Union ein. Nach einer Auflistung der Befugnisse der EU im Bereich Menschenrechte und den Neuerungen nach Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon wird ein Bogen zwischen bestehenden Regelwerken, den Instrumenten und den täglichen Herausforderungen, mit der in Brüssel ansässige NRO konfrontiert sind, gespannt. Dies beinhaltet eine kritische Analyse von Dachverbänden und Brüsseler Kontaktbüros, deren Netzwerkarbeit innerhalb des Europäischen Parlaments und der Europäischen Kommission sowie eine exemplarische Aufzählung von bereits bestehenden Instrumenten in der Arbeit von Menschenrechtslobbyisten. Praktische Bespiele für effektives Lobbying und bekannte Mitsprache- und Konsultationsverfahren sollen dem Leser einen Einblick in die alltägliche Arbeit von Menschenrechtsorganisationen im Brüsseler Machtgefüge ermöglichen.
Victoria Pirker

Abschnitt IV: Skandale und Regulierungsversuche

Frontmatter
Der Fall Dalli: Die europäische Tabaklobby im Visier
Zusammenfassung
Im Oktober 2012 verlor der maltesische Gesundheitskommissar John Dalli sein Amt. Eine schwedische Tabakfirma warf ihm Vorteilsnahme und Bestechlichkeit im Hinblick auf seinen Entwurf zur Tabakprodukterichtlinie vor. Dalli bestritt die Vorwürfe, verlor aber im Oktober 2012 sein Amt, nachdem der Kommissionspräsident ihm die Ergebnisse einer fragwürdig verlaufenen, internen Untersuchung des Amts für Betrugsbekämpfung (OLAF) vorgehalten hatte. Was nach und nach ans Tageslicht sickerte, berührt vielerlei Facetten der Brüsseler Institutionen-Landschaft. Auf der einen Seite ein Betrugsbekämpfungsamt, das Fehler begeht und sich der Aufklärung und Korrektur verwehrt. Auf der anderen Seite Lobbyismus, geheime Treffen, personelle Verknüpfungen, halböffentliche Kooperationsvereinbarungen zwischen Tabakherstellern und Europäischer Kommission. Mit dem Fall Dalli stellt sich die Frage nach Transparenz und Umgang mit EU-Lobbyismus neu. Immer verknüpft mit der Frage, warum musste der Gesundheitskommissar gehen?
Ingeborg Gräßle
„Cash-for-Amendments“-Skandal: Europaabgeordnete unter Generalverdacht
Zusammenfassung
Anfang 2011 ging ein Aufschrei durch die ehrwürdigen Hallen des Europäischen Parlaments. Der „Geld-für-Gesetze“-Skandal, durch den ein österreichischer EU-Abgeordneter traurige Berühmtheit erlangte, stellte die gesamte Institution unter Generalverdacht. Erstmals wurde das Ausmaß der Verflechtungen zwischen den europäischen Mandatsträgern und der Wirtschaft einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. Die Mängel der bis dahin bestehenden Transparenzregeln wurden gnadenlos offen gelegt; und dies obwohl in den Skandal kein einziger ‚echter‘ Lobbyist verwickelt war. Der Skandal und seine Folgen – nämlich die Verschärfung der Transparenz- und Verhaltensregeln für Europaabgeordnete und Lobbyisten – werden im Beitrag aufgezeigt. Daran anschließend werden der aktuelle Stand der Ausgestaltung des gemeinsamen „Transparenzregisters“ kritisch diskutiert und mögliche Auswege aus dem Transparenzdilemma und aus dem damit einhergehenden institutionellen Imageverlust aufgezeigt.
Doris Dialer, Margarethe Richter
The EU’s Revolving Door Problem: How Big Business Gains Privileged Access
Abstract
The revolving door phenomenon—when former public officials move to lobby jobs in the private sector, or vice versa—is an integral part of the EU lobbying picture. Revolving door rules, such as cooling-off periods or restrictions on contacts with former colleagues, are required to manage risks of conflicts of interest. Different actors in the EU institutions are covered by different such rules, including the EU Staff Regulations, the Code of Conduct for Commissioners and the Code of Conduct for Members of the European Parliament (MEPs), but these rules are often inadequate. A series of revolving door case studies illustrate both cases where the respective rules are too weak or ineffective The European Ombudsman has been investigating the European Commission on its role in implementing stricter rules. Yet, public interest policy-making requires that the revolving door-type conflicts of interest to be monitored, regulated and publicly scrutinized.
Rachel Tansey
Rechtsfragen der Regulierung von Lobbying gegenüber EU-Institutionen
Zusammenfassung
Der Einfluss von Lobbyisten auf die Europäischen Institutionen und die Instrumente zur Regulierung von Lobbying-Aktivitäten auf EU-Ebene sind Gegenstand kontroverser Debatten. Derzeit besteht auf europäischer Ebene kein verbindliches Regelwerk. Lobbyisten unterliegen keiner verbindlichen Registrierungspflicht, sondern werden lediglich aufgefordert, sich auf freiwilliger Basis in das Transparenzregister von EU-Parlament und Kommission eintragen. Anlässlich der im Jahre 2013 eingeleiteten Überprüfung dieses Mechanismus wurde gefordert, rechtsverbindliche Regeln für Lobbyisten einzuführen. Von Gegnern dieses Vorschlags wird bestritten, dass die EU die Kompetenz zur verbindlichen Regulierung des Lobbyismus gegenüber EU-Institutionen habe und die Auffassung vertreten, eine derartige Regelung verstoße gegen europäische Grundrechte. Der Beitrag zeigt dagegen, dass eine verbindliche Regulierung rechtlich zulässig und möglich wäre.
Markus Krajewski

Abschnitt V: Tendenzen und Lobbying-Trends

Frontmatter
Consultancies: Wirtschaftsdiplomatie, nicht Lobbying!
Zusammenfassung
Der Begriff „Lobbying“ hat in der Öffentlichkeit eine negative Konnotation. Viele verstehen darunter das rücksichtslose Durchsetzen von Partikularinteressen über privilegierte Netzwerke in politische Entscheidungszentren, wobei politische Gleichgesinntheit, Freundschaften oder sogar persönliche Vorteile mehr zählen als objektive Argumente. Das kann und darf nicht die vorherrschende „Methode“ sein. Netzwerke sind wichtig, um bei Bedarf schnellen Zugang zu den maßgebenden Entscheidungsträgern zu haben. Politische Prozesse in der EU laufen (noch immer) etwas anders ab als in den meisten ihrer Mitgliedstaaten. Daraus folgt, dass auch für die Interessenvertretung in der EU manchmal andere Regeln gelten, so kann man sich z.B. nicht auf Regierungsmehrheiten oder Regierungsprogramme stützen. Andererseits schafft der Mangel an festgefahrenen und geschlossenen politischen Strukturen mehr Raum für objektive Diskussion. Der Prozess der Interessenvertretung in der EU ist aber aufwändiger,erfordert Verständnis für unterschiedliche Kulturen und die Kenntnis mehrerer Sprachen.
Hanns R. Glatz
EU-Lobbing für Wissenschaft und Forschung: Die Bayerische Forschungsallianz GmbH
Zusammenfassung
Die Bayerische Forschungsallianz GmbH (BayFOR) wurde 2006 auf Initiative der bayerischen Hochschulen (Universitäten und Hochschulen für angewandte Wissenschaften) gegründet. Sie ist heute ein fester Bestandteil der bayerischen Förderberatung. Sie berät und unterstützt an drei Standorten – München, Nürnberg und Brüssel – bayerische Akteure aus Wissenschaft und Wirtschaft beim Einwerben von europäischen und internationalen Fördergeldern, mit dem Ziel, den Wissenschafts- und Innovationsstandort Bayern im Forschungsraum Europa fortzuentwickeln. Das BayFOR-EU-Verbindungsbüro Brüssel vertritt die Interessen auf dem europäischen Parkett, stärkt ihre Sichtbarkeit und ist „Türöffner“ und Kontaktvermittler zu den europäischen Institutionen. Die Weichen für die europäische Forschungspolitik werden in Brüssel gestellt. Hier entscheidet sich, welche Themen ausgeschrieben und welche Projekte gefördert werden.
Karin Lukas-Eder
EU-Think-Tanks: Brücke zwischen Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit?
Zusammenfassung
Europa steht an einem Scheideweg. „Die Krise“ hat die Mängel der institutionellen Strukturen und Entscheidungsprozesse sowie das Defizit an EU-Leadership schonungslos offengelegt. So ist es nicht verwunderlich, dass die Expertise und Lösungsvorschläge von EU Think Tankern Konjunktur haben. Die Aktivitäten von EU-Think-Tanks funktionieren nach den Gesetzen des Marktes oder anders formuliert: Think Tanks müssen die Kunst beherrschen, auf die Nachfrage wirtschaftlicher und politischer Eliten zu reagieren und ihre Ideen gut verkaufen. In diesem ökonomischen Überlebenskampf sind Trends zur Professionalisierung, Spezialisierung aber auch Kooperation erkennbar. Gleichzeitig besteht die Gefahr, dass durch elitäre und ausschließlich in Fachkreisen geführte Diskurse der postulierte Brückenschlag zur Öffentlichkeit misslingt.
Doris Dialer, Gerda Füricht-Fiegl
ICT-Lobbying: Die „Computer & Communications Industry Association“ in Brüssel
Zusammenfassung
Die Computer & Communications Industry Association (CCIA) vertritt seit 2009 die Interessen der Internetwirtschaft in Brüssel. Gerade im letzten Jahrzehnt hat die Internetbranche an ökonomischer Bedeutung massiv zugenommen. Im Vergleich zu anderen Wirtschaftszweigen ist der Internetsektor ein echter Newcomer in der Brüsseler Landschaft. Ziel von ICT-Lobbying ist es die enorme Innovationskraft des Internets zu erklären. Gerade durch die Eigenschaft des Internets traditionelle Geschäftsmodelle neuzuordnen bzw. aufzubrechen, ist die Rolle des Verbands als Vermittler zwischen Politik und Wirtschaft von großer Bedeutung. Dies ist ganz besonders der Fall, wenn diverse Konflikte zwischen der Internetwirtschaft und anderen Wirtschaftszweigen auf politischer Ebene via Regulierungen, die für das ein oder andere Geschäftsmodell vorteilhaft sind, ausgetragen werden. Die Zukunft bleibt spannend, denn je mehr das Internet weitere Lebensbereiche erfasst, desto größer wird das Aufkommen an neuen Fragen sein, die politische und regulatorische Antworten verlangen.
Jakob Kucharczyk
Metadata
Title
Lobbying in der Europäischen Union
Editors
Doris Dialer
Margarethe Richter
Copyright Year
2014
Electronic ISBN
978-3-658-03221-0
Print ISBN
978-3-658-03220-3
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-03221-0