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2012 | Book

Marktwirtschaften unter dem Druck globalisierter Finanzmärkte

Finanzsysteme und Corporate-Governance-Strukturen in Deutschland und Italien

Author: David Furch

Publisher: VS Verlag für Sozialwissenschaften

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About this book

Befinden sich kontinentaleuropäische Marktwirtschaften in einem fundamentalen Wandlungsprozess? Spätestens seit den 1990er-Jahren haben die Globalisierung der Finanzmärkte und die Liberalisierungsschritte der Europäischen Union einen Prozess eingeleitet, der nationale Finanzsysteme und Corporate-Governance-Strukturen unter massiven Veränderungsdruck setzt. David Furch zeigt, dass sich trotz ähnlicher Reformbestrebungen in Deutschland und Italien unterschiedliche Reformergebnisse beobachten lassen: Während sich in Deutschland moderate Anzeichen für eine stärkere Betonung liberaler Strukturen finden lassen, bleibt das italienische System unter seiner Oberfläche vergleichsweise stabil. Selbst die umfangreiche Stärkung von Transparenzstandards und Minderheitsaktionärsrechten konnte die etablierten Kontrollstrukturen des Familienkapitalismus kaum aufbrechen. In Deutschland hingegen hat vor allem der Strategiewechsel der Großbanken zu einer Auflösung des Insider-Netzwerkes geführt.

Table of Contents

Frontmatter
1. Einleitung und übergeordneter theoretischer Bezugsrahmen
Zusammenfassung
Befinden sich kontinentaleuropäische Marktwirtschaften in einem fundamentalen Wandlungsprozess? Spätestens seit den 1990er Jahren hat durch die Globalisierung der Finanzmärkte und die Liberalisierungsschritte der Europäischen Union ein Prozess eingesetzt, der koordinierte Wirtschaftssysteme unter verstärkten Anpassungsdruck setzt. Dabei ist sich die sozialwissenschaftliche Forschung darüber einig, dass sich Marktwirtschaften – aufgrund jeweils besonderer institutioneller Konfigurationen und einer damit verbundenen eigenen Systemlogik – grundsätzlich voneinander abgrenzen lassen. Prominent ist dabei vor allem die Unterscheidung zwischen liberalen und koordinierten Marktwirtschaften. In Bezug auf Corporate Governance-Strukturen zeichnen sich liberale Marktwirtschaften durch externe, den Markt betonende Koordinierungsmechanismen aus, während in koordinierten Marktwirtschaften typischerweise interne, nicht-marktliche Mechanismen der Interessenkoordination vorherrschen. Innerhalb der Gruppe dieser sog.
David Furch
2. Finanzsysteme und Corporate Governance-Strukturen
Zusammenfassung
Finanzsysteme leiten Spareinlagen in produktive Sektoren, wo sie als Investitionen Innovation und damit Wirtschaftswachstum erzeugen. Die Beziehung zwischen Sparern (vor allem Privathaushalte) und Investoren (insbesondere Unternehmen) lässt sich grundsätzlich über zwei unterschiedliche Wege herstellen: entweder über indirekte Intermediäre, beispielsweise über Banken, oder auf direktem Weg über den Wertpapiermarkt. Banken sammeln Ersparnisse, bewerten die Sicherheiten der Einlagen und evaluieren die Investitionsrisiken. Wertpapiermärkte hingegen stellen einen direkten Kontakt zwischen Sparern (Anlegern) und Schuldnern (Unternehmen) her, wobei die Bewertung der Unternehmen durch Analysten und durch öffentlich publizierte Daten sichergestellt wird.
David Furch
3. Historische Entwicklungen
Zusammenfassung
Die Entwicklung des deutschen Universalbankensystems lässt sich in drei unterschiedliche Phasen einteilen. Zu Beginn der Industrialisierung nahmen einflussreiche Universalbanken – unterstützt durch den Staat als Förderer der Infrastruktur – die wirtschaftliche Entwicklung in die Hand. Allerdings war die langfristige Industrieförderung oft nicht Strategie, sondern eher aus der Not geboren, da die Banken Kredite notleidender Unternehmen in Aktienkapital umwandelten, das jedoch aufgrund der unterentwickelten Aktienmärkte mittelfristig nicht verkäuflich war. Fortan sollten sich enge Netzwerke zwischen Banken und Industrie entwickeln, die durch eine staatliche Kartellpolitik flankiert wurden. Während der Weimarer Republik und vor allem der Herrschaft der Nationalsozialisten verstärkte sich die Kartellisierung der Wirtschaft und somit die Beschränkung des Wettbewerbs. Die Weltwirtschaftskrise führte zu einer Konzentration in vielen Sektoren und intensivierte die Verflechtung zwischen Finanzsektor und Industrie.
David Furch
4. Veränderungen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen
Zusammenfassung
Spätestens seit den 1980er Jahren hat eine globale wirtschaftliche Integration eingesetzt, die zu einem gewaltigen Wachstum der Finanzmärkte geführt hat. Nachdem das System der festen Wechselkurse von Bretton Woods zusammengebrochen war, sind Kapitalverkehrskontrollen sukzessive abgebaut worden und haben zu einer Intensivierung wechselseitiger Kapitalströme geführt. Die Aufwertung des Investmentbanking, das Anwachsen privater Vermögen und die Einführung und der Ausbau kapitalgedeckter Alterssicherungssysteme haben dann zu einem Aufstieg institutioneller Investoren geführt.
David Furch
5. Entwicklung seit den 1990er Jahren: Deutschland
Zusammenfassung
Spätestens seit der deutschen Wiedervereinigung hat in Deutschland ein Prozess eingesetzt, der marktlichen Strukturen eine weitaus höhere Bedeutung zumisst. Übergeordnetes Ziel war dabei die Förderung des deutschen Finanzmarktes. Dieses sollte durch zwei Arten von Reformschritten erreicht werden. Einerseits durch die Privatisierung weiter Teile der staatlichen Unternehmen und der Einführung einer kapitalgedeckte Zusatzrente. Flankierend dazu wurden zahlreiche Gesetzesinitiativen direkt an die Corporate Governance der Unternehmen gerichtet. Diese zielten vor allem auf die Erhöhung von Transparenz und die Stärkung der Rechte von Streubesitzaktionären ab und sollten so die Attraktivität deutscher Unternehmen für inländische und ausländische Investoren erhöhen.
David Furch
6. Entwicklungen seit den 1990er Jahren: Italien
Zusammenfassung
Spätestens seit den 1990er Jahren hat in Italien ein Prozess eingesetzt, der weitreichende Veränderungen des Finanzsystems und der Regelungen der Corporate Governance zum Ziel hatte. Dabei spielte neben der Globalisierung der Finanzmärkte und der finanzmarktfördernden Rolle der Europäischen Union auch die intensive politische Krise Italiens ein herausragenden Rolle. Diese äußerte sich einerseits durch den Zusammenbruch des Parteieinsystems aufgrund umfassender Korruptionsskandale zu Anfang der 1990er Jahre und andererseits durch Mordattentate der Mafia auf Vertreter des Rechtsstaates wie Giovanni Falcone und Paolo Borsellino. Aufgrund des instabilen politischen, aber auch wirtschaftlichen Systems kam es Mitte 1992 zu einer spekulativen Attacke gegen die Lira, die zu einer Abwertung von ungefähr 20 Prozent gegenüber der Mark und schließlich zum zeitweiligen Ausschluss Italiens aus dem Europäischen Wirtschafts- und Währungssystem führte. Gleichzeitig verbuchten die Staatsunternehmen schon seit den 1980er Jahren eklatante Verluste und trugen maßgeblich zur rapide wachsenden Staatsverschuldung bei, die Anfang der 1990er Jahre die Schwelle von 100 Prozent des BIP durchbrach.
David Furch
7. Fazit
Zusammenfassung
Institutioneller Wandel ist ein komplizierter Prozess, der nicht zwangsläufig in eine Richtung verläuft. Unterschiedliche Arten von Entwicklungen können nebeneinander bestehen, die einander entgegenlaufen, sich überlagern, bestärken oder aufheben. Ebenfalls kann radikaler Wandel an der Oberfläche von Institutionen ablaufen, gleichzeitig aber ihren Kern unberührt lassen (vgl. Culpepper 2005, 2007; Goyer 2006; Hall 2007; auch Sorge 2005: 142-183). Die Änderung von Gesetzen stellt einen solchen Wandel dar, der nicht notwendigerweise tradierte Verhaltensweisen umgestaltet. Hierbei bietet sich die Unterscheidung zwischen formellem (gesetzlichem) und informellem (faktischem) Wandel an. Die Änderung von Gesetzen kann informellen Wandel nach sich ziehen, muss dies aber nicht zwangsläufig.
David Furch
Backmatter
Metadata
Title
Marktwirtschaften unter dem Druck globalisierter Finanzmärkte
Author
David Furch
Copyright Year
2012
Publisher
VS Verlag für Sozialwissenschaften
Electronic ISBN
978-3-531-94202-5
Print ISBN
978-3-531-18555-2
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-531-94202-5