Die Qualität der Luft beeinflusst in besonderer Weise die menschliche Gesundheit und hat auch Auswirkungen auf die Landwirtschaft und Ökosysteme. Viele Luftschadstoffe absorbieren oder streuen zudem die Sonnen- oder Wärmestrahlung und sind daher klimawirksam. Luftchemische Prozesse hängen, ebenso wie die Emissionen, von klimatischen Faktoren wie Sonneneinstrahlung, Temperatur und Niederschlag ab. Deshalb ist zu erwarten, dass die projizierten Klimaänderungen für Deutschland die Luftschadstoffkonzentrationen ebenfalls beeinflussen werden, auch wenn dieser Zusammenhang noch nicht gut erforscht ist. Dieses Kapitel vermittelt einen Überblick über die Zusammenhänge und weist zumindest qualitativ auf mögliche künftige Entwicklungen hin. Im Vordergrund stehen die Entwicklungen bei Feinstaub und Ozon.
Die Verschmutzung der Luft durch Beimengung gesundheitsschädlicher Substanzen – gasförmig oder als Partikel – wurde lange Zeit als ausschließlich lokales Problem betrachtet. Die ersten Maßnahmen zur Luftreinhaltung in Deutschland waren demzufolge auf die Identifikation und Beseitigung einzelner Emissionsquellen gerichtet (Uekötter 2003). Bis in die 1960er-Jahre wurde Luftverschmutzung im Wesentlichen als unmittelbar erfassbare Belastung durch Rauchgas wahrgenommen (ebd.); erst danach rückten andere Spurenbestandteile wie das im sogenannten Sommersmog enthaltene Ozon in den Vordergrund. Während eine akute Gesundheitsgefährdung aufgrund verschmutzter Außenluft in Deutschland heute höchstens in Ausnahmefällen auftritt, bleibt das Thema Luftqualität dennoch weiterhin relevant, weil zumindest einige Studien auf die Langzeitwirkung selbst geringfügiger Schadstoffkonzentrationen hinweisen (WHO 2008; Beelen et al. 2013) und es den Städten und Regionen in Deutschland oftmals nicht gelingt, die neuesten europäischen Zielwerte zur Feinstaub-, Stickoxid- oder Langzeitozonbelastung einzuhalten. Hinzu kommt ein langsamer Anstieg der großräumigen, deutschland-, europa- oder hemisphärenweiten Belastung, der sogenannten Hintergrundbelastung oder dem Hintergrund, durch verschiedene Spurengase, wie etwa durch Ozon (HTAP 2010).
Gerade in Deutschland ist neben die lokale Extremwertbekämpfung die Notwendigkeit einer großflächigen Reduktion der Hintergrundbelastung getreten. Dieses bedarf einer Ausweitung des Verständnisses luftchemischer Prozesse, da die Schadstoffkonzentrationen in diesem Bereich nicht mehr nur durch die Stärke der Emissionsquellen und die primäre Abbaurate bestimmt werden, sondern eine Vielzahl von chemischen und physikalischen Umwandlungsprozessen eine Rolle spielt. Weil diese Umwandlungsprozesse und auch die Emissionen von klimatischen Faktoren wie Sonneneinstrahlung, Temperatur und Niederschlag abhängen, ist zu erwarten, dass die projizierten Klimaänderungen für Deutschland auch die Luftschadstoffkonzentrationen beeinflussen werden. Gemäß dem Fünften und Sechsten Sachstandsbericht des Weltklimarates (IPCC 2013, 2021) wird die zukünftige Luftqualität zwar hauptsächlich von den Änderungen der Emissionsstärken beeinflusst, allerdings könnten Temperaturerhöhungen in verschmutzten Gebieten zu einer Zunahme der Schadstoffbelastung führen. Die Erforschung dieser Problematik steht jedoch noch am Anfang, sodass eine quantitative Abschätzung dieser Änderungen vor allem regional derzeit nicht möglich ist. Dieses Kapitel soll einen Überblick über die Zusammenhänge vermitteln und zumindest qualitativ auf mögliche künftige Entwicklungen hinweisen.
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13.1 Physikalische und chemische Grundlagen
Luftverschmutzung wird hier ausschließlich als Belastung der Luft durch Feinstaub, Ozon (O3), Stickstoffdioxid (NO2) und andere Ozonvorläufersubstanzen wie Kohlenwasserstoffe und Kohlenmonoxid aufgefasst. Die geltende EU-Richtlinie 2008/50 EC1 und ihre nationale Umsetzung in der 39. Bundesimmissionsschutzverordnung2 zählen daneben auch Schwefeldioxid und Blei auf, die in der Praxis jedoch kaum noch relevant sind. Es gibt weitere Richtlinien (z. B. 2004/107 EC3), die sich mit Grenzwerten für Arsen, Cadmium, Quecksilber, Nickel sowie polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen auseinandersetzen. Eine Diskussion dieser Substanzen würde den Rahmen dieses Kapitels sprengen.
Feinstäube – oder allgemeiner: partikelförmige Luftbestandteile (particulate matter, PM) – bestehen gewöhnlich aus Mineralien, elementarem oder organischem Kohlenstoff (Ruß, kondensierte Kohlenwasserstoffe, biologische Partikel), Sulfat, Nitrat und Ammonium. In küstennahen Regionen können Natrium und Chlor in Form von Seesalz hinzukommen. Die in der Luft enthaltenen Partikel weisen Größen zwischen wenigen Nanometern und einigen Mikrometern auf und sind oft von einer Schicht flüssigen Wassers umgeben. Sie spielen eine bedeutende Rolle für die Bildung von Wolken und Niederschlag und reflektieren oder absorbieren sowohl sichtbare als auch infrarote Strahlung, wodurch sie das Klima beeinflussen. Die Partikel werden entweder direkt emittiert, z. B. durch Verbrennung, Staubaufwirbelung oder Reifenabrieb, oder sie bilden sich in der Atmosphäre durch die Nukleation von Gasen mit niedrigen Dampfdrücken. Existierende Partikel können sich zusammenballen (Koagulation), kleinere Partikel können sich auf größeren ansammeln (Akkumulation), oder sie wachsen durch Kondensation weiterer gasförmiger Bestandteile und durch die Aufnahme von Wasser. Die meisten Partikel werden durch Niederschlag aus der Atmosphäre entfernt, sie können jedoch auch in trockener Luft absinken (Sedimentation) und am Boden deponiert werden.
Für die Luftreinhaltung lassen sich die luftgebundenen Partikel nach Größenklassen unterscheiden. Feinstaubbestandteile (PM) mit Durchmessern von weniger als 10 Mikrometern werden als PM10 bezeichnet, während die Bestandteile mit Durchmessern kleiner 2,5 Mikrometern als PM2,5 gekennzeichnet werden. Da kleinere Partikel tiefer in den menschlichen Organismus eindringen können, üben sie eine stärkere Wirkung auf den menschlichen Organismus aus.
Die Belastung der Luft mit Partikeln kann vor allem in den Wintermonaten problematisch werden. Dann bilden sich aufgrund der niedrigeren Temperaturen häufiger stabile Inversionswetterlagen aus, sodass der Austausch der schadstoffbelasteten bodennahen Grenzschicht mit den darüber liegenden Luftschichten behindert wird und die Partikel sich über mehrere Tage hinweg ansammeln können. Dies wird stark durch die Gestalt der Landoberfläche beeinflusst. Generell weisen Städte in Kessellagen (z. B. Stuttgart) die höchsten Feinstaubkonzentrationen im Winter auf (Luftbilanz Stuttgart 2011).
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Im Gegensatz zur Feinstaubbelastung ist die Belastung der bodennahen Luft durch Ozon vorwiegend im Sommer akut. Ozon wird nicht direkt emittiert, sondern bildet sich in der Atmosphäre unter Lichteinwirkung aus den Vorläufersubstanzen NOx (also Stickstoffmonoxid und Stickstoffdioxid), Kohlenmonoxid und Kohlenwasserstoffen und kann die Atmosphäre durch Deposition (Ablagerung) verlassen (Ehhalt und Wahner 2003; Seinfeld und Pandis 1998; Warneck 2000). Es gibt zwei wesentliche Schlüsselprozesse bei der Ozonentstehung: Erstens werden Kohlenmonoxid und Kohlenwasserstoffe durch Radikale oxidiert, wodurch diese Schadstoffe letztlich aus der Atmosphäre entfernt werden. Zweitens wird Stickstoffmonoxid katalytisch in Stickstoffdioxid umgewandelt und zurück – erst das ermöglicht eine Zunahme der Ozonkonzentration (Abb. 13.1). Die meisten Stickoxide stammen aus der Verbrennung fossiler Kraftstoffe bei hohen Temperaturen, vor allem im Straßenverkehr. Kohlenmonoxid wird ebenfalls zu einem großen Teil in Motoren gebildet, allerdings spielt für die Kohlenmonoxidemissionen auch die Verbrennung pflanzlicher Materialien eine bedeutende Rolle, vor allem in Entwicklungsländern.
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Kohlenwasserstoffe haben viele verschiedene Quellen. Für die Ozonchemie sind neben den anthropogenen Emissionen auch natürliche Emissionen aus Pflanzen relevant, insbesondere weil die von Pflanzen freigesetzten Kohlenwasserstoffe besonders schnell oxidiert werden und daher in besonderem Maß Ozon bilden können. Wie viel Ozon gebildet wird, hängt neben der Menge an verfügbaren Vorläufersubstanzen auch von deren Zusammensetzung, von der Sonneneinstrahlung (UV-Licht) und von der Temperatur ab. Episoden mit besonders hohen Ozonkonzentrationen (Sommersmog) treten vor allem bei mehrtägigen stabilen Hochdruckwetterlagen auf.
Ozon wirkt in höheren Konzentrationen als Reizgas und kann vor allem bei an Asthma erkrankten Personen Atemprobleme verursachen und zu einer erhöhten Sterblichkeit führen (z. B. Filleul et al. 2006). Neuere Studien deuten darauf hin, dass auch niedrigere Ozonkonzentrationen den menschlichen Organismus langfristig schädigen können (EEA 2012). Neben den gesundheitlichen Auswirkungen wurden auch Schädigungen von Pflanzen nachgewiesen, was insbesondere zu reduzierten Ernteerträgen oder einer verminderten Qualität von Agrarprodukten führen kann (Lesser et al. 1990). Hierfür ist die Ozonbelastung der Pflanzen während der Wachstumsphase ausschlaggebend, und daher finden sich in der oben erwähnten EU-Richtlinie zur Luftreinhaltung (2008/50 EC) zwei unterschiedliche Grenzwerte für Ozon: Zum Schutz der Gesundheit darf ein Acht-Stunden-Mittelwert von 120 µg/m3 an höchstens 25 Kalendertagen pro Jahr überschritten werden, während zur Vermeidung von Vegetationsschäden die maximale Ozondosis bezogen auf die Vegetationsperiode auf 18.000 µg/m3 h festgelegt wird.
Stickoxide und einige Kohlenwasserstoffe wirken ebenfalls gesundheitsschädigend. Vor allem Stickstoffdioxid kann die Lungenfunktion beeinträchtigen (Kraft et al. 2005). Für die folgenden Diskussionen von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang der katalytische Kreislauf der Stickoxide. Da Stickstoffmonoxid schnell mit Ozon reagiert und dabei Stickstoffdioxid bildet und weil aus der Spaltung von Stickstoffdioxid im UV-Licht wiederum Ozon entsteht, werden diese Schadstoffe sehr schnell ineinander überführt, und die Reduktion des einen kann zur Erhöhung der Konzentration des anderen führen. Bei einer wissenschaftlich fundierten Analyse des Ozon- und Stickstoffdioxidproblems sollte daher immer die Summe der beiden Bestandteile (Ox = O3 + NO2) betrachtet werden, diese ist ein Maß der Belastung (Guicherit 1988; Klemp et al. 2012).
13.2 Entwicklung der Luftverschmutzung in Deutschland seit Mitte der 1990er-Jahre
Die folgenden Bewertungen beziehen sich größtenteils auf den Zeitraum von 1995 bis 2018, da 1995 bei vielen statistischen Betrachtungen als Referenzjahr herangezogen wird. Für eine weitreichendere historische Betrachtung wird auf das Werk von Uekötter (2003) verwiesen.
Wie Abb. 13.2 verdeutlicht, nahmen die Emissionen der meisten Luftschadstoffe in Deutschland seit Mitte der 1990er-Jahre kontinuierlich ab. Dabei ist der Rückgang zunächst vor allem auf die Reduktion der Emissionen aus stationären Quellen zurückzuführen, während seit dem Jahr 2000 die verschärften Abgasnormen im Straßenverkehr ihre Wirkung zeigen (Klemp et al. 2012). Ein gleichartiger Trend ist auch bei den Partikelemissionen erkennbar. Dieses Verhalten spiegelt sich auch in den Konzentrationsverläufen von PM10 wider (Abb. 13.3), wo für verkehrsnahe Stationen (u. a. infolge der flächendeckenden Einführung von Dieselpartikelfiltern) die bedeutendsten Reduktionen zu beobachten sind. Die Emissionen der Ozonvorläufersubstanzen Stickoxide, Kohlenmonoxid (CO) und Nicht-Methan-Kohlenwasserstoffe (NMKW; Abb. 13.2) haben seit 1995 um mindestens 40 % abgenommen. Eine Ausnahme ist das primär in der Landwirtschaft produzierte Ammoniak, dessen emittierte Menge sich kaum reduziert hat.
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Das deutsche Umweltbundesamt veröffentlichte auf seiner Webseite (Umweltbundesamt 2013) den folgenden Kommentar zur Entwicklung der Luftqualität in Deutschland:
„Die Schadstoffbelastung der Luft nahm seit Beginn der 1990er-Jahre deutlich ab. Seit Anfang dieses Jahrzehnts gibt es trotz kontinuierlich verminderter Emissionen keinen eindeutig abnehmenden Trend der Belastung durch Feinstaub, Stickstoffdioxid und Ozon in Deutschland mehr […].“
Unterstützt wird diese Aussage durch diverse Trends bei der Entwicklung der Spurenstoffe (Summe aus Spurengasen und Partikeln) (z. B. Abb. 13.3). Zu erkennen ist, dass die Feinstaubreduktion seit den 1990er-Jahren flächendeckend erfolgt und alle Arten von Messstationen umfasst. Eine umfassende Analyse der Entwicklung der Feinstaubbelastung findet sich in Dämmgen et al. (2012).
Während im Allgemeinen keine gesundheitsschädigenden Konzentrationen von Kohlenmonoxid und Nicht-Methan-Kohlenwasserstoffen in der Außenluft gemessen werden, kommt es bei Stickstoffdioxid immer wieder zu Überschreitungen der Grenzwerte, und dies trotz der verminderten Gesamtemissionen von Stickoxiden. An praktisch allen Messstationen gibt es seit 1995 einen sehr viel geringeren Rückgang der Stickstoffdioxidkonzentration im Jahresmittel (Abb. 13.4), als es die Entwicklung der Emissionen (Abb. 13.2) vermuten ließe. Hierfür gibt es laut der Analyse von Klemp et al. (2012) zwei wesentliche Ursachen: Zum einen wird die städtische NO2-Konzentration tagsüber bei den gegenwärtigen Stickoxidniveaus immer noch durch die Konzentration von sogenanntem Hintergrundozon, also dem aus der Umgebung herantransportierten Ozon, begrenzt und eben nicht durch die Stickoxidemissionen selbst. Zum anderen gibt es vor allem bei Dieselfahrzeugen in jüngerer Zeit vermehrt direkte Emissionen von NO2, während früher die allermeisten Emissionen als Stickstoffmonoxid in die Luft gelangten. Die jüngsten Entwicklungen legen nahe, dass auch die illegalen Abschaltvorrichtungen von Dieselkraftfahrzeugen nicht unwesentlich dazu beigetragen haben, dass der erwartete Emissionsrückgang nicht eingetreten ist.
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Diese Änderungen der Ozonvorläuferemissionen und -konzentrationen bewirken verschiedene Änderungen der Ozonkonzentrationen in Deutschland (Volz-Thomas et al. 2003):
Anstieg von Hintergrundozon
Trotz einer Reduktion der Vorläufersubstanzen ist die durchschnittliche Ozonkonzentration im Jahresmittel sogar leicht angestiegen (Abb. 13.5). Vor allem im städtischen Raum lässt sich dies durch die Abnahme der Stickstoffmonoxidemissionen erklären, da NO schnell mit Ozon reagiert (dabei wird Stickstoffdioxid gebildet) und die Ozonkonzentration in der Nähe starker NO-Quellen somit sehr niedrig wird. Dieses Phänomen der Ozontitration tritt vor allem im Winter auf, weil dann eine stabile Schichtung für weniger Durchmischung der Luft sorgt und zudem die Rückumwandlung von Stickstoffdioxid zu -monoxid durch ultraviolettes Licht (Fotolyse) verlangsamt abläuft. Der beobachtete Anstieg der Konzentration von Hintergrundozon hängt jedoch nicht nur mit lokalen Änderungen zusammen, sondern wird durch eine Zunahme des Ferntransports von Luftverschmutzung aus dem übrigen Europa sowie Nordamerika und Asien überlagert (HTAP 2010). Hinzu kommen Langzeitänderungen, die durch die Zunahme der Methankonzentration hervorgerufen werden: Methan wirkt ebenso wie Kohlenmonoxid oder andere Kohlenwasserstoffe als „Brennstoff“ der Ozonchemie. Es ist derzeit allerdings noch kaum möglich, belastbare quantitative Aussagen darüber zu erhalten, welcher Anteil der Änderung auf welche Ursache zurückzuführen ist. Auch beginnende Klimaänderungen mögen bereits eine Rolle spielen, wie der deutlich höhere Jahresmittelwert der Ozonkonzentration des Jahres 2003 suggeriert, als es im Sommer zu einer ausgeprägten Hitzewelle über Europa kam.
Abnahme der sommerlichen Ozonspitzenkonzentrationen
Auf der anderen Seite haben die Ozonspitzenkonzentrationen und die Tage mit Überschreitung der gesetzlichen Werte über die Jahre deutlich abgenommen (Abb. 13.6). Allerdings spielen auch meteorologische Effekte eine nicht zu unterschätzende Rolle. So zeigt sich, dass die Zahl der Tage mit Ozonkonzentrationen von mehr als 180 µg/m3 im besonders heißen Sommer des Jahres 2003 (69) in etwa so groß war wie im Durchschnitt der Jahre 1990 bis 1993 (65). Die Abnahme der Häufigkeit der Tage mit Ozonspitzenwerten über fast 30 Jahre ist allerdings eindeutig: Insbesondere die Häufigkeit der Tage mit Ozonspitzenwerten > 240 µg/m3nimmt im dargestellten Untersuchungszeitraum um etwa einen Faktor 10 (von 22 zu 2) ab.
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Für ein quantitatives Verständnis der hierfür verantwortlichen Zusammenhänge zwischen Ozonvorläufern und fotochemischer Ozonproduktion ist es nützlich, sich mit dem Reaktivitätskonzept vertraut zu machen. Da in der Troposphäre am Tage mehr als 90 % der volatilen organischen Kohlenstoffverbindungen (VOCs) über Hydroxylradikale (OH) abgebaut werden (Abb. 13.1), kann deren Prozessierung in guter Näherung durch den Parameter „OH-Reaktivität“ (RVOC) beschrieben werden. Die OH-Reaktivität eines VOC-Spurengasgemisches errechnet sich demnach aus der Summe der gemessenen Konzentrationen der einzelnen VOC Spurengase jeweils multipliziert mit ihren individuellen Reaktivitätskonstanten mit OH. Der Parameter RVOC erweist sich als besonders nützlich, da mit ihm unterschiedliche VOC-Mixe in ihrer Wirkung zur Ozonbildung unmittelbar miteinander verglichen werden können. Allerdings stehen die Prozesse des fotochemischen VOC-Abbaus in Konkurrenz zu einem weiteren Reaktionspfad: dem Abbau der Stickoxide durch OH-Radikale. NOx wird aus der Atmosphäre in Form von Stickstoffdioxid (NO2) ebenfalls durch die Reaktion von OH unter HNO3-Bildung entfernt. Das Reaktivitätsverhältnis von RVOC/RNO2 kontrolliert auf diese Weise die relative Bedeutung der beiden Spurengasabbaupfade: In Abb. 13.7 sind die Zusammenhänge anhand eines vereinfachten Abbauschemas von VOCs und NOx dargestellt: Die lokale Ozonbildung wird bestimmt durch den Anteil der OH-Radikale, welche mit der Gesamtheit aller VOCs reagieren.
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Dieser Zusammenhang ermöglicht eine für verschiedene Belastungssituationen vergleichende Bewertung der Luftqualitätsmaßnahmen und die Wirksamkeit der Maßnahmen zur lokale Ozonbildung in guter Näherung (Klemp et al. 2012) durch einen einzigen Parameter (RVOC) beschreiben zu können. Die Abb. 13.8 zeigt als Beispiel das Resultat dieses Ansatzes, bei dem die berechnete lokale Ozonproduktionsrate als Funktion der Vorläuferreaktivitäten von VOC und NO2 dargestellt ist. Ebenfalls skizziert sind die Veränderungen der Ozonproduktionsrate auf dem hypothetischen Weg eines Luftpaketes aus einer städtischen Quellregion bis hin in biogen dominerte Hintergrundgebiete. Die beide Kurven zeigen Beispiele für innerstädtische Belastungssituationen in den Jahren 1994 und 2014 (Startpunkte der Luftpakete). Im Verlauf des Transports werden die anfänglichen Vorläuferreaktivitäten sowohl durch Verdünnung mit weniger belasteten Luftmassen (außerhalb der Innenstadt) als auch infolge luftchemischer Prozessierung auf ihrem Weg in die Hintergrundgebiete immer weiter reduziert.
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Bei Annahme gleicher Transportzeit für beide Luftpakete ist die integrale Ozonbildung über den gesamten Transportweg im Jahre 2014 wesentlich niedriger als 20 Jahre zuvor. Noch ein zweiter Aspekt ist aus der Abb. 13.8 ableitbar: Anders als in den 1990er-Jahren erfolgt in neuerer Zeit die fotochemische Ozonbildung vornehmlich während des Transports außerhalb der Städte.
Mit dem Aufbau und erfolgreichen Betrieb eines mobilen Messlabors mit umfangreicher Gas- und Partikelanalytik ergab sich die Möglichkeit, den in Abb. 13.8 dargestellten Verlauf für unterschiedliche Belastungsszenarien experimentell zu überprüfen. In der Tat lieferten die Resultate von RVOC- und RNO2-Messungen aus den Jahren 2014 bis 2018 (Klemp et al. 2020) in und im Umfeld von Berlin eine Bestätigung des von Ehlers et al. (2016) vorhergesagten schematischen Verdünnungs- und Prozessierungs„weges“. Allerdings stellt der von Ehlers et al. (2016) vorhergesagte Weg eine untere Grenze der tatsächlich unter unterschiedlichen Belastungsszenarien beobachtbaren RNO2/RVOC-Verhältnisse dar. Es wird Gegenstand weiterer Untersuchungen von Langzeitstudien sein, in welchem Ausmaß unterschiedliche Treibstoffzusammensetzungen (u. a. erhöhte Alkoholbeimischungen, synthetische Kraftstoffe) oder Veränderungen biogener VOC-Emissionen infolge beginnender Klimaänderungen die fotochemische Prozessierung gasförmiger Spurenstoffe beeinflussen.
13.3 Zukünftige Entwicklung der Luftqualität
Die zu erwartenden Klimaänderungen werden die zukünftige Entwicklung der Luftqualität in Deutschland vermehrt beeinflussen, da die Luftschadstoffkonzentrationen nicht nur von Emissionen, sondern auch von einer Vielzahl miteinander gekoppelter physikalischer und chemischer Prozesse abhängen, deren Bedeutung u. a. von der Temperatur, der Häufigkeit bestimmter Wetterlagen oder der Bewölkung bestimmt wird. Da zu erwarten ist, dass die vom Menschen verursachten Emissionen von Luftschadstoffen in Deutschland in den kommenden Jahren weiter zurückgehen, werden natürliche Prozesse und klimatische Einflüsse immer wichtiger werden. Zudem gewinnen Emissions- und Konzentrationsänderungen in den Nachbarländern und selbst weltweit immer mehr an Bedeutung, da bei geringen lokalen Emissionen die sogenannten Hintergrundbelastungen das allgemeine Schadstoffniveau bestimmen. Bislang gibt es keine Studie, die sich unter Berücksichtigung aller dieser Zusammenhänge speziell mit der zukünftigen Entwicklung in Deutschland befasst. Die folgenden Ausführungen beruhen daher weitestgehend auf Analysen für Europa als Ganzes. Die angegebenen Zahlenwerte für Deutschland sind oft aus Abbildungen entnommen. Die verschiedenen im Text zitierten Modellstudien basieren auf unterschiedlichen Klima- und Emissionsszenarien, und die verwendeten Modelle weisen zudem deutliche Unterschiede in den berechneten Konzentrationsverteilungen bei gleichen Anfangs- und Randbedingungen auf (z. B. Solazzo et al. 2012a, b). Ganz exakte zukünftige Werte für Deutschland oder für einzelne deutsche Regionen können daher kaum angegeben werden.
Die Zusammenhänge zwischen Klimaänderung und bodennahen Ozon- sowie Feinstaubkonzentrationen sind in Tab. 13.1 zusammengefasst. Wie in Kap. 6 und 7 diskutiert wird, gehen derzeitige Projektionen künftiger Temperatur- und Niederschlagsänderungen davon aus, dass in Deutschland in den kommenden Jahrzehnten neben einer Änderung der mittleren Temperaturen vor allem eine prägnante Zunahme von Extremwetterereignissen zu erwarten ist (Teil II). Mit Bezug auf die Faktoren, welche die Luftqualität beeinflussen, ist hier vor allem die prognostizierte Zunahme extrem heißer Tage (Kap. 6) mit einhergehender Trockenheit zu nennen, da diese Bedingungen zu einer erhöhten fotochemischen Produktion sekundärer Luftschadstoffe führen. Längere Trockenperioden können dafür sorgen, dass Schadstoffe länger in der Luft verweilen, während umgekehrt die Zunahme von Starkniederschlägen für ein effizienteres Auswaschen löslicher Spurengase und Feinstaub sorgen würde. Generell wirken die erwarteten Klimaänderungen eher in Richtung einer Zunahme der Schadstoffbelastung, sodass sie das Erreichen von Reduktionszielen erschweren werden (Giorgi und Meleux 2007).
Tab. 13.1
Zusammenfassung der wichtigsten Auswirkungen des Klimawandels auf die Luftqualität. Auswirkungen auf bodennahes Ozon nach Royal Society (2008); Auswirkungen auf Feinstaub nach eigenen Recherchen
Zunahme von …
bewirkt …
Auswirkung auf bodennahes Ozon
Auswirkung auf Feinstaub
Temperatur
Schnellere Fotochemie, weniger Kondensation von Spurengasen auf Partikeln
Anstieg bei hohen Stickoxidwerten oder Abnahme bei niedrigen Stickoxidwerten
Abnahme wegen reduzierter Partikelbildung
Anstieg biogener Kohlenwasserstoffemissionen
Anstieg
Anstieg durch vermehrte Bildung sekundärer organischer Aerosole
Luftfeuchte
Erhöhter Ozonverlust und vermehrte Produktion von Hydroxylradikalen
Anstieg bei hohen Stickoxidwerten oder Abnahme bei niedrigen Stickoxidwerten
Abnahme durch beschleunigte Koagulation, verstärkte Sedimentation und vermehrtes Auswaschen
Starkniederschlägen
Auswaschen von Ozonvorläufersubstanzen und Partikeln
Keine Änderung der Mittelwerte
Keine Änderung der Mittelwerte
Dürreperioden
Erhöhte Temperatur und reduzierte Feuchte
Anstieg
Anstieg
Pflanzenstress und reduzierte Größe der Spaltöffnungen
Anstieg
Keine Angabe
Zunahme von Waldbränden
Anstieg
Anstieg
Zunahme von Feinstaubemissionen
Keine Angabe
Anstieg
Weniger Auswaschen von Ozonvorläufersubstanzen und Partikeln aufgrund reduzierter Niederschlagshäufigkeit
Anstieg
Anstieg
Blockierende (lang anhaltende) Wetterlagen
Häufigere stagnierende Bedingungen und längere Verweildauer von Schadstoffen in der Atmosphäre
Anstieg
Anstieg
Häufigere Hitzewellen
Anstieg
Anstieg
Speziell für den süddeutschen Raum untersuchten Forkel und Knoche (2006) die Auswirkungen des Klimawandels auf die bodennahen Ozonkonzentrationen im Sommer. Ausgehend von einer durchschnittlichen Erwärmung um fast 2 °C zwischen den 1990er- und 2030er-Jahren finden sie eine Zunahme der Tageshöchstkonzentrationen um 4 bis 12 µg/m3, was zu häufigeren Ozongrenzwertüberschreitungen führen würde. Der tägliche Acht-Stunden-Mittelwert von 120 µg/m3 darf an höchstens 25 Tagen im Jahr überschritten werden (EU-Richtlinie 2008/50 EC). Durch diese Erwärmung um 2 C würde die Zahl der Tage mit Ozonkonzentrationen über dem Grenzwert um 5 bis 12 Tage zunehmen. Dabei wurde angenommen, dass anthropogene Emissionen unverändert bleiben, während die Emissionen biogener Kohlenwasserstoffe aufgrund der Temperaturerhöhung zunehmen. Neben den in Tab. 13.1 aufgeführten Wechselwirkungen trägt die prognostizierte Abnahme der Wolkenbedeckung zu einer Erhöhung der UV-Strahlung und damit zu einer vermehrten fotochemischen Aktivität bei.
Varotsos et al. (2013) führten eine ähnliche Untersuchung für Mitteleuropa durch, wobei sie die Ergebnisse dreier Modelle vergleichen, die jeweils auch eigene Temperaturprojektionen für den Zeitraum um 2050 verwenden. Die Modelle differieren deutlich und berechnen für die Region um Deutschland eine Zunahme der Ozongrenzwertüberschreitungen von 8 bis 16 Tagen im Jahr, wobei die obere Grenze insofern zweifelhaft ist, als die von diesem Modell berechnete Temperaturerhöhung (90-Prozent-Wert) mit 4 °C etwas hoch erscheint. Im Norden Deutschlands wird nach dieser Studie die Zahl der Überschreitungen nur etwa halb so viel zunehmen wie im Süden. Dies ist konsistent mit den Ergebnissen von Giorgi und Meleux (2007), die für den Zeitraum von 2071 bis 2100 eine Zunahme der sommerlichen Ozonkonzentrationen um bis zu 20 µg/m3 im Südwesten Deutschlands und um weniger als 4 µg/m3 im Norden und Osten Deutschlands erwarten. Im Südwesten spielen dabei vor allem die durch die erhöhten Sommertemperaturen zunehmenden Emissionen von Isopren eine Rolle. Die Studie von Varotsos et al. (2013) findet eine deutliche Korrelation zwischen Temperatur und Ozonkonzentration für die untersuchten ländlichen Messstationen in Deutschland.
Andersson und Engardt (2010) untersuchten die Auswirkungen von Änderungen der Isoprenemissionen und der Ozontrockendeposition, also der Zerstörung von Ozon an Materialoberflächen wie z. B. an Pflanzenblättern, auf die zukünftigen Ozonkonzentrationen in Europa. Sie stellten fest, dass Änderungen der Deposition eine größere Rolle spielen können als die pflanzlichen Emissionen. Bei gleichbleibenden anthropogenen Emissionen finden sie eine Zunahme der mittleren Ozonbelastung im Süden und Westen Europas, während im Norden niedrigere Ozonkonzentrationen zu erwarten sind. Colette et al. (2013) heben die Unsicherheit bei der Abschätzung künftiger biogener Emissionen hervor, die vor allem auf Unsicherheiten in der Berechnung von Wolken im Klimamodell zurückzuführen ist. Änderungen der Bewölkung bewirken auch Veränderungen der für die Fotosynthese in Pflanzen zur Verfügung stehenden Lichtintensität. Dadurch variiert auch die Menge an Kohlenwasserstoffen, die von Pflanzen emittiert werden.
Colette et al. (2013) sind ebenso wie die Autoren anderer Studien der Ansicht, dass die durch den Klimawandel bewirkten Effekte in der Regel deutlich kleiner sind als die Änderungen der atmosphärischen Zusammensetzung aufgrund von Emissionsminderungen, die durch weitere Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität zu erwarten sind. Die verfügbaren Projektionen über zukünftige Schadstoffemissionen in Europa stimmen darin überein, dass diese weiter zurückgehen werden, obwohl erste Zweifel aufkommen, ob sich die ambitionierten Reduktionsziele in die Praxis umsetzen lassen (Klemp et al. 2012; Langner et al. 2012). Basierend auf Emissionsszenarien des Global Energy Assessment (GEA) (Riahi et al. 2012) haben Colette et al. (2012) die Auswirkungen zukünftiger Emissionen auf die bodennahen Ozonkonzentrationen in Europa anhand eines Ensembles von fünf verschiedenen Chemietransportmodellen simuliert. Stickoxid- und Kohlenwasserstoffemissionen würden demnach bis 2030 um etwa 50 % abnehmen, wenn alle bereits beschlossenen Maßnahmen umgesetzt würden. Im Durchschnitt zeigen die Modelle über Deutschland dann eine Abnahme der NO2-Konzentrationen um ca. 3 bis 10 µg/m3, wobei die stärkste Reduktion im Westen (Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz) erwartet wird (Abb. 13.9). Im Jahresdurchschnitt würden die bodennahen Ozonkonzentrationen um etwa 2 bis 7 µg/m3 zunehmen, was vor allem auf die geringere Titration (die Reaktion von Ozon mit Stickstoffmonoxid) im Winter zurückgeführt werden kann. Die sommerlichen Ozonkonzentrationen würden hingegen reduziert, sodass die gesundheitswirksame Dosis abnehmen sollte. Diese wird ausgedrückt durch die SOMO35-Diagnostik, die definiert ist als die Jahressumme der täglichen maximalen Acht-Stunden-Mittelwerte der Ozonkonzentration oberhalb von 35 ppb (parts per billion); das entspricht 70 µg/m3 (WHO 2008; Abb. 13.10). Gemäß Colette et al. (2012) würde der Anteil der Stationen in Europa, an denen der Ozongrenzwert von 120 µg/m3 an mehr als 25 Tagen im Jahr überschritten wird, mit diesen Reduktionen von 43 % im Jahr 2005 auf 2 bis 8 % sinken.
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Neben den Einflüssen der veränderten Meteorologie und der reduzierten Emissionen in Deutschland müssen bei der Betrachtung der künftigen Ozonbelastung auch die Änderungen des regionalen und globalen Hintergrunds berücksichtigt werden. So haben Szopa et al. (2006) verschiedene Szenarien berechnet, in denen die Emissionen von Ozonvorläufersubstanzen in verschiedenen Weltregionen variiert wurden. Daraus ergibt sich, dass die angestrebte Reduktion der Ozonkonzentrationen in Europa von der Zunahme der Hintergrundkonzentration fast vollständig zunichtegemacht wird. Die lokalen Emissionsminderungen bewirken allerdings eine Abnahme der sommerlichen Spitzenkonzentrationen. Ein nicht zu unterschätzender Parameter beim Anstieg der Ozonhintergrundkonzentration ist die Zunahme der Methankonzentration in der Atmosphäre (Fiore et al. 2008). Wegen der Langlebigkeit von Methan – die chemische Verweildauer von Methan in der Atmosphäre beträgt etwa 10 Jahre – sind hier globale Anstrengungen vonnöten, um die Emissionen und damit die Konzentrationen zurückzuschrauben.
Die höchsten und damit schädlichsten Ozonkonzentrationen treten während Hitzewellen (Kap. 6) auf. Die extreme Zunahme der Ozonkonzentrationen unter Hitzebedingungen ist vor allem auf die dann stagnierende Luftzirkulation zurückzuführen, die einen Aufbau der Spitzenwerte über mehrere Tage zulässt (z. B. Jacob und Winner 2009; Katragkou et al. 2011). Hinzu kommen erhöhte Emissionen biogener Kohlenwasserstoffe und eine reduzierte Trockendeposition von Ozon aufgrund der bei Dürre geschlossenen Spaltöffnungen der Pflanzen. Die zu erwartende Zunahme biogener Emissionen variiert stark zwischen verschiedenen Modellrechnungen, und dies hat einen erheblichen Einfluss auf die projizierten zukünftigen Ozonkonzentrationen (Langner et al. 2012). Wie sich die zukünftige Klimaentwicklung im Einzelnen auf die Emissionen von Pflanzen auswirken wird, ist noch unklar. Verschiedene Pflanzen können je nach Stressbelastung durch Hitze, Trockenheit oder Insektenbefall unterschiedliche Stoffe freisetzen, die dann auf verschiedene Weise die Ozonproduktion und die Bildung sekundärer organischer Partikel beeinflussen (Mentel et al. 2013). Langfristig ist hier zusätzlich zu berücksichtigen, dass es in Deutschland zu einer Veränderung des Waldbestands kommen wird, da vor allem die Fichte bei einer durchschnittlichen Erwärmung um 2 bis 3 °C an vielen Standorten nicht mehr kultiviert werden kann (Kap. 19; Kölling et al. 2009).
Fischer und Schaer (2010) erwarten bis zum Ende des 21. Jahrhunderts eine Zunahme von tropischen Tagen (Temperatur >35 °C) und Nächten (Temperatur >20 °C) um 2 bis 6 Tage pro Jahr. Die extreme Hitzeperiode des Sommers 2003 kann hier als Modellfall betrachtet werden. In diesem Jahr wurden an den deutschen Messstationen an insgesamt 69 Tagen Ozonkonzentrationen jenseits des EU-Warnwertes von 180 µg/m3 gemessen, und an 13 Tagen überstiegen die Konzentrationen sogar den Wert von 240 µg/m3 (Abb. 13.6), was der Situation Anfang der 1990er-Jahre sehr nahekommt. Die zwischenzeitlich erreichte Reduktion der Spitzenkonzentrationen wurde also durch wenige Wochen mit besonders hohen Temperaturen konterkariert.
Eine Zunahme der Häufigkeit von stagnierenden Hochdruckwetterlagen könnte gemäß Giorgi und Meleux (2007) zu einem Anstieg von Isoprenemissionen und Ozonkonzentrationen führen, aber auch zu einer Zunahme der Stickoxidkonzentration in Ballungsräumen, da bei diesen Wetterbedingungen der Abtransport der Luftschadstoffe reduziert ist. Ähnliche Auswirkungen sind für die Feinstaubkonzentrationen zu erwarten.
Während die Ozonbelastung vor allem in den Sommermonaten relevant ist, treten Überschreitungen der Konzentrationsgrenzwerte für Partikel vornehmlich im Winter auf, wenn die kalte Luft stabil geschichtet ist. Da die verfügbaren Klimaprojektionen für Deutschland eher mildere Winter mit erhöhten Niederschlagsmengen erwarten lassen (Kap. 6 und 7), sollte der Klimawandel zu einer Reduktion der Häufigkeit von Grenzwertüberschreitungen bei der Feinstaubkonzentration führen. Die verfügbaren Emissionsszenarien für Partikel und Partikelvorläufersubstanzen lassen ebenfalls eher eine weitere Reduktion erwarten (Cofala et al. 2007). Insgesamt gibt es hierzu jedoch bislang kaum quantitative Abschätzungen, und auch die Unsicherheiten bei der Modellierung von Partikelkonzentrationen sind nach wie vor sehr groß. Scheinhardt et al. (2013) erwarten – basierend auf einer statistischen Analyse von Messdaten aus Dresden – eine leichte Abnahme urbaner Partikelkonzentrationen aufgrund klimatischer Änderungen. Mues et al. (2012) finden für den extrem heißen Sommer 2003 eine Zunahme der gemessenen Partikelkonzentrationen, die von den Modellen jedoch nicht wiedergegeben wird. Es ist nicht klar, inwieweit diese Zunahme auf anthropogene oder natürliche Quellen wie Staub zurückzuführen ist oder ob unter solchen Wetterbedingungen weniger Aerosole deponiert oder ausgewaschen werden. Eine andere Erklärungsmöglichkeit besteht in der verstärkten Emission biogener Kohlenwasserstoffe aus Pflanzen, deren chemische Abbauprodukte effizient organische Partikel bilden können (Ehn et al. 2014; Mentel et al. 2013). Colette et al. (2013) erwarten eine Abnahme der sekundär gebildeten Partikel aufgrund der reduzierten Emissionen von Vorläufersubstanzen. Der Anteil natürlicher Aerosole am Feinstaub soll nach dieser Studie jedoch deutlich zunehmen. Insgesamt ergibt sich aus ihren Rechnungen eine Abnahme der mittleren PM2,5-Konzentration über Europa um 7 bis 8 µg/m3 – und diese Abnahme ist praktisch ausschließlich auf Emissionsminderungen zurückzuführen.
13.4 Kurz gesagt
Aufgrund gezielter Maßnahmen zur Reduktion von Stickoxid-, Kohlenwasserstoff- und Feinstaubemissionen seit den 1990er-Jahren hat sich die Luftqualität in Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten grundlegend verbessert. Die zu erwartenden Klimaänderungen würden bei gleichbleibenden Emissionen im Allgemeinen eine Zunahme der bodennahen Ozon- und Feinstaubkonzentrationen bewirken, sodass in Zukunft vermehrte Anstrengungen bei der Vermeidung von Emissionen erforderlich werden, um weitere Reduktionen zu erzielen. Während die Feinstaubbelastung überwiegend durch lokale Quellen hervorgerufen wird, gilt es beim Ozon, auch die Änderungen der Hintergrundkonzentration aufgrund von Ferntransport zu berücksichtigen. Ozonspitzenkonzentrationen sollten aufgrund lokaler Emissionsminderungen abnehmen. Dies wird allerdings durch die zukünftig wärmeren Sommer und vor allem bei einer Zunahme von extremen Hitzeperioden zumindest teilweise kompensiert. Um eine quantitative und regional aufgelöste Analyse vornehmen zu können, die auch urbane Ballungsräume umfasst und zu konkreten Politikempfehlungen führen könnte, bedarf es aufgrund der bestehenden Unsicherheiten und der komplexen Zusammenhänge weiterer Forschung.
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