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2008 | Book

Migrations- und Integrationsprozesse in Europa

Vergemeinschaftung oder nationalstaatliche Lösungswege?

Editors: Uwe Hunger, Can M. Aybek, Andreas Ette, Ines Michalowski

Publisher: VS Verlag für Sozialwissenschaften

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Table of Contents

Frontmatter

Migrations- und Integrationsprozesse in Europa. Vergemeinschaftung oder nationalstaatliche Lösungswege?

Migrations- und Integrationsprozesse in Europa. Vergemeinschaftung oder nationalstaatliche Lösungswege?
Auszug
Die politische Gestaltung der Zuwanderung und der Integration von Zugewanderten waren lange Zeit ein Hort nationaler Souveränität. Die Entscheidung über Zugang zum und Aufenthalt auf dem nationalen Territorium war ein konstituierendes Element moderner Staatlichkeit. Und Staaten machten von dieser Gestaltungshoheit umfassenden Gebrauch. Sie öffneten die Grenzen für ausländische Arbeitskräfte, regulierten die Zuwanderung von Flüchtlingen und eröffneten oder begrenzten die Möglichkeit für Ausländer, mit ihren Familien aus ihren Herkunftsländern in den neuen Aufenthaltsstaaten zusammen zu leben. Mit einer wachsenden wirtschaftlichen und politischen Integration Europas haben sich die Mitgliedstaaten für die Schaffung gemeinsamer Außengrenzen entschlossen und die Freizügigkeit für EU-Bürger innerhalb dieser Grenzen bestärkt. In diesem Zuge haben die Mitgliedstaaten einige bisher rein nationalstaatlich verortete Aufgaben wie die Bewachung der Grenzen an die EU bzw. einzelne Mitgliedstaaten abgetreten, und auch in anderen Bereichen der Migrationskontrolle haben sich die Mitgliedstaaten für eine supranationale Regelung entschieden. Doch einige Bereiche haben bisher der Vergemeinschaftung widerstanden, wozu etwa die Regulierung der Arbeitsmigration gehört. Häufig wird auch die Integration von Zuwanderern als Themenbereich verstanden, in dem die Nationalstaaten ihre Entscheidungshoheit beibehalten.
Uwe Hunger, Can Aybek, Andreas Ette, Ines Michalowski

Europäisierung der Migrationspolitik

Frontmatter
Der Einfluss des Bundeskanzleramts und des Bundesministeriums des Innern auf die Entwicklung einer europäischen Grenzpolitik
Auszug
Die Sicherung der EU-Außengrenzen stellt für die meisten Unionsbürger nicht nur eine unabdingbare Notwendigkeit dar. Sie ist für sie so selbstverständlich wie der Wechsel von Tag und Nacht. Den Beginn einer europäischen Grenzpolitik kann man auf das Jahr 1984 datieren. Die „Grenzpolitik“ umfasst ein Paket an Zielen und Maßnahmen zum Abbau, zur Verstärkung oder zur Veränderung von Grenzen sowie deren Kontrolle und Überwachung in und um die EU. Die Entwicklung der europäischen Grenzpolitik ist durch drei zentrale Entscheidungen charakterisiert: den Abbau der Kontrollen an den Binnengrenzen 1984, eine Verständigung über die Verstärkung der Außengrenzkontrollen 1990 sowie die Einrichtung einer europäischen Grenzschutzagentur im Jahre 2004. Interessanterweise gehen alle drei Entscheidungen auf deutsche Initiativen zurück.
Mechthild Baumann
Migration von Hochqualifizierten im Kontext der Entwicklung der Einwanderungskonzepte deutscher Parteien
Auszug
Die Migrationsprozesse, die in der Nachkriegsgeschichte Deutschlands stattfanden, verliefen unter anderen Gesichtspunkten als die Migration von hochqualifizierten ausländischen Arbeitnehmern. Die Anwerbungspolitik der 60er Jahre war zwar als wirtschaftliche Maßnahme zur Behebung der Engpässe auf dem deutschen Arbeitsmarkt konzipiert, konzentrierte sich jedoch auf die Aufnahme gering- bis mittelqualifizierter Arbeitskräfte. Die Aufnahme von Aussiedlern, Asylsuchenden und Flüchtlingen hatte andere als wirtschaftliche Hintergründe, schloss jedoch die Einwanderung von Hochqualifizierten nicht aus. Das wirtschaftliche Potenzial dieser Menschen wurde allerdings nicht thematisiert. Ebenfalls nicht thematisiert wurde die Beschäftigung ausländischer Hochqualifizierter aus EU-Ländern, deren Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis durch das EU-Recht geregelt war und ist. Keine besondere Beachtung in der Öffentlichkeit hat auch der befristete Einsatz von höher qualifizierten ausländischen Arbeitnehmern, die zu Beginn der 90er Jahre im Rahmen der Gastrabeiterprogramme für gering- bis qualifizierte Arbeitnehmer aus den ehemaligen sozialistischen Ländern gekommen seien, gefunden (Hunger 2003: 42). Diese Arbeitsmigration wurde jedoch eher im entwicklungspolitischen als im wirtschaftlichen Sinne von der Bundesregierung zugelassen (Hunger 2003).
Klaudia Tietze
Kooperation statt Harmonisierung: Konsequenzen europäischer Governance für die Europäisierung der deutschen Rückkehr- und Abschiebungspolitik
Auszug
Die Institutionalisierung neuer Formen des Regierens in den 1990er Jahren war ein wichtiger Impuls für den gegenwärtigen „Governance-Turn“ in Untersuchungen über die Europäische Union (Kohler-Koch/Rittberger 2006).3 Für gewöhnlich werden diese ‘neuen’ Governance-Formen mit der Aufnahme der ‘offenen Methode der Koordinierung’ (OMK) in den Vertrag von Maastricht gleich gesetzt. Sie beschreiben eine Verschiebung von ‘alten’, hierarchischen Steuerungsinstrumenten hin zur Verwendung von ‘neuen’, kooperativen Formen des Regierens. Ohne an dieser Stelle näher auf die Debatten zum Regieren in Europa einzugehen, sei hervorgehoben, dass ein Großteil der bisherigen Studien auf der konzeptionellen Ebene verharrt. Im Mittelpunkt steht meist das Ziel, Governance definitorisch besser zu fassen und ihre unterschiedlichen Formen zu kategorisieren (für einen Überblick siehe z. B. Knill/Lenschow 2003, Treib et al. 2007). Empirische Studien haben sich hingegen meist mit der Beschreibung der verschiedenen Formen der Governance in der Europäischen Union beschäftigt (für einen Überblick siehe Kohler-Koch/Rittberger 2006, NewGov 2006). Hier steht insbesondere die Untersuchung der Verlagerung von traditionellen zu neuen Formen der Governance im Mittelpunkt (z. B. Bähr et al. i.E., Jordan et al. 2005, Zeitlin et al. 2005). Überraschenderweise gibt es bisher vergleichsweise wenige Studien zum Output und der unterschiedlichen Steuerungskapazität verschiedener Formen des Regierens. Derzeit läuft eine kontroverse Diskussion über die Frage, ob stärker hierarchische oder eher kooperative Formen die größere Bedeutung für die Europäisierung der Mitgliedstaaten haben.
Andreas Ette, Axel Kreienbrink
Regularisierung illegaler Migranten in Spanien und Italien: Planlose Steuerung oder effektive ex post Regulierung?
Auszug
Sind Regularisierungen illegaler Migranten effektive Steuerungsmaßnahmen? Diese Frage steht seit Anfang der 1990er Jahre im Mittelpunkt der internationalen Debatte über irreguläre Migration. Wie De Bruycker, Apap und Schmitter (2000) herausgestellt haben, hat fast jedes Land in Europa mindestens eine Regularisierung durchgeführt. Dennoch sind die Hintergründe und die Implementation dieser Maßnahmen von Land zu Land äußerst unterschiedlich. In nordeuropäischen Ländern sind Regularisierungen in den Asyl- und Flüchtlingsbereich eingebettet. Sie werden in der Regel als individuelle Verfahren durchgeführt, um Langzeit-Asylbewerber zu regularisieren, die keine Chance auf eine Asylanerkennung haben. In diesem Fall müssen die Betroffenen eine Reihe von Bedingungen erfüllen, wie ein gesichertes finanzielles Einkommen oder zumindest die Aussicht auf einen Arbeitsplatz. In südeuropäischen Ländern finden dagegen Regularisierungen als Massenverfahren statt, um Migranten ohne Aufenthaltserlaubnis zu legalisieren. Die Mehrzahl der irregulären Migranten in Europa haben von dieser zweiten Form der Regularisierung profitiert.1
Claudia Finotelli
Europäische Migrationspolitik gegenüber Drittstaatsangehörigen. Ein klubtheoretischer Deutungsansatz zum Vergemeinschaftungswillen der Nationalstaaten
Auszug
Die Staaten der Europäischen Union (EU) verspüren einen Sog, der sie hinzieht zu einer gemeinsam betriebenen, von europäischer Ebene geregelten Migrationspolitik gegenüber Angehörigen von EU-Drittstaaten.1 Als ein Erklärungsansatz wird die Unmöglichkeit der einzelnen Staaten zur erfolgreichen Kontrolle von Migration genannt, als ein weiterer die fortschreitende Integration in angrenzenden Politikbereichen. Vor allem mit dem Programm von Tampere legte die Union einen ambitionierten Fahrplan für die Gestaltung einer ganzheitlichen Migrationspolitik vor. Dieses Konzept sollte die Aspekte Grenzsicherung, Asylsuchende und Flüchtlinge ebenso umfassen wie Familien- und Arbeitsmigration oder Integration und dabei die verflochtenen Beziehungen zwischen diesen Migrationsformen beachten. Im Ergebnis heißt europäische Migrationspolitik bislang allerdings, sich auf Mindestnormen z. B. im Asylbereich und auf Grenzsicherungsmaßnahmen zu einigen, wohingegen die Arbeitskräftezuwanderung Privileg der Staaten bleibt. Mit diesem Aufsatz wird auf Basis der ökonomischen Theorie der Klubs, erweitert um Externalitäten und Größeneffekte bei Integration auf EU-Ebene, ein Erklärungsansatz vorgelegt, der von einem rationalen Optimierungskalkül der Staaten ausgeht. Staaten, so wird behauptet, versuchen den Zufluss der aus ihrer Sicht potentiell guten Risiken zu maximieren, den der schlechten zu minimieren. Sie optieren lediglich dann für eine gesamteuropäische Lösung, wenn diese die eigenen nationalen Strategien potentiell zu verstärken vermag (ohne dabei Freiheitsgrade einzuschränken) oder Problemlösungen erwarten lässt, die auf nationaler Ebene nicht behandelbar wären.
Simon Fellmer
Die Entstehung einer integrationspolitischen Agenda auf der Ebene der Europäischen Union
Auszug
In der relevanten wissenschaftlichen Literatur wurden die Gründe, die zur Europäisierung der Migrationspolitik führten, bereits ausführlich diskutiert (Angenendt 2002, Collinson 1993, Geddes 2000a, 2003, Guiraudon 2000, Tomeí 2001, Turnbull/Sandholtz 2001). Dabei wurden die Sicherheitsbedürfnisse und die gemeinsamen Vorteile der Nationalstaaten bei einer Kooperation im Rahmen der Einwanderungspolitik betont. Auch die Rolle der Nichtregierungsorganisationen (NROs) wurde in diesem Zusammenhang untersucht (Favell 1998, Geddes 2000b). Der daran anschließende Prozess der Entstehung einer gemeinsamen Integrationspolitik, welche sich auf die Rechtsstellung von Drittstaatsangehörigen2 bezieht, erhielt hingegen weniger Aufmerksamkeit (Carrera 2006)3 und ist daher Gegenstand dieser Untersuchung (Rosenow 2007a, b).
Kerstin Rosenow

Soziale Prozesse der Integration in Europa

Frontmatter
Institutioneller Kontext und individuelle Bildungserfolge: Die Wirkung des Bildungssystems auf die Schulerfolge von Einwandererkindern in Europa
Auszug
In den letzten Jahrzehnten sind die europäischen Gesellschaften aufgrund interner wie auch globaler Herausforderungen einem turbulenten wirtschaftlichen und politischen Wandel ausgesetzt. Dieser Wandel zieht zudem Veränderungen der wohlfahrtsstaatlichen Strukturen nach sich — in den meisten Fällen hin zur Kürzung von pauschalen Sozialleistungen und zu einem Mehr an Verantwortung für den Einzelnen. Die Verlierer dieses Wandels sind insbesondere Menschen mit niedrigeren oder nicht marktgängigen Bildungsqualifikationen, von denen ein beträchtlicher Teil einen Migrationshintergrund2 aufweist. Arbeitsmarktsegmente für un- oder angelernte Arbeitskräfte, die diesen Niedrigqualifizierten einst Erwerbsmöglichkeiten geboten haben, verlieren in vielen Staaten Europas zunehmend an Bedeutung. Die Kombination aus begrenzten sozialen Mobilitätschancen auf der einen und wohlfahrtsstaatlichen Kürzungen auf der anderen Seite setzt gesellschaftliche Stratifikationsprozesse in Gang, bei denen sich neue „Unterschichten“ herausbilden, die sich zunehmend — neben anderen Merkmalen — durch einen Migrationshintergrund auszeichnen. Unmissverständliche Hinweise für diese Stratifikationsprozesse liefern systematische Leistungs- und Platzierungsunterschiede zwischen einheimischen und zugewanderten Jugendlichen in den Schul- bzw. Berufsbildungssystemen und letztendlich auf dem Arbeitsmarkt.
Aigul Alieva
Jugendliche aus Zuwandererfamilien im Übergang von der Schule in den Beruf — Perspektiven der Lebenslauf- und Integrationsforschung
Auszug
In der Biografie junger Menschen in Deutschland stellt der Übergang von der Schule in das berufliche Ausbildungssystem eine der entscheidenden Phasen dar, durch die das künftige Erwerbsleben vorherbestimmt wird. Der vorliegende Beitrag widmet sich dieser biografischen Phase und nimmt insbesondere die institutionellen Rahmenbedingungen in Augenschein, die diesen Übergang strukturieren. Im Fokus der Darstellung steht dabei die Gruppe der Jugendlichen mit Migrationshintergrund, da diese immer stärker durch das Raster des Berufsbildungssystems fällt.
Can M. Aybek
MigrantInnen der zweiten Generation in Europa: „Ausländerproblem“, „Parallelgesellschaft“ und sozioökonomischer „Niedergang“? Eine empirische Analyse am Beispiel Deutschlands mit Hilfe des Mikrozensus 2005
Auszug
In den letzten zwanzig Jahren haben sich in Europa ursprüngliche Auswanderungs- zu überwiegenden Einwanderungsländern gewandelt (Spanien, Portugal, Italien, Irland) (Inglessi et al. 2004), und die Migration nach Europa wird in den nächsten Jahren weiter zunehmen (Bade 2001). Damit rückt die Frage nach der mittel- und langfristigen Integration2 der MigrantInnen, vor allem aber ihrer Kinder (der sogenannten zweiten Generation), in den Vordergrund.
Gunilla Fincke
Soziale Mobilitätsorientierung in Familien türkischer Herkunft. Zur Wertetransmission aus der Perspektive der zweiten Generation
Auszug
In den letzten 20 Jahren stieg die Zahl qualifizierter Arbeitnehmer mit Migrationshintergrund, die als mittlere und höhere Angestellte in professionellen Berufen beschäftigt sind (vgl. Münz et al. 1999: 97f., Özcan 2004: 13). Den größten Anteil stellt dabei die Gruppe der zweiten Generation türkischer Arbeitsmigranten dar, deren Eltern als sogenannte Gastarbeiter in den 60er und 70er Jahren nach Deutschland kamen. Sie erreichen im intergenerationellen Vergleich wesentlich höhere berufliche Positionen auf dem Arbeitsmarkt als die erste Generation, schneiden aber gegenüber den deutschen Arbeitnehmern bei gleicher Qualifikation schlechter ab und sind häufiger von Arbeitslosigkeit betroffen (vgl. Özcan 2004: 12). Dennoch werden sie als die beruflich mobilste Gruppe unter den Arbeitnehmern angesehen (vgl. Kogan 2003: 16).
Regina Soremski
Mentoring: Integrationsinstrument für qualifizierte Migrantinnen
Auszug
Die durch Familienzusammenführung oder die Bewilligung politischen Asyls bereits in Deutschland lebenden (hoch-) qualifizierten Migranten werden bei den Programmen der Bundesregierung zur Anwerbung von hochqualifizierten Arbeitskräften systematisch „übersehen“. Die tägliche Praxis der derzeitigen Integrationspolitik — Integrationskurse, Maßnahmen zur Förderung der Berufsausbildung und der beruflichen Weiterbildung, Trainingsmaßnahmen (Schmidt 2001) — sowie Ergebnisse neuer Studien über die Arbeitsmarktintegration von Migranten verweisen darauf, dass eine Reform dieser Maßnahmen nötig ist, um die Integration von (hoch-) qualifizierten Migranten in den Arbeitsmarkt zu verbessern. Dieses Ziel der Verbesserung der ökonomischen Integration (hoch-) qualifizierter Migranten steht im Mittelpunkt eines Integrationsprojektes in Frankfurt am Main. Mit Hilfe des Instruments des Mentorings versucht es die teilnehmenden Migrantinnen durch die Vermittlung von Orientierung in der deutschen Unternehmenskultur und der Stabilisierung des Selbstwertgefühls zu unterstützen, um so in qualifikationsadäquate Beschäftigungsverhältnisse zu gelangen. Das Projekt wird im Rahmen des europäischen Projektes „Integration of Female Migrants in Labour Market and Society. Policy Assessment and Policy Recommendations“ (FeMiPol) evaluiert. Ziel des vorliegenden Beitrages ist es, die Effektivität des Mentorings als Instrument der Integrationspolitik zu analysieren. Des Weiteren sollen aus den Ergebnissen der Evaluation politische Empfehlungen für eine wirksamere Integrationspolitik und ihre Umsetzung in die Praxis abgeleitet werden.
Ana-Violeta Sacaliuc
Peer counselling in der psychosozialen Versorgung von Migranten in Ostdeutschland
Auszug
In einem Interview spricht Frau Gärtner über ihre Arbeit mit Migranten2, die — wie sie selbst — als Angehörige einer Minderheit in Deutschland leben. Ihre professionelle Tätigkeit verortet sie an einer Stelle zwischen „Selbstmord“ und „Glücksfall“. Diese metaphorische Qualifizierung zeigt das Paradox jener Konstellation auf: Betroffenheit schafft emotionale Involviertheit und Zugang zu Klienten. Insofern ist sie ein „Glücksfall“. Sie kann gleichzeitig die notwendige professionelle Distanz zur beruflichen Tätigkeit und damit die physischen und psychischen Ressourcen der Akteure übermäßig beanspruchen, ja gefährden. Das rückt die Arbeit für die Interviewpartnerin in die Nähe eines allmählichen „Selbstmordes“.
Cornelia Fischer
Lokale Bürgerschaft: Kämpfe um politische Rechte und Mitgliedschaft von Migranten in Spanien
Auszug
Das Thema der zivilen und politischen Rechte von Migranten wurde für lange Zeit in der Migrationsforschung kaum beachtet. Bis zum Beginn der 1980er Jahre wurden die in Westeuropa lebenden Migranten überwiegend als unpolitische Gruppe gesehen, politische und wissenschaftliche Aufmerksamkeit erfuhren vor allem soziale und ökonomische Fragen (IMR 1985, Miller 1981). Mit der Erkenntnis, dass sich die ursprünglich temporär geplante Zuwanderung in einen permanenten Zustand verwandelt hatte und die Migranten sich mit ihren Familien dauerhaft in den europäischen Städten niederließen, veränderte sich allmählich auch die politische Perspektive. Die Auseinandersetzung mit zivilen und politischen Rechten gewann zunehmend an Bedeutung, und einige europäische Staaten — allen voran die skandinavischen — führten das Lokalwahlrecht für die bislang von der politischen Partizipation ausgeschlossenen Ausländer ein. Andere Länder folgten und seit dem Maastrichter Vertrag (1992) verfügen zumindest alle Bürger eines EU-Mitgliedstaates über das aktive und passive Lokalwahlrecht, wenn sie in einem anderen EU-Land leben.
Margit Fauser
Backmatter
Metadata
Title
Migrations- und Integrationsprozesse in Europa
Editors
Uwe Hunger
Can M. Aybek
Andreas Ette
Ines Michalowski
Copyright Year
2008
Publisher
VS Verlag für Sozialwissenschaften
Electronic ISBN
978-3-531-91168-7
Print ISBN
978-3-531-16014-6
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-531-91168-7