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Published in: Zeitschrift für die gesamte Versicherungswissenschaft 2/2016

01-05-2016 | Abhandlung

Mittelbare Diskriminierungen bei Unisex-Versicherungstarifen

Author: Jochen Hoffmann

Published in: Zeitschrift für die gesamte Versicherungswissenschaft | Issue 2/2016

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Zusammenfassung

Der Beitrag entwirft ein Konzept für die Anwendung des Verbots mittelbarer Geschlechterdiskriminierungen in der (wegen Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2004/113/EG) speziellen Situation bei Versicherungstarifen. Zur Feststellung einer mittelbaren Diskriminierung bedarf es einer wesentlich stärkeren Betroffenheit eines Geschlechts, die durch einen statistischen Vergleich zwischen Gesamtgruppe und benachteiligter Teilgruppe (abgegrenzt anhand der potentiellen Versicherungsnehmer) festzustellen ist. Aufgrund der Ausstrahlungswirkung des Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2004/113/EG kann der statistisch nachweisbare Risikounterschied für sich nicht die sachliche Rechtfertigung nach § 3 Abs. 2 AGG begründen. Diese Vorschrift verbietet nicht nur unmittelbare Diskriminierungen bei der Versicherungstarifierung, sondern auch die Verwendung von Merkmalen, die aufgrund der statistischen Korrelation das geschlechtsspezifische Risiko mit erfassen. Uneingeschränkt können daher nur Differenzierungen gerechtfertigt werden, die am individuellen Versicherungsverlauf (insbesondere der Schadenshistorie) orientiert sind, da diese der Verhaltenssteuerung dienen. Anderenfalls ist es erforderlich, den kausal mit dem Merkmal verbundenen Risikounterschied von dem darin enthaltenen geschlechtsbedingten Risikounterschied zu trennen.

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Footnotes
1
EuGH, Rs. C‑236/09 (Test Achats), Slg. 2011, I‑800 = NJW 2011, 907 = VersR 2011, 377; hierzu: Heese, NJW 2012, 572; Jurk/Wilhelm BB 2012, 381; Ulbrich, DB 2011, 2775; Purnhagen, EuR 2011, 690; Mönnich, VersR 2011, 1092; Hoffmann, ZIP 2011, 1445; Häußler/Ballmaier, EWS 2011, 280; Binz/Rolfs, VersR 2011, 714; Höfer, DB 2011, 1334; Birk, DB 2011, 819; Lüttringhaus, EuZW 2011, 296; Looschelders, VersR 2011, 421; Kahler, NJW 2011, 894; zur Umsetzung durch die Mitgliedstaaten vgl. auch Mitteilung der Kommission vom 22.12.2011 „Leitlinien zur Anwendung der Richtlinie 2004/113/EG des Rates auf das Versicherungswesen im Anschluss an das Urteil des EuGH in der Rechtssache C‑236/09 (Test-Achats)“, Dokument K (2011) 9497 endg.; ferner Beyer/Britz, VersR 2013, 1219; Hoffmann, VersR 2012, 1073.
 
2
ABl. L 373/38 vom 21.12.2004.
 
3
Kritisch hierzu bereits Hoffmann, VersR 2012, 1073.
 
4
Erstmals hat – soweit ersichtlich – Armbrüster, Das Unisex-Urteil des EuGH (Test-Achats) und seine Auswirkungen, Vorträge und Berichte des ZEW Bonn Nr. 192, 2012, S. 16, auf diese Problematik hingewiesen.
 
5
Grundlegend: EuGH, Rs. C – 170/84 (Bilka), Slg. 1986, 1620 = EuGH NZA 1986, 599.
 
6
Statistisches Bundesamt, Unfälle von Frauen und Männern, 2012, S. 10 (www.​destatis.​de).
 
7
Hoffmann, AcP 214 (2014), 822.
 
8
Vgl. zur Entstehung: Hoffmann, ZIP 2011, 1445, 1446 f.
 
9
EuGH, Rs. C‑236/09 (Test Achats), Slg. 2011, I–800 = NJW 2011, 907, Rn. 30 ff.
 
10
BT-Drucks. 17/11395, S. 20.
 
11
So bereits Hoffmann, VersR 2012, 1073, 1075 f.
 
12
Thüsing, in: Münchener Kommentar z. BGB, § 20 AGG Rn. 12; Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 20 Rn. 6; aA Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 20 Rn. 6.
 
13
BAG NZA 2003, 861, 863. Anzumerken ist, dass das BAG heute nicht mehr zwingend einen statistischen Nachweis verlangt, vgl. BAG NZA 2011, 1361 (Rn. 27); BAG NZA 2010, 947.
 
14
Vgl. Hoffmann, AcP 214 (2014), 822.
 
15
Zur Begründung vgl. ausführlich Hoffmann, AcP 214 (2014), 822, 829 ff.
 
16
Näher Hoffmann, AcP 214 (2014), 822, 825 ff.
 
17
Hoffmann, AcP 214(2014), 822, 826.
 
18
BAG NZA 1998, 599, 601.
 
19
BAG NZA 2011, 1361, 1364; BAG NZA 2010, 947, 950.
 
20
Zu einem solchen Fall BAG NZA 1991, 635, 636, wobei allerdings Beschäftigtengruppen, für die speziellere Versorgungsregelungen getroffen wurden (z. B. Führungskräfte), auszunehmen sind.
 
21
So für § 14 KalkVO a.F. BGH NJW 2004, 2679, 2681.
 
22
Vgl. dazu European Commission, Report on Progress on equality between women and men in 2013, Commission staff working document SWD (2014) 142 final vom 14.04.2014, S. 28, wonach bei großen börsennotierten Gesellschaften in Deutschland nur 21,5 % der Organmitglieder weiblich sind.
 
23
Vgl. Jahresbericht 2012 der BStBK, S. 40.
 
24
Vgl. BRAK, Große Mitgliederstatistik (www.​brak.​de).
 
25
Statistisches Bundesamt, Fachserie 12 Reihe 7.3.1, 2011, S. 13 (www.​destatis.​de).
 
26
Vgl. Verband PKV, Zahlenbericht der Privaten Krankenversicherung 2011/12, S. 29.
 
27
Vgl. Bundesministerium für Gesundheit, Monatsstatistik der gesetzlichen Krankenversicherung, Jahresdurchschnitt 2012, S. 3 (berechnet aus Schlüsselnummer 10299).
 
28
Für die Berechnung wurden folgende Zahlen aus dem soeben zitierten Statistiken zugrunde gelegt: In der PKV sind insges. 7.334.600 erwachsene Personen vollversichert, davon 4.554.600 Männer (Stand 2011); in der GKV sind 5.172.196 Personen freiwillig versichert, davon 3.536.268 Männer, ergibt insgesamt 12.506.796 potentiell privat Versicherte, davon 8.090.868 Männer (64,69 %).
 
29
BAG NZA 1987, 445, 446.
 
30
So bereits allgemein Hoffmann, AcP 214 (2014), 822, 828.
 
31
Die Daten wurden berechnet aus BAFin, Jahresgemeinschaftsstatistik über den Schadenverlauf in der Kfz-Haftpflichtversicherung 2012, S. 5 (erhältlich über www.​bafin.​de).
 
32
Hoffmann, AcP 214 (2014), 822.
 
33
Zur Begründung der Vorzugswürdigkeit dieses Vergleichs (und zu alternativen Vergleichsmethoden) vgl. ausführlich Hoffmann, AcP 214 (2014), 822, 829 ff.
 
34
Ausführliche Nachweise aus der Rechtsprechung bei Hoffmann, AcP 214 (2014), 822, 838.
 
35
Näher: Hoffmann, AcP 214 (2014), 822, 840 ff.
 
36
Zur Begründung dieses Grenzwerts vgl. ausführlich Hoffmann, AcP 214 (2014), 822, 842 ff.
 
37
Vgl. dbb beamtenbund und Tarifunion, Zahlen Daten Fakten, Januar 2015, S. 11.
 
38
Vgl. GDV, AKB 2015, Berufsgruppe B.
 
39
Vgl. dbb beamtenbund und Tarifunion, Zahlen Daten Fakten, Januar 2015, S. 11.
 
40
Unschärfen entstehen hier durch die nicht selten genutzte Möglichkeit, als Versicherungsnehmer eine andere Person als den öffentlich-rechtlichen Fahrzeughalter oder den zivilrechtlichen Besitzer oder Eigentümer anzugeben. Rückschlüsse auf die Zusammensetzung der Gesamtgruppe lässt dabei die Tatsache zu, dass nur 33,6 % der Pkw-Fahrzeughalter weiblich sind, vgl. Kraftfahrtbundesamt, Jahresbilanz des Fahrzeugbestandes am 1.1.2015, erhältlich über www.​kba.​de.
 
41
BAG NZA 2011, 1361, 1363, Rn. 27; BAG NZA 2010, 947, 950, Rn. 21.
 
42
Hierzu näher: Hoffmann, AcP 214 (2014), 822, 835 ff.
 
43
Hier wird beispielhaft die Abgrenzung der HUK Coburg herangezogen, zugänglich über www.​huk.​de.
 
44
Männeranteil liegt hier bei ca. 88 %, vgl. Statistisches Bundesamt, Ausgewählte Berufe mit hohem Männeranteil 2009, Statista, http://​de.​statista.​com/​statistik/​daten/​studie/​169430/​umfrage/​berufe-mit-hohem-maenneranteil/​ (letzter Besuch 14. September 2015).
 
45
Der Männeranteil bei den Gesellenprüfungen im Handwerk liegt seit 1980 stabil zwischen 72 % und 78 %, vgl. ZDH, Anzahl der bestandenen Gesellen- bzw. Abschlussprüfungen im deutschen Handwerk nach Geschlecht von 1980 bis 2014, Statista, http://​de.​statista.​com/​statistik/​daten/​studie/​244759/​umfrage/​bestandene-gesellen-bzw-abschlusspruefun​gen-im-deutschen-handwerk-nach-geschlecht/​ (letzter Besuch 14. September 2015).
 
46
Der Frauenanteil bei den Tierpflegern betrug im Jahr 2011 49,3 %, vgl. die Statistik des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung für die Berufsordnung 044 „Tierpfleger/innen und verwandte Berufe“ (erhältlich über http://​bisds.​infosys.​iab.​de).
 
47
Der Frauenanteil an den tierärztlich Tätigen in Deutschland beträgt 61,7 % (Stand 2014), vgl. Statistik 2014 der Bundestierärztekammer, Deutsches Tierärzteblatt 2015, 670, erhältlich über www.​bundestieraerzte​kammer.​de.
 
48
Nach den genannten Statistiken gibt es in Deutschland ca. 22.000 Tierpfleger/innen und ca. 28.500 tierärztlich Tätige. Zum Vergleich liegt die Beschäftigtenzahl im deutschen Handwerk bei ca. 5,38 Mio. Personen, vgl. ZDH, Entwicklung der Anzahl der Beschäftigten im deutschen Handwerk von 1998 bis 2014 (in 1000), Statista, http://​de.​statista.​com/​statistik/​daten/​studie/​5156/​umfrage/​entwicklung-der-anzahl-an-beschaeftigten-im-deutschen-handwerk/​ (letzter Besuch 14. September 2015).
 
49
So bereits Hoffmann, VersR 2012, 1073, 1075 f.
 
50
Näher oben 2.
 
51
Vgl. Statistisches Bundesamt, Ausgewählte Berufe mit hohem Männeranteil 2009, Statista, http://​de.​statista.​com/​statistik/​daten/​studie/​169430/​umfrage/​berufe-mit-hohem-maenneranteil/​ (letzter Besuch 16. September 2015).
 
52
Die Wahrscheinlichkeit, im Laufe des Erwerbslebens berufsunfähig zu werden, liegt bei Männern allgemein und in allen Altersgruppen zwischen 4 % und 5 % höher als bei Frauen, vgl. Focus, Wahrscheinlichkeit, bis zur Rente mit 65 berufsunfähig zu werden nach Altersgruppen, Statista, http://​de.​statista.​com/​statistik/​daten/​studie/​28002/​umfrage/​wahrscheinlichke​it-der-berufsunfaehigke​it-bis-zur-rente-mit-65/​ (letzter Besuch 16. September 2015).
 
53
Vgl. Gothaer & F.A.Z.-Institut, Anteil der Berufstätigen in Deutschland, die eine Berufsunfähigkeitsversicherung abgeschlossen haben, nach Geschlecht, Statista, http://​de.​statista.​com/​statistik/​daten/​studie/​237869/​umfrage/​umfrage-zum-abschluss-einer-berufsunfaehigke​itsversicherung-nach-geschlecht/​ (letzter Besuch 16. September 2015).
 
54
Vgl. die Übersicht map-report 2011(781–783) (www.​map-report.​com).
 
55
Vgl. hierzu bereits Hoffmann, ZIP 2011, 1445, 1446; Schwintowski, VersR 2011, 164, 167.
 
56
Nach den Daten der Gesundheitsberichterstattung des Bundes (www.​gbe-bund.​de) waren im Jahr 2009 30,5 % der männlichen und 21,2 % der weiblichen Bevölkerung über 15 Jahre Raucher, was einen Diskriminierungsgrad in der Nähe von 1,5 auf den ersten Blick als wahrscheinlich erscheinen lässt. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass auch die Gesamtgruppe in der privaten Krankenversicherung nicht paritätisch zusammengesetzt, sondern von einem Männeranteil von 64,7 % auszugehen ist (s. oben FN 28). Entspräche das Rauchverhalten dieser Gesamtgruppe dem der Gesamtbevölkerung, ergäbe sich in der benachteiligten Gruppe der Raucher eine Geschlechterverteilung von 72,7 % zu 27,3 %. Hieraus errechnet sich ein Diskriminierungsgrad von 1,43, also ein Wert knapp unterhalb der Schwelle der mittelbaren Diskriminierung. Eine Aussage ließe sich aber ohnehin nur treffen, wenn Daten über das Rauchverhalten in der relevanten Gesamtgruppe vorlägen. Zu erwarten ist eine Abweichung von der Gesamtbevölkerung, da bei den nicht der Versicherungspflicht in der GKV unterliegenden Personen (Beamte, Selbständige und Bezieher von Arbeitseinkommen oberhalb der Versicherungspflichtgrenze) die oberen Bildungsgruppen überrepräsentiert sind und das Rauchverhalten stark bildungsabhängig ist (Raucheranteil von 31,6 % in der unteren Bildungsgruppe gegenüber 21,8 % in der oberen Bildungsgruppe).
 
Metadata
Title
Mittelbare Diskriminierungen bei Unisex-Versicherungstarifen
Author
Jochen Hoffmann
Publication date
01-05-2016
Publisher
Springer Berlin Heidelberg
Published in
Zeitschrift für die gesamte Versicherungswissenschaft / Issue 2/2016
Print ISSN: 0044-2585
Electronic ISSN: 1865-9748
DOI
https://doi.org/10.1007/s12297-016-0334-1

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