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2010 | Book

Technologisches Wissen

Entstehung, Methoden, strukturen

Editor: Prof. Dr. Klaus Kornwachs

Publisher: Springer Berlin Heidelberg

Book Series : acatech DISKUSSION

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About this book

Mit der Konferenz „Technisches Wissen“ leistete acatech im ersten Jahr als Deutsche Akademie der Technikwissenschaften einen wesentlichen Beitrag zur Diskussion um die Formulierung eines technikwissenschaftlichen Selbstverständnisses. Im Fokus der interdisziplinären Beiträge standen Fragen nach der Entstehung, Methode und Struktur technischen Wissens, und damit die Fortführung einer Systematisierung der Technikwissenschaften. Vor dem Hintergrund der Diskussionen reflektieren die Konferenzbeiträge methodische, wissenschaftstheoretische und formale Grundlagen der Technikwissenschaften.

Table of Contents

Frontmatter

Technisches Wissen. Entstehung — Methoden — Strukturen. Eine Einführung

Technisches Wissen. Entstehung — Methoden — Strukturen. Eine Einführung
Zusammenfassung
Die Wissenschaftstheorie und die Philosophie haben seit den 1990er Jahren begonnen, für die Technikwissenschaft zu leisten, was sie im 20. Jahrhundert für die Naturwissenschaft bereits geleistet haben — eine Klärung der inneren Struktur des technischen Wissens. Dabei hat sich gezeigt, dass die Kunst zu konstruieren, zu bauen und Prozesse und Eigenschaften für Ziele zu nutzen, inhaltlich und strukturell über das naturwissenschaftliche Wissen hinausgeht. Eine Eigenschaft wird erst dann zu einer technischen Funktion, wenn sie brauchbar hinsichtlich eines Zweckes gedeutet und interpretiert werden kann. Diese Interpretation ist nicht deduktiv bestimmbar, sondern vom Interesse desjenigen, geleitet der etwas bauen will. Damit geht eine Theorie des technischen Wissens über das hinaus, was wir von naturwissenschaftlichen Theorien her kennen.
Klaus Kornwachs, Günter Spur, Christoph Hubig

Praktisches Können und Technische Erfahrung

Frontmatter
„Aus Schaden Wird Man Klug ...? Wie Technik Wissen Gewinnt“
Zusammenfassung
Die Balkenbrücke über den Firth of Tay hatte der Sturm in der Weihnachtsnacht 1879 mit 90 Menschen in die Tiefe gerissen. Für die Firth of Forth Brücke, von 1882 – 1890 gebaut, entwickelten Ingenieure die „sichere“ Kragarm-Konstruktion. Die Firth of Forth Brücke mit 521m mittlerer Spannweite steht heute noch wie ein hässlicher Dinosaurier — aber stabil. Nun soll 1907 die Quebec-Brücke nach gleichem Prinzip die Weltrekord-Weite von 550m für die mittlere Öffnung überspannen. In Bild 1 montieren am 23. August 1907 Brückenbauer Stück für Stück die Brücke über den St. Lawrence River bei Quebec im Freivorbau. Die Quebec Bridge Company hat seit sieben Jahren Theodor Cooper mit Beratung und überwachung beauftragt, „a proud, confident consultant, fiercely devoted to his calling“.2 Der entscheidet, weil die Bridge Company sparen will, dass der bisherige Entwurf noch geändert werden könne:
1.
Die Mittelspannweite kann um 60 m auf 550 m vergrößert werden.
 
2.
Die zulässigen Spannungen dürfen höher gewählt werden als bisher. So wird ohne Nachberechnung des nun höheren Eigengewichts nach „Erfahrung“ und Plänen des ersten Entwurfs gebaut.
 
Heinz Duddeck
Die Pragmatik Des Technischen Wissens Oder: „How To Do Words With Things“
Zusammenfassung
Technisches Wissen gründet im praktischen Tun und hat seinen Zweck im wirksameren Tun. Es unterscheidet sich vom naturwissenschaftlichen Wissen dadurch, dass es letztlich nicht um das Erkennen und Erklären abstrahierter und isolierter Wirkungen geht, sondern um das Gestalten und Erzeugen konkreter und im soziotechnischen Kontext funktionierender Wechselwirkungen. Das gilt für die Passung von Schraube und Gewinde und die Einpassung in nationale Normungssysteme ebenso wie für die Kombination von Teiltechniken zu globalen Fertigungs- und Recyclingsystemen der Fabrikproduktion. Diese technischen Praktiken bedürfen zwar des naturwissenschaftlichen Wissens über die Dinge und deren kausaler Verkettung, z. B. über die Härte des Stahls oder den Informationsverlust bei der Signalübertragung; aber seine Verwendung ist eingebettet in das tausendfache Regelwissen der einzelnen Technikwissenschaften. Dieses technische Wissen hat seinen Ort in der Pragmatik des technischen Handelns, bei der es um die Möglichkeiten, Funktionalitäten und Wirksamkeiten in bestimmten Kontexten geht. Die Botschaft dieses Beitrags ließe sich so zuspitzen: Während sich die Naturwissenschaften mit „words“’, sprich Zeichen, Repräsentationen, Kalkülen und Gesetzen, einen Reim auf die Natur der Dinge machen, setzen die Technikwissenschaften mit den Dingen neue Zeichen, erfinden neue Ausdrucksmöglichkeiten und weben mit den technischen Infrastrukturen an neuen soziotechnischen Texturen.
Werner Rammert

Technikwissenschaftliches Wissen. Gestaltung, Probleme und Methoden

Frontmatter
Werte, Wissen und Wissensintegration in Den Technikwissenschaften. Systematische und Historische Betrachtungen
Zusammenfassung
Wie es die Überschrift bereits ankündigt, gliedert sich mein Beitrag in zwei Teile. In dem ersten systematischen Teil frage ich nach den Spezifika der Technikwissenschaften.1 Dabei sehe ich den entscheidenden Unterschied gegenüber den Geistes- und den Naturwissenschaften in der Zielorientierung der Technikwissenschaften. Darüber hinaus verarbeiten die Technikwissenschaften aus sehr unterschiedlichen Quellen stammendes Wissen, dem wiederum verschiedene Wertorientierungen zugrunde liegen. Die durch die Technikwissenschaften bei ihren Modellbildungen geleistete Wissensintegration stellt damit gleichzeitig eine Wertintegration dar. Ich verzichte darauf, den Modellbegriff systematisch zu entfalten. Zumindest soll jedoch gesagt werden, dass der Begriff Modelle ausgesprochen weit verstanden wird und technikwissenschaftliche Generalisierungen aller Art umfasst, das heißt Formeln, qualitative Vorstellungen, Konstruktionsregeln, gegenständliche Prinziplösungen, Prototypen usw.
Wolfgang König
Wie Kann Man Technik Darstellen? Wie Werden Technikdarstellungen Verstanden?
Zusammenfassung
Die Bedeutung von Technikdarstellungen bezüglich der Suche nach Techniklösungen sowie ihrer Dokumentation und anschließender Interpretation war Schwerpunkt eines Diskussionskreises „Bild und Begriff“ von Wissenschaftlern aus Technik und Psychologie. Diese Aktivität war Basis einer internationalen Konferenz zum Thema „Human Behaviour in Design“1, in die Ergebnisse aus den Diskussionen wie auch Forschungsarbeiten einflossen. Besonderes Augenmerk lag auf dem Spannungsfeld bildhafter gegenüber begrifflicher Beschreibung und der daraus resultierenden Wirkung im Konstruktions-/Entwicklungsgeschehen.
Udo Lindemann
Zur Heuristischen Funktion der Technischen Handzeichnung
Zusammenfassung
Zum Entwerfen gehört das Skizzieren. Im Stillen, am Arbeitstisch, in Besprechungen, beinahe immer wenn ein Entwicklungsteam sich trifft: en passant werden Skizzen angefertigt. Das ist geübte Praxis, über die man sich einmal wundern darf. Dass wir technische Zusammenhänge, technische Anordnungen und vor allem auch Neues im Entstehen skizzieren wollen und können, diese Besonderheit technischen Wissens und Handelns steht im Mittelpunkt meines Beitrags. Ich frage nach dem Grund des Phänomens und nach seiner Bedeutung für die Technik heute.
Ulrich Glotzbach
Die Hermeneutik des Technischen Wissens und die Zukunft der Bildung
Zusammenfassung
Die Formulierung des Titels ist in verschiedener Hinsicht anstößig: Allein schon über technisches Wissen nachdenken zu wollen scheint unmöglich, weil paradox zu sein; Technik, im Wortsinne aus dem griechischen ‚techne‘ abgeleitet, scheint mehr mit Können und Kunst als mit Wissen und Kognition zu tun zu haben. Theoretisches Wissen — gewiss; aber technisches Wissen? Und in der Tat lebt unsere abendländische epistemologische Tradition von der Differenz zwischen Technik und Wissen. Wissen, griechisch ‚episteme‘, ist die — idealistisch oder materialistisch interpretierte — Repräsentation der Welt durch den Menschen und folgt seit der Antike eher dem Muster des kontemplativ-beschauenden Erfassens der Welt als dem des technisch-pragmatischen Umgestaltens. Aber diese scharfe Entgegensetzung, noch bis in die Bildungssysteme des 19. und 20. Jahrhunderts hinein konstitutiv sowohl institutionell für den akademischen Betrieb, als auch individuell für das eigene Selbstverständnis, beginnt zu verschwimmen. Genauer: die Wissenstopologie des 21. Jahrhunderts ist durch eine tendenzielle Hybridisierung von Wissen und Können, von theoretischer und praktischer Welterfassung gekennzeichnet. Erneut institutionen-theoretisch formuliert: spätestens seit sich die Polytechnischen Schulen zu Technischen Hochschulen und diese zu Universitäten entwickelten, wurde deutlich, dass sich der Alleinvertretungsanspruch in wissenschaftlicher Hinsicht, den die klassischen Universitäten erhoben hatten (und zum Teil immer noch erheben), nicht mehr halten lie? Interessant wird es sein, als nächsten Schritt das Zusammenwachsen von (Technischen) Universitäten und Fachhochschulen sowie in einem dritten Schritt die Annäherung von hochschulischer und dualer Bildung, das heißt von Wissen und bislang — in den deutschsprachigen Ländern — noch mittelalterlichzünftisch organisierte Berufsbildung im Handwerk zu beobachten.
Walther Ch. Zimmerli
Logische Strukturen Technischen Wissens — Zur Wissenschaftstheorie der Technikwissenschaften
Zusammenfassung
Die Grundfragen der Technikphilosophie lassen sich anhand von Abbildung 1 erläutern. Jede Theorie über natürliche und durch menschliches Handeln induzierte Prozesse versucht ihre Aussagen empirisch abzusichern. Die klassischen wissenschaftstheoretischen Fragen sind bei (a) angesiedelt: Wie kann man durch Experimentieren, Beobachten und Verwenden formaler Zusammenhänge (Mathematik) zu einer Theorie gelangen?
Klaus Kornwachs

Perspektiven Einer Innovationsorientierten Technikwissenschaft

Frontmatter
Wissenstrends — Forschungstrends — Techniktrends
Zusammenfassung
Eine Exportnation wie Deutschland ist heute noch viel stärker als im vergangenen Jahrhundert davon abhängig, Produkte und Dienstleistungen anzubieten, die auf den Weltmärkten konkurrenzfähig sind. Da wir einen Preiswettbewerb mit Billiglohnländern nicht gewinnen können, müssen wir etwas herstellen oder etwas leisten, was diese nicht können — innovative, einzigartige Produkte und Dienstleistungen, für die Verbraucher auch bereit sind, einen höheren Preis zu bezahlen. Der globale Wettbewerb ist vornehmlich ein Innovationswettbewerb.
Hans-Jörg Bullinger
Marktorientierte Technikwissenschaft
Zusammenfassung
Technikwissenschaftliche Erkenntnis und darauf aufbauende Gestaltung haben Erfolge, ja geradezu Triumphe erlebt. Dafür müssen keine Beweise erbracht werden. Damit ist nicht zugleich festgestellt, woher die Richtung der Erkenntnissuche und der Gestaltungsziele kommt. Das durch Vannevar Bush geprägte Bild sogenannter „linearer“ Beziehungen von der Grundlagenforschung über die Angewandte Forschung zur Entwicklung hat viele Jahre nicht nur die amerikanische Forschungspolitik beeinflusst.1 Es ist nicht ungewöhnlich, wenn das Selbstbild der Technikwissenschaften davon stärker geprägt scheint als von den Misserfolgen der Gestaltung, den in Sackgassen führenden Erkenntnissen oder gar denjenigen Erfolgen, die auf Anregung möglicher Nutzer der Techniken zurückgehen. In der Reaktion auf Bush sind auch für diese Orientierung Belege erbracht worden.2
Klaus Brockhoff
Leistung und Grenzen der Virtualität Beim Wissenserwerb
Zusammenfassung
Sowohl in den Natur- und Sozialwissenschaften als auch in den Technikwissenschaften werden zunehmend Simulationen als Instrumente der Erkenntnisgewinnung eingesetzt. Komplexe Wechselwirkungen vom molekularen Bereich über Wirkungszusammenhänge in Zellen und Organen bis hin zum Prozessieren komplexer Systeme der Technik, von Geoformationen (z. B. mit Blick auf Endlagerungsoptionen radioaktiver Abfälle oder abgeschiedenen CO2’s), von Ökosystemen oder ökonomischen Systemen u.v.a. mehr lassen sich aus erkenntnistheoretischen und methodologischen Gründen, oft aber auch aus Kosten- und Zeitgründen nicht im Rahmen des klassischen Vorgehens als Abgleich von Theoriebildung und experimenteller Überprüfung erschließen. Wechselwirkungen zwischen solchen komplexen Systemen bis hin zur Mensch-System-Interaktion würden, sollten sie in herkömmlicher Weise erfasst werden, schnell zu ihrerseits hochkomplexen Theoriemonstern führen, flankiert von einem unübersehbaren Datenmaterial, das sich einer einfachen Strukturierung und Zuordnung versperrt. Computerbasierte Simulationen ermöglichen dabei nicht nur die Realisierung numerischer Verfahren zur Erzielung von Näh erungsösungen in beschreibender Absicht, sondern auch und gerade das Testen des Verhaltens von Weltsegmenten unter bestimmten Interventionen und vermuteten Störungen, wobei der Simulationsaufwand sich auf diejenigen Bereiche bezieht, in denen maßgebliche Effekte erwartet werden, und für die sich die Investition eines entsprechenden Rechenaufwandes lohnt. Ebenso wichtig ist die rechnergestützte Visualisierung des Systemverhaltens, das aufgrund seiner Komplexität oftmals nicht mehr explizit buchstäblich oder numerisch darstellbar ist.
Christoph Hubig
Was ist Gesellschaflich relevante Wissenschaft?
Zusammenfassung
Das Interesse an der gesellschaftlichen Wirkung wissenschaftlicher Erkenntnisse lässt sich bis in die Ursprünge der neuzeitlichen Wissenschaften zurückverfolgen. Es liegt auf der Hand, dass dieses Thema schon aus Gründen der Legitimation der Wissenschaft nicht nur die Wissenschaftler interessierte. Zustimmende Antworten auf die Frage nach den praktischen Tugenden der Wissenschaft verhalfen den Wissenschaftlern der ersten Stunde und verhelfen natürlich auch den heutigen Wissenschaftlern zu gesellschaftlicher Anerkennung und nicht zuletzt zu den Ressourcen, die eine immer teurer werdende, hochrangig arbeitsteilige, wissenschaftliche Praxis gegenwärtig verlangt.2
Nico Stehr
Technisches Wissen als Handlungsanleitung — Ein Paradigma für Eine Wissenschaftstheorie Technischen Wissens?
Zusammenfassung
Technisches Wissen ist vor allem eins: praktisch. Es will in technischen Handlungen benutzt werden und dieser Aspekt praktischer Nutzbarkeit durchdringt alle Formen technischen Wissens. Beim Wissen, das zum Gebrauch benötigt wird, ist das unmittelbar klar. Aber auch für das Wissen, das zum Bau, zur Entwicklung oder zur technikwissenschaftlichen Rekonstruktion von Technologien gehört, steht Praktikabilität im Vordergrund. Es ist Wissen aus einem Gebrauch von Technik für einen (weiteren) Gebrauch von Technik. Es ist also ein Wissen, das Handlungen anleiten soll.
Sandro Gaycken
Backmatter
Metadata
Title
Technologisches Wissen
Editor
Prof. Dr. Klaus Kornwachs
Copyright Year
2010
Publisher
Springer Berlin Heidelberg
Electronic ISBN
978-3-642-14372-4
Print ISBN
978-3-642-14371-7
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-642-14372-4

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