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2016 | Book

Österreichische Mediengeschichte

Band 1: Von den frühen Drucken zur Ausdifferenzierung des Mediensystems (1500 bis 1918)

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About this book

Der Band legt eine Mediengeschichte des Landes im Sinne einer Kultur- und Gesellschaftsgeschichte vor. Dieser sozial- und kulturhistorische Zugang geht von einer Wechselwirkung gesellschaftlicher Entwicklungen und medialer Veränderungen aus. Im Zentrum des Interesses steht daher nicht die exakte Rekonstruktion von Entwicklungslinien einzelner Mediengattungen in Österreich, sondern gerade diese Interdependenzen von gesellschaftlichen und politischen Veränderungen sowie medialen Entwicklungen und Innovationen.

Table of Contents

Frontmatter
Einleitung
Von der Medialisierung der Geschichte zur Mediengeschichte
Zusammenfassung
Die Herausgabe einer „österreichischen Mediengeschichte“ konfrontiert das Vorhaben von Anbeginn mit einer Vielzahl an Herausforderungen. Einerseits stellt sich die Frage nach einer adäquaten Definition des Adjektivs „österreichisch“, da jeder Rückgriff auf die Zeit vor 1918 das Problem der territorialen, sprachlichen und politischen Abgrenzung aufwirft (vgl. Scheutz und Strohmeyer 2008).
Matthias Karmasin, Christian Oggolder
Politik, Gesellschaft, Medien
Österreich zwischen Reformation und Erstem Weltkrieg
Zusammenfassung
Der Beitrag setzt sich zum Ziel, einen sozial- und ereignisgeschichtlichen Rahmen für die Darstellung der medialen Entwicklungen zwischen Ende des Mittelalters und Beginn der Moderne abzustecken. Um diese große Zeitspanne österreichischer Geschichte, die politisch und gesellschaftlich enormen Wandlungs- und Veränderungsprozessen unterworfen war, in ihrer Komplexität erfassen zu können, werden zur Gliederung drei historische Zeiträume mittlerer Dauer beschrieben, die sowohl politisch als auch gesellschaftlich und in der Folge ebenso unter medienhistorischen Aspekten als sinnvolle und begründbare Phasen der Geschichte verstanden werden können.
Christian Oggolder
Die Fuggerzeitungen
Geschriebene Zeitungen und der Beginn der periodischen Presse
Zusammenfassung
Die in Wien überlieferte Sammlung der sog. Fuggerzeitungen ist eine der umfangreichsten und kompaktesten Sammlungen geschriebener Zeitungen im deutschen Sprachraum. Sie dokumentiert mit den Jahren 1568 bis 1604 eine wichtige Phase in der Entstehung der periodischen Presse, weil hier in großer Zahl – etwa 15.000 Zeitungen sind in den 27 Foliobänden enthalten – geschriebene Zeitungen gesammelt sind, die bereits periodisch erschienen und als kommerzielles Produkt angelegt waren. Das Gebiet der Habsburgermonarchie und des heutigen Österreich wird in dieser Sammlung durch verschiedene Nachrichtenzentren erfasst, von denen Wien und Graz, für Böhmen Prag und für Ungarn zahlreiche Festungsstädte bedeutsam waren.
Katrin Keller
Typographische Medien im konfessionellen Zeitalter
Zusammenfassung
Der Beitrag liefert zunächst eine Einführung zu den neuen Druckmedien des 16. und 17. Jahrhunderts und den damit verbundenen gesellschaftlichen Veränderungen. Im Anschluss fokussiert er auf medial ausgetragene Polemiken zwischen den Konfessionen, die insbesondere im Zuge der Rekatholisierungsoffensive durch die Jesuiten eine deutliche volkssprachliche Beteiligung der katholischen Seite verzeichneten. Entsprechend der geographischen Randlage der österreichischen Länder und ihrer unmittelbaren Grenze zum Osmanischen Reich, wurde in den typographischen Medien der Zeit das damit verbundene Bedrohungspotential regelmäßig aufgegriffen. Mit den sogenannten Turcica entstand eine Kategorie von Drucken, die nachhaltig auf die Mentalitäten der Bevölkerung wirkten. Anhand dieser Beispiele zeigt sich, dass die typographischen Medien im konfessionellen Zeitalter begannen, zunehmend Funktionen von (öffentlicher) politischer Kommunikation zu übernehmen, die weit über rein konfessionelle Querelen oder glaubenstheoretische Unstimmigkeiten hinaus gingen.
Christian Oggolder
Die Kalenderdrucke – ein frühes Massenmedium?
Anmerkungen zu einigen Charakteristika der Wiener Kalenderproduktion des 15. bis 17. Jahrhunderts
Zusammenfassung
Kalender gelten als eine der ältesten Formen periodisch erschienener Druckwerke und stellen eine aufschlussreiche Quelle für Untersuchungen sozialen Wandels dar, sind aber in ihrem Ausmaß bisher kaum bekannt und bibliographisch erfasst. Der Beitrag geht der Frage nach der Bedeutung des Kalenders im frühneuzeitlichen Medienensemble nach und kommt auf Grundlage detaillierter Quellenarbeit zu dem Ergebnis, dass das Medium Kalender schon von Beginn an einen hohen und kontinuierlich steigende Anteil deutschsprachiger Drucke aufweist und sich also von vornherein an einen Rezipientenkreis wandte, der, nur zu einem Teil der lateinischen Sprache mächtig, zumindest teilweise anders strukturiert gewesen sein muss als der zu jener Zeit übliche. Der Kalender erweist sich also – während die nationalen Schriftsprachen erst im Laufe des 18. Jahrhunderts zum zentralen Medium der Bildungsstruktur wurden – als früher Vertreter eines auf bildungsmäßig geringer eingeschränkte Verbreitung zielenden Druckerzeugnisses.
Josef Seethaler
Das Wien(n)erische Diarium und die Entstehung der periodischen Presse
Zusammenfassung
Das Wien(n)erische Diarium, 1780 in Wiener Zeitung umbenannt, war im 18. Jahrhundert über lange Zeitspannen bedeutendstes Medium der Monarchie. Es entstand 1703 etwa gleichzeitig mit der Großmacht Österreich und steht für die Entwicklung eines modernen Journalismus nach ersten Anfängen der periodischen Presse 1621ff in den Habsburgerländern. Nicht zuletzt anhand von Texten aus dem Wien(n)erischen Diarium werden die unter schwierigen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen errungenen Fortschritte des Zeitungswesens nachgezeichnet; eine gewisse Rolle spielen dabei auch die relativ kurzlebigen Diarium-Konkurrenten Mercurius und Realzeitung. Mit Blick auf die (im Vergleich zu Westeuropa) schwache ökonomische Position des Habsburgerreiches, auf die geringen intellektuellen Entfaltungsmöglichkeiten in einer streng hierarchischen Gesellschaft und auf das enge Korsett der Zensur wird aufkeimender journalistischer Initiative nachgegangen. Publizistische Akzente setzte das Diarium insbesondere 1722-1754 (unter Herausgeber J. P. van Ghelen) und in der beginnenden Aufklärung (vermutlich inspiriert durch J. v. Sonnenfels).
Andrea Reisner, Alfred Schiemer
Frühes Korrespondenzwesen
Michael Hermann Ambros und sein Grazer Zeitungsunternehmen
Zusammenfassung
Michael Hermann Ambros (1750-1809) betätigte sich zwischen 1786 und 1796 als Herausgeber, Verfasser und nicht zuletzt auch als Drucker der anfangs sogenannten Grazer Bauernzeitung. Anders als die meisten Redakteure in den habsburgischen Erbländern konnte er sich nicht auf ein Privileg stützen, das seinem Presseprodukt eine lukrative Sonderstellung als Landeszeitung garantiert hätte. Auf den kompetitiven Medienmarkt als Finanzierungsquelle angewiesen, entwickelte Ambros daher ein eigenes tragfähiges Korrespondenznetzwerk als Alleinstellungsmerkmal, das er regelmäßig explizierte. Aufgrund dieser vergleichsweise ungewöhnlichen Transparenz können nicht nur die Bemühungen in der Informationsakquise, sondern auch die Grundzüge der Informationsverbreitung dargestellt werden. Ambros‘ Medienunternehmen, das auch eine vielseitige Druckerei umfasste, eröffnet überdies Blicke auf die Verflechtung und gegenseitige Beeinflussung einzelner Medien, die in der Zeitung als fluidestem Medium kulminierten. Schließlich zeigte sich die Zeitung auch als soziales Medium, das über das papierne Bezugssystem der Medienwelt hinaus wirkte und sich als wohltätige und soziopolitische konkrete Kraft engagierte.
Andreas Golob
Zur Entwicklung des Wiener Zeitschriftenwesens in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts
Zusammenfassung
Periodika werden zwar zunehmend als Quellenmaterial für historische, kulturwissenschaftliche, literaturwissenschaftliche Forschung herangezogen, deren eigene Entwicklung im Rahmen der Kulturgeschichte der Habsburgermonarchie steht allerdings selten im Fokus des Interesses. Der Beitrag behandelt das Wiener Zeitschriftenwesen des 18. Jahrhunderts und die damit verbundene wachsende öffentliche Artikulation des Bürgertums. Der Augenmerk liegt dabei auf Presseprodukten, die für den Wiener Markt charakteristisch waren: die oft formatabweichenden späten Moralischen Wochenschriften, die Predigtkritiken, die lokalsatirischen, kritischen Blätter und die freimaurerischen gelehrten Zeitschriften. Die meisten dieser Formate hatten sich bis zur Wende des 18. und 19. Jahrhunderts bereits überlebt. Satirische Blätter konnten sich jedoch weiterhin behaupten und legten vermutlich auch den Grundstein für die Entwicklung der österreichischen Prosa und das Drama des 19. Jahrhunderts, in dem die zuweilen bissig-gesellschaftskritischen Elemente weiterlebten.
Andrea Seidler
Die Tagespresse der franzisko-josephinischen Ära
Zusammenfassung
Der Beitrag verdeutlicht die beeindruckende Ausbreitung des Tageszeitungsmarkts, die (mit regionalen Time-Lags) in der franzisko-josephinischen Ära in nahezu allen Teilen der Monarchie stattgefunden hat. Die Analyse der sozialstrukturellen Bedingungen dieser Entwicklung für den Teilstaat „Österreich“ auf der Basis einer vollständigen Erhebung der Tageszeitungen in den Jahren der Volkszählungen zeigt, dass der Urbanisierung zentrale Bedeutung für das Wachstum des Tageszeitungsmarkts zukommt. Seine zukunftsweisende Entwicklung setzte mit der am Informationsbedürfnis der wachsenden Stadtbevölkerung orientierten Lokalzeitung ein. Die zwei weiteren Phasen sind einerseits durch die Ausbildung der politischen Presse und andererseits durch die Expansion der Massenpresse gekennzeichnet. Letztere bedeutete nicht nur eine Überwindung sozialer Schranken, sondern trug auch zu einem Abbau der Vormachtstellung der jeweils dominierenden Sprachen am Zeitungsmarkt in den mehrsprachigen Kronländern bei.
Gabriele Melischek, Josef Seethaler
Geschichte der Österreichischen Frauenzeitschriften
Zusammenfassung
Die Geschichte der Österreichischen Frauenzeitschriften – hier verstanden als Zeitschriften, die ein weibliches Publikum adressieren – kann bis 1918 auf mehr als 150 Produkte verweisen, was eine Klassifizierung als eigenständige Mediengattung rechtfertigt. Ihre Anfänge liegen im Zeitalter der Aufklärung, in dem Bildung zu einer gesellschaftspolitischen Zielsetzung erhoben wurde. Im historischen Kontext von Restauration und Konservativismus trugen Mode-, Familien- und Haushaltszeitschriften gesellschaftliche Rollenvorstellungen mit. Die revolutionären Strömungen der 40er Jahre des 19. Jahrhunderts leiteten ein neues Kapitel der Frauenmediengeschichte ein: Frauen traten vermehrt als Herausgeberinnen und Redakteurinnen von Frauenzeitschriften auf, politische und konfessionelle Blätter entstanden, während unterhaltende Zeitschriften und Journale bestehen blieben, vermehrt wurden Blätter auch in anderen Nationalsprachen aufgelegt. Insofern Frauenzeitschriften Frauen sowohl als Individuen, als auch als organisierte Gruppierungen adressierten und darüber hinaus gesamtgesellschaftliche Fragen thematisierten, erfüllten sie Funktionen der Öffentlichkeit auf einer Mikro-, Meso- und Makroebene.
Larissa Krainer
Der Erste Weltkrieg
Österreichische Medien und Medienpolitik 1914-1918 – Ein internationaler Vergleich unter besonderer Berücksichtigung visueller Kommunikationsformen
Zusammenfassung
Der vorliegende Text empfiehlt zunächst einen vorsichtigeren Umgang mit dem Propagandabegriff und simplifizierenden Gegenüberstellungen von „Agitatoren“ und „Indoktrinierten“. Das Ineinandergreifen von Intentionen und Erwartungshaltungen verschiedener Gesellschaftsgruppen muss Beachtung finden. Im Auge zu behalten sind zudem militärische Geheimhaltungsmentalitäten, „touristische Blicke“ der Soldaten auf das „Abenteuer im Feld“ sowie Dokumentations- und Unterhaltungsbedürfnisse gerade auch an der „Heimatfront“. Gemeinsamkeiten zwischen den Krieg führenden Ländern und explizit transnationale Aspekte werden erkennbar. Neben vergleichbaren medienpolitischen Zielsetzungen gilt dies unter anderem für das Entstehen von Kinoindustrien und modernen Presselandschaften nicht zuletzt schon vor 1914. Der Erste Weltkrieg präsentiert sich solcherart nur bedingt als mediengeschichtliche Wende. Ein Bedeutungszuwachs speziell hinsichtlich der „Massenunterhaltung und -beeinflussung“ ist jedoch in den Bereichen Film und Fotografie bis 1918 unverkennbar. Schließlich stellt sich die Frage nach „österreichischen Besonderheiten“. Sie zeigen sich etwa bei den Ressourcen für intensivere Propagandaaktivitäten, bezüglich der Nationalitätenfrage aber vor allem bei der Zensurpraxis und beim Aufbau von Kriegssammlungen.
Hannes Leidinger
Backmatter
Metadata
Title
Österreichische Mediengeschichte
Editors
Matthias Karmasin
Christian Oggolder
Copyright Year
2016
Electronic ISBN
978-3-658-11008-6
Print ISBN
978-3-658-11007-9
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-11008-6