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2022 | Book

Schlüsseltexte der ‚Neuen Rechten‘

Kritische Analysen antidemokratischen Denkens

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About this book

Mit Begriffen, Bildern und Theorien arbeitet die ‚Neue Rechte‘ an der kulturellen Hegemonie. Ihre Diskursarbeit inszenieren sie als gefährliches, dunkles Denken. Der vorliegende Band entmystifiziert diese Selbstdarstellung, indem er ihre ‚Schlüsseltexte‘ kritisch liest, dechiffriert und in den Kontext antidemokratischen und menschenfeindlichen Denkens einordnet. Als analytische Miniaturen zeigen die Beitrage das diskursive Handwerk und die argumentative Architektur der ‚Neuen Rechten‘ auf. So gelingt Aufklärung über ‚neurechte‘ Strategien in Schulen, Universitäten und in der Öffentlichkeit.

Table of Contents

Frontmatter
Politische Theorie(n) der ‚Neuen Rechten‘. Jenseits von Anomie und Antagonismus?

Die Einleitung erläutert den Hintergrund dieses Buches sowie die Auswahl der Schlüsseltexte und reflektiert die Beiträge unter der Fragestellung, was die Politische Theorie dem ‚neurechten‘ Diskurs und der fortschreitenden Polarisierung der Gesellschaft entgegensetzen kann. Dazu liefert die Einleitung eine Übersicht über Gegenmaßnahmen und die ihnen zugrunde liegenden Problembeschreibungen und -diagnosen. Je nachdem, welche Problemdiagnose und welche Vorstellung von Gesellschaft und Politik zugrunde liegt, wird entweder der diskursive Ausschluss der Rechten oder ihre Integration gefordert; wird ein therapeutischer oder ein kämpferischer Umgang mit Anhänger*innen ‚neurechter‘ Ideen propagiert. Daraus ergeben sich zwei Paradigmen über die Ursachen des ‚neurechten‘ Erfolgs: die Vorstellung der sozialen Anomie einerseits und der gesellschaftlichen Antagonie andererseits. Während die Anomie von einer eigentlich intakten Gesellschaft ausgeht, die lediglich von temporären Missständen gestört werde, geht die Antagonie von sich unversöhnlich gegenüberstehenden Teilen in der Gesellschaft aus, die ständig miteinander um politische Vorherrschaft ringen. Der kritischen Vorstellung beider Paradigmen folgt ein kurzer Ausblick auf ein normatives Modell jenseits von Anomie und Antagonie. Wenn die Politische Theorie als Disziplin den ‚Neuen Rechten‘ etwas entgegenhalten möchte, muss sie ein normatives Modell der demokratischen Gesellschaft entwickeln, das den Fallstricken bisheriger Konzeptionen entgeht.

David Meiering

Was fällt, das muss man stoßen. Anschlüsse an die ‚Konservative Revolution‘

Frontmatter
Überblick: Was fällt, das muss man stoßen. Anschlüsse an die ‚Konservative Revolution‘

Der Überblick über den ersten Teil des Buches kontextualisiert die ‚Konservative Revolution‘ historisch und begriffsgeschichtlich. Zentral für die hierzu gerechneten Autor*innen sind der Antiliberalismus, die Ablehnung der Demokratie und der Moderne und der Kampf gegen Weimar.

David Meiering, Robin Groß
Armin Mohler: Die Konservative Revolution in Deutschland 1918–1932

Der Beitrag thematisiert die 1950 erstmals erschienene und seitdem als Handbuch mehrfach erweiterte Dissertation Armin Mohlers mit dem Titel Die Konservative Revolution in Deutschland 1918–1932. Mohlers Werk ist nicht nur ein grundlegender Schlüsseltext für die ‚Neue Rechte‘, sondern wurde auch darüber hinaus breit rezipiert und ist nachhaltig wirkmächtig. Indem er die unterschiedlichsten nationalistischen und antiliberalen Strömungen der Zwischenkriegszeit in Deutschland als vermeintlich eigenständige Bewegung einer ‚Konservativen Revolution‘ ausgab, schuf Mohler eine neue rechte Traditionslinie. Durch die dezidierte Abgrenzung vom Nationalsozialismus bis hin zur Zuschreibung eines Opferstatus oder gar genuinen Widerstandsrolle entlastete er diese kurz nach Ende der nationalsozialistischen Herrschaft und ihrer Verbrechen zudem pauschal und massiv. Unter tatkräftiger Mitwirkung Mohlers selbst schloss insbesondere die entstehende sogenannte ‚Neue Rechte‘ in Inhalten und Selbstverständnis dezidiert und nahezu nahtlos an das Konstrukt einer ‚Konservativen Revolution‘ an. Vor allem die entlastende Abgrenzung vom Nationalsozialismus wird dabei strategisch genutzt um das übernommene völkische Denken als unproblematisch auszuweisen und ist damit essenziell für die Inszenierung als ‚neu‘. Da die der erfundenen Traditionslinie zugeordneten Personen aber gerade in ihrer Weltanschauung mindestens wegbereitend für den Nationalsozialismus wirkten, sollte Mohlers ‚Konservative Revolution‘ nicht nur als politischer Mythos, sondern tendenziell geschichtsrevisionistisches Konstrukt verstanden werden.

Jonas Stapper
Oswald Spengler: Der Untergang des Abendlandes

Oswald Spengler ist ein Prophet des Unterganges und der Titel seines Hauptwerkes unlängst ein geflügeltes Wort. Doch was hat es mit Der Untergang des Abendlandes auf sich? Der Beitrag beschäftigt sich mit Spenglers zentralen Thesen und deren Anschlussfähigkeit für die ‚Neue Rechte‘. Im Mittelpunkt stehen nicht nur Antiliberalismus und Kulturpessimismus, sondern auch die lebensphilosophische Ästhetik: ein wirkmächtiger und in der Auseinandersetzung häufig unbeachteter Aspekt des Werkes. Die Kombination des Sentimentalen und des Martialischen macht Spengler für die ‚Neue Rechte‘ attraktiv – trotz seiner bei genauerem Hinsehen eher banalen Thesen.

Robin Groß
Ernst Jünger: In Stahlgewittern

Dieser Beitrag stellt Ernst Jüngers erstes Buch In Stahlgewittern vor, kontextualisiert es kritisch und zeigt Anschlusspunkte für die heutige ‚Neue Rechte‘ auf. In Stahlgewittern gilt noch heute als Klassiker, dabei war die von Jünger mit Faszination beschriebene Kombination von Kriegsrausch, Maschinenkrieg und gepanzerter Männlichkeit ein ästhetischer Wegbereiter für eine militarisierte Gesellschaft, in der Totalitarismus und Holocaust möglich wurden. Dass Jünger auch nach dem Zweiten Weltkrieg Bezugspunkt für antidemokratisches Denken blieb, liegt an seiner Selbstinszenierung als Anarch, der sich stets den Verhältnissen entziehe.

David Meiering, Leonard Mielke

Metapolitik

Frontmatter
Überblick: Metapolitik

Der Überblick über den zweiten Teil des Buches reflektiert verschiedene Verwendungen des Metapolitik-Begriffes und verortet ihn in der strategischen Ausrichtung der ‚Neuen Rechten‘.

Dominik Flügel
Alain de Benoist: Kulturrevolution von rechts

In diesem Beitrag wird Alain de Benoists Kulturrevolution von rechts, das ursprünglich 1985 auf französisch erschien, einer kritischen Analyse unterzogen. De Benoist reartikuliert zentrale Gedanken des italienischen marxistischen Philosophen Antonio Gramsci aus extrem rechter Perspektive und lässt diese in den neurechten Diskurs einfließen. Damit unternimmt er den strategischen Versuch, sich vom Vokabular der sogenannten ‚Alten Rechten‘ loszusagen und mittels Kampf um gesellschaftliche Hegemonie rassistische Ideologie und Politik salonfähiger zu machen. Wenn auch dieses Unterfangen mit Blick auf ‚neurechte‘ Thinktanks aus heutiger Perspektive teilweise als erfolgreich betrachtet werden muss, bleibt die von ihm propagierte Ideenwelt anti-egalitär und rassistisch. Umso mehr lohnt sich die Auseinandersetzung mit de Benoist, um darauf aufbauend demokratische und wehrhafte Gegenstrategien zu einer im metapolitischen Raum aktiven extremen Rechten zu entwerfen.

Tim Jorek
Thor von Waldstein: Metapolitik. Theorie – Lage – Aktion

Für das Verständnis ‚neurechter‘ Ideologien ist der Begriff der Metapolitik unerlässlich. Er drückt aus, dass der Kampf um Ideen und die öffentliche Meinung dem Kampf um Wahlerfolge und Parteipolitik vorausgeht. Thor von Waldsteins programmatische Schrift Metapolitik. Theorie – Lage – Aktion lässt sich als eine Position in der Debatte innerhalb der ‚Neuen Rechten‘ um die ‚richtige‘ metapolitische Strategie lesen. Nach einer kurzen theoretischen Herleitung beschreibt von Waldstein seine Sicht des Status Quo in Deutschland, den er durch einen vermeintlich bevorstehenden „großangelegten Bevölkerungsaustausch“ und die völlige Abgeschlossenheit des politischen Systems und der Medien gekennzeichnet sieht. Im Hauptteil seiner Schrift erklärt von Waldstein in mehreren Punkten, wie „erfolgreiche metapolitische Arbeit“ aus dieser Situation herausführen kann: erstens durch das Einbringen eigener Themen, zweitens durch Setzung eigener Begriffe und die Disruption von Diskursen, drittens, indem die Distanz zu extrem-rechten und nationalsozialistischen Positionen aufgehoben wird. Von Waldstein lässt sich damit klar dem Teil der ‚Neuen Rechten‘ um Götz Kubitschek zuordnen, deren Ziel es nicht ist, am öffentlichen Diskurs teilzunehmen, sondern ihn durch Provokation zu sprengen. Diese Strategie liegt in Werken wie dem von Waldsteins offen und sollte nicht verharmlost werden, wenn es um die Frage geht, wie mit ‚neurechtem‘ Gedankengut umzugehen ist.

Dominik Flügel
Björn Höcke: Nie zweimal in denselben Fluss

Björn Höcke ist während der letzten Jahre zur wohl mächtigsten Person der ‚Neuen Rechten‘ Deutschlands aufgestiegen. Bei seinem schrittweisen Siegeszug durch die AfD zeigt sich bei Höcke eine akribisch befolgte Narrationsstruktur und Mythologisierung. Diese dient dazu, Höcke zum Retter eines als dekadent und gebrochen dargestellten Volkes zu stilisieren. Eine rein inhaltlich-kritische Auseinandersetzung ist dabei kaum wirkungsvoll, da die inhaltlichen Bezüge der Erzählstruktur und der Mythosbildung untergeordnet werden. Der intellektuell inkohärente Eklektizismus in seiner Begriffsentwicklung wird erklärbar, wenn man ihn im Rahmen der Narrationsanforderungen seiner dreistufigen Metaerzählung deutet. Die Erzählstränge dieser Metaerzählung bilden ein klares Muster: vom Führungsqualitäten beweisenden Jüngling Höcke (der nahbaren „Ich“-Geschichte) über seine Diagnose des durch die Elitenpolitik zerrissenen, dekadenten und zur Selbstbefreiung unfähig gewordenen Volkes (der identitätsstiftenden „Wir“-Geschichte) bis hin zum notwendigen Umsturz durch eine führerzentrierte Massenpartei unter Höckes Führung (der Dringlichkeit schaffenden „Hier-und-Jetzt“-Geschichte). Die romantisch-irrationalistischen Begründungen heben seine Begriffe gänzlich aus jeglicher geschichts-, empirie- oder theoriegeleiteten Ebene heraus, bis lediglich der Mythos vom unbedingten Führer Höcke mit alternativlosem Gefolgschaftsaufruf verbleibt.

Matthias Danyeli

Selbstinszenierung als Politische Theoretiker*innen und Philosoph*innen

Frontmatter
Überblick: Selbstinszenierung als Politische Theoretiker*innen und Philosoph*innen

Der Überblick über den dritten Teil des Buches fasst zusammen, wie akademisch oder ‚intellektuell‘ in Szene gesetzte Texte der ‚Neuen Rechten‘ versuchen, sich und ihre antidemokratischen Inhalte mithilfe von wissenschaftlichen Autoritäten und ihrer Reputation gegen Kritik zu immunisieren.

Lukas Rogner, David Meiering
Carl Schmitt: Der Nomos der Erde

Der Nomos der Erde stellt den ersten Versuch einer ‚neuen‘ rechten Raumtheorie der Welt nach 1945 dar. Carl Schmitt übernimmt hierbei die Rolle eines Mittelsmannes, der die Essenz antidemokratischen, antiliberalen und faschistischen Denkens destilliert, in einen historisch wissenschaftlichen Diskurs eingeordnet und somit neu zu etikettieren versucht hat. Obwohl er sich als wertfreier Wissenschaftler präsentiert, etliche historische Beispiele einbettet und sich gleichzeitig vor jeder „Aktualität hüte[t]“, werden vor allem über den Subtext transportierte politische Bezüge sowie die ideologische Intention des Buches schnell klar. Diese bestehen u. a. in einem apologetisch-revisionistischen Geschichtsbild, vor allem in Bezug auf die Geschehnisse während und nach dem Zweiten Weltkrieg sowie auf Schmitts eigenem Wirken als Publizist im Nationalsozialismus. Gleichzeitig konzipiert er ein von Konflikten und Gewalt geprägtes Menschenbild, welches am ehesten mit einer autoritären Rezeption von Hobbes’ Leviathan beschrieben werden kann, jedoch im Wesentlichen auf mythologisch-esoterischen Grundlagen fußt. Die ‚neue Rechte‘ bezieht sich häufig auf Schmitt als Grundlage ihrer anti-egalitären Ideologie und ihres proto-völkischen Raumdenkens und nutzt das akademische Prestige, das trotz seiner ambivalenten Rolle im NS immer noch mit seinem Namen verbunden ist, um eine vermeintliche Verwissenschaftlichung ihrer Positionen zu erreichen.

Janek Magister
Bernard Willms: Identität und Widerstand – Rede aus dem deutschen Elend

In den achtziger Jahren arbeitete eine Reihe rechter ‚Intellektueller‘ daran, den Begriff der ‚nationalen Identität‘ zu rehabilitieren. Besonders der Politikwissenschaftler Bernard Willms entwickelte sich zum wichtigsten Vordenker der ‚Neuen Rechten‘. Als Professor an der Ruhr-Universität Bochum konnte er die nationalistische Rechte mit akademischem Kapital versorgen und arbeitete am Brückenschlag zwischen rechtsextremen und konservativen Kräften. 2013 hat der Antaios-Verlag eine aktualisierte und gekürzte Fassung der Text-Sammlung Identität und Widerstand herausgegeben und Willms dadurch kanonisiert. Tatsächlich sind diese beiden Schlagworte noch immer die wichtigsten Kampfbegriffe der ‚Neuen Rechten‘ und besonders der Identitären Bewegung. Das Beispiel von Bernard Willms zeigt, dass die sogenannten ‚Neuen Rechten‘ kein ‚neues‘ Phänomen sind, sondern seit etwa 50 Jahren kontinuierlich die Normalisierung und Verbreitung antidemokratischer, rassistischer und völkischer Ideen betreiben. Auch die Universitäten und nicht zuletzt der für die politische Bildung besonders wichtige Bereich der Politischen Theorie und Ideengeschichte sind immer schon Schauplätze dieses Kampfes um Hegemonie gewesen. Dieser Beitrag arbeitet zwei größere Themenkomplexe der Texte heraus: erstens das Verschmelzen von Nation und Identität, das die Grundlage des Ethnopluralismus-Konzeptes bildet, und zweitens die Holocaust-Relativierung und der Geschichtsrevisionismus, die wichtige Voraussetzungen für den Neonationalismus und sein Projekt der Wiederherstellung der Nation sind.

Meret Lu Stellbrink, David Meiering
Martin Sellner und Walter Spatz: Gelassen in den Widerstand

In Gelassen in den Widerstand beschäftigen sich Martin Sellner und Walter Spatz als Anhänger der Identitären Bewegung mit dem Philosophen Martin Heidegger, um ihre völkisch-rassistische Ideologie mit dem Denken und den umständlichen Begriffen Heideggers zu verknüpfen. Dabei nutzen sie seine bestehende Reputation, um die eigenen politischen Inhalte als philosophisch fundiert zu inszenieren und vermeintlich aufzuwerten. Die Autoren relativieren das Verhältnis Heideggers zum Nationalsozialismus und ignorieren die aktuellen Forschungsdiskurse, die Heideggers Denken antisemitische und rassistische Prägung nachweisen, um Martin Heideggers als Person eigenhändig zu entnazifizieren. Dies erfolgt aber nur auf einer oberflächlichen Ebene, um zu verschleiern, dass eine versteckte Legitimierung und argumentative Untermauerung des Rassismus der Identitären Bewegung (und Heideggers) vorgenommen wird. Der Zweck dieses Vorgehens besteht darin, die gängigen ‚neurechten‘ Konzepte – wie zum Beispiel den Ethnopluralismus – in ein philosophisches Antlitz zu kleiden, um im Sinne der Metapolitik die eigenen Begriffe in akademische Diskurse einzuschleusen. Aber gerade die von den Autoren forcierte Verknüpfung von Heideggers Denken mit der Idee des Ethnopluralismus lässt eine starke Fixierung des Konzepts auf ein Paradigma von ‚Blut und Boden‘ offenkundig werden. So kann die von Sellner und Spatz vorgenommene philosophische Inszenierung eigener politischer Inhalte nicht darüber hinwegtäuschen, dass dem identitärem Weltbild eine völkisch-rassistische Ideologie zugrunde liegt.

Lukas Rogner
Renaud Camus: Revolte gegen den Großen Austausch

Renaud Camus‘ verschwörungsideologisch aufgeladener Text Der Große Austausch behandelt ein Kernthema der ‚Neuen Rechten‘: die Migration. Camus stellt Migrationsbewegungen als ‚Gegen-Kolonisation‘ dar, Migrant*innen bezeichnet er als ‚Invasoren‘ und die europäischen Eliten als ‚Austauscher‘, die die weiße Bevölkerung der europäischen Staaten durch Migrant*innen ersetzen wollten. So vermengt er völkischen Nationalismus (getarnt als ‚Ethnopluralismus‘), Rassismus und Antiliberalismus. Der Beitrag untersucht, wie es Camus gelingt für die extreme Rechte metapolitische Begriffsarbeit und ideologische Historisierungsarbeit zu leisten. Er problematisiert die expliziten Handlungsaufforderungen, die den ‚aufgewachten‘ Leser zum Widerstand aufrufen soll und zeigt mögliche Resonanzräume für Camus‘ Begrifflichkeiten in dem allgemeinen Diskurs um das Thema Migration.

Max Deltau

Biedermann und Brandstifter: Antimuslimischer Rassismus und Antisemitismus

Frontmatter
Überblick: Biedermann und Brandstifter: Antimuslimischer Rassismus und Antisemitismus

Der Überblick über den vierten Teil des Buches problematisiert die Rolle von konservativen Parteien und Akteuren in der Normalisierung bzw. Ächtung antidemokratischen Denkens und menschenfeindlicher Hetze.

David Meiering
Thilo Sarrazin: Deutschland schafft sich ab/Feindliche Übernahme

Sarrazin gehört bereits seit über zehn Jahren zu den Fahnenträgern der besorgten Bürger*innen, die Angst vor einer „schleichenden Islamisierung“ haben. Im Jahr 2010 mit wenigen Passagen in Deutschland schafft sich ab begonnen, widmete er sich in Feindliche Übernahme vollständig dem Islam, dem Koran als dessen Grundlage und den vermeintlichen Gefahren, die daraus für ‚Deutschland und die westliche Welt‘ resultieren würden. Beide Bücher haben sich sehr erfolgreich verkauft, was Sarrazins Funktion als Bezugspunkt der ‚Neuen Rechten‘ Gewicht verleiht. Politik- und Sozialwissenschaftler*innen werfen Sarrazin vor, einen künstlichen, statischen Gegensatz von ‚westlicher‘ und ‚muslimischer‘ Kultur zu konstruieren, bewusst unwissenschaftlich zu arbeiten und „Fakten-Selektion“ zu betreiben. Gerade weil Sarrazin peinlich darauf achtet, seine Thesen mit Quellen jeglicher Art zu untermauern, gelingt es ihm dennoch, bei vielen Leser*innen einen Eindruck der Wissenschaftlichkeit und vermeintlich vorurteilsfreien Befassung mit dem Themen Islam und Integration zu erwecken. Sarrazins Biedermeier-Image verschleiert dabei aber antimuslimischen Rassismus und radikalen Sozialchauvinismus und macht diese anschlussfähig für islamfeindliche Vereine wie PEGIDA oder Parteien wie die AfD, die seit Jahren auch in der sog. ‚Mitte‘ der Gesellschaft Erfolg hat. Dieser Beitrag nimmt Sarrazins Thesen kritisch unter die Lupe, ordnet seine Argumente und Motive ein und regt zur weiteren kritischen Auseinandersetzung mit Sarrazins Werken an.

Artur Littau
Akif Pirinçci: Deutschland von Sinnen/Umvolkung

In Deutschland von Sinnen und Umvolkung präsentiert Akif Pirinçci eine clowneske Show willkürlich aneinandergereihter Polemiken, obszöner Beleidigungen sowie mehr oder weniger unverpackter Rassismen, Sexismen und anderer Menschenfeindlichkeiten. Obwohl der Inhalt seiner Schriften auch darüber hinaus sehr konfus ist und wenig theoretischen Anspruch hat, wurde Pirinçci gerade in den großen bürgerlichen Medien teils sehr ausführlich besprochen. Es handelt sich dabei um ein Phänomen, welches auch auf die Sonderrolle zurückzuführen ist, die Pirinçci im öffentlichen Diskurs einnimmt. Als erfolgreicher Krimi-Autor, selbst mit migrantischem Hintergrund, der sich quasi über Nacht zum rassistischen Scharfmacher wandelte, erregt er das voyeuristische Interesse einer Öffentlichkeit, die ihn zwar vor allem verspottet, seine Äußerungen aber gleichzeitig verharmlost, indem sie sich vornehmlich auf deren bizarren Stil konzentriert. Gleichzeitig nutzen Pirinçci und seine Gesinnungsgenossen diese Aufmerksamkeitsökonomie geschickt, um ihre Agenda gezielt in den demokratischen Diskurs einzuspeisen und die demokratische Debatte zu sabotieren. Die öffentlichkeitswirksame Inszenierung der Person Pirinçci ist ein gutes Beispiel für diese grundlegende Strategie der ‚Neuen Rechten‘.

Christian Glaß, Janek Magister
Rolf Peter Sieferle: Finis Germania/Das Migrationsproblem

Dieser Beitrag analysiert zwei Werke von Rolf Peter Sieferle: Das Migrationsproblem und das posthum veröffentlichte Finis Germania. Letzteres löste – im Gegensatz zum Gros ‚neurechter‘ Texte – eine breite öffentliche Debatte aus, die dem zuvor nicht einmal in ‚neurechten‘ Kreisen gewürdigten Autor erst zu seiner Bekanntheit verhalf. Folglich eröffnet der Beitrag die höchst aktuelle Diskussion um einen angemessenen Umgang mit ‚neurechten‘ Texten, der nicht zu deren Verbreitung beiträgt und diese dennoch hinreichend skandalisiert. In beiden Werken bedient sich Sieferle typisch neurechter Narrative, die jedoch keineswegs neu sind: Die heutige Gesellschaft sei durch moralischen Verfall, Überfremdung und korrumpierte Eliten geprägt – Entwicklungen, die sich lediglich durch die Rückkehr zu einer hierarchisch-elitären Gesellschaftsordnung aufhalten ließen. Dieser Beitrag problematisiert Sieferles geschichtsrevisionistische, sozialdarwinistische und antidemokratische Thesen besonders hinsichtlich ihrer Anschlussfähigkeit und ihrer Funktion als Bindeglied zwischen ‚neurechtem Milieu‘ und breiter medialer Öffentlichkeit.

Anna Sandberger, Alexa Krugel

Die ‚Neue Rechte‘ und der Kapitalismus: Zwischen Kritik und Apologie

Frontmatter
Überblick: Die ‚Neue Rechte‘ und der Kapitalismus: Zwischen Kritik und Apologie

Der Überblick über den fünften Teil des Buches verortet das Verhältnis der ‚Neuen Rechten‘ zum Kapitalismus im Spannungsfeld zwischen Kritik und Apologie, zeigt historische Linien der Verknüpfung von Nationalismus und Sozialismus auf und führt kurz in die libertäre Kapitalismus-Apologie innerhalb der amerikanischen Alternative Right ein.

David Meiering
Bernd Rabehl: Raumrevolution – Das Kapital und die Flüchtlingskrise

Das ehemalige SDS-Mitglied Bernd Rabehl ist ein prominentes Beispiel für eine Reihe von Alt-68ern, die sich in den vergangenen Jahrzehnten nach rechts entwickelt haben. Sein Buch Raumrevolution – Das Kapital und die Flüchtlingskrise ist ein Versuch, linke Theorie für eine ‚Kapitalismuskritik von rechts‘ brauchbar zu machen. Der vorliegende Beitrag stellt Rabehls persönliche Entwicklung vor, kontextualisiert sein Denken vor dem Hintergrund der marxistisch-leninistischen und ‚neurechten‘ Theorie und klärt darüber auf, durch welche Mechanismen Kapitalismuskritik mit Antisemitismus, Nationalismus und antimuslimischer Rassismus aufgeladen werden kann. Eine emanzipative Kapitalismuskritik muss sich demzufolge davor schützen, dass strukturellen, systemischen Analysen personalisierende Schuldzuschreibungen aufgepfropft werden und dass gegen eine vermeintlich ‚abstrakte‘ Wirtschaft ‚konkrete‘, meist ethnisch-nationalistische Einheiten gesetzt werden.

Ylvi L. Strack, David Meiering
Benedikt Kaiser, Alain de Benoist und Diego Fusaro: Marx von rechts

Dieser Beitrag beschäftigt sich mit aktuellen ‚neurechten‘ Versuchen, die gängige Feindschaft gegenüber Karl Marx in den eigenen Reihen zu überwinden und das Werk des kommunistischen Philosophen für eigene Zwecke anzueignen. In dem 2018 erschienen Band Marx von rechts lotet Sezession-Autor Benedikt Kaiser das Verhältnis von Marx, Sozialismus und der Rechten aus, der ‚neurechte‘ Spiritus rector Alain de Benoist erklärt den Marx‘schen Wert- und Fetischbegriff und Diego Fusaro erörtert das enthistorisierende Wirken der Ideologie in der Moderne. Allen Texten gemeinsam ist eine höchst selektive Lektüre, die Marx für den ‚neurechten‘ Kampf gegen den liberalen Rechtsstaat sowie westlichen Universalismus fruchtbar machen und instrumentalisieren will.

Max Jakob Lindemann
Curtis Yarvin (Mencius Moldbug): An Open Letter to Open-Minded Progressives

Neoreaction (NRx) found its breeding ground in the American techno-libertarian subculture, strongly attached to the historical legacy of the pre-democratic thought. Curtis Yarvin, better known on the Internet as Mencius Moldbug, launched the movement with his blog Unqualified Reservations. NRx’s central thesis is the complete revaluation of the notions of practices of democracy, regarded as a fabrication, the will of the people being too arbitrary and varying to form any coherent foundation. In An Open Letter to Open-Mind Progressives, Yarvin argues that progressive beliefs are out of touch with reality and based on a common sense that has been historically distorted by elitarian thought. Progressivism’s set of norms and beliefs are determined and imposed by The Cathedral, i.e., a fictional meta-institution consisting of mainstream universities and media. People systematically let their thoughts be steered into a certain direction because of “selective anesthesia”. The Cathedral propagates what Yarvin calls The Synopsis, which is specified as the set of all reasonable ideas, widely propagated thanks to the corpus of mainstream academia, journalism and education. NRx’s power is gained by recruiting “a combination of philosopher and crowd” to create a counter-Cathedral. The environment in which such recruitment takes place is the Internet.

Paola Giannuzzi

‚Die Linke‘ als Bezugspunkt rechter Identitätspolitik

Frontmatter
Überblick: ‚Die Linke‘ als Bezugspunkt rechter Identitätspolitik

Der Überblick über den sechsten Teil des Buches verortet ‚die Linke‘ als wichtigen Bezugspunkt rechter Identitätspolitik.

David Meiering
Martin Lichtmesz und Caroline Sommerfeld: Mit Linken leben

Unter dem Vorwand, rechts und links zu beschreiben und nach Möglichkeiten öffentlicher Verständigung zu fragen, zeichnen Martin Lichtmesz und Caroline Sommerfeld in Mit Linken leben ein Zerrbild der politischen Landschaft, um für rechts zu mobilisieren. Mit Linken leben ist durchzogen vom Narrativ der unterdrückten rechten Stimme und dem Mut der ‚Rechten‘, die ihre Stimme trotz der Gefahr sozialer Stigmatisierung erheben. Als Ausgangspunkt ihrer Argumentation zeichnen Lichtmesz und Sommerfeld das Bild einer ‚linken Hegemonie‘. Durch Denkfiguren wie der eines ‚linken‘ realitätsversperrenden Moralismus und Verblendungszusammenhanges, wird darauf aufbauend das Selbstbild der ‚Neuen Rechten‘ als widerständiges Kollektiv genährt. ‚Links-Sein‘ bleibt dabei eine reine Floskel, die im Sinne des Freund-Feind-Schemas dazu dient ‚die Rechte‘ zum Opfer zu stilisieren und ex negativo zu konstruieren. Was ohne der Abgrenzung von ‚links‘ von einer ‚rechten‘ Identität dann noch übrig bleibt, ist der identitäre Bezug auf das ‚Volk‘. Ebenso wie bei der Abgrenzung von ‚links‘ betreiben die Autor*innen unter dem Deckmantel der Ideologiekritik rechte Identitätspolitik, um einen homogenen ‚rechten‘ Akteur zu beschwören. Dieser Beitrag stellt heraus, dass das Konstrukt einer dominanten ‚Linken‘ das ideologische Zentrum ist, um das die fortdauernde Selbstfindung und -vergewisserung der ‚Neuen Rechten‘ kreist.

Marie Michel
Manfred Kleine-Hartlage: Warum ich kein Linker mehr bin

In Warum ich kein Linker mehr bin inszeniert sich der ‚neurechte‘ Publizist Manfred Kleine-Hartlage als ehemals ‚links‘ und legt dar, warum er es jetzt nicht mehr ist. Seine vermeintlich linke Vergangenheit hat dabei die entlastende Funktion, eigene antidemokratische Haltungen zu verschleiern. Selbst einmal ‚links‘ gewesen zu sein, soll nun die Abrechnung mit dem ‚linken Lager‘ legitimieren, um sich selbst als unideologisch zu präsentieren. Dabei wird der Ideologievorwurf auf die ‚Linken‘ selbst angewendet, wonach ‚linke Ideologie‘ als Bedrohung imaginiert wird, die die ‚Volksidentität‘ zersetze. Während ‚Linke‘ als ideologisch Verblendete mundtot gemacht werden sollen, wird die Fähigkeit zur wahren Erkenntnis ausschließlich dem rechten Lager zugeschrieben. Dadurch werden eigene völkische, rassistische und sozialchauvinistische Vorstellungen als ‚vernünftige‘ Normalität dargestellt. Der Bezug auf das entworfene Feindbild der Linken dient schließlich dazu, die eigene rechte Identität in Abgrenzung zur ‚Linken‘ negativistisch zu konstruieren und als einheitliches rechtes Lager darzustellen.

Imke Götting

Geschlechterrollen und -verhältnisse in der ‚Neuen Rechten‘

Frontmatter
Überblick: Geschlechterrollen und -verhältnisse in der ‚Neuen Rechten‘

Der Überblick über den siebten Teil des Buches stellt dar, wie die Kategorie Geschlecht in der ‚Neuen Rechten‘ thematisiert wird. Er kontextualisiert den ‚neurechten‘ Umgang mit sexualisierter Gewalt und die Thematisierung von ‚Gender‘ sowie die genderbezogene Selbstbeschreibung zentraler Akteur*innen.

Maike von Damaros
Jack Donovan: Becoming a Barbarian

In der deutschsprachigen ‚Neuen Rechten‘ hat sich zuletzt ein Kult um den amerikanischen Publizisten Jack Donovan entwickelt. Mit Donovan ist ein homosexueller Mann zu einer Ikone extrem rechter Maskulinisten geworden. Die Bezeichnung ‚schwul‘ (‚gay‘) lehnt er ab, denn mit diesem Begriff hänge auch die liberale, schwule Kultur und Identität zusammen, die Donovan als effeminiert und verweichlicht ablehnt. Stattdessen hebt Donovan Homosexualität in einer Hypermaskulinität auf, die er ‚Androphilie‘ nennt, also ‚Männerliebe‘. Für die ‚Neue Rechte‘ erfüllt seine Reformulierung ‚echter Männlichkeit‘ mehrere Funktionen: Erstens integriert Donovan die als ‚deviant‘ herabgesetzte Homosexualität in das patriarchale Projekt. Zweitens wiederbelebt er ‚alt-rechte‘, faschistische Männlichkeitskonstruktionen wie soldatische Ehre, Kameradschaft und Männerbund-Denken in anschlussfähigerer Form. Drittens legitimiert sich diese vigilante Männlichkeit durch Verschwörungsideologien und Untergangsszenarien und normalisiert diese. Zuletzt vermengt Donovan Nietzscheanische Schlagworte und popkulturelle Referenzen zu einer esoterisch-spirituellen Lebensphilosophie für Männer. Das Ergebnis seines neotribalistischen Gesellschaftsentwurfs ist ein martialisches Selbstermächtigungsprogramm.

Anna Torgovnik, David Meiering
Brittany Pettibone: What Makes Us Girls. And Why It’s All Worth It

Frauen sind zentrale Akteurinnen der Alt-Right und der ‚Neuen Rechten‘, da sie diese Bewegungen nicht nur aktiv mitgestalten, sondern auch als ‚Aushängeschilder‘ gesellschaftliche Anschlussfähigkeit und höhere Attraktivität für potenzielle Mitglieder herstellen sollen. In What Makes Us Girls. And Why It’s All Worth It bemüht sich die US-amerikanische Alt-Right-Aktivistin und YouTuberin Brittany Pettibone (inzwischen Brittany Sellner) jungen Frauen traditionelle Geschlechterrollen und ein misogynes Weltbild als erstrebenswertes Wertesystem zu verkaufen. Pettibone ruft ihre Leserinnen auf, freiwillig eine untergeordnete gesellschaftliche Position einzunehmen und verpackt dies in Floskeln der Selbsthilfeliteratur. Gleichzeitig wird ihre eigene, ambivalente Position in der männerdominierten, antifeministischen Alt-Right-Bewegung offenbar, in der sie selbst eine aktive Rolle einnimmt. Der Beitrag analysiert das dargestellte Geschlechterbild, dessen Rolle im ‚neurechten‘ Nationalismus und die Selbstbilder ‚neurechter‘ Aktivistinnen wie Pettibone.

Maike von Damaros
Ellen Kositza: Gender ohne Ende

Ellen Kositzas Gender ohne Ende ist ein Beispiel für den Antifeminismus rechter Frauen. Sie besetzt mit ihrem erstmals 2008 erschienenen Buch ein zentrales Thema im ‚neurechten‘ Diskurs. Ihr Antifeminismus wendet sich dabei gegen eine vermeintliche, von Eliten aufoktroyierte und im Geheimen betriebene „Genderei“, welche die angeblich ‚natürliche‘ gesellschaftliche Ordnung infrage stelle und aufzulösen drohe. Insbesondere die ‚Männlichkeit‘ scheint auf dem Spiel zu stehen. Kositza fürchtet den Verlust der vermeintlich naturgegebenen Geschlechterrollen, was fatale Folgen für die Gesellschaft nach sich ziehen würde. Schuld an allem sei der Feminismus oder noch genauer: die Industrialisierung, die mit der Arbeitsteilung den Grundstein für ersteren gelegt hätte. So mischen sich bei Kositza Kritik an der Moderne und Kritik an den Geschlechterverhältnissen zu einer völkisch fundierten Verschwörungserzählung.

Nellie Sittig

Medienstrategien

Frontmatter
Überblick: Medienstrategien

Der Überblick über den achten Teil des Buches führt in die Medienstrategien der ‚Neuen Rechten‘ ein. Dabei werden sowohl die Mediennutzung (alte und neue Medien) als auch die Thematisierung von Medien durch die ‚Neuen Rechten‘ in den Blick genommen.

Eva-Lotte Schwarz
YouTube als Plattform: Jordan B. Peterson

Mit seinen Beststellern 12 Rules for Life und Beyond Order sowie seinem populären YouTube-Kanal gilt Jordan Peterson als einflussreiches Bindeglied zwischen etablierten Rechtskonservativen und der Alternative-Right-Bewegung. Mit einer Analyse ausgewählter YouTube-Videos soll dieser Beitrag aufzeigen, inwiefern Petersons Rolle des ‚neurechten‘ Türöffners durch seine Rhetorik und Argumentationsstrategie gestützt wird. Ein Fokus wird dabei auf seine Verwendung und Einordnung der Begriffe „Postmoderne“ und „Kulturmarxismus“ gelegt. Diese sind zentral für die Etablierung eines diffusen Feindbildes, welches sich vorrangig gegen die politische Linke des globalen Nordens richtet. Hierbei wird klar, dass sich Peterson nicht nur im politischen Flirt mit der ‚Neuen Rechten‘ befindet, sondern auch im ideengeschichtlichen Assoziationsraum des völkischen Nationalismus.

Eva-Lotte Schwarz
Sezession Nr. 88: „Volk“

Seit 2003 wird die ‚neurechte‘ Theoriezeitschrift Sezession vom Institut für Staatspolitik (IfS) in Schnellroda herausgegeben. Chefredakteur ist Götz Kubitschek, einer der Mitbegründer des IfS und ein Protagonist der sogenannten ‚Neuen Rechten‘. Die Zeitschrift vermittelt nicht nur die theoretischen Hintergründe des ‚neurechten‘ Denkens, sondern betreibt als (meta)politische Praxis aktiv die Diskursverschiebung nach rechts. So wird in der 88. Ausgabe mit dem Titelthema ‚Volk‘ der Begriff ‚Volk‘ nicht nur auf seine inhaltliche Bedeutung hin beleuchtet. Stattdessen wird er auf ahistorische Weise in verschiedenen Kontexten und bekannten ‚neurechten‘ Konstellationen wie etwa dem ‚Ethnopluralismus‘ positioniert. Der Beitrag untersucht die dabei verwendeten Strategien und kontextualisiert die von den Autor*innen der Zeitschrift verwendeten Begriffe, Anspielungen und Metaphern.

Maike von Damaros
Martin Lichtmesz: Die Hierarchie der Opfer

Nach einer einführenden Einordnung der Person Martin Lichtmesz in den Kontext der ‚Neuen Rechten‘ zeigt der Beitrag, wie in Lichtmesz’ Argumentation bestimmte Medienstrategien der ‚Neuen Rechten‘ zum Ausdruck kommen: etwa die Retorsion, das Framing und die Desinformation. Dabei macht der Beitrag deutlich, wie Lichtmesz Opfer sexualisierter Gewalt instrumentalisiert, Täter-Opfer-Verhältnisse umgekehrt, Medienereignisse und Kriminalstatistiken selektiv umdeutet und Falschinformationen bewusst in seine Argumentation einbettet. Es wird zudem gezeigt, inwiefern diese Medienstrategien im Kontext des Buches Die Hierarchie der Opfer dazu dienen einerseits die Verschwörungserzählung vom ‚Großen Austausch‘ (Renaud Camus) rhetorisch zu stärken und andererseits Menschen aus Medien und Politik, die sich für kulturelle Vielfalt einsetzen – bei Lichtmesz zusammengefasst unter dem Begriff des ‚Multikulturalismus‘ – zu denunzieren.

Dana Breidscheid
Metadata
Title
Schlüsseltexte der ‚Neuen Rechten‘
Editor
David Meiering
Copyright Year
2022
Electronic ISBN
978-3-658-36453-3
Print ISBN
978-3-658-36452-6
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-36453-3