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2017 | Book

Medium als Vermittlung

Medien und Medientheorie in Japan

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About this book

Diese Publikation ist die erste umfassende Abhandlung in Buchlänge über die Geschichte der Massenmedien und Medientheorie im Japan des 20. und 21. Jahrhunderts. Eingegangen wird nicht nur auf den medienhistorischen Wandel, der als Übergang vom Leitmedium Presse, über das Fernsehen, die „Neuen (elektronischen) Medien“ bis hin zu den „Neuen (digitalen) Medien“ umrissen werden kann, sondern auch auf die sich auf das Leitmedium der jeweiligen Epoche beziehenden Medientheorien. Das Buch leistet so auch einen produktiven Beitrag zur rege diskutierten medienphilosophischen Frage „Was ist das Medium?“ Es wird argumentiert, dass das Medium als „ludische Vermittlung“ verstanden werden kann, die sich mit dem Aufkommen digital-interaktiver Medienapparate in diesen letztlich selbst verwirklicht hat.

Table of Contents

Frontmatter
Chapter 1. Einleitung
Über die Notwendigkeit einer philosopischgeographischen Dezentrierung der Medientheorie
Zusammenfassung
Die vorliegende Schrift stellt den Versuch dar, die Medientheorie und ihre Geschichte sowohl geographisch als auch philosophisch zu „dezentrieren.“ In erster Linie soll dadurch in die bis heute vorherrschende, räumlich-hegemoniale Wissensordnung interveniert werden, die sich dem Japanwissenschaftler Naoki Sakai (2002: v-vi) zufolge durch zwei asymmetrische Ströme von Wissen und Informationen auszeichnet: Erstens hat man es mit einem zentripetalen Fluss von „Rohmaterial“ – also statistisch oder anthropologisch auswertbare Daten oder kulturwissenschaftlich-hermeneutisch interpretierbare (populär-)kulturelle oder mediale Quellen – zu tun, die aus der „nicht-westlichen“ Peripherie (Japan) in „den Westen“ importiert und dort untersucht und beschrieben werden; zweitens existiert zudem ein zentrifugaler, umgekehrter Fluss von vermeintlich universellen wissenschaftlichen Theorien aus den „westlichen“ akademischen Zentren (USA, Frankreich, Deutschland, Großbritannien usw.) in die Peripherie, die die marginalisierten Wissenschaftler darin anleiten, wie sie ihre eigenen (Medien-)Gesellschaften zu interpretieren haben.
Fabian Schäfer

1920-1937: Das Medium als „Mittel“, „Zwischen“ und „Vermittlung“ in der formativen Phase des medientheoretischen Diskurses

Frontmatter
Chapter 2. Zeitungswissenschaftlich- sozialpsychologische Medientheorien: Medium als „Mittel“ (kikan, ējento, enchō)
Zusammenfassung
Das zentrale „Leitmedium“ der japanischen Moderne ist von der Meiji-Zeit (1868-1912) bis in die frühe Shōwa-Zeit (1924-1989) hinein die Presse. Auf deren Geschichte soll im Folgenden ausführlicher eingegangen werden, da sie sich als prägend für die japanische Mediengeschichte und den dazugehörigen theoretischen Diskurs insgesamt erweisen wird. Im Jahrhundert ihrer Entstehung wird die Presselandschaft in Japan – ähnlich wie auch in Europa – bis in die 1880er Jahre hinein zunächst durch Zeitungen mit einem politischen Hintergrund geprägt. Heinz-Dietrich Fischer definiert diese sogenannte Tendenzpresse als „spezielle Erscheinungsform von Periodika, welche dauernd oder für einen bestimmten Zeitraum durch direkte Abhängigkeit, indirekten Konnex oder bloßes Sympathisantentum die Zielsetzung einer politischen Gruppe mehr oder weniger prononciert vertreten“ (Fischer 1981: 9).
Fabian Schäfer
Chapter 3. Volkskundliche Medientheorie: das Geistermedium (kuchiyose) als ontologisch-ambivalentes „Zwischen“ (chūkai)
Zusammenfassung
Mit dem Begriff „Liminalität“ beschreibt der Ethnologe Victor Turner den ontologisch-ambivalenten Schwellenzustand des Zwischen, der auf gleichzeitige An- und Abwesenheit oder Existenz und Nicht-Existenz von etwas verweist und der sowohl Orte als auch den sozio-kulturellen Status einer Person bezeichnen kann.
Fabian Schäfer
Chapter 4. Philosophische Medientheorie: Medium als „Vermittlung“ (baikai) im medienphilosophischen Denken der Kyōto-Schule
Zusammenfassung
Spätestens in den 1960er Jahren regt sich Kritik an der bis dahin anhaltenden einseitigen Betrachtungsweise des Mediums als „Mittel“ in der Zeitungswissenschaft, wie sie im zweiten Kapitel geschildert wurde. Der Soziologe Inaba Michio (1969: 112; meine Hervorhebung) beklagt, dass „auch wenn in der ‚Zeitungswissenschaft‘ (shinbungaku) ausführlich debattiert wird, ob es sich bei der Presse um ein Medium oder um ein Massenmedium handelt, der theoretischen Bedeutung dieser Annahme, nämlich ob etwas Medium oder Massenmedium ist, bis dato nicht einmal ansatzweise Beachtung geschenkt“ worden sei.
Fabian Schäfer
Chapter 5. Exkurs – 1937-1945: „Implosion“ des medientheoretischen Diskurses
Zusammenfassung
Der sich im Juli des Jahres 1937 ereignende sogenannte Vorfall an der Marco-Polo-Brücke (Rokōkyō jiken) markiert den Ausbruch eines offenen Kriegs mit China, der das Resultat und den vorläufigen Höhepunkt einer bereits seit Jahrzehnten andauernden imperialistischen Invasion Japans auf dem asiatischen Festland darstellt. Innenpolitisch resultiert dieses Ereignis in der Gründung der patriotischen „Bewegung zur geistigen Mobilmachung des Volkes“ (Kokumin seishin sōdō’in undō) durch Premierminister Konoe Fumimaro (1891-1945) im Oktober des gleichen Jahres und der Verabschiedung eines „Gesetzes zur Generalmobilmachung der Nation“ (Kokka sōdō’in-ho) im darauffolgenden Jahr, das die gesamte Nation auf einen drohenden totalen Krieg vorbereiten soll.
Fabian Schäfer

1945–1995: Deontologisierung der vermittelten „Wirklichkeit“ und Desozialisierung in der Massengesellschaft

Frontmatter
Chapter 6. Sozialpsychologisch-behavioristisches Paradigma: „Dominanz der Kopie“ (kopī no shihai) und „Pseudo-Umgebung“ (giji kankyō) im Zeitalter des Fernsehens
Zusammenfassung
Das Ende des Zweiten Weltkriegs, der für Japan eigentlich ein „fünfzehnjähriger Krieg“ war, der mit dem sogenannten Mandschurischen Zwischenfall im Jahre 1931 begonnen hatte, wird von vielen zeitgenössischen Intellektuellen als „neue Öffnung“ (atarashii kaikoku) des Landes wahrgenommen (Tsurumi 2008). Diese bringt eine neue intellektuelle Offenheit mit sich und ermöglicht die Einfuhr neuer Ideen in einem historischen Ausmaß, das nur mit der „ersten Öffnung“ durch die Meiji-Restauration von 1868 vergleichbar ist, die ebenfalls eine lange Phase der Isolation beendete. Während sich die Politik, vor allem die Außenpolitik, in dieser Zeit stark durch einen politischen Realismus auszeichnet, ist der intellektuelle Diskurs von drei konkurrierenden philosophischen „Ismen“ – Marxismus, Existenzialismus und Pragmatismus – dominiert (Shimizu 1957a).
Fabian Schäfer
Chapter 7. Informationsgesellschaftliches Paradigma: „Informatisierung“ (jōhō-ka) im postindustriellen Zeitalter der „Neuen (elektronischen) Medien“
Zusammenfassung
Im Jahre 1956 verkündet das Wirtschaftsweißbuch vollmundig, dass „die Nachkriegszeit“ nun endlich vorbei sei (mohaya ‚sengo‘ de wa nai), die Entbehrungen der unmittelbaren Nachkriegszeit scheinen damit ein für allemal vergessen. Der Slogan entwickelt sich schnell zu einem geflügelten Wort für die japanische Variante des „Wirtschaftswunders.“ Zwischen 1953 und 1963 steigert sich das japanische Bruttoinlandsprodukt jährlich um mehr als 10 %, womit es in nur zehn Jahren auf das mehr als Dreifache des Niveaus der Vorkriegszeit (1934-1935) anwächst (Gordon 2003: 246-247).
Fabian Schäfer
Chapter 8. Postmodernes Paradigma: „Differenz“ (sa’i) / „Spiel“ (yūgi, asobi), „Diskommunikation“ und „Transparenz des Mediums“ (tōmei-sei)
Zusammenfassung
Mit dem Öl- und Nixon-Schock in der ersten Hälfte der 1970er Jahre erfahren das bis dahin ungebremste wirtschaftliche Hochwachstum und die relativ stabile außenpolitische Beziehung zwischen Japan und den USA eine Erschütterung. Eines der Trendwörter des Jahres 1974 lautet „Eschatologie“ (shūmatsu-ron), was die durch diese Ereignisse ausgelöste allgemeine Verunsicherung in der japanischen Gesellschaft widerspiegelt. Zu dieser eschatologischen Endzeitstimmung tragen auch eine steigende Jugenddevianz und die Auflösung der „Familie“ bei, die zunehmend als fiktionales Konstrukt wahrgenommen wird (Mita 1992, 2006).
Fabian Schäfer

1995-2015: „Resozialisierung“ der Medien – Soziale Medien und „latente Öffentlichkeit“ im digitalen Zeitalter

Frontmatter
Chapter 9. Begriffe einer digitalen Medientheorie: „Konnektivität“ (tsunagari), „Datenbank“ (dētabēsu) und „ludischer Realismus“ (gēmu-teki riarizumu)
Zusammenfassung
Eine Reihe von politischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Ereignissen – wie der mit dem Ende des Kalten Kriegs zusammenfallende Tod des Shōwa-Tennō (1989/90), mit dessen Ableben eines der letzten überlebenden Artefakte der Kriegszeit aus dem Leben scheidet, das Platzen der hochspekulativen Blasenökonomie Anfang der 1990er Jahre, die gesellschaftliche Debatte über eine Teilnahme der Selbstverteidigungsstreitkräfte am Ersten Golfkrieg (1990-1991), das Ende der unangefochtenen Vorherrschaft der Liberaldemokratischen Partei Japans (1993), der Giftgasanschlag der Aum-Sekte und das Kōbe-Erdbeben (beide 1995) – hat dazu geführt, dass die 1990er Jahre als scharfe Zäsur in der japanischen Zeitgeschichte betrachtet werden. Aufgrund der anhaltenden wirtschaftlichen Rezession und politischen Instabilität sprechen manche Beobachter schon von „zwei verlorenen Dekaden“ (ushinawareta nijū-nen).
Fabian Schäfer
Chapter 10. „3/11“: Medienkatastrophe „Fukushima“ und „latente (senzai-teki) Öffentlichkeit“
Zusammenfassung
Am Nachmittag des 11. März 2011 ereignet sich vor der Sanriku-Küste im Nordosten Japans eines der stärksten Erdbeben, das die Inselkette jemals erschüttert hat. Nicht nur das Erdbeben selbst, auch der anschließende Tsunami und vor allem der durch einen Totalausfall des Kühlsystems hervorgerufene kritische Zustand mehrerer Atomreaktoren des Kraftwerks Fukushima versetzen die Menschen in Angst und Schrecken. Es ist jedoch auch die schlechte Informationspolitik öffentlicher Stellen, gepaart mit einem Totalversagen des japanischen Mediensystems, die zu einem katastrophalen Vertrauensverlust in Regierung, Medien und Industrie führt, weshalb die Dreifachkatastrophe aus Erdbeben, Flutwelle und GAU von Beobachtern aufgrund dieses Versagens der Massenmedien auch als Vierfachkatastrophe bezeichnet wird.
Fabian Schäfer
Chapter 11. Der „Gemeinwille 2.0“ (ippan ishi 2.0) als „latente Öffentlichkeit“
Zusammenfassung
In einem in das schmale Bändchen Einbahnstraße aufgenommenen, hoch kondensierten philosophischen Fragment aus dem Jahre 1928 schreibt Walter Benjamin die folgenden bedeutungsvollen Zeilen.
Fabian Schäfer
Chapter 12. Schlussbetrachtung
Zusammenfassung
Wir haben gesehen, dass im 20. und 21. Jahrhundert in Japan sowohl „konventionelle“ (disziplinär eng gebundende) als auch „unkonventionelle“ Medientheorien (also nicht medien- und kommunikationswissenschaftlich disziplinär im engeren Sinne) entstanden sind. Erstere umfassen Theorien, die Medien als Durchgangskanäle oder „Mittel“ zum Zwecke der Übertragung bzw. Verbreitung von Sinn, Bedeutung oder Informationen betrachten. An allererster Stelle zu nennen wäre der Ansatz der japanischen Zeitungswissenschaft (shinbungaku), der in den 1920er Jahren aus der Rezeption der deutschen Zeitungswissenschaft bzw. Zeitungskunde hervorgegangen ist, die sich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts an deutschen Universitäten zu etablieren beginnt.
Fabian Schäfer
Backmatter
Metadata
Title
Medium als Vermittlung
Author
Fabian Schäfer
Copyright Year
2017
Electronic ISBN
978-3-658-13625-3
Print ISBN
978-3-658-13624-6
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-13625-3