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28-05-2014 | Management + Führung | Interview | Article

"Unternehmen haben beim Generationen-Management Optimierungsbedarf"

Author: Anja Schüür-Langkau

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Für Unternehmen ist das Management der Generationen eine große Herausforderung für die Zukunft. Wie das gelingen kann, erläutert Springer-Autor Martin Klaffke im Interview.

Springer für Professionals: Der demografische Wandel und andere gesellschaftliche Veränderungen zwingen Unternehmen zum Umdenken in der Personalpolitik. Wie Sie in Ihrem Buch darstellen, lösen sich heute jüngere und ältere Mitarbeiter nicht mehr überschneidungsfrei ab, sondern arbeiten deutlich länger zusammen als früher. Was bedeutet eine solche Mehr-Generationen-Belegschaft für das Personalmanagement?

Martin Klaffke: Mehr-Generationen-Belegschaften werden das Personalmanagement zukünftig revolutionieren. Vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung gilt es, als Arbeitgeber attraktiv für alle Generationen zu sein und sich zu einem regelrechten Talent-Magneten zu entwickeln. Konkret bedeutet dies, sich auf die Erwartungen der Generation Y einzustellen und dabei die Wünsche der etablierten Generationen, vor allem der Baby Boomer, nicht aus den Augen zu verlieren. Denn sie bleiben auf lange Sicht das Rückgrat der Erwerbsbevölkerung. Dies wird aber immer ein Spagat bleiben und das Management von unterschiedlichen Erwartungen erfordern. Zudem lässt sich im Personalmanagement insgesamt ein Wunsch nach Individualisierung beobachten. In der Realität sind die Personal-Prozesse jedoch vielerorts standardisiert, um die Effizienz zu garantieren. Das gilt vor allem für große Unternehmen. Für Gewinnung, Bindung und Leistungsförderung von Beschäftigten ist es jedoch erfolgskritisch, maßgeschneiderte Lösungen anzubieten. Hier werden die Unternehmen – ähnlich wie beim Ansatz der Mass Customization in der Produktion – Wege der Flexibilisierung von Standard-Instrumenten finden müssen, die ein mitarbeiterorientiertes und individuelles Personalmanagement erlauben. Dies bedingt auch, mehr Zeit für die Vorgesetzten-Mitarbeiter-Interaktion einzuräumen und Führung einen deutlich größeren Stellenwert zu geben.

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Wo liegt bei einer altersmäßig heterogenen Belegschaft das größte Konfliktpotenzial?

In der öffentlichen Diskussion werden mit Altersvielfalt oftmals pauschal Vorteile verbunden, wie unter anderem Perspektivenreichtum und Kreativität. Eine Reihe von Studien zeigen jedoch, dass es vielfältige Problemzonen gibt, die durchaus Risiken für das tägliche Miteinander der Generationen bergen. Sie betreffen beispielsweise den Umgang mit Veränderungen, den Ausdruck von Wertschätzung, die Wahrnehmung der Vorgesetzten-Rolle oder auch den Zugang zu Aufstiegspositionen. Viele Vertreter der etablierten Generationen erwarten Wertschätzung und Anerkennung für ihre Lebensleistung. Kniefall vor Leistung aus vergangenen Tagen wird aber von vielen Vertretern der Generation Y nicht zu haben sein. Respekt muss man sich in dieser Generation immer wieder aufs Neue verdienen. Und Wertschätzung, also Feedback, wird im offenen Gespräch auf Augenhöhe geäußert. Deshalb ist für die Produktivität von altersgemischten Teams eine grundlegende Wertschätzung der Altersunterschiede unter den Teammitgliedern unerlässlich. Hier hat das betriebliche Personalmanagement oftmals noch Optimierungsbedarf.

Wie sollten Unternehmen vorgehen, die ihr Personalmanagement auf unterschiedliche Generation von Mitarbeitern abstimmen möchten?

Beim Generationen-Management steht die Arbeitgeberattraktivität im Fokus. Es geht also darum, Bedingungen zu schaffen, dass Beschäftigte aller Generationen bereit und fähig sind, langfristig ihren vollen Einsatz zu geben. Hierfür sollte erstens untersucht werden, welche Anforderungen die einzelnen Generationen jeweils an ihren Arbeitgeber stellen. In vielen Projekten habe ich so genannte Generationen-Sounding-Boards durchgeführt, in denen ich beispielsweise mit Vertretern der Baby Boomer deren Wünsche an eine attraktive Arbeit herausgearbeitet habe. Zweitens empfiehlt es sich, Potenziale und Konfliktfelder in der intergenerativen Zusammenarbeit zu beleuchten. Hierfür hat sich in der Praxis das Workshop-Format „Dialog der Generationen“ als sehr hilfreich erwiesen.

Welche Unternehmen sind aus Ihrer Sicht Vorreiter beim Thema Generationenmanagement?

Generationen-Management ist für viele Unternehmen noch Neuland. Erkannt wird zwar, dass sich neben der Altersstruktur auch die Vorstellungen und Erwartungen der Beschäftigten ändern. Auch potenzielle Konflikte werden bereits gesehen. Reagiert wird aber bislang kaum. Allenfalls wird der Fokus auf Gesundheitsmanagement gesetzt. Dies ist zwar wichtig, reicht aber bei weitem nicht aus, um die Arbeitgeberattraktivität generationenspezifisch zu stärken und die Potenziale intergenerativer Zusammenarbeit voll zu nutzen. Unternehmen fangen an, vor allem im Rahmen ihrer Diversity-Bemühungen, dem Thema „Alt und Jung“ bei der Arbeit mehr Aufmerksamkeit zu geben und vor allem die Groß-Unternehmen ergreifen auch erste Maßnahmen. Für ein großes deutsches Familienunternehmen habe ich gerade ein Leadership Seminar zum „Führen im Generationen-Mix“ erfolgreich durchgeführt.

Was verstehen Sie unter einer modernen Arbeitszeitkultur?

Moderne Arbeitszeitkultur basiert auf Vertrauen. Beschäftigte können – vor dem Hintergrund der Anforderungen der jeweiligen Aufgabe – selbst bestimmen, wie, wo und wann diese erledigt werden soll. In vielen Unternehmen ist Sichtbarkeit und die im Büro verbrachte Zeit immer noch eine wesentliche Voraussetzung für Arbeitsengagement und damit für die Karriere. Für den Unternehmenserfolg kommt es aber letztlich darauf an, Spitzen-Resultate zu bringen. Dies setzt hoch engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter voraus. Und Selbstbestimmung ist ein zentraler Motivationsfaktor, indem beispielsweise Privates und Berufliches in optimaler Weise miteinander verknüpft werden können. In der Praxis gut umsetzbare Vorschläge zur Gestaltung einer modernen Arbeitsplatzkultur hat beispielsweise die Initiative „Familienbewusste Arbeitszeiten“ erarbeitet. Grundlegend erforderlich für die Ablösung der gegenwärtigen Präsenzkultur ist ein verändertes Verständnis von Führung, bei dem sich Vorgesetzte nicht als Kontrolleure, sondern als Coaches und Spielmacher sehen.

Sie schreiben, dass Führungskräfte lernen müssen, unterschiedliche Fähigkeiten verschiedener Altersgruppen wertzuschätzen. Wie sieht derzeit die Realität in den Führungsetagen aus?

Wünsche und Vorstellungen der einzelnen Generationen werden oftmals nicht differenziert wahrgenommen. Im Hinblick auf ältere Beschäftigte herrscht in Unternehmen vielfach die Annahme vor, dass mit zunehmendem Alter eine Abnahme von Leistungsfähigkeit verbunden ist. In der Konsequenz führt dies oftmals dazu, dass ältere Kollegen nur noch die Routine-Aufgaben erhalten und Talent Management sich auf die jungen Beschäftigten konzentriert. Hier ist ein Umdenken erforderlich, denn zumindest für Management-Positionen kann man nicht von einem Leistungswandel ausgehen. Vielmehr treffe ich in vielen Unternehmen auf Baby Boomer, die nach einer lebensphasenbedingten Karrierepause mit 50plus noch einmal durchstarten und herausfordernde Aufgaben übernehmen wollen. Und im Hinblick auf die Generation Y höre ich vielerorts von etablierten Kollegen, dass sich die Jungen doch mehr anpassen sollen, denn schließlich habe man sich selber ja auch beim Berufseinstieg anpassen und sich erst die Sporen verdienen müssen. Verkannt wird dabei, dass sich die Rahmenbedingungen geändert haben. Die junge Generation kann ihre Arbeitsbedingungen zukünftig verhandeln und wird dies auch tun.

Zur Person
Professor Dr. Martin Klaffke lehrt Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Personal und Organisation, an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin und leitet das Hamburg Institute of Change Management. Als Berater und Top Management Coach unterstützt er Unternehmen im In- und Ausland in Fragen des strategischen Personalmanagements sowie bei der Gestaltung von nachhaltigen Veränderungsprozessen. In seinem Buch "Generationen-Management" zeigt er auf, wie Unternehmen eine Mehr-Generationen-Belegschaft gezielt entwickeln können. Ein weiteres Praktikerhandbuch zur Generation Y hat Prof. Klaffke mit dem Titel "Personalmanagement von Millennials" vorgelegt.
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