Götterspeise, Zahnpasta und Marmelade sind Beispiele für gelartige Substanzen. Gele sind grundsätzlich elastisch und charakterisiert durch ihre netzartigen Strukturen, deren Hohlräume mit Lösemittel (Hydrogele) oder Luft (Aerogele) gefüllt sind. "Mit der Entwicklung der Polymerchemie setzte eine neue Phase bei der Erforschung der Gele ein, da man in der Lage war, Struktur und Eigenschaften der Substanzen gezielt zu steuern", heißt es bei den Springer-Autoren Günter Jakob Lauth und Jürgen Kowalczyk auf Seite 429 in ihrer "Einführung in die Physik und Chemie der Grenzflächen und Kolloide".
Die Arbeitsgruppe um den Konstanzer Chemiker Helmut Cölfen verändert die Eigenschaften solcher Gele systematisch mit dem Ziel, Kunststoffe für spezielle Anwendungen zu erhalten. Jüngst haben die Wissenschaftler einen neuartigen "Mineral-Kunststoff" vorgestellt, der sich strukturell an Biomaterialien anlehnt. Der Kunststoff ist ein Hydrogel, das bei Raumtemperatur aus Kalk (amorphem Kalziumkarbonat) und Polyacrylsäure in Wasser hergestellt werden kann. Das ohne Energiezufuhr bei Raumtemperatur entstehende Hydrogel ist formbar und selbstheilend, da sich etwa Risse durch die Zugabe eines Tropfen Wassers von selbst verschließen, wie die Konstanzer Wissenschaftler in ihrem Fachartikel berichten. Auch das Zusammenfügen zweier (Bau-)Teile sei auf dieselbe Weise möglich. In getrocknetem Zustand habe das Hydrogel die Konsistenz einer Krabbenschale und sei biegsam.
Die Synthese des neuen Kunststoffs entspricht nach Angaben der Konstanzer Arbeitsgruppe dem Leitbild der "Grünen Chemie" und wurde inspiriert durch Mineralisationsprozesse in der Natur, die auf Basis von Kalziumkarbonat ablaufen. "Das Verfahren der Herstellung des Hydrogels ist unmittelbar für die Industrie adaptierbar, zumal die Ausgangsmaterialien kostengünstig großtechnisch hergestellt werden", sagt Cölfen. Das nicht-toxische plastische Material könne in Zukunft klassische Kunststoffe teilweise ersetzen und somit zur Lösung von Umweltproblemen beitragen. Und dadurch, dass das Material durch Wasserzugabe leicht und ohne Energieaufwand umgeformt werden könne, sei das Recycling problemlos: Durch Zugabe einer schwachen Säure, etwa von Essig- oder Zitronensäure, löse es sich sprudelnd durch Freisetzung von Kohlendioxid auf, wobei eine ungiftige Polyacrylsäure zurückbleibe.