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Published in: Standort 2/2022

Open Access 05-04-2022 | Angewandte Geographie

Strukturwandel im Rheinischen Revier: Eine Analyse der technologischen Diversifizierungspotenziale

Author: Dr. Moritz Breul

Published in: Standort | Issue 2/2022

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Zusammenfassung

Der Ausstieg aus der Braunkohleverstromung führt zum Wegfall eines bedeutenden wirtschaftlichen Sektors in den drei deutschen Braunkohlerevieren. Zur Bewältigung des Strukturwandels stellt der Bund umfassende Finanzhilfen u. a. zur Diversifizierung der Wirtschaftsstruktur zur Verfügung. Aber welche Bereiche bieten sich zur Diversifizierung der Reviere an? Ziel dieses Artikels ist es, eine Methode vorzustellen, die es RegionalplanerInnen und WirtschaftsfördererInnen erlaubt, basierend auf regionsspezifischen Stärken Diversifizierungspotenziale zu identifizieren und somit regionsspezifische Transformationsstrategien zu entwickeln. Basierend auf theoretischen und methodischen Ansätzen der evolutionären Wirtschaftsgeographie deckt dieser Beitrag mittels einer Patentanalyse technologische Diversifizierungspotenziale des Rheinischen Reviers auf. Neben den empirischen Einblicken zum Rheinischen Revier, bietet der vorliegende Artikel eine Handlungsanweisung zur Identifizierung von Diversifizierungspotenzialen in anderen Revieren oder anderen Regionen im Allgemeinen.

Einleitung

Als zentraler Schritt zur Erfüllung des internationalen Pariser Klimaabkommens von 2015 und zur grundlegenden Transformation der deutschen Energieversorgung von fossilen zu regenerativen Energien wurde im August 2020 das Kohleausstiegsgesetz in Kraft gesetzt. Dieses regelt den stufenweisen Ausstieg aus der Braunkohleverstromung bis 2038.1 Neben wesentlichen Herausforderungen im Energiebereich hat der Ausstieg aus der Braunkohleverstromung auch regionalwirtschaftliche Konsequenzen für die drei deutschen Braunkohleregionen, Lausitzer Revier, Mitteldeutsches Revier und Rheinisches Revier, in denen sich die Extraktion, Veredlung, Verstromung sowie vor- und nachgelagerte Aktivitäten der Braunkohleindustrie konzentrieren. Denn der Ausstieg aus der Braunkohleverstromung führt zu dem Wegfall eines historisch gewachsenen und für die regionalen Ökonomien der drei Reviere sehr bedeutsamen wirtschaftlichen Entwicklungspfads (vgl. Abb. 1). So waren beispielsweise im Rheinischen Revier, Deutschlands größtem Braunkohleabbaugebiet, im Jahr 2019 8946 Beschäftigte in den Braunkohlebranchen tätig. Darüber hinaus wird von indirekt und induzierten Beschäftigungseffekten des Braunkohlesektors in Höhe von etwa 5400 weiteren Beschäftigten ausgegangen (Roth et al. 2020).
Zur „Bewältigung des Strukturwandels und der Sicherung der Beschäftigung im Zuge des Ausstiegs aus dem Braunkohleabbau und der Verstromung von Braunkohle“ (Artikel 1, § 1 (2), InvKG) wurde daher im August 2020 parallel zum Kohleausstiegsgesetz das Strukturstärkungsgesetz Kohleregionen verabschiedet. Im Rahmen dessen stellt der Bund den drei deutschen Braunkohlerevieren Finanzhilfen in Höhe von bis zu 40 Mrd. € zur Unterstützung des Strukturwandels zur Verfügung. Die Finanzmittel sollen unter anderem dafür eingesetzt werden, die Wirtschaftsstruktur der Reviere zu diversifizieren (Artikel 1, § 4 (2), InvKG), um die Regionen auf diese Weise für eine Zukunft ohne den Braunkohlesektor vorzubereiten. Aber welche Bereiche bieten sich zur Diversifizierung der Reviere an?
Dieser Beitrag knüpft an diese Frage an und setzt sich zum Ziel, aufzuzeigen, wie sich technologische Diversifizierungspotenziale von Regionen identifizieren lassen. Basierend auf theoretischen und methodischen Ansätzen aus der evolutionären Wirtschaftsgeographie untersucht dieser Beitrag technologische Diversifizierungspotenziale des Rheinischen Reviers. Neben den empirischen Einblicken zum Rheinischen Revier, stellt diese Studie eine Methode vor, die es RegionalplanerInnen und WirtschaftsfördererInnen erlaubt, basierend auf den regionsspezifischen Stärken Diversifizierungspotenziale von Regionen ausfindig zu machen und somit regionsspezifische Transformationsstrategien zu entwickeln.

Theoretischer Rahmen: Verwandtschaft und Komplexität

Die Fähigkeit, sich kontinuierlich technologisch und wirtschaftlich neu auszurichten wird für den langfristigen wirtschaftlichen Erfolg von Regionen als grundlegend angesehen. Die Frage, wie neue Industrien und Technologien in Regionen hervorgebracht werden, erfährt daher große Aufmerksamkeit, sowohl bei politischen Entscheidungsträgern als auch in der Forschung. Insbesondere die evolutionäre Wirtschaftsgeographie hat in den letzten Jahren dazu beigetragen, besser zu verstehen, wie sich Regionen im Laufe der Zeit diversifizieren. Hier wird die Entstehung neuer regionaler Wachstumspfade als Ergebnis eines sogenannten regional branching-Prozesses konzeptualisiert. Nach diesem Verständnis entstehen neue Industrien/Technologien nicht ohne Vorgeschichte, sondern entwickeln sich entweder aus einer bereits in der Region vorhandenen Industrie/Technologie heraus oder aus der Neukombination von Wissen und Fähigkeiten aus verschiedenen existierenden Industrien/Technologien (Boschma und Frenken 2011). Nach dieser Logik tendieren Regionen dazu, sich in Branchen/Technologien zu diversifizieren, die mit bereits bestehenden regionalen Strukturen verwandt sind. Der Begriff Verwandtschaft bezieht sich hier auf ähnliche Anforderungen von Fähigkeiten, Wissen, Maschinen, etc. Ein anschauliches Beispiel ist die US-amerikanische Fernsehindustrie, die aus der Radiobranche entstanden ist (Boschma und Frenken 2011).
Zahlreiche Studien (für einen Überblick siehe Hidalgo et al. 2018) bestätigen, dass die Verwandtschaft zu bestehenden regionalen Strukturen ein wichtiger Einflussfaktor für die Diversifizierung von Regionen ist. Beispielsweise zeigen Neffke et al. (2011), dass die Eintrittswahrscheinlichkeit von neuen Branchen in schwedischen Regionen größer war, wenn in diesen bereits verwandte Branchen existierten. Darüber hinaus zeigen die Autoren, dass unverwandte Branchen mit einer höheren Wahrscheinlichkeit aus Regionen verschwinden. Die höhere Überlebenswahrscheinlichkeit von verwandten Branchen deutet darauf hin, dass diese von in der Region vorhandenen komplementären Ressourcen (Wissen, Humankapital, Infrastruktur etc.) profitieren konnten.
Zusammengefasst, unterstreicht das regional branching-Konzept, dass Regionen unterschiedliche Diversifizierungsvoraussetzungen, basierend auf den regionsspezifischen Profilen, haben. Das heißt die Förderung von einem modernen Wachstumspfad wie der künstlichen Intelligenz oder der Nanotechnologie lässt sich nicht in jeder Region mit gleichem Erfolg realisieren. Demzufolge ist von One-Size-Fits-All-Modellen abzuraten. Diversifizierungsbereiche sollten basierend auf den regionalen Stärken und den Verwandtschaftsbeziehungen abgeleitet werden.
Allerdings ist nicht jede verwandte Technologie auch lohnenswert und zukunftsträchtig. Zur Identifizierung von regionalen Diversifizierungspotenzialen empfiehlt die aktuelle Literatur, neben der Verwandtschaft auch die Komplexität von Technologiefeldern zu berücksichtigen (Balland et al. 2019). Komplexe Technologien und Wissen lassen sich nur schwer nachmachen bzw. aneignen. Diese Barriere verschafft Regionen bzw. Unternehmen, die über komplexe Technologien und Wissen verfügen, einen Wettbewerbsvorteil. Es wird daher davon ausgegangen, dass durch komplexe Technologien höhere ökonomische Gewinne generiert werden können. Die Dimensionen Verwandtschaft und Komplexität lassen sich in einer Matrix zusammentragen (vgl. Abb. 2), um Aussagen über vielversprechende Diversifizierungspotenziale abzuleiten. Einerseits ist es relativ einfacher und erfolgsversprechender, Technologien zu entwickeln, die verwandt sind zu dem bestehenden Technologieprofil einer Region. Es wird auch von einer Förderstrategie mit niedrigem Risiko gesprochen, da auf existierende verwandte Fähigkeiten zurückgegriffen werden kann (Balland et al. 2019). Andererseits steigt die Wahrscheinlichkeit des ökonomischen Potenzials einer Technologie je komplexer diese ist. Demzufolge ist die Förderung technologischer Bereiche, die sich im oberen rechten Quadranten der Matrix verorten lassen, am attraktivsten. Hier können aufbauend auf verwandten Kapazitäten neue komplexe Technologien entstehen. Im Gegensatz dazu, wäre eine Förderung von technologischen Bereichen im unteren linken Quadranten der Matrix weniger strategisch zielführend, da deren Entwicklung wegen nichtverwandter Ressourcen als verhältnismäßig schwierig eingeschätzt wird und es sich um weniger komplexe und daher weniger lohnenswerte Technologien handelt.
Basierend auf diesen Erkenntnissen wird in den nachfolgenden Kapiteln eine Analyse der technologischen Diversifizierungspotenziale für das Rheinische Revier vorgenommen.

Methodisches Vorgehen zur Identifizierung technologischer Diversifizierungspotenziale

Durch Informationen zum Ort, Anmeldedatum sowie der Technologie lassen sich mithilfe von Patentdaten technologische Profile von Regionen erstellen und technologischer Wandel analysieren (siehe z. B. Mewes und Broekel 2020). Allerdings muss auch kritisch angemerkt werden, dass weniger patentintensive wirtschaftliche Aktivitäten, wie z. B. der Servicesektor, durch Patentanalysen nur unzureichend berücksichtigt werden. Die Patentdaten dieser Studie stammen aus der OECD-REGPAT-Datenbank, welche alle Patentanmeldungen des Europäischen Patentamts beinhaltet. Die Patentanmeldungen wurden entsprechend des Erfindersitzprinzips dem Rheinischen Revier (§ 2, InvKG) zugeordnet2 (siehe Abb. 3).
Darüber hinaus sind die Patente entsprechend der Internationalen Patentklassifikation (IPC) klassifiziert, in der Technologiebereiche von Patenten in einem hierarchischen Klassifizierungssystem unterschieden werden. Die höchste Klassifizierungsebene unterscheidet in 8 Sektionen. In der vorliegenden Analyse werden die Patente auf Vier-Steller-Ebene in insgesamt 642 Technologieklassen unterschieden (für eine detaillierte Aufschlüsselung bzw. Suche der IPC-Klassen siehe https://​depatisnet.​dpma.​de/​ipc/​).
Zur Identifizierung von technologischen Diversifizierungspotenzialen des Rheinischen Reviers werden Informationen über die Verwandtschaft der verschiedenen IPC-Klassen benötigt (ρ). Diese Studie folgt dem sogenannten Co-Classification-Ansatz (Mewes und Broekel 2020). Hier wird für jedes mögliche Technologiepaar berechnet, wie häufig Patente in beiden IPC-Klassen gleichzeitig klassifiziert werden. Als Datengrundlage dienen alle Patentanmeldungen der OECD-REGPAT-Datenbank zwischen 2006 und 2015. Auf Grundlage der daraus erhaltenden Co-Occurrence-Matrix wird die Cosine-Ähnlichkeit als Ähnlichkeitsmaß zwischen jedem Technologiepaar berechnet (Breschi et al. 2003).
In einem nächsten Schritt wird die Verwandtschaftsdichte (Relatedness Density) nach Hidalgo et al. (2007) berechnet – ein Indikator, der angibt, wie verwandt eine potenzielle Technologie zu dem existierenden technologischen Portfolio einer Region ist. Zur Berechnung der Verwandtschaftsdichte werden neben der Verwandtschaft zwischen IPC-Klassen (siehe oben), Informationen zum technologischen Portfolio einer Region benötigt. In empirischen Studien wird hierzu üblicherweise der Standortquotient (oder auch Revealed Technological Advantage (RTA)) verwendet, um festzustellen, in welchen Technologiebereichen eine Region spezialisiert ist. Eine Region hat einen RTA in einer bestimmten Technologie, wenn der Anteil der Technologie im Technologieportfolio der Region größer ist als der Anteil der Technologie im gesamten Technologieportfolio des Referenzraums (Balland et al. 2019).
Basierend auf diesen Inputs wird die Verwandtschaftsdichte wie folgt berechnet (Hidalgo et al. 2007):
$$\text{Verwandtschaftsdichte}_{i,r}=\frac{\sum _{m}\chi _{m}\rho _{i,m}}{\sum _{m}\rho _{i,m}}\boldsymbol{\mathsf{x}}100.$$
Die Verwandtschaftsdichte zwischen einer potenziellen Technologie i und der Region r berechnet sich aus der technologischen Verwandtschaft (ρ) zwischen Technologie i und allen Technologien m, in denen die Region r einen RTA besitzt (\(\chi _{m}=1\)), geteilt durch die Summe der technologischen Verwandtschaft (ρ) von Technologie i zu allen Technologien (dies beinhaltet auch Technologien, in denen das Rheinische Revier keinen RTA hat). Die Verwandtschaftsdichte kann Werte zwischen 0 und 100 annehmen.
Zur Erfassung der Komplexität von Technologien greift diese Studie auf Berechnungen der strukturellen Diversität von Technologien von Broekel (2019) zurück. Dies ist eine Komplexitätskennzahl in der Netzwerkforschung. Technologien werden als Netzwerk, bestehend aus zahlreichen Wissenskomponenten, verstanden. Nach diesem Verständnis steigt die Komplexität einer Technologie je diverser dessen Netzwerkstruktur ist. Es findet eine Normierung der Kennzahl der strukturellen Diversität zwischen Werten von 0–100 statt.

Ergebnisse: Technologische Diversifizierungspotenziale des Rheinischen Reviers

In einem ersten Schritt werden Merkmale des Technologieportfolios des Rheinischen Reviers aufgedeckt, das heißt Technologiefelder, in denen das Rheinische Revier eine überdurchschnittliche Spezialisierung vorzuweisen hat. Tab. 1 fasst entlang der 8 IPC-Sektionen zusammen, in wie vielen Technologieklassen das Rheinische Revier einen RTA besitzt. Hieraus geht hervor, dass das Rheinische Revier über technologische Spezialisierungen in allen 8 IPC-Sektionen verfügt. Dies deutet auf eine relativ diversifizierte technologische Struktur der Region hin, die nicht einseitig von einigen wenigen Technologiefeldern, wie beispielsweise im Bereich des Bergbaus, dominiert wird. Besonders hervorzuheben ist der hohe Anteil der technologischen Spezialisierungen im Bereich der Chemie/Hüttenwesen sowie im Bereich Textilien/Papier.
Tab. 1
Übersicht der technologischen Spezialisierungen nach Internationalen Patentklassifikation(IPC)-Sektionen, 2006–2015. (Quelle: eigene Berechnung, Datengrundlage: OECD REGPAT)
 
Anzahl aller IPCs auf Vier-Steller-Ebene
Anzahl technologischer Spezialisierungen im Rheinischen Revier
Anteil der technologischen Spezialisierungen des Rheinischen Reviers pro IPC-Sektion (%)
Sektion A – Täglicher Lebensbedarf
83
24
28,9
Sektion B – Arbeitsverfahren; Transportieren
168
39
23,2
Sektion C – Chemie; Hüttenwesen
89
41
46,1
Sektion D – Textilien; Papier
38
17
44,7
Sektion E – Bauwesen; Erdbohren; Bergbau
30
7
23,3
Sektion F – Maschinenbau; Beleuchtung; Heizung; Waffen; Sprengen
99
31
31,3
Sektion G – Physik
85
18
21,2
Sektion H – Elektrotechnik
50
18
36,0
Summe
642
195
30,4
Besonders ausgeprägte Spezialisierungen auf IPC-Vier-Steller-Ebene bestehen u. a. in Technologien in Bereichen wie Spinnen, Kondensatableitern, Röntgentechnik als auch der Modifizierung von Kautschuken.
Diese Darstellungen erlauben eine Einschätzung über das existierende Technologieprofil des Rheinischen Reviers. Allerdings sollte eine Transformationsstrategie den Fokus nicht einfach nur auf den Ausbau der bereits existierenden regionalen Stärken legen. Vielmehr ist es wichtig, ausgehend von diesen Stärken die Entwicklung neuer technologischer Spezialisierungen zu fördern. Aufbauend auf den zuvor dargestellten theoretischen und empirischen Erkenntnissen (vgl. Balland et al. 2019) ist die Förderung der Entwicklung von Technologiebereichen, die sich sowohl durch eine hohe Verwandtschaft zum existierenden regionalen Technologieprofil als auch eine hohe Komplexität kennzeichnen, besonders vielversprechend.
In Abb. 4 werden alle Technologien, in denen das Rheinische Revier zum Zeitpunkt der Beobachtung über keine Spezialisierung verfügt, entsprechend ihrer Verwandtschaftsdichte zum Technologieportfolio des Rheinischen Reviers und der Komplexität abgebildet. Grundsätzlich macht die Verteilung der Technologien in der Matrix deutlich, dass es eine Vielzahl an technologischen Diversifizierungsmöglichkeiten gibt, die an bestehende verwandte Stärken des Rheinischen Reviers anknüpfen können. Wie zuvor erklärt, bieten insbesondere Technologiebereiche die sowohl verwandt zu dem bestehenden Technologieprofil des Rheinischen Reviers als auch komplex sind strategisch vorteilhafte Diversifizierungspotenziale. Hierzu zählen u. a. die Technologiebereiche C12R (Mikroorganismen), D03D (Gewebe; Webverfahren; Webmaschinen) oder E04C (Bauelemente; Baumaterial) (siehe Tab. 2 für weitere Beispiele).
Tab. 2
Technologieklassen mit hoher Verwandtschaftsdichte und hoher Komplexität. (Quelle: eigene Berechnung, Datengrundlage: OECD REGPAT, Broekel 2019)
IPC-Code
IPC-Titel
Verwandtschafts-Dichte
Komplexität
D05C
Sticken, Tuften
85
71,3
C12R
Mikroorganismen
63
74,4
D03D
Gewebe; Webverfahren; Webmaschinen
60
82,7
A43B
Charakteristische Merkmale des Schuhwerks; Schuhwerkteile
58
85,8
C12M
Vorrichtungen für Enzymologie oder Mikrobiologie
54
82,6
E04C
Bauelemente; Baumaterial
52
78,2
H02S
Erzeugung elektrischer Energie durch Umwandlung von Infrarotstrahlung, sichtbarem Licht oder ultraviolettem Licht
49
81,7
H04S
Stereophone Systeme
45
88,4
B29C
Formen oder Verbinden von Kunststoffen; Formen von Werkstoffen in plastischem Zustand
45
86,8
D01F
Chemische Gesichtspunkte bei der Herstellung von produzierten Filamenten, Zwirnen, Fasern, Borsten oder Bändern
45
76,1
Anders sieht es bei Technologien wie A42C (Herstellen oder Ausstatten von Kopfbedeckungen, z. B. Hüten) oder C09H (Herstellung von Leim oder Gelatine) aus. Zu diesen Technologien verfügt das Rheinische Revier zwar über eine relativ große technologische Verwandtschaft, allerdings handelt es sich um weniger komplexe und daher tendenziell weniger vorteilhafte Technologien.
Im Gegensatz dazu bieten Technologien im oberen linken Bereich der Matrix wie F21S (Ortsfeste Leuchten; Beleuchtungssysteme; Fahrzeugleuchten) oder G10L (Analyse oder Synthese von Sprache; Spracherkennung; Sprachbearbeitung oder Stimmenbearbeitung) zwar potenziell ein hohes ökonomisches Nutzen, allerdings wäre eine Förderung dieser Technologien nicht eingebettet in bestehende Fähigkeiten und daher mit einem höheren Risiko zu scheitern verbunden (vgl. Balland et al. 2019).

Fazit

Die deutschen Braunkohlereviere stehen vor der Herausforderung, den durch den Braunkohleausstieg anstehenden Strukturwandel zu bewältigen. Hier stellt sich die Frage welche Bereiche am vielversprechendsten für eine Diversifizierung sind. Vor diesem Hintergrund hat der vorliegende Beitrag am Beispiel des Rheinischen Reviers eine Methode vorgestellt, die es RegionalplanerInnen und WirtschaftsfördererInnen erlaubt, unter Berücksichtigung der bisherigen regionalen Stärken, der technologischen Verwandtschaft und der Komplexität technologische Diversifizierungspotenziale zu identifizieren. Diese Art der Priorisierung der Förderung von Bereichen bildet u. a. das grundlegende Prinzip der Smart-Specialization-Strategie der EU-Kohäsionspolitik 2014–2020. Es wird davon ausgegangen, dass diese Art der Förderung weniger risikoreich und erfolgsversprechender ist (Balland et al. 2019).
Gleichzeitig muss berücksichtigt werden, dass ein hoher Verwandtschaftsgrad und ein hohes Maß an technologischer Komplexität nicht automatisch auch die Ziele einer Transformationsstrategie sicherstellt (z. B. emissionsarmes Wachstum, sozial gerechtes Wachstum, etc.). Hier müssen zusätzliche Kriterien entsprechend der jeweiligen Transformationsstrategie herangezogen werden. Letztendlich ist es auch ratsam, bei der Auswahl der zu fördernden Diversifizierungsbereiche potenzielle Nutzungskonflikte mit bestehenden Aktivitäten in der Region zu bedenken (Breul et al. 2021).

Danksagung

Der Autor bedankt sich bei der Regional Studies Association für den Early Career Grant, welcher diese Studie ermöglichte.
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
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Weitere Details zur Lizenz entnehmen Sie bitte der Lizenzinformation auf http://​creativecommons.​org/​licenses/​by/​4.​0/​deed.​de.
Footnotes
1
Der neue Koalitionsvertrag plant, den Ausstieg auf 2030 vorzuschieben.
 
2
Für die Anzahl der Patente im Rheinischen Revier wurde Fractional Counting nach Erfindern angewendet. Das heißt, wenn ein Patent von mehr als einer ErfinderIn angemeldet wurde, wird die Patentanmeldung durch die Anzahl der ErfinderInnen geteilt, um Doppelzählungen zu vermeiden.
 
Literature
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Metadata
Title
Strukturwandel im Rheinischen Revier: Eine Analyse der technologischen Diversifizierungspotenziale
Author
Dr. Moritz Breul
Publication date
05-04-2022
Publisher
Springer Berlin Heidelberg
Published in
Standort / Issue 2/2022
Print ISSN: 0174-3635
Electronic ISSN: 1432-220X
DOI
https://doi.org/10.1007/s00548-022-00773-7

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