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2014 | Book

Nano Risiko Governance

Der gesellschaftliche Umgang mit Nanotechnologien

Editors: André Gazsó, Julia Haslinger

Publisher: Springer Vienna

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About this book

Die in diesem Buch behandelten Themen reichen von der Analyse der bestehenden gesetzlichen Maßnahmen (Hard Law) bis hin zu Instrumenten mit eher freiwilligem Charakter. Darüber hinaus ist auch der öffentliche Diskurs über Nanotechnologien von Interesse wie er etwa in den Medien geführt wird. Dieses Buch gibt einen Überblick über verschiedene Ansätze der Nano Risiko Governance, wobei sowohl wissenschaftliche als auch behördliche Standpunkte präsentiert werden.

Nanotechnologie wird oft als die „Schlüsseltechnologie“ des 21. Jahrhunderts bezeichnet. Die Erwartungshaltung hinsichtlich innovativer Produkte und neuer Marktpotenziale ist nach wie vor hoch. Produkte mit neuen Funktionalitäten oder revolutionäre Entwicklungen im Bereich der Medizin sollen in Zukunft unser Leben verbessern. Neben möglichen Vorteilen bedürfen aber auch allfällige Risiken künstlich hergestellter Nanomaterialien einer eingehenden Betrachtung und stehen daher zunehmend im Fokus der Forschung. Wie bei allen neuen Technologien stellt sich auch bei den Nanotechnologien die Frage, wie die Gesellschaft mit ihnen umgehen und zu welchen Zwecken sie sie einsetzen soll. Dieser gesellschaftliche Umgang mit möglichen Gefahren (Risiko Governance) ist sowohl auf nationaler als auch auf EU-Ebene von unterschiedlichen Ansätzen und Regulierungskulturen geprägt.

Table of Contents

Frontmatter

Grundlagen

Frontmatter
1. Nanopartikel – Gesundheitliche Gefahren
Zusammenfassung
Nanomaterialien zeichnen sich durch ihre extrem kleine Strukturgröße aus und haben das Potenzial für vielfältige industrielle, biomedizinische und elektronische Anwendungen. Viele nanomedizinische Produkte sind bereits in klinischen Studien, auch ist eine Reihe von Anwendungen der Nanotechnologie bereits im Handel erhältlich und viele mehr tauchen täglich auf. Das Wissen über die Exposition des Menschen durch Nanomaterialien ist spärlich. Allerdings löst der Einsatz von Nanopartikeln potenziellen Sicherheits-, Gesundheits-und Umweltschutz Bedenken aus. Trotz der jüngsten Fortschritte in der medizinischen und toxikologischen Forschung ist es noch unklar, wie Nanomaterialien mit biologischem Material interagiert, welche Eigenschaften der Nanomaterialien sind relevant die diese Reaktionen auslösen und eine etablierte dosimetrischen Algorithmus für Nanopartikel fehlt ebenfalls. Es gibt Hinweise darauf, dass einige dieser Materialien die Zellmembran und Gewebe-Barrieren (einschließlich der Blut-Hirn-Schranke) durchdringen. Die Mechanismen die mögliche schädliche Wirkungen auslösen ist wenig bekannt, obwohl die Bildung freier Radikale, die Lipidoxidation und auch Bildung von Granulomen und andere Reaktionen nach Exposition durch Nanopartikeln beschrieben wurden. Die Sicherheitsaspekte der Nanomaterialien sind noch nicht systematisch untersucht um schlüssige Risikobewertungen zu ermöglichen. Daher sind für die Risikobewertung entsprechende Daten erforderlich, wie auch ein Algorithmus zur Berechnung der Dosis.
Myrtill Simkó
2. Umweltauswirkungen künstlich hergestellter Nanomaterialien
Zusammenfassung
Mittels nanotechnologischer Produkte, Verfahren und Anwendungen könnte durch Einsparungen bei Rohstoffen, Energie und Wasser sowie durch Reduktion von Treibhausgasen und problematischer Abfälle ein wesentlicher Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz geleistet werden. Das nachhaltige Potenzial von Nanotechnologie wird oft betont, aber es handelt sich dabei eher um eine wenig belegte Erwartung. Um die tatsächlichen Auswirkungen eines Produktes auf die Umwelt – sowohl Entlastungseffekte als auch mögliche Gefährdungen – feststellen zu können, müsste der gesamte Lebenszyklus betrachtet werden. Einige der wenigen bislang durchgeführten Lebenszyklus-Analysen zeigen für bestimmte Produkte durchaus verringerte Umweltwirkungen bzw. Energie- und Ressourceneinsparungen durch die Verwendung von Nanomaterialien bzw. nanotechnologischer Verfahren. Nicht jedes „Nano-Produkt“ ist a priori umweltfreundlich oder nachhaltig, die Herstellung von Nanomaterialien benötigt oftmals noch viel Energie, Wasser und umweltproblematische Chemikalien.
Derzeit gibt es keine eindeutigen Hinweise darauf, dass künstlich hergestellte Nanopartikel (ENPs ) eine signifikante Gefährdung für die Umwelt darstellen. Allerdings bestehen noch große Wissenslücken in den Bereichen Umweltanalytik, Ökotoxikologie, Umweltexposition und dem Verbleib und Verhalten von künstlichen Nanomaterialien in natürlichen Umweltkompartimenten (Luft, Wasser, Boden und Sediment). Ergebnisse ökotoxikologischer Untersuchungen zu ausgewählten Materialien – Carbon Nanotubes (CNTs), Nanosilber, Nano-Titandioxid (nano-TiO2) werden gesondert beschrieben.
Nanotechnology products, processes and applications have the potential to make important contributions to environmental and climate protection by helping save raw materials, energy and water as well as by reducing greenhouse gases and problematic wastes.
Emphasis is often placed on the sustainable potential of nanotechnology, but this in fact represents a poorly documented expectation. Determining a product’s actual effect on the environment – both positive and negative – requires considering the entire life cycle from the production of the base materials to disposal at the end of its useful life. Only few life cycle analyses have been conducted, but some show clearly reduced environmental impacts or energy and resource savings for certain products that use nanomaterials or nanotechnology processes. Nonetheless, not every “nano-product” is a priori environmentally friendly or sustainable, and the production of nanomaterials often requires large amounts of energy, water and environmentally problematic chemicals.
There is currently no clear evidence that engineered nanoparticles (ENPs) pose a significant threat to the environment. Nonetheless, major gaps in our knowledge exist, espially in the fields of environmental analytics, ecotoxicology, evironmental exposure and fate and behavior of synthetic nanomaterials in natural environmental compartments (air, water, soil and sediment). Findings of ecotoxicological research of selected nanomaterials – carbon nanotubes (CNTs), nanosilver, nano-titan dioxide (nano-TiO2) are pointed out.
Sabine Greßler, Michael Nentwich
3. Grüne und nachhaltige nanotribologische Systeme im Rahmen der globalen Herausforderungen
Zusammenfassung
Grüne und nachhaltige Konzepte finden zusehends Eingang in die Nanotechnologie, und Chancen und Risiken für die Umwelt werden vielfältig sorgfältig abgewogen. Dieses Kapitel befasst sich mit der Erstellung eines Regelwerks für grüne und nachhaltige nanotribologische Systeme. Tribologie ist die Lehre von Reibung, Schmierung und Verschleiß, und ein Tribosystem ist ein System, in dem es Teile in relativer Bewegung gibt. Tribosysteme gibt es also sehr viele in unserer heutigen technischen Welt: Motoren, die Interaktion Autoreifen und Straße, Eislaufen, etc. Die Nanotribologie untersucht tribologisch interessante Materialien, Strukturen und Systeme mit Methoden der Nanotechnologie (z. B. hochauflösender Mikroskopie). Nanotribologische Systeme sind Tribosysteme mit funktionalen Teilen im Nanobereich (1–100 nm). Grüne nanotribologische Systeme zeichnen sich dadurch aus, dass sie entweder für grüne Technologien wichtig sind oder dass sie zum Schutz der Umwelt sowie zur Wiederherstellung bereits geschädigter Ökosysteme beitragen. Die Produzenten nachhaltiger nanotribologischer Systeme stellen sicher, dass zukünftige Generationen dieselben Chancen auf ein erfülltes Leben haben wie wir selbst, durch die Anwendung nachhaltiger Methoden, aber auch durch Minimierung der Auswirkungen auf Mensch und Umwelt. Herausforderungen, Entwicklungen und Chancen dieses neuen Wissenschaftsbereichs werden aufgezeigt und im Rahmen der gravierendsten Probleme, mit denen wir uns derzeit als Menschheit auseinandersetzen müssen, eingebettet. Fünfzehn globale Herausforderungen werden seit 1996 jährlich vom Millennium Project identifiziert. Das Millennium Projekt beinhaltet Organisationen der Vereinten Nationen, Regierungen, Unternehmen, Nichtregierungsorganisationen, Universitäten und Einzelpersonen aus mehr als 50 Ländern. Grüne nanotribologische Systeme ist von besonderer Bedeutung für die Globale Herausforderung 13 (Energie) und die Globale Herausforderung 14 (Wissenschaft und Technik). Diese beiden Herausforderungen werden im vorliegenden Kapitel ausführlicher vorgestellt und potentielle Beiträge grüner nanotribologischer Systeme zur erfolgreichen Adressierung dieser beiden Herausforderungen skizziert. Anschließend wird das Konzept nachhaltiger nanotribologischer Systeme eingeführt. Dies geschieht durch Korrelation nanotribologischer Entwicklungen mit Prinzipien der Nachhaltigkeit, die von der US-amerikanischen Biomimicry Guild eingeführt wurden. Fazit und Ausblick sowie Empfehlungen runden das Kapitel ab.
I. C. Gebeshuber
4. Green nano und der Forschungsalltag – Niederschlag eines Konzepts in der aktuellen Nanotechnologie-Umweltforschung
Zusammenfassung
Zur Entwicklung der Nanotechnologie in Richtung Nachhaltigkeit gilt es, abstrakte Konzepte zu konkretisieren und in den Produktionsprozess, angefangen bei der Forschung und Entwicklung, einzubinden um eine langfristige Ausrichtung zu ermöglichen (Leitbild-Konzept). Im vorliegenden Artikel wird die Entwicklung eines solchen Konzepts zur grünen Nanotechnologie, die green nano Designprinzipien, kurz umrissen um sich in der Folge ihrer Umsetzung im Forschungsalltag im Bereich Nano-Umwelttechnik und einigen beispielhaften Anwendungen in diesem Bereich zu widmen.
Trotz einer zunehmenden Wichtigkeit von Umwelt- und Risikofragen auch in der Nanotechnologieforschung bleibt der Transfer von einer konzeptuellen Ebene im Fall der Designprinzipien in die Forschungslabors beschränkt.
Daniela Fuchs

Regulierung theoretisch

Frontmatter
5. Regulierungskulturen und -strategien der Nanotechnologie in Deutschland, Österreich, der Schweiz und der Europäischen Union
Zusammenfassung
Die Analyse nanotechnologiespezifischer Regulierungsdiskurse der Jahre 2000 bis 2012 in den drei deutschsprachigen Ländern Deutschland, Österreich, der Schweiz und auf EU-Ebene hat eine thematische Einengung von Nanotechnologie zu Nanomaterialien und eine damit verbundene Verschiebung der Akteurskonstellationen über drei Phasen gezeigt. Abschätzungsstudien, informelle und selbstregulatorische Steuerungsansätze sowie partizipative und kooperative Verständigungs- und Aushandlungsformen gewannen im Vergleich zu traditionellem legislativem Handeln an Bedeutung. Trotz gewisser Übereinstimmungen und Vermischungen ließen sich zwei grundsätzlich verschiedene nanotechnologiebezogene Regulierungskulturen feststellen: eine anwendungsorientierte auf EU-Ebene, und eine risikobasierte auf Staatenebene. Die verschiedenen Regulierungskulturen führten in den untersuchten Fällen zu vier unterschiedlichen strategischen Ansätzen: gesetzliche und informelle Regulierung auf EU-Ebene, kooperativer und selbstregulatorischer Ansatz in Deutschland, kooperativer Ansatz in Österreich und selbstregulatorischer und informeller Ansatz in der Schweiz.
Monika Kurath, Michael Nentwich, Torsten Fleischer, Iris Eisenberger
6. Definitionen
Zusammenfassung
Um Nanomaterialien regulieren und Kennzeichnungspflichten bei Produkten festzulegen zu können, muss vorab eine allgemein anerkannte Übereinkunft getroffen werden, was denn überhaupt unter dem Begriff „Nanomaterial“ zu verstehen sei. Das EU-Parlament fordert, dass eine allgemeine Definition wissenschaftlich basiert und umfassend sein soll. Darüber hinaus müsse sie für regulatorische Maßnahmen in den einzelnen Sektoren auch unmissverständlich, flexibel, einfach und praktisch zu handhaben sein. International hat es in den letzten Jahren von den verschiedensten Institutionen Vorschläge für eine Definition gegeben, die schlussendlich in einer Empfehlung der EU-Kommission mündeten, die nun in neue und bestehende EU-Rechtsvorschriften übernommen wird. Einige Formulierungen in diesem Vorschlag sind Gegenstand kontroverser Diskussion und die Implementierung in die spezifische sektorale Gesetzgebung stellt eine große Herausforderung dar.
Sabine Greßler, André Gazsó, Lisa-Maria Wagner
7. Zur freiwilligen und verpflichtenden Nano-Kennzeichnung von verbrauchernahen Produkten
Zusammenfassung
Kennzeichnung ist Teil des Risikomanagements. In der Regel werden damit unterschiedliche Ziele verfolgt: Einerseits sollen Kennzeichnungen den Verbraucherinnen und Verbrauchern mündige Kaufentscheidungen ermöglichen und sie vor irreführender Information schützen; andererseits sollen sie durch einen sicheren Rechtsrahmen innovative Produktentwicklung ermöglichen und fördern. Konsumentinnen und Konsumenten werden damit in das Risikomanagement verschiedener Produktgruppen mit einbezogen. Die Kennzeichnung nanomaterialhaltiger Produkte war von Anfang an Bestandteil des Nanoregulierungsdiskurses sowohl auf nationaler als auch auf EU-Ebene. Während die Mitgliedstaaten auf nationale Alleingänge bislang verzichteten, finden nanospezifische Kennzeichnungspflichten zunehmend Eingang in das EU-Recht, vorerst in den Bereichen Kosmetika, Lebensmittel und Biozidprodukte. Darüber hinausgehende internationale Initiativen zur freiwilligen Kennzeichnung konnten sich bislang nicht am Markt durchsetzen.
Iris Eisenberger, Sabine Greßler, Michael Nentwich
8. EU-Verhaltenskodex Nanotechnologie: Rechtsstaatliche und demokratische Aspekte
Zusammenfassung
Der erste nanospezifische Rechtsakt der EU stammt aus dem Jahr 2008 und ist eine rechtlich nicht verbindliche Kommissions-Empfehlung für einen Verhaltenskodex für verantwortungsvolle Forschung im Bereich der Nanowissenschaften und -technologien. Die Kommission stellt darin Prinzipien und Leitlinien für eine „integrierte, sichere und verantwortungsvolle“ Nanotechnologieforschung und -entwicklung (Nano-F&E) auf. Zentrale Steuerungsmechanismen sind Forschungspriorisierungen, Technikfolgenabschätzung, Ethik- und Grundrechtsklauseln/-schranken, Vertretbarkeitskontrollen sowie Rechenschaftspflichten. Ginge es nach der EU-Kommission, sollten die Mitgliedstaaten die unverbindliche Vorschrift in innerstaatliches Recht umsetzen; Fördereinrichtungen nur Kodex-konforme Forschung fördern; Universitäten und Forschungseinrichtungen über Richtlinien, Leitlinien, Schwerpunktsetzungen und Ressourcenzuteilung die Prinzipien des Kodex durchsetzen; Forscher und Forscherinnen sich selbst binden und schließlich die Zivilgesellschaft an Nano-F&E partizipieren. Der bisherige Umsetzungserfolg des Kodex ist in Österreich, aber auch insgesamt in der Europäischen Union bescheiden. Die Gründe dafür sind unterschiedlicher Natur: Die Prinzipien und Leitlinien sind teilweise inhaltlich unpräzise und diffus; einige der Prinzipien greifen in die Wissenschaftsfreiheit ein; schließlich ist der Verhaltenskodex als Anhang einer rechtlich nicht verbindlichen Kommissionsempfehlung demokratisch schwach legitimiert.
Iris Eisenberger

Regulierung praktisch

Frontmatter
9. Nanomaterialien und Aspekte der Arbeitssicherheit
Zusammenfassung
Nanomaterialien und Produkte, die solche Materialien enthalten, werden bereits vielfach eingesetzt, weil sie technologisch interessante nano-spezifische Eigenschaften besitzen wie etwa erhöhte Zugfestigkeit, verbesserte elektrische Leitfähigkeit, besondere optische Eigenschaften oder spezielle medizinisch-chemische Wirkungen. Doch dieselben Eigenschaften, die diese Substanzen technologisch interessant machen, könnten möglicherweise gesundheitliche Risiken für die Personen mit sich bringen, die mit diesen Substanzen umgehen. Denn die geringen Partikelgrößen und die erhöhte Reaktivität als Folge der besonderen Oberflächeneigenschaften sind auch für die biologische Aktivität und damit für die Toxizität dieser Materialien maßgeblich. Als Folge der zunehmenden Verbreitung kommen Beschäftigte vor allem in Forschungslabors, aber auch bei industriellen Herstellungs- und Verarbeitungsprozessen immer häufiger in Kontakt mit Nanosubstanzen. Daher ist der Arbeitnehmerschutz aus Sicht der Regulierung besonders wichtig. Aus der verfügbaren Literatur zur Arbeitssicherheit ergeben sich in Zusammenhang mit Nanomaterialien folgende besonders relevante Themenbereiche: Gesundheitsrisiken, Anpassung von Nachweis- und Messmethoden, tatsächliche Expositionsszenarien an Arbeitsplätzen, Definition und Erhebung bestehender Arbeitsplätze für Nanomaterialien, Empfehlungen zum Arbeitnehmerschutz von Behörden und von der Industrie sowie arbeitsmedizinische Vorsorgemaßnahmen.
André Gazsó, René Fries, Robert Piringer, Reinhild Pürgy
10. Nanosicherheit und Verbraucherprodukte
Zusammenfassung
Die Entwicklung, Produktion und Vermarktung von Verbraucherprodukten, die Nanomaterialien sind oder diese enthalten, unterliegt bereits bestehenden rechtlichen Regelungen. Allerdings werden Nanomaterialien und der Umgang damit bislang oft nicht spezifisch geregelt. Die Europäische Kommission führte 2008 erstmals eine Überprüfung der Rechtsvorschriften zu Nanomaterialien durch und kam zu dem Schluss, dass die vorhandenen Regelungen ausreichen und den mit Nanomaterialien in Bezug stehenden Gesundheits-, Sicherheits- und Umweltrisiken entsprechen würden. Dem widersprach das Europäische Parlament und forderte in seiner Entschließung (2009) neben der Überarbeitung der einschlägigen Rechtsvorschriften zur Gewährleistung der Unbedenklichkeit aller Anwendungen von Nanomaterialien in Produkten auch eine einheitliche Definition und eine verbindliche Produktkennzeichnung sowie ein Produktregister. Seither konnten spezifische Regelungen vor allem in der Kosmetik-Verordnung (VO (EG) Nr. 1223/2009) und der Verbraucherinformations-Verordnung (VO (EU) Nr. 1169/2011) umgesetzt werden. Beide Rechtsakte statuieren neben einer Definition auch eine verpflichtende Kennzeichnung von Nanomaterialien in Lebensmitteln bzw. kosmetischen Mitteln in der Zutatenliste. Neben regulatorischen Lücken bestehen auch Wissenslücken bezüglich der Langzeiteffekte von Nanomaterialien auf die menschliche Gesundheit. Es fehlen weiters standardisierte Nachweismethoden und Risikobewertungsverfahren. Die Herausforderung für den Gesetzgeber besteht darin, zum Schutz der menschlichen Gesundheit geeignete Rahmenbedingungen für einen verantwortungsvollen Umgang mit Nanotechnologien und für die Wahlfreiheit der Verbraucherinnen und Verbraucher zu schaffen ohne sinnvolle Produktinnovation und wirtschaftliche Weiterentwicklung zu behindern. Es bedarf auch einer Schwerpunktverlagerung in der Kontrolltätigkeit von der Marktüberwachung zur Kontrolle der Einhaltung der Unternehmerverantwortung. Zudem müssen sich die Unternehmen im Hinblick auf mögliche Haftungsansprüche ihrer Verantwortung stärker bewusst werden, damit für die Verbraucherinnen und Verbraucher ein sicherer Umgang mit Nanomaterialien ermöglicht werden kann.
In general, the development, production and marketing of consumer products that consist of or contain nanomaterials are already covered by existing regulations. However, only some pieces of EU regulation contain nano specific provisions. In 2008 the European Commission for the first time published a Regulatory Review on nanomaterials and came to the conclusion that the existing regulations are sufficient and would adequately address health-, safety- and environmental-risks in relation to nanomaterials. On the contrary, the European Parliament in its Resolution (2009) called for a revision of all relevant legislation, a single definition as well as for mandatory product labeling and a product register. Consequently nano specific provisions have been introduced in the Cosmetics Regulation (Regulation (EC) No 1223/2009) and the Regulation on the provision of food information to consumers (Regulation (EU) No 1169/2011). Both regulations stipulate in addition to a definition a mandatory labeling of nanomaterials in the ingredients list of food and cosmetics. In addition to regulatory gaps also gaps in knowledge regarding long-term effects of nanomaterials on human health exist. Standardized detection methods and risk assessment procedures are not available as well. The challenge for legislators is therefore to create suitable conditions for the responsible use of nanotechnologies and the protection of human health as well as for the freedom of choice for consumers without restraining product innovation and economic development. This objective requires a shift of emphasis within the control activities – from market surveillance towards checking how economic operators at all stages of production, processing and distribution ensure that products satisfy the legal requirements and how they verify that such requirements are met. In addition due to their responsibility in case of potential liability claims economic operators shall develop a stronger awareness for safety issues so that a safe handling of nanomaterials can be ensured for consumers.
Aleksander Zilberszac, Lisa-Maria Wagner
11. Nanomaterialien in der EU-Chemikalienregulierung REACH/CLP
Zusammenfassung
Chemische Stoffe stecken in fast allen Produkten, von denen wir täglich umgeben sind. Weltweit existieren mehr als 100.000 Stoffe. Einige dieser Chemikalien sind auch in ihren Nanoformen am Markt. Nanomaterialien fallen generell in den Geltungsbereich der EU-Chemikalienregulierung REACH/CLP, obwohl dort derzeit nicht explizit erwähnt. Eine Reihe von Aktivitäten wurde von der Europäischen Union und ihren Partner gestartet, um den regulatorischen Herausforderungen von Nanomaterialien gerecht zu werden. Die zukünftigen Herausforderungen liegen vor allem im Bereich der Charakterisierung von Nanomaterialien, bei der Analyse der möglichen Anwendung von Stoffgruppen- und Analogiekonzepte sowie im Bereich Testmethoden für die Bewertung der Stoffeigenschaften.
Renate Paumann

Öffentlichkeit

Frontmatter
12. Governing by dialogue
Zusammenfassung
Die Nanotechnologien wurden, ganz im Unterschied zu anderen innovativen Technologien, bereits sehr früh von internsiven Dialogprozessen begleitet. Das reicht von interessensgeleiteten Expertendialogen über reine Informationsveranstaltungen bis hin zu öffentlichen Veranstaltungen mit dem Charakter von Bürgerbeteiligungsverfahren. Sehr oft allerdings erfüllen diese Dialoge die klassischen Anforderungen, die man an die Reziprozität solcher Prozesse stellen muss, nicht. Dennoch zielen alle diese öffentlichen Kommunikationsverfahren darauf ab, dem klassischen politischen Prozess neue Dimensionen hinzuzufügen und zusätz-lichen Akteuren zugänglich zu machen. In diesem speziellen Sinne werden die Begriffe Politik, Governance und Dialog beinahe gleichbedeutend. Für die rund um die Nanotechnologien konstituieren Dialoge somite etwa das, was Irwin „Politics of Talk“ nennt.
Mario Kaiser, Christiane Hauser, Julia Haslinger, André Gazsó
13. Ausgewogene Wissenschaftsberichterstattung der Qualitätspresse?
Eine Inhaltsanalyse zur Nanoberichterstattung in repräsentativen Medien Österreichs, Deutschlands und der Schweiz
Zusammenfassung
Massenmedien spielen für die Meinungsbildung in modernen Gesellschaften eine wichtige Rolle. Sie fördern für einzelne Themen nicht nur die Aufmerksamkeit; sie bringen diese auch der Bevölkerung näher. Dies gilt besonders für Themen, mit denen ein Großteil der Bevölkerung bewusst und unmittelbar nicht in Berührung kommt. Die Nanotechnologie gehört zu diesem Themenfeld. Eine aktuelle Studie zu ausgewählten Printmedien in Österreich, Deutschland und der Schweiz zeigt mit Zeitreihendaten, dass Nanotechnologie in den Massenmedien vorwiegend ein Thema der klassischen Wissenschaftsberichterstattung ist und die Nanoberichterstattung in den Ressorts „Politik“ und „Wirtschaft“ keine herausragende Rolle spielt. Im untersuchten Zeitraum 2000 bis 2009 überwog eindeutig die Thematisierung des Nutzens und der Chancen, die von der Nanotechnologie und den Nanowissenschaften ausgehen oder in Zukunft ausgehen können, gegenüber einer häufig befürchteten Nanoberichterstattung, die auf Risikofragen und die gesellschaftliche Auseinandersetzung zu diesem Thema abstellt.
Julia Haslinger, Peter Hocke, Christiane Hauser
14. Der Blick in das Vexierbild oder die Technikfolgenabschätzung der Nanotechnologie
Zusammenfassung
Kaum jemand, der sich mit Nanotechnologie näher beschäftigt hat, würde bezweifeln, dass sie ein breites Feld von verschiedenen Technologien und Forschungsaktivitäten umfasst. Dennoch wird immer wieder nach den Chancen und den Risiken der Nanotechnologien gefragt. Heute nicht mehr so allgemein, sondern nach verschiedenen Anwendungsbereichen aufgeteilt: Welche Potentiale bieten die Nanotechnologien für den medizinischen Bereich? Was sind zukünftige Anwendungen der Nanotechnologien im Automobilbau? Wie können die Nanotechnologien zu einer nachhaltigen Energieversorgung beitragen? Diese Fragen implizieren, dass es einen technologischen Kern gibt, der die verschiedenen Technologien, die unter dem Begriff der Nanotechnologie zusammengefasst werden, verbindet. Der Autor zeigt auf, dass dies nicht der Fall ist. Die Verbindung ist nicht technischer Natur, sondern politischer. Damit fehlt aber ein spezifisches technisches Wirkprinzip, auf dessen Basis sinnvolle Überlegungen über mögliche Gefahren und Chance angestellt werden können. Streng genommen können daher die oben gestellten Fragen prinzipiell nicht beantwortet werden. Im letzten Abschnitt diskutiert der Autor die Frage, wie Technikfolgeabschätzung der Nanotechnologie vor diesem Hintergrund sinnvoll möglich ist.
Ulrich Fiedeler
Backmatter
Metadata
Title
Nano Risiko Governance
Editors
André Gazsó
Julia Haslinger
Copyright Year
2014
Publisher
Springer Vienna
Electronic ISBN
978-3-7091-1405-6
Print ISBN
978-3-7091-1404-9
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-7091-1405-6