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2015 | Book

Theoretische Physik

Authors: Matthias Bartelmann, Björn Feuerbacher, Timm Krüger, Dieter Lüst, Anton Rebhan, Andreas Wipf

Publisher: Springer Berlin Heidelberg

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About this book

Die Grundlagen der theoretischen Physik in einem Band – das bietet Ihnen das vorliegende Buch. Sechs in Forschung und Lehre erfahrene Autoren aus Deutschland und Österreich stellen die vier großen Gebiete Mechanik, Elektrodynamik, Quantenmechanik sowie Thermodynamik und Statistische Physik dar. Die besondere Stärke dieses Buches liegt darin, dass es in vielfältigen Querverweisen die inneren Zusammenhänge zwischen diesen Gebieten zeigt. Die Kapitel sind sorgfältig aufeinander abgestimmt, beziehen sich aufeinander, verwenden eine möglichst einheitliche Notation und lassen diese vier Gebiete nicht nur jedes für sich entstehen, sondern vermitteln auch einen zusammenhängenden Überblick über die gesamte Grundlage der theoretischen Physik.

Übersichtlich und grafisch ansprechend gegliedert, mit über 500 klaren und verständlichen Abbildungen versehen, bieten alle Kapitel ausführlich vorgerechnete Beispiele, begleitet von insgesamt fast 700 Verständnisfragen, Ausblicken in weiterführende Überlegungen sowie von mehr als 300 Übungsaufgaben mit kommentierten Lösungen.

Der Inhalt des Buchs orientiert sich an den Bachelor- und Masterstudiengängen großer Universitäten in Deutschland, Österreich und der Schweiz und deckt den behandelten Stoff möglichst umfassend ab. Die langjährige und vielfach hervorragend bewertete Lehrerfahrung der Autoren ist hier in einem Buch kondensiert, das Sie nicht nur durch Ihr gesamtes Bachelor-Studium, sondern weit in Ihr Masterstudium hinein begleiten wird.

Dieses Werk wurde ergänzt um mathematische Beiträge der beliebten Bestseller-Autoren Florian Modler und Martin Kreh.

Table of Contents

Frontmatter

Mechanik

Frontmatter
1. Die Newton’schen Axiome

Was bedeutet „klassische Mechanik“?

Wie lauten die Newton’schen Axiome?

Was ist ein Inertialsystem?

Wie löst man einfache Bewegungsgleichungen?

Was sind konservative Kräfte?

Was besagt der Energieerhaltungssatz?

Das vorliegende Kapitel liefert eine Einführung in die grundlegenden Konzepte der klassischen, nichtrelativistischen Mechanik. Ein wichtiges Fundament dieser Theorie ist das physikalische Verständnis der Begriffe „Raum“ und „Zeit“, „Körper“ und „Masse“, „Kraft“ und „Inertialsystem“ (Abschn. 1.1). Auf der Basis dieser Größen werden wir die Newton’schen Axiome kennenlernen und erarbeiten (Abschn. 1.2). Sie bestimmen, auf welchen Bahnkurven sich Punktmassen bewegen. Dies wird zunächst anhand eindimensionaler Beispiele verdeutlicht (Abschn. 1.3), was auf den Energiesatz in einer Dimension führt (Abschn. 1.4). Die Verallgemeinerung der Bewegung einer Punktmasse auf drei Dimensionen (Abschn. 1.5) erlaubt uns schließlich den Energiesatz in drei Dimensionen zu formulieren (Abschn. 1.6). Zusätzlich werden wir zahlreiche mathematische Begriffe definieren und Techniken kennenlernen, die ein tieferes Verständnis der Mechanik überhaupt erst ermöglichen.

Matthias Bartelmann, Björn Feuerbacher, Timm Krüger, Dieter Lüst, Anton Rebhan, Andreas Wipf
2. Koordinatentransformationen und beschleunigte Bezugssysteme

Wie lassen sich Drehungen mathematisch beschreiben?

Was sind Galilei-Transformationen?

Wie lauten die Newton’schen Axiome in beschleunigten Bezugssystemen?

Was ist die Zentrifugalkraft?

Warum werden Kugelkoordinaten verwendet?

Die Untersuchung des Verhaltens eines physikalischen Systems unter einer Koordinatentransformation ist ein zentraler Punkt in der gesamten theoretischen Physik. Wird ein physikalisches System nach einer Koordinatentransformation durch dieselben Gleichungen beschrieben wie vorher, so heißt es symmetrisch unter dieser Transformation.

Symmetrien spielen in der Physik eine herausragende Rolle, was in Kap.

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herausgearbeitet wird. Das Interesse an den Symmetrieeigenschaften physikalischer Systeme ist deswegen so wichtig, da Symmetrien in der Regel auf Erhaltungsgrößen führen. Beispiele hierfür sind die Energieerhaltung aufgrund der Zeittranslationsinvarianz (Symmetrie unter Verschiebung des Zeitnullpunktes) oder die Impulserhaltung aufgrund der Homogenität des Raumes (Symmetrie unter räumlichen Translationen).

In diesem Kapitel werden zahlreiche mathematische Werkzeuge eingeführt, um Koordinatentransformationen und beschleunigte Bezugssysteme beschreiben zu können. Dazu gehören z. B. die Drehmatrizen (Abschn. 2.1) sowie Zylinder‐ und Kugelkoordinaten (Abschn. 2.5). Des Weiteren wird ein Schwerpunkt auf die mit Koordinatentransformationen verbundene Physik gelegt. Beispielsweise lässt eine bestimmte Klasse von Koordinatentransformationen, den Galilei‐Transformationen (Abschn. 2.2), die Newton’schen Bewegungsgleichungen invariant. Beschleunigte Bezugssysteme andererseits erfordern Erweiterungen der Bewegungsgleichungen, was letztlich auf die Zentrifugal‐ und Coriolis‐Kräfte führt (Abschn. 2.3 und 2.4).

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3. Systeme von Punktmassen

Was sind abgeschlossene Systeme?

Welche Größen sind im Zweikörperproblem erhalten?

Welche Arten von Planetenbahnen gibt es?

Welche Bedeutung hat Streuung für die Physik?

Ist das Dreikörperproblem allgemein lösbar?

Was ist die Ursache von Ebbe und Flut?

Was besagt der Virialsatz?

Die beiden vorherigen Kapitel waren hauptsächlich der Ausarbeitung der physikalischen Grundlagen und der fundamentalen mathematischen Hilfsmittel gewidmet. In diesem Kapitel werden diese Methoden angewendet, um einige wichtige mechanische Systeme zu beschreiben und zu verstehen.

Abschnitt 3.1 beschäftigt sich mit der Erweiterung der Erhaltungssätze auf Systeme von Punktmassen. Der extrem wichtige Spezialfall zweier Punktmassen unter dem Einfluss einer radialsymmetrischen Zentralkraft wird in Abschn. 3.2 diskutiert. Aufbauend darauf folgt die Lösung der Bewegungsgleichungen des Kepler‐Problems in Abschn. 3.3. Damit ist es möglich, die Planetenbahnen zu charakterisieren.

Eine weitere Anwendung von großer Bedeutung sind Stöße zweier Punktmassen und die Streuung von Teilchen. Diese Themen werden in Abschn. 3.4 untersucht.

Es folgen zwei Abschnitte, die häufig nicht in Mechaniklehrbüchern zu finden sind: das reduzierte Dreikörperproblem und die Gezeitenkräfte in Abschn. 3.5 und 3.6. Das Kapitel wird in Abschn. 3.7 mit dem Virialsatz abgeschlossen, der vor allem für die statistische Physik von zentraler Bedeutung ist.

Dieses Kapitel bildet eine wichtige Grundlage für die Quantenmechanik in Teil III, wie dort bei der Diskussion des Wasserstoffatoms und der quantenmechanischen Streuung noch deutlich werden wird.

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4. Starre Körper

Was ist ein starrer Körper?

Was ist der Trägheitstensor?

Warum kann man den Trägheitstensor diagonalisieren?

Wie berechnet man Volumenintegrale?

Wie lauten die Bewegungsgleichungen eines starren Körpers?

Wie stark kann ein Kreisel torkeln?

Starre Körper sind ausgedehnte Objekte ohne innere Freiheitsgrade, die für viele Bereiche der Physik ein wichtiges Modell darstellen (Abschn. 4.1 und 4.2). Die in Kap.

2

diskutierten orthogonalen Transformationen führten auf mathematische Gleichungen für die Änderungsgeschwindigkeit eines Vektors in rotierenden Bezugssystemen. Die dort erlernten Methoden werden hier verwendet, um die Dynamik starrer Körper zu beschreiben.

Wir werden sehen, dass die Bewegungsgleichungen starrer Körper zwar eine formale Ähnlichkeit mit dem zweiten Newton’schen Gesetz für Punktmassen aufweisen (Abschn. 4.6). Doch sind diese sogenannten Euler‐Gleichungen aufgrund des darin auftauchenden Trägheitstensors anspruchsvoller und erlauben eine Vielzahl von Lösungen (z. B. für den symmetrischen oder schweren Kreisel), die teilweise der Intuition zu widersprechen scheinen.

Im Laufe des Kapitels werden Tensoren (Abschn. 4.3 und 4.4), die Diagonalisierung von Matrizen und Volumenintegrale (Abschn. 4.5) diskutiert, die allesamt extrem hilfreiche mathematische Werkzeuge für die gesamte Physik darstellen. Das Gebiet der Kreisel ist sehr weitläufig und kann im Rahmen dieses Lehrbuches nur einführend besprochen werden (Abschn. 4.7). So verzichten wir beispielsweise auf eine Diskussion der Dynamik nichtsymmetrischer Kreisel.

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5. Lagrange-Formalismus und Variationsrechnung

Was sind Zwangskräfte?

Wie löst man die Bewegungsgleichungen unter Zwangsbedingungen?

Welche Bedeutung haben generalisierte Koordinaten?

Was sind die Vorteile des Lagrange-Formalismus?

Was sind Variationsprinzipien, und welche Bedeutung haben sie für die Mechanik?

Welcher Zusammenhang besteht zwischen Symmetrien und Erhaltungsgrößen?

In alltäglichen Situationen sind die Newton’schen Bewegungsgleichungen in ihrer bisherigen Form praktisch unbrauchbar, denn sogenannte Zwangsbedingungen (z. B. Bewegung auf einer schiefen Ebene) führen auf zunächst unbekannte Zwangskräfte, die nicht ohne Weiteres in den Bewegungsgleichungen berücksichtigt werden können (Abschn. 5.1). In diesem Kapitel werden Methoden entwickelt, diese Zwangsbedingungen mathematisch zu behandeln. Dies führt zunächst auf Erweiterungen der Newton’schen Gleichungen (Abschn. 5.2). Im Anschluss wird mit den Lagrange‐Gleichungen eine koordinatenunabhängige Formulierung der Bewegungsgleichungen hergeleitet (Abschn. 5.3). Sie sind von entscheidender Wichtigkeit für die gesamte theoretische Physik und bilden die Grundlage für die modernen Feldtheorien wie Elektrodynamik oder Quantenfeldtheorie.

Weiterhin werden Variationsprinzipien besprochen, mit denen eine äußerst kompakte und elegante Formulierung vieler physikalischer Gesetze erreicht werden kann (Abschn. 5.5). Symmetrien und Erhaltungssätze spielen eine zentrale Rolle in der Physik. Ihre systematische Untersuchung bildet den Abschluss dieses Kapitels (Abschn. 5.6).

Das vorliegende Kapitel ist wohl das wichtigste im Mechanik‐Teil. Es ist auch das anspruchsvollste und erfordert vom Leser eine konzentrierte Mitarbeit und viel Übung.

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6. Schwingungen

Was sind kleine Schwingungen, und warum sind sie so wichtig?

Wie werden schwingende Systeme durch Dämpfung beeinflusst?

Was ist Resonanz, und wann spielt sie eine Rolle?

Wie beschreibt man Systeme gekoppelter Oszillatoren?

Bei welchen Systemen sind Schwingungen wichtig?

Dieses Kapitel beschäftigt sich genauer mit den für die Physik extrem wichtigen harmonischen Schwingungen. Sie sind deshalb von so grundlegender Bedeutung, da sich fast alle Kräfte lokal linearisieren lassen. Harmonische Schwingungen spielen beispielsweise auch in der Akustik und der Spektroskopie eine große Rolle.

In Abschn. 6.1 werden freie Schwingungen eines Systems mit nur einem einzigen Freiheitsgrad gründlicher untersucht. Die Erweiterung auf ein System mit Dissipation wird in Abschn. 6.2 besprochen. Von außen erzwungene Schwingungen werden anschließend in Abschn. 6.3 diskutiert. Dabei ist die sogenannte Resonanz ein wichtiger Effekt. In Abschn. 6.4 kommen wir auf Systeme zu sprechen, bei denen mehrere gekoppelte Freiheitsgrade gleichzeitig schwingen können. Dies erlaubt die Berechnung einiger realistischer Systeme mit vielen Freiheitsgraden (Abschn. 6.5).

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7. Hamilton-Formalismus

Welche Bedeutung hat die Hamilton-Funktion in der Physik?

Warum sind die kanonischen Gleichungen äquivalent zu den Lagrange-Gleichungen?

Welche Eigenschaften haben kanonische Transformationen?

Was hat die Hamilton-Jacobi-Theorie der klassischen Mechanik mit der Quantenmechanik zu tun?

Bereits in Abschn. 5.3 wurde die

Hamilton‐Funktion

eingeführt; sie spielte bisher aber keine zentrale Rolle in der Mechanik. Dies ändert sich hier nun grundlegend. Es wird in Abschn. 7.1 gezeigt, dass man – auf der Hamilton‐Funktion aufbauend – einen weiteren Zugang zu mechanischen Problemen einschlagen kann, der sich vom Aufstellen der Newton’schen Bewegungsgleichungen und auch vom Lagrange‐Formalismus unterscheidet. Als Ergebnis finden wir die kanonischen Bewegungsgleichungen.

Wir werden in Abschn. 7.2 sehen, dass Koordinaten und Impulse in der Hamilton’schen Mechanik gleichberechtigt sind und sogar ineinander transformiert werden können. Die sogenannten kanonischen Transformationen erlauben eine Vereinfachung der Bewegungsgleichungen.

Obwohl die hier vorgeführten Methoden keine wesentlichen rechnerischen Vereinfachungen für das Lösen mechanischer Probleme mit sich bringen, so ist dieses Kapitel doch von entscheidender Bedeutung für die weiteren Teile dieses Buches. Insbesondere die Quantenmechanik baut auf der Hamilton‐Jacobi‐Theorie auf, die in Abschn. 7.3 angesprochen wird. Auch die statistische Physik und die Theorie chaotischer Systeme profitieren von einer Formulierung ausgehend vom Hamilton‐Formalismus.

Wie die Hamilton‐Funktion die Entwicklung physikalischer Systeme im sogenannten Phasenraum bestimmt, wird im Kasten „Vertiefung: Phasenfluss und Liouville’scher Satz“ in Abschn. 34.1 wieder aufgegriffen.

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8. Kontinuumsmechanik

Was ist ein elastisches Kontinuum?

Was versteht man unter einem Feld?

Wie lassen sich periodische Vorgänge allgemein beschreiben?

Was ist eine mechanische Spannung?

Was ist der Unterschied zwischen Festkörpern und Fluiden?

Welche Bedeutung hat Reibung in Fluiden?

Bisher haben wir uns entweder mit der Dynamik von Punktmassen oder von starren Körpern beschäftigt. Die dabei gelernten Methoden und Verfahren reichen für viele physikalische Anwendungen aus. In sehr vielen Problemen hat man es allerdings mit Systemen zu tun, die sich am zweckmäßigsten durch ein nichtstarres Kontinuum beschreiben lassen. Beispiele sind Flüssigkeiten und Gase (zusammengefasst auch als Fluide bezeichnet) oder elastische Festkörper wie Gummibänder oder Gitarrensaiten.

Wir werden hier untersuchen, wie sich verformbare Kontinua mathematisch beschreiben lassen und welche physikalischen Konsequenzen sich daraus ergeben. Zunächst wird der Kontinuumslimes durchgeführt. Dies erfordert die Einführung von sogenannten Feldern, die in der Elektrodynamik (Teil II) eine fundamentale Rolle spielen werden. Die einfachsten Beispiele sind die lineare Kette und die schwingende Saite in Abschn. 8.1 und 8.2.

Als mathematischer Exkurs werden die sogenannten Fourier‐Reihen in Abschn. 8.3 diskutiert. Sie stellen ein wichtiges Hilfsmittel für viele Probleme in der Physik dar, z. B. für schwingende Kontinua.

Nach einer kurzer Einführung in den Lagrange‐Formalismus für Felder in Abschn. 8.4 beschäftigen wir uns mit den Grundlagen der Elastizitätstheorie (Abschn. 8.5). Dabei taucht auch der sogenannte Spannungstensor auf, der in Feldtheorien eine bedeutende Rolle spielt.

Abschließend werden die Grundlagen der Fluiddynamik vorgestellt. Wir beginnen mit einer Einführung in die Physik idealer Fluide (Abschn. 8.6), deren innere Reibung vernachlässigt wird. In Abschn. 8.7 wird diese Vereinfachung wieder aufgehoben und die sogenannte Viskosität eingeführt. Dies führt auf die wichtigen Navier‐Stokes‐Gleichungen.

Das vorliegende Kapitel behandelt Probleme, die von einigen Dozenten in Vorlesungen der theoretischen Mechanik behandelt werden. Doch wohl keine einführende Mechanik‐Vorlesung ist so umfangreich, dass sie all diese Punkte abdecken kann. Dieses Kapitel richtet sich vor allem an neugierige und fortgeschrittene Studenten. Da viele weiterführende Themen wie Elastizitätstheorie oder Fluiddynamik ihre Wurzeln in der Mechanik haben, bietet es sich an, die Grundideen und Ansätze dieser Themen hier den Lesern vorzustellen. Dabei werden teilweise Begriffe und Hilfsmittel verwendet, die später vor allem in der Elektrodynamik wieder auftauchen (z. B. Felder, Oberflächenintegrale, die Kontinuitätsgleichung, der Spannungstensor). Eine Lektüre dieses Kapitels ist daher nicht nur eine Ergänzung der Mechanik, sondern vereinfacht auch das Verständnis des Stoffes in späteren Semestern.

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9. Spezielle Relativitätstheorie

Warum verlangt die Konstanz der Lichtgeschwindigkeit die Relativität der Zeit?

Ist die Lorentz-Kontraktion wirklich oder scheinbar?

Welche Geometrie hat das vierdimensionale Raum-Zeit-Kontinuum?

Was sind Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in der Relativitätstheorie?

Dass sich physikalische Wirkungen nie schneller als mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten, ist heutzutage allgemein bekannt, obwohl es im Alltagsleben und auch für einen Großteil der Experimentalphysik keine bedeutende Rolle spielt. Aber allein die Tatsache der Existenz einer absoluten Grenzgeschwindigkeit unterminiert die Grundlage, auf der die Newton’sche Mechanik aufgebaut wurde, denn in dieser haben nur Beschleunigungen eine absolute Bedeutung, während Geschwindigkeiten relativ und damit beliebig sind.

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10. Relativistische Mechanik

Was wird in der relativistischen Mechanik aus den Newton’schen Axiomen?

Woraus folgt die berühmte Gleichung E=mc

2

?

Was ist Masse?

Wie kann neue Materie erzeugt werden?

In diesem Kapitel, in dem die relativistische Mechanik begründet werden soll, werden wir in Abschn. 10.1 zuerst den Impuls eines Punktteilchens zu einer Vierergröße machen und damit in Abschn. 10.2 das zweite Newton’sche Axiom (Kraft als zeitliche Änderung des Impulses) neu formulieren. Dabei wird sich herausstellen, dass Energie und Impuls ähnlich zu kombinieren sind wie Zeit‐ und Raumkoordinaten. Als besonders folgenreicher neuer Aspekt stellt sich dabei heraus, dass die Masse nicht länger eine erhaltene Größe ist, sondern Energie in Masse und umgekehrt umgewandelt werden kann. Ohne auf die dafür notwendigen Wechselwirkungen eingehen zu müssen, werden in Abschn. 10.3 zunächst relativistische Streuprozesse diskutiert, bei denen Massen erhalten bleiben, und danach solche, bei denen Materie erzeugt oder vernichtet wird.

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Elektrodynamik

Frontmatter
11. Die Maxwell-Gleichungen

Was unterscheidet magnetische von elektrischen Feldern?

Was steckt im Feldbegriff?

Wie hängen Elektrizität und Magnetismus zusammen?

Warum sprengten die Maxwell″=Gleichungen die nichtrelativistische Physik?

Kann man Feldern sowohl Energie als auch Impuls zuschreiben?

Wozu braucht man Potenziale?

In diesem Kapitel werden wir die Aufstellung der fundamentalen Maxwell‐Gleichungen induktiv, d. h. von den empirischen, experimentellen Grundtatsachen ausgehend, nachvollziehen. Sobald die Maxwell‐Gleichungen und die Kräfte auf Ladungsträger als fundamentale Naturgesetze niedergeschrieben sind, wobei als technisches Detail die dabei eingesetzten Maßsysteme zu diskutieren sind (Abschn. 11.3), werden wir bereits in Abschn. 11.4 zu den Energie‐ und Impulserhaltungssätzen der Elektrodynamik vordringen, in denen die Felder neben den Trägern elektrischer Ladung als fundamentale und weitgehend gleichberechtigte Entitäten in Erscheinung treten. Die Lösungsmethoden und vielfältigen Anwendungen der Elektrodynamik werden dann Gegenstand der folgenden Kapitel sein. Dafür werden neben den elektrischen und magnetischen Feldern am Ende dieses Kapitel in Abschn. 11.5 bereits die elektrodynamischen Potenziale eingeführt, die zunächst als rein mathematische Hilfsfelder auftreten, aber letztlich eine wesentliche Grundlage für die modernere Physik bis hin zur Quantenfeldtheorie bilden.

Matthias Bartelmann, Dieter Lüst, Andreas Wipf, Anton Rebhan, Björn Feuerbacher, Timm Krüger
12. Elektrostatik

Wie löst man elektrostatische Problemstellungen?

Wozu sind Green’sche Funktionen gut?

Wie kann man elektrische Felder abschirmen?

Wie viel Energie steckt in einem geladenen Kondensator?

Warum spüren wir das permanente elektrostatische Feld der Erde nicht?

Es war eine entscheidende intellektuelle Leistung der Physiker und Mathematiker des 19. Jahrhunderts, die elektrischen und magnetischen Phänomene in einer gemeinsamen Theorie, der Elektrodynamik, zu vereinigen und dabei dem Begriff von physikalischen Feldern zu einem Durchbruch zu verhelfen. Im Folgenden werden wir diese Vereinigung aber vorerst wieder aufheben, indem wir uns auf zeitunabhängige Probleme beschränken. Wenn Ladungen und Ströme zeitlich unveränderlich sind, zerfallen die Maxwell‐Gleichungen in separate Gleichungen für elektrische und magnetische Felder, die unabhängig voneinander gelöst (und superponiert) werden können.

Die Gleichungen der Elektrostatik im Vakuum führen auf Problemstellungen, die denen der Newton’schen Gravitationstheorie ähnlich sind. Zusätzlich werden wir aber Randbedingungen an die elektrostatischen Felder diskutieren, insbesondere solche, die durch (perfekt) leitende Körper ins Spiel gebracht werden.

Die Methodik, mit der diese Fragestellungen behandelt werden können, ist die

Potenzialtheorie

, die ebenfalls im 19. Jahrhundert entwickelt wurde, insbesondere von den Mathematikern

George Green

(1793–1841) und

Carl Friedrich Gauß

(1777–1855).

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13. Vollständige Funktionensysteme: Fourier-Transformation und Multipolentwicklung

Wie kann das Konzept der Fourier-Reihen auch auf nichtperiodische Funktionen erweitert werden?

Welche mathematischen Hintergründe stecken hinter einer Fourier-Reihe?

Wie kann das Potenzial einer Ladungsverteilung allgemein näherungsweise dargestellt werden?

Inwiefern ist das Konzept der vollständigen Funktionensysteme dafür hilfreich?

Nach der Betrachtung der Grundgleichungen der Elektrodynamik und elektrostatischer Probleme in Kap. 11 und 12 werden wir nun einige mathematische Methoden kennenlernen, die nicht nur für die Elektrodynamik, sondern auch für viele andere Gebiete der theoretischen Physik große Bedeutung haben.

Wir bauen dafür zunächst auf den Fourier‐Reihen auf, die wir in Abschn.

8.3

kennengelernt haben. Die Idee der Fourier‐Reihen kann man auf mehrere Weisen verallgemeinern. Einerseits gelangt man so zum Fourier‐Integral, das in Abschn. 13.1 diskutiert wird. Zur eigentlichen Berechnung dieser Integrale benötigt man häufig einiges Grundwissen aus der komplexen Funktionentheorie, die auch in vielen anderen Bereichen der theoretischen Physik grundlegend ist; dieses wird in Abschn. 13.2 dargestellt.

Eine andere mögliche Verallgemeinerung führt zur Theorie der vollständigen Funktionensysteme mit der in der Elektrodynamik sehr wichtigen Anwendung der Multipolentwicklung, die im Rest des Kapitels dargestellt wird. Die vollständigen Funktionensysteme bilden außerdem auch eine der wichtigsten theoretischen Grundlagen für die Quantenmechanik.

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14. Elektrische Felder in Materie

Wie kommt man der Komplexität von Ladungsverteilungen auf atomarer Ebene bei?

Wie reagiert nicht leitende Materie auf elektrische Felder?

Wie setzt man vollständige Funktionensysteme zur Lösung von Randwertproblemen ein?

Wie verallgemeinern sich Energiebetrachtungen in Anwesenheit von Materie?

Warum wird ein Dielektrikum in einen Kondensator hineingezogen?

Die Maxwell‐Gleichungen, wie wir sie bis jetzt diskutiert haben, sind fundamentale, auf mikroskopischem Niveau gültige Grundgleichungen. Sobald man es mit makroskopischen Körpern zu tun hat, sind die tatsächlichen auf atomarer oder molekularer Ebene vorliegenden Ladungsverteilungen natürlich viel zu komplex, als dass man direkt mit ihnen Berechnungen anstellen könnte. Zudem sind alle mikroskopischen Ladungsträger in permanenter thermischer Bewegung. Eine Beschreibung mit den Methoden der Elektrostatik kann also nur im Mittel gültig sein.

In Abschn. 14.1 werden wir eine entsprechende Mittelungsprozedur einführen und dabei finden, dass das Verhalten von Materie in Anwesenheit von elektrischen Feldern phänomenologisch durch Polarisationsfelder und dielektrische Verschiebungsfelder beschrieben werden kann. In Kap. 15 werden wir dann sehen, dass sich dieser Zugang auch auf die Magnetostatik und eine komplette makroskopische Elektrodynamik ausdehnen lässt.

Da Materie in der Wirklichkeit immer endliche Ausdehnung besitzt, kommt den Anschlussbedingungen an Grenzflächen von Materie eine wichtige Rolle zu. Diese werden in Abschn. 14.2 hergeleitet, bevor die Methoden der Potenzialtheorie in Abschn. 14.3 auf den Fall verallgemeinert werden, dass elektrisch polarisierbare Materie vorhanden ist. In Abschn. 14.4 wird diskutiert, wie sich Energiebetrachtungen in Anwesenheit von Materie im elektrostatischen Fall verallgemeinern; die endgültige Verallgemeinerung in der vollen Elektrodynamik ist Kap.

15

vorbehalten.

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15. Magnetismus und elektrische Ströme

Wie lassen sich die Methoden der Elektrostatik auf die Magnetostatik übertragen?

Was unterscheidet magnetische Dipole von elektrischen?

Was ist Magnetisierung?

Warum schweben Supraleiter über Magneten?

Was ist eine magnetische Flasche?

Wie wird Strom erzeugt?

Wie wird elektrische Energie zum Verbraucher transportiert?

Wie schon in der Elektrostatik sind in vielen Anwendungen Polarisationseffekte der Materie zu berücksichtigen, die sich als Magnetisierung manifestieren. Diese kann – im Gegensatz zur Elektrostatik, wo Polarisation immer zu einer Abschwächung des elektrischen Feldes führt – sowohl abschwächend als auch verstärkend wirken. Extreme Verstärkungen treten durch das Phänomen des Ferromagnetismus auf, der entscheidenden Anteil an der technischen Bedeutung von Magnetismus hat.

Schrittweise werden wir in diesem Kapitel dann auch inhärent dynamische Situationen betrachten. Neben den Feldgleichungen werden wir insbesondere die Bewegungsgleichungen von geladenen Teilchen in gegebenen Magnetfeldern studieren, die sich wegen der Lorentz‐Kraft völlig anders verhalten, als man es von konservativen Kraftfeldern gewohnt ist.

Zum Schluss dieses Kapitels werden wir die makroskopische Beschreibung des Zusammenspiels von Materie und elektromagnetischen Feldern auf den uneingeschränkt zeitabhängigen Fall erweitern. Elektrische und magnetische Phänomene können dann nicht mehr getrennt behandelt werden, aber die Struktur der phänomenologischen Maxwell‐Gleichungen ist von gleicher Eleganz wie auf fundamentaler Ebene, auch wenn diese durch Materialgleichungen zu ergänzen sind, damit die Feldgleichungen gelöst werden können.

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16. Ausbreitung elektromagnetischer Wellen

Welche grundlegenden Eigenschaften haben elektromagnetische Wellen?

Welchen Einfluss haben Medien auf elektromagnetische Wellen?

Wie breiten sich elektromagnetische Wellen in Hohlleitern aus?

Das Licht der Sterne erreicht uns aus großen Entfernungen durch das Vakuum des Weltalls; sehr lange war aber nicht klar, was Licht überhaupt ist und wie es sich durch das Vakuum ausbreiten kann. Maxwell äußerte bereits kurz nach Aufstellen seiner Gleichungen die Vermutung, dass es „elektromagnetische Wellen“ gäbe und Licht eine solche sei. Im Jahre 1886 bestätigte dann der deutsche Physiker Heinrich Hertz experimentell, dass elektromagnetische Wellen in der Tat existieren und sich auch genauso verhalten wie Lichtwellen (siehe auch Kap.

19

).

Zunächst wurde jedoch noch davon ausgegangen, dass elektromagnetische Wellen (wie die schon bekannten mechanischen Wellen) ein Medium benötigen, um sich auszubreiten, dass also das gesamte Weltall mit einem „Äther“ ausgefüllt ist. In den folgenden Jahrzehnten ergaben sich aber zunehmend experimentelle Befunde gegen diese Annahme, und Einsteins spezielle Relativitätstheorie zeigte dann endgültig, dass ein Äther nicht nötig ist: Licht kann sich auch durch ein reines Vakuum ausbreiten.

Licht hat aber zahlreiche Wirkungen auf Materie. Eine besonders eindrucksvolle wird beim Eröffnungsbild dieses Kapitels sichtbar: Der Strahlungsdruck des Sonnenlichtes sorgt dafür, dass ein Komet nicht nur einen Schweif hat (der durch den Sonnenwind, also geladene Teilchen, die von der Sonne abgegeben werden, entsteht), sondern auch noch einen zweiten sogenannten Strahlungsschweif.

Sowohl die Ausbreitung von elektromagnetischen Wellen im Vakuum als auch einige ihrer Wechselwirkungen mit Materie werden in diesem Kapitel genauer beleuchtet.

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17. Optik

Was passiert mit Lichtstrahlen an der Grenzfläche zweier Medien?

Wie kann die Ausbreitung von Lichtstrahlen in inhomogenen Medien beschrieben werden?

Welchen Einfluss haben die Welleneigenschaften des Lichtes auf seine Ausbreitung?

Die Optik beschäftigt sich speziell mit der Ausbreitung von Licht (die meisten ihrer Ergebnisse sind aber auch auf andere elektromagnetische Wellen übertragbar). In vielen Fällen genügt es dabei, davon auszugehen, dass Licht sich in

Strahlen

ausbreitet; der Wellencharakter des Lichtes kann vernachlässigt werden.

Dies ist insbesondere der Fall, wenn die charakteristischen Längen des betrachteten Problems (beispielsweise Durchmesser einer Blende oder Dicke einer Linse) sehr groß gegenüber der Wellenlänge des Lichtes sind: Dann sind typische Welleneffekte wie Beugung, Interferenz und Polarisation vernachlässigbar (Abschn. 17.1). Die Funktionsweise von typischen optischen Geräten wie beispielsweise Teleskopen und Mikroskopen kann deshalb im Rahmen des Brechungs‐ und des Reflexionsgesetzes, die wir in Abschn. 17.2 besprechen werden, großenteils verstanden werden.

Diese Gesetze können rein mit der geometrischen Optik begründet werden, auch wenn sie letztlich auf dem Verhalten von Wellen beruhen, wie hier gezeigt werden wird. Auch Brechungserscheinungen in der Atmosphäre, die beispielsweise zu Luftspiegelungen und zur sogenannten astronomischen Refraktion führen, können rein im Rahmen der geometrischen Optik diskutiert werden – aber auch hier existiert ein enger Zusammenhang zur Wellenoptik, die sogenannte Eikonalgleichung (Abschn. 17.13).

Sind die betrachteten Längenskalen dagegen vergleichbar mit der Lichtwellenlänge oder ist man an typischen Welleneigenschaften wie der Polarisation interessiert, so muss man zur Berechnung die Wellenoptik benutzen. Dies ist beispielsweise bei der Brechung und Reflexion wichtig, wenn man genau daran interessiert ist, welcher Anteil des Lichtes gebrochen bzw. reflektiert wird – dies hängt von der Polarisation des Lichtes ab. Für die Behandlung von Beugungserscheinungen, die beispielsweise das Auflösungsvermögen von Mikroskopen begrenzen, wird schließlich der Wellencharakter des Lichtes essenziell (17.4).

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18. Relativistische Formulierung der Elektrodynamik

Warum und wie sind elektrische und magnetische Felder für gegeneinander bewegte Beobachter zu transformieren?

Wie kann man die Maxwell-Gleichungen gleich für beliebige Inertialsysteme anschreiben?

Was passiert mit dem elektrischen Feld einer Punktladung, wenn diese plötzlich beschleunigt wird?

Wie sähe Licht aus, wenn man ihm mit Lichtgeschwindigkeit nachlaufen könnte?

Welche Materialgleichungen haben bewegte Medien?

Schon vor der Formulierung der speziellen Relativitätstheorie durch Einstein hatten Lorentz und Poincaré das Transformationsverhalten elektromagnetischer Felder unter einem Wechsel des Inertialsystems herausgefunden und waren dabei auf die Effekte der Lorentz‐Kontraktion und sogar der Zeitdilatation gestoßen. Einsteins spezielle Relativitätstheorie und insbesondere der „Viererformalismus“ des Minkowski‐Raumes, in dem das Newton’sche Konzept der absoluten Zeit aufgegeben wird, erlaubt es, die Maxwell‐Gleichungen in eine elegante und auch praktische Lorentz‐kovariante Form zu bringen, in der elektrische und magnetische Felder endgültig vereinheitlicht werden.

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19. Abstrahlung elektromagnetischer Wellen

Wie kann man allgemein die Potenziale einer vorgegebenen Ladungs″= und Stromverteilung berechnen?

Wie strahlt eine bewegte Punktladung?

Wie sieht die Multipolentwicklung im dynamischen Fall aus?

Welche Besonderheiten ergeben sich bei der Abstrahlung durch relativistisch bewegte Punktladungen?

Ende des 19. Jahrhunderts begann Heinrich Hertz (1857–1894), kurz zuvor zum Professor für Experimentalphysik am Polytechnikum in Karlsruhe berufen, mit elektromagnetischen Schwingungen in Spulen zu experimentieren. Es war bereits bekannt, dass es bei Spulen, die an einer Stelle unterbrochen sind, an dieser Stelle zu Funkenüberschlägen kommen kann.

Zufällig bemerkte Hertz bei seinen Untersuchungen, dass auch bei einer zweiten, mit der ersten nicht elektrisch verbundenen Spule Funken übersprangen. Damit waren erstmals elektromagnetische Wellen erzeugt und wieder empfangen worden, auch wenn das Hertz zu diesem Zeitpunkt wohl noch nicht bewusst war.

In der Folgezeit untersuchte er die Übertragung der Funken näher. Statt der Sendespule verwendete er bald nur noch zwei lange Drähte mit großen Kugeln als Ladungsspeicher an den voneinander abgewandten Enden und kleinen Kugeln an den einander zugewandten Enden; diese Anordnung bezeichnete er als „großen Oszillator“. Wurde an diese Anordnung eine Spule angeschlossen, in der elektromagnetische Schwingungen stattfanden, so sprangen zwischen den kleinen Kugeln periodisch Funken über – und eine elektromagnetische Welle wurde abgestrahlt.

Heutzutage verwendet man natürlich keine Funken mehr zur Erzeugung elektromagnetischer Wellen; in Worten wie „Funk“ ist aber der Ursprung dieser Technik immer noch erhalten geblieben. Das Eröffnungsbild des Kapitels zeigt eine Briefmarke, die von der Deutschen Post 1983 zur Feier dieser Entdeckung herausgegeben wurde.

Letztlich war der von Hertz benutzte „große Oszillator“ ein elektrischer Dipol mit einem zeitabhängigen Dipolmoment. Hertz hat also experimentell gezeigt, dass ein mit der Zeit veränderlicher elektrischer Dipol elektromagnetische Wellen abstrahlt. In diesem Kapitel werden wir den theoretischen Hintergrund sowohl für diese Dipolstrahlung als auch für die Abstrahlung von elektromagnetischen Wellen durch bewegte Punktladungen und allgemeine Ladungs‐ und Stromverteilungen genauer betrachten.

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20. Lagrange- und Hamilton-Formalismus in der Elektrodynamik

Wie behandelt man eine relativistische Punktladung im Lagrange- und Hamilton-Formalismus?

Wie kann man die Maxwell-Gleichungen aus einer Lagrange-Funktion ableiten?

Wie können das Noether-Theorem und die Energie- und Impulserhaltung auf Feldtheorien angewandt werden?

In der Mechanik (Kap.

5

und

7

) wurden zwei relativ abstrakte, aber auch sehr allgemeine Formalismen hergeleitet, mittels derer die Bewegungsgleichungen für ein gegebenes mechanisches System bestimmt werden können: der Lagrange‐ und der Hamilton‐Formalismus. Diese sollen nun auch auf die Elektrodynamik erweitert werden.

Der Sinn ist nicht sofort einsichtig – in der Elektrodynamik sind die Bewegungsgleichungen ja immer dieselben und folgen direkt aus der Lorentz‐Kraft. Die allgemeinen Formalismen haben dennoch mehrere Vorteile. Zunächst können alle physikalischen Gesetze der Elektrodynamik in einem Ausdruck zusammengefasst werden: Aus der Lagrange‐Funktion erhält man mittels der Euler‐Lagrange‐Gleichungen alle Bewegungsgleichungen, ebenso aus der Hamilton‐Funktion mittels der Hamilton‐Gleichungen. Die Lagrange‐ und die Hamilton‐Funktion beschreiben also jeweils die komplette Physik des Systems.

Außerdem fällt es bei der Formulierung mittels einer Lagrange‐Funktion einfacher, allgemeine Prinzipien wie beispielsweise den Zusammenhang zwischen Symmetrien und Erhaltungsgrößen (Noether‐Theorem) zu studieren; auch dies wurde bereits in der Mechanik diskutiert. Und schließlich kann die Elektrodynamik, wenn sie auf diese Weise formuliert wird, leicht mit anderen Feldtheorien verglichen und auch verallgemeinert werden, beispielsweise zu den SU(

N

)‐Eichtheorien der modernen Elementarteilchenphysik.

Konkrete Anwendungen findet der Hamilton‐Formalismus vor allem in der Quantenmechanik und Quantenfeldtheorie, wenn man zum Hamilton‐Operator übergeht. Der Lagrange‐Formalimus ist dagegen der Ausgangspunkt für den Pfadintegralformalismus, der ebenfalls sowohl für die Quantenmechanik als auch für die Quantenfeldtheorie wichtig ist.

In diesem Kapitel werden wir zunächst, wie bereits in der Mechanik, die Bewegung eines Punktteilchens mit dem Lagrange‐ und Hamilton‐Formalismus studieren, nun allerdings unter Einbeziehung der speziellen Relativitätstheorie und der Lorentz‐Kraft (Abschn. 20.1). Dann werden wir in Abschn. 20.2 den Formalismus auf die Felder selbst anwenden, wobei wieder der aus der Mechanik bekannte Formalismus relativistisch verallgemeinert wird. Abschließend erweitert Abschn. 20.3 das bekannte Noether‐Theorem auf allgemeine Feldtheorien. Als eine spezielle Anwendung wird der Energie‐Impuls‐Tensor der Elektrodynamik diskutiert.

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Quantenmechanik

Frontmatter
21. Die Entstehung der Quantenphysik

Die Quantentheorie wird als eine der größten naturwissenschaftlichen Errungenschaften des 20. Jahrhunderts angesehen - revolutionär und von groÿem praktischen Nutzen. Ohne sie gäbe es kein Verständnis der Eigenschaften von Molekülen, Atomen und Atomkernen, Halbleitern, Lasern oder Elementarteilchen, und ohne sie könnten wir auch nicht begreifen, warum die Sonne schon mehrere Milliarden Jahre Energie ausstrahlt.

Dieses Kapitel beschreibt die Entstehung der Quantenphysik. In Abschnitt 21.1 werden Probleme der klassischen Physik vor Entdeckung der Quantentheorie erläutert. Besondere Beachtung findet in Abschnitt 21.2 die Untersuchungen zur Hohlraumstrahlung. Der Welle-Teichen- Dualismus in Gestalt von Lichtquanten einerseits und Materiewellen andererseits wird in Abschnitt 21.3 behandelt. In Abschnitt 21.4 folgen die Quantisierungsregeln von Bohr und Sommerfeld mit Anwendung auf das Bohr’sche Wasserstoffatom. In Abschnitt 21.5 werden Emissions- und Absorptionsprozesse von Atomen behandelt. Hier findet man auch die Beziehung zwischen den dabei auftretenden Einstein-Koeffzienten. Im letzten Abschnitt 21.6 wird beschrieben, wie sich der Spin von Teilchen bemerkbar machte und verstanden wurde.

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22. Wellenmechanik

Verglichen mit der klassischen Physik beschreitet man in der Quantenphysik begrifflich ein Neuland. In der Quantenmechanik ist es unmöglich, einem Teilchen gleichzeitig einen festen Ort und einen festen Impuls zuzuordnen. Als Folge nehmen die Gesetze die Form statistischer Gesetze an. In der Wellenmechanik wird einem Teilchen (oder einem allgemeineren System) eine Wellenfunktion

$$\psi$$

zugeordnet. Die Materiewelle

$$\psi$$

hat selbst keine anschauliche Bedeutung, aber

$$|\psi|^{2}$$

ist die Wahrscheinlichkeitsdichte für den Ort des Teilchens.

In Abschnitt 22.1 wird gezeigt, wie sich aus den Welleneigenschaften

Unbestimmtheitsrelationen

für Teilchenort und Teilchenimpuls ergeben.

$$\psi$$

erfüllt eine Wellengleichung und für freie Teilchen wird diese

Schrödinger-Gleichung

in Abschnitt 22.2 begründet, diskutiert und gelöst. Hier finden sich auch die wichtigen

Korrespondenzregeln

für den Übergang von der klassischen Physik zur Quantenphysik. In Abschnitt 22.3 wird gezeigt, wie man die Schrödinger-Gleichung für ein allgemeines mechanisches System findet. Der Erhaltung und dem Fluss der Wahrscheinlichkeit in der Schrödinger’schen Wellenmechanik ist der abschlieÿende Abschnitt 22.4 gewidmet.

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23. Formalismus der Quantenmechanik

In der Quantentheorie gilt das Superpositionsprinzip exakt für abgeschlossene Systeme. Man kann Zustände überlagern, die in der klassischen Physik als vollkommen getrennt behandelt werden. Deshalb bildet der Raum der Wellenfunktionen einen Vektorraum und die Wahrscheinlichkeitsinterpretation versieht ihn mit einem Skalarprodukt. Ein vollständiger Vektorraummit Skalarprodukt heißt Hilbert-Raum.

Hilbert-Räume

werden in Abschnitt 23.1 eingeführt und die in der Quantenmechanik häufgauftretenden Räume werden im Detail besprochen. Nach dem Korrespondenzprinzip werden klassischen Observablen hermitesche

lineare Operatoren

zugeordnet. Hermitesche Operatoren auf Hilbert-Räumen und ihre wesentlichen Eigenschaften werden in Abschnitt 23.2 diskutiert. Die Eigenwerte eines Operators - sie bilden das Spektrum des Operators - sind die möglichen Resultate bei einer Messung der entsprechenden Observablen. Deshalb ist in der Quantentheorie die Lösung von Eigenwertproblemen der linearen Algebra von großer Bedeutung. Die

spektralen Eigenschaften

von Operatoren werden in Abschnitt 23.3 besprochen. Der abschließende Abschnitt 23.4 handelt von unitären Hilbert-Raum-Operatoren. Diese beschreiben Symmetrietransformationen von Quantensystemen.

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24. Observablen, Zustände und Unbestimmtheit

Die Quantenmechanik ist eine empirisch äuÿerst erfolgreiche physikalische Theorie. Gleichzeitig wirft sie tiefgründige konzeptionelle Probleme auf. Die Frage, wie sie zu interpretieren sei, wird seit Beginn kontrovers diskutiert. Was ist die Rolle des Beobachters beim Messprozess? Können makroskopisch unterscheidbare Zustände überlagert werden? Ist die Theorie nichtlokal oder nicht deterministisch? Im vorliegenden Kapitel steht der

quantenmechanische Messprozess

im Vordergrund.

Viele Physiker bevorzugen die in Abschnitt 24.1 vorgestellte

Kopenhagener Interpretation

- trotz des darin auftretenden schwierigen Komplementaritätsprinzips. Daneben entstanden im Laufe der Zeit alternative Interpretationen oder sogar alternative Theorien für die mikroskopischen Erscheinungen. Einige dieser Alternativen werden kurz vorgestellt. In Abschnitt 24.2 werden allgemeine

Unbestimmtheitsrelationen

für Paare von nicht-verträglichen Observablen besprochen. Diese Relationen bedingen prinzipielle Grenzen für die Kenntnis über ein Quantensystem. Ausgehend vom

EPR-Paradoxon

wird in Abschnitt 24.3 der Frage nachgegangen, ob die Quantenmechanik vollständig ist oder ob sie verborgene Variablen haben kann.

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25. Zeitentwicklung und Bilder

In der Quantentheorie gibt es keine klare Trennung zwischen System und Messapparatur. Nur ein abgeschlossenes und von allen äußeren Einflüssen (z.B. Messungen) isoliertes System verändert sich in exakt vorhersagbarer Weise. In diesem Kapitel beschreiben wir diese deterministische Zeitentwicklung eines abgeschlossenen Quantensystems.

Die Zeitentwicklung eines ungestörten Systems ist durch die lineare Schrödinger-Gleichung bestimmt und den zugehörigen unitären

Zeitentwicklungsoperator

$${\hat{U}}(t,t_{0})$$

gegeben. In Abschnitt 25.1 wird

$${\hat{U}}(t,t_{0})$$

für Systeme mit wenigen Zuständen berechnet. Als Beispiel dienen die

Rabi-Oszillationen

eines Zweizustand-Systems. Die formale Lösung für

$${\hat{U}}(t,t_{0})$$

als Potenzreihe in Potenzen des Hamilton-Operators wird in Abschnitt 25.2 bestimmt. Mithilfe von

$${\hat{U}}$$

wird dann in Abschnitt 25.3 vom

Schrödinger-Bild

zuerst in das

Heisenberg-Bild

und danach in das für Störungs- und Streutheorie wichtige

Wechselwirkungsbild

transformiert. In Abschnitt 25.4 wird dann kurz die Von-Neumann-Gleichung für Dichtematrizen besprochen. Im letzten Abschnitt 25.4 folgt die Pfadintegral-Darstellung für

$${\hat{U}}(t,t_{0})$$

im Ortsraum ab. Es wird gezeigt, dass die Amplitude für die Propagation eines Teilchens zwischen zwei Orten durch eine gewichtete Summe über alle denkbaren Wege zwischen den Orten gegeben ist.

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26. Eindimensionale Quantensysteme

In diesem Kapitel werden Lösungen der zeitunabhängigen Schrödinger-Gleichung auf der reellen Achse oder auf einem Intervall untersucht. Eindimensionale Systeme werden durch Nanodrähte realisiert und sind interessant, weil sie bereits einige unerwartete Effekte zeigen.

Abschnitt 26.1 enthält eine Diskussion der qualitativen Eigenschaften von Lösungen. Dazu gehören die mit der Wahrscheinlichkeitsinterpretation verträglichen

Randbedingungen

und der nützliche

Knotensatz

. Nach den Gesetzen der Quantenphysik kann ein Teilchen einen Potenzialwall mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit durchdringen, ohne die zu seiner Überwindung notwendige Energie zu besitzen. Dieser

Tunneleffekt

wird in Abschnitt 26.2 diskutiert und für den Potenzialwall berechnet. In Abschnitt 26.3 wird die elegante Lösung des

harmonischen Oszillators

in der Besetzungszahldarstellung vorgestellt. Die Methode der Auf- und Absteigeoperatoren kann auf beliebige eindimensionale Schrödinger-Gleichungen verallgemeinert werden. Dies führt über das Faktorisierungsproblem für Hamilton-Operatoren bis zur supersymmetrischen Quantenmechanik. Als Anwendung werden in Abschnitt 26.4 nicht zerfließende

kohärente Zustände

untersucht. Zum Abschluss wird in Abschnitt 26.5 gezeigt, wie man die stationäre Schrödiger-Gleichung mit einfachen numerischen Methoden lösen kann.

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27. Symmetrien und Erhaltungssätze

Symmetrien spielen in der Physik eine entscheidende Rolle. Nach dem Noether-Theorem gehört zu jeder kontinuierlichen Symmetrie eines klassischen Systems ein Erhaltungssatz. Neben Energie, Impuls, Drehimpuls, Parität und elektrischer Ladung sind dies erhaltene Ladungen in der Elementarteilchenphysik. Die Kenntnis der Symmetrien kann bei der Lösungssuche in bekannten Theorien oder bei der Suche nach neuen Theorien hilfreich sein.

Der wichtige Abschnitt 27.1 handelt vom Zusammenhang zwischen Symmetrien und Erhaltungsgr öÿen in einer Quantentheorie. Die allgemeinen Resultate werden dann in Abschnitt 27.2 auf

Raumspiegelungen

und in Abschnitt 27.3 auf

Verschiebungen im Raum

angewandt. Eine weitere Anwendung in Form des Bloch’schen Theorems findet man in geordneten Festkörpern, und dies ist Gegenstand von Abschnitt 27.4. Eine in Atom- und Molekülphysik gleichermaßen wichtige Anwendung ist der Zusammenhang zwischen

Drehsymmetrie

im Raum und dem zugehörigen erhaltenen

Drehimpuls

in Abschnitt 27.5. Die spektralen Eigenschaften von Drehimpulsen und die Addition von mehreren Drehimpulsen sind dann Gegenstand in den Abschnitten 27.6 und 27.8.

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28. Zentralkräfte – das Wasserstoffatom

Wasserstoffähnliche Atome oder Ionen besitzen nur ein Elektron. Das klassische Einelektronsystem ist der Wasserstoff selbst. Hier ist das Elektron über die Coulomb-Wechselwirkung an ein einzelnes Proton gebunden. Ein anderes System ist das Positronium, das aus einem Elektron und seinem Antiteilchen, dem Positron, besteht. In diesem Kapitel untersuchen wir nichtrelativistische Systeme. Die vorwiegend relativistischen Korrekturen werden dann in Kapitel

30

besprochen.

Im Abschnitt 28.1 wird die Dynamik eines Zweikörpersystems in Schwerpunkts- und Relativbewegung zerlegt und anschließend in Abschnitt 28.2 die zeitunabhängige Schrödinger- Gleichung für ein Teilchen in einem unendlich hohen

sphärischen Potenzialtopf

gelöst. Nach diesen Vorbereitungen findet man in Abschnitt 28.3 die Berechnung der Energien und Energie- Eigenfunktionen für die Relativbewegung im

Wasserstoffatom

. Dabei macht man ganz wesentlich von der Drehsymmetrie im Coulomb-Potential Gebrauch. Im letzten Abschnitt 28.4 wird die äußerst elegante algebraische Lösung des Wasserstoffatoms von Wolfgang Pauli vorgestellt. Ausgehend vom erhaltenen

Runge-Lenz-Vektoroperator

kann man nämlich Energien und Energie-Eigenfunktionen des Atoms berechnen, ohne eine Differenzialgleichung zu lösen.

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29. Elektromagnetische Felder und der Spin

Welchen Einfluss haben die elektromagnetischen Potenziale auf quantenmechanische Zustände?

Welche Auswirkungen hat ein homogenes Magnetfeld auf die Zustände und das Energiespektrum geladener Teilchen?

Wie wird der Spin in der Quantenmechanik beschrieben?

In Kap. 22 wurde bereits kurz angesprochen, wie elektromagnetische Felder in der Quantenmechanik zu berücksichtigen sind. In diesem Kapitel werden wir darauf nun genauer eingehen und sowohl allgemeine Prinzipien als auch spezielle Beispiele dazu diskutieren; insbesondere werden wir in Abschn. 29.1 zunächst die Bedeutung der Potenziale untersuchen, die ja in der klassischen Physik nicht direkt beobachtbare Größen sind.

Vor allem der Einfluss von Magnetfeldern, insbesondere der Zeeman‐Effekt (Abschn. 29.2), ist in vielen physikalischen Situationen wichtig – nicht nur in der Astrophysik, wo damit die Stärke des Magnetfeldes auch bei weit entfernten astronomischen Objekten bestimmt werden kann, sondern beispielsweise wohl auch bei Zugvögeln: Laut einer gegenwärtigen Hypothese läuft eine chemische Reaktion in Cryptochrom‐Molekülen in den Augen dieser Vögel je nach Orientierung zum Erdmagnetfeld unterschiedlich ab; auf diese Weise können die Vögel das Magnetfeld also direkt „sehen“ und sich daran orientieren.

Sowohl eine genaue Betrachtung des Zeeman‐Effekts als auch andere experimentelle Ergebnisse, wie beispielsweise die aus dem bekannten Stern‐Gerlach‐Versuch, führen allerdings zu der Erkenntnis, dass bei Elektronen außer ihrer elektrischen Ladung auch das magnetische Moment, das von ihrem Spin herrührt, zu berücksichtigen ist. Der Rest des Kapitels beschäftigt sich deshalb mit der konkreten rechnerischen Behandlung dieses Spins.

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30. Störungstheorie und Virialsatz

Wie kann man Systeme, die nur leicht von exakt lösbaren Systemen abweichen, näherungsweise behandeln?

Was kann man allgemein über Erwartungswerte von Ableitungen des Hamilton-Operators bzw. der kinetischen und potenziellen Energie aussagen?

Wie geht man bei zeitabhängigen Einwirkungen auf ein exakt lösbares System vor?

Bisher wurden fast nur exakt lösbare Systeme besprochen; allerdings wurde auch schon mehrfach darauf hingewiesen, dass viele Probleme nur näherungsweise lösbar sind. In der Quantenmechanik werden daher diverse Näherungsverfahren verwendet; das wichtigste, die Störungstheorie, soll in diesem Kapitel besprochen werden. Weitere Verfahren werden in Kap. 31 diskutiert.

Die Störungstheorie geht davon aus, dass das betrachtete System weitgehend mit einem exakt lösbaren System übereinstimmt und sich nur durch eine kleine „Störung“ davon unterscheidet. Was genau darunter zu verstehen ist, wird im Folgenden noch zu präzisieren sein.

Zu unterscheiden ist dabei einerseits zwischen zeitabhängigen und ‑unabhängigen Störungen, andererseits zwischen Systemen mit entarteten bzw. nichtentarteten Zuständen. Als ein wichtiges Beispiel für eine zeitunabhängige Störung, bei der die Entartung nicht wesentlich ist, werden wir die schon früher erwähnte

Spin‐Bahn‐Kopplung

studieren. Bei der Wirkung eines homogenen elektrischen Feldes auf Atome (

Stark‐Effekt

) ist dann die Entartung zu berücksichtigen (Abschn. 30.1).

Sowohl für die Störungstheorie als auch für andere Methoden (die wir in Kap. 31 besprechen werden) ist es oft nötig, Erwartungswerte des Hamilton‐Operators oder ähnlicher Operatoren zu berechnen. Deshalb werden in Abschn. 30.2 allgemeine Aussagen über solche Erwartungswerte vorgestellt.

Die

Hellmann‐Feynman‐Formel

macht eine Aussage über den Erwartungswert von Ableitungen des Hamilton‐Operators; als konkrete Anwendung kann damit die Energieverschiebung durch die Spin‐Bahn‐Kopplung in der ersten Ordnung der Störungstheorie endgültig berechnet werden. Der

Virialsatz

verknüpft dagegen, analog zur klassischen Mechanik, die Erwartungswerte der kinetischen und der potenziellen Energie. Als Anwendung werden hier relativistische Korrekturen zum Wasserstoffspektrum und darauf aufbauend die

Feinstruktur

von Spektren wasserstoffartiger Atome diskutiert.

Manche zeitabhängigen Störungen wie beispielsweise radioaktiver Zerfall verlaufen verglichen mit der Dynamik des ungestörten Systems sehr schnell; diese können im Rahmen der sogenannten

sudden approximation

behandelt werden. Wir werden in Abschn. 30.3 aber auch den allgemeinen Fall zeitabhängiger Störungen besprechen und die wichtige

Goldene Regel

dafür herleiten. Schließlich werden wir beispielhaft den Einfluss einer periodischen äußeren Störung auf Atome untersuchen – was unter anderem für die stimulierte Emission von Licht verantwortlich ist, also die Grundlage für den Laser bildet.

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31. Mehrteilchensysteme und weitere Näherungsmethoden

Wie werden Mehrteilchensysteme in der Quantenmechanik mathematisch behandelt?

Welche Eigenschaften haben Fermionen und Bosonen?

Wie kann man Probleme, bei denen die prinzipielle Form der Wellenfunktion bekannt ist, näherungsweise lösen?

Wie kann man Probleme, die nahe an der klassischen Mechanik sind, näherungsweise lösen?

In Kap. 28 wurde das nichtrelativistische Wasserstoffatom ausführlich behandelt. Nach Abspaltung der Schwerpunktsbewegung vereinfacht es sich auf ein exakt lösbares Einkörperproblem. Berücksichtigt man allerdings die relativistische Spin‐Bahn‐Kopplung oder wird ein äußeres Feld angelegt, so können die Energieniveaus und Eigenfunktionen des Wasserstoffatoms nur mit Näherungsmethoden berechnet werden (Kap. 30).

Bereits das Heliumatom und erst recht größere Atome und Moleküle entziehen sich aber selbst ohne Berücksichtigung relativistischer Korrekturen oder äußerer Felder einer exakten Behandlung. Ihre Eigenschaften können nur, z. B. mithilfe der Störungstheorie (Kap. 30), näherungsweise berechnet werden. In diesem Kapitel werden wir weitere Methoden kennenlernen, um die Dynamik von solchen Mehrteilchensystemen zu behandeln.

Hierzu wird in Abschn. 31.1 zunächst der mathematische Formalismus diskutiert, der zur Behandlung solcher Systeme nötig ist. Eine einfache Anwendung findet dieser bei der Diskussion der

Van‐der‐Waals‐Wechselwirkung

zwischen neutralen Atomen. Insbesondere die in der klassischen Physik unbekannte Ununterscheidbarkeit von Teilchen führt aber zu Komplikationen und schließlich zur Einteilung aller bekannten Teilchen in Fermionen und Bosonen, die sich fundamental unterschiedlich verhalten. Dies zeigt sich beim

Pauli’schen Ausschlussprinzip

, das eine einfache Anwendung bei der Unterscheidung zwischen

Ortho‐

und

Parahelium

findet.

In Abschn. 31.2 wird das

Variationsverfahren

(nach

Rayleigh

und

Ritz

) vorgestellt. Dieses ist dann sinnvoll anwendbar, wenn man bereits konkrete Vorstellungen über die Gestalt der Grundzustandswellenfunktion hat und vor allem noch Parameter bestimmt werden müssen. Als Anwendung wird hier der Grundzustand des Heliumatoms untersucht. Sehr wichtig ist das Variationsverfahren auch für die Chemie: Auf ihr beruht das

Hartree‐Fock‐Verfahren

, mit dem Molekülorbitale näherungsweise berechnet werden können (siehe Eröffnungsbild dieses Kapitels). Dieses Verfahren wird am Ende des Kapitels im Abschnitt „So geht’s weiter“ ausführlich vorgestellt.

Abschließend diskutieren wir in Abschn. 31.3 die

semiklassische Näherung

nach

Wentzel

,

Kramers

und

Brillouin

. Diese ist brauchbar, wenn die Wellenlänge klein gegenüber typischen Abmessungen des Problems ist und damit analog zur Eikonalnäherung in der Optik. Die Behandlung von Bindungszuständen in dieser Näherung führt auf die

Bohr‐Sommerfeld‐Quantisierungsbedingung

; außerdem werden Tunnelprozesse diskutiert. Die

Thomas‐Fermi‐Methode

schließlich kombiniert Ideen aus der semiklassischen Näherung mit Ergebnissen der Quantenstatistik.

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32. Streutheorie

Streuexperimente sind ein wichtiges Werkzeug bei der Untersuchung physikalischer Objekte, z.B. Festkörper, Moleküle, Atome, Atomkerne und Elementarteilchen. Man kann die Streuung von Teilchen oder von Strahlung an Objekten benutzen, um die Struktur dieser Objekte zu untersuchen und besser zu verstehen. Ein klassisches Beispiel ist die Elektronenstreuung an Atomkernen. In diesem Fall erhält man Aufschluss über die elektromagnetische Struktur des Kerns. Im vorliegenden Kapitel werden

elastischer Streuprozesse

behandelt, bei denen die inneren Zustände der gestreuten Teilchen unverändert bleiben.

Abschnitt 32.1 beginnt mit der wichtigen Darstellung der Streuung von Teilchen an einem Potential. Dabei wird der wichtige Zusammenhang zwischen Wirkungsquerschnitt und

Streuamplitude

und - ausgehend von der

Lippmann-Schwinger-Gleichung

- die

Born’sche Näherung

besprochen. Es folgt in Abschnitt 32.2 die Partialwellenanalyse für die Streuung an kugelsymmetrischen Streuzentren und das

optische Theorem

und

Levinson-Theorem

. Nach einer kurzen Behandlung von Resonanzen in Abschnitt 32.2 wird in Abschnitt 32.3 sehr ausführlich auf die Streuung von identischen Teilchen mit und ohne Spin eingegangen.

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Thermodynamik und statistische Physik

Frontmatter
33. Phänomenologische Begründung der Thermodynamik

Wie verhalten sich physikalische Systeme aus sehr vielen Teilchen?

Wie können Temperatur und Wärme physikalisch beschrieben werden?

Wie arbeiten Wärmekraftmaschinen?

Welche physikalischen Vorgänge können spontan ablaufen, welche nicht?

Dieses Kapitel führt die wesentlichen Konzepte der Thermodynamik und ihre Axiome auf eine Weise ein, die keinen Bezug zur mikroskopischen Natur der Materie nimmt. Es folgt damit zum einen der historischen Entwicklung, welche die Thermodynamik ausgehend von den Begriffen „warm“ und „kalt“ über das Bedürfnis, Wärmekraftmaschinen zu verstehen, bis hin zur Formulierung ihrer sogenannten Hauptsätze genommen hat. Zum anderen zeigt es, wie und warum die Thermodynamik axiomatisch aufgebaut werden kann, ohne eine präzise Vorstellung vom Aufbau der Materie zu haben.

Zentral in diesem Kapitel sind die drei Hauptsätze, die aus historisch‐konventionellen Gründen mit null beginnend nummeriert werden und die als Axiome der Thermodynamik gelten können. Der nullte Hauptsatz definiert den physikalischen Temperaturbegriff, der erste Hauptsatz legt fest, wie verschiedene Formen von Energie ineinander umgewandelt werden können, und der zweite Hauptsatz klärt anhand des Begriffs der Entropie, welche dieser Umwandlungen überhaupt physikalisch möglich sind.

Zur Formulierung der Hauptsätze werden weitere Begriffe benötigt, die im Lauf des Kapitels eingeführt werden. Besonders wichtig sind die Begriffe der Zustands‐ und Prozessgrößen. Neben der Formulierung der Hauptsätze ist es das wesentliche Anliegen dieses Kapitels zu begründen, warum die Thermodynamik als allgemeine Theorie von den Energieumwandlungen makroskopischer Systeme so fundamental ist, dass sie die Revolutionen der Relativitätstheorien und der Quantentheorie weitgehend unverändert überstehen konnte, gerade weil sie von jeder detaillierten mikroskopischen Information absieht.

Oft wird in diesem und in den folgenden Kapiteln allgemein und abstrakt von „physikalischen Systemen“ die Rede sein. Unter einem „System“ verstehen wir hier einen wohldefinierten Ausschnitt der Welt, der durch einen geschlossenen Rand von seiner Umgebung abgegrenzt werden kann, aber nicht notwendigerweise davon isoliert ist. Wir unterscheiden mikroskopische und makroskopische Systeme nach der Anzahl ihrer Freiheitsgrade. Bei welcher Anzahl von Freiheitsgraden ein System als makroskopisch gelten kann, wird später durch den Begriff der Stoffmenge und durch die Avogadro‐Zahl einen präzisen Sinn bekommen.

Die Hauptsätze der Thermodynamik werden in diesem Kapitel vor allem anhand der idealen Gasgesetze und verschiedener Kreisprozesse erläutert und vertieft. Das Kapitel schließt mit einer Diskussion der Entropiezunahme bei irreversiblen Prozessen, insbesondere bei Wärmeleitung und Mischungsvorgängen, anhand derer das Konzept des reversiblen Ersatzprozesses eingeführt wird.

Die fünf Kapitel von Teil IV über Thermodynamik und statistische Physik bilden fünf Durchgänge durch ähnliche Themen. Jeder Durchgang vertieft die vorige Diskussion und fügt neue Konzepte hinzu. Auf Kap. 33, in dem die Thermodynamik phänomenologisch eingeführt wird, folgt ihre statistische Begründung (Kap. 34). Insbesondere die Entropie wird dann auf eine Abzählung möglicher Zustände zurückgeführt. In Kap. 35 werden die bis dahin entwickelten Konzepte erweitert und auf eine Reihe verschiedener Systeme angewandt, die von idealen zu realen Gasen und Phasenübergängen reichen. In Kap. 36 wird der Begriff der Ensembles geschärft und mit dem Konzept der Zustandssummen versehen, von denen gezeigt wird, dass in ihnen alle Information thermodynamischer Systeme im Gleichgewicht enthalten ist. Das abschließende Kap. 37 stellt schließlich dar, wie die bis dahin eingeführten Konzepte auf quantenphysikalische Systeme erweitert werden können.

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34. Statistische Begründung der Thermodynamik

Wie kann das Verhalten makroskopischer Systeme aus der Mikrophysik heraus begründet werden?

Was unterscheidet Arbeit und Wärme?

Was ist Entropie?

Welche Wahrscheinlichkeitsverteilungen sind für die Thermodynamik besonders wichtig?

Wir beginnen nun gewissermaßen von Neuem. In Kap. 33 haben wir uns auf die phänomenologische Thermodynamik beschränkt, die bewusst auf jede Kenntnis der sehr vielen mikroskopischen Zustände verzichtet, aus denen ein makroskopischer Zustand zusammengesetzt sein mag. Dieser Zugang kam historisch zuerst, weil er beschritten werden konnte, lange bevor sich Klarheit über den mikroskopischen Aufbau der Materie abzuzeichnen begann. Wir haben auch gesehen, dass sich die phänomenologische Thermodynamik auf drei Axiomen aufbauen lässt, die den Begriff der Temperatur einführen, makroskopische Energieumwandlungen zueinander in Beziehung setzen und festlegen, welche Arten der Energieumwandlungen möglich sind. Die durchaus erstaunliche Grundlage dieses Zugangs ist die empirisch bestätigte Hypothese, dass es für die Energieumwandlungen eines makroskopischen physikalischen Systems unerheblich ist, auf welche Weise seine sehr vielen Freiheitsgrade miteinander Energie austauschen.

In dem vorliegenden Kapitel beginnen wir stattdessen mit der mikroskopischen Beschreibung physikalischer Zustände. Dies wird es uns erlauben, die Thermodynamik auf eine statistische Grundlage zu stellen, die eine mikroskopische Deutung makroskopischer Zustandsgrößen erlauben und insbesondere dem zweiten Hauptsatz der Thermodynamik eine tiefere, statistische Begründung unterlegen wird. Auch die Bedeutung der absoluten Temperatur wird weiter vertieft. Wir werden in Abschn. 37.1 sehen, dass es für diesen statistischen Zugang zur Thermodynamik weitgehend unerheblich ist, ob wir von einer klassischen oder einer quantenmechanischen Zustandsbeschreibung ausgehen.

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35. Einfache thermodynamische Anwendungen

Wie stellt sich ein thermodynamisches System im Gleichgewicht ein?

Wann sind Gleichgewichte stabil?

Wie verhalten sich ideale und reale Gase?

Wie wandeln sich Phasen ineinander um?

In Kap. 33 und 34 wurde die Thermodynamik zunächst phänomenologisch begründet, d. h. aufgrund solcher Beobachtungen, die mit den Erfahrungen von Temperatur und Wärme verbunden sind. Wir haben dabei die Temperatur als Zustandsgröße eingeführt, den ersten Hauptsatz formuliert und haben nachvollzogen, wie man ausgehend von der grundlegenden Erfahrung irreversibler Vorgänge zur Entropie und zum zweiten Hauptsatz gelangt ist.

In Kap. 34 haben wir ausgehend von der Mikrophysik die statistische Begründung der Thermodynamik beschrieben, wobei wir hauptsächlich gesehen haben, dass die Entropie mit einem logarithmischen Maß des Phasenraumvolumens eines Systems identifiziert werden kann. Zudem ermöglichte die statistische, aus der Mikrophysik abgeleitete Vorgehensweise eine weitere Schärfung der Begriffe „Wärme“ und „Arbeit“.

In diesem Kapitel wollen wir nun diese Kenntnisse auf einfache thermodynamische Systeme anwenden. Wir beginnen mit der Vielfalt thermodynamischer Funktionen oder Potenziale, die durch Legendre‐Transformationen miteinander verbunden und verschiedenen äußeren Bedingungen angepasst sind. Die Enthalpie, die wir bereits in Abschn. 33.6 kurz besprochen haben, ist ein Beispiel für ein solches thermodynamisches Potenzial. Anhand dieser Potenziale besprechen wir Extremal‐ und Stabilitätseigenschaften thermodynamischer Systeme im thermischen Gleichgewicht.

Wir vertiefen dann unsere Diskussion des idealen Gases, insbesondere seiner Responsefunktionen, und gehen zum Van‐der‐Waals‐Gas als Beispiel eines nichtidealen Gases über. Anhand des Van‐der‐Waals‐Gases werden der Joule‐Thomson‐Effekt und insbesondere die Phänomene der Inversions‐ und der kritischen Temperatur besprochen.

Wir wenden uns erneut den Kreisprozessen zu, nun mit einer vereinheitlichenden Betrachtung, und wenden die Idee der Kreisprozesse auf ein scheinbar fremdes Thema an, nämlich die Herleitung der Dampfdruckkurve nach dem Clausius‐Clapeyron’schen Gesetz.

Wir kommen schließlich auf Phasengleichgewichte und Phasenübergänge zu sprechen und betrachten wiederum anhand des Van‐der‐Waals‐Gases einen Phasenübergang erster Art im Detail.

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36. Ensembles und Zustandssummen

Wie sind Wahrscheinlichkeitsaussagen über physikalische Systeme möglich?

Welchen statistischen Gesetzen folgt eine große Menge gleichartiger Systeme?

Wie können solche Systeme einheitlich beschrieben werden?

Wie wird diese einheitliche Beschreibung auf konkrete Systeme angewandt?

Wie können chemische Reaktionen thermodynamisch beschrieben werden?

Teil IV, der sich mit Thermodynamik befasst, gleicht viel mehr einer Wendeltreppe als einem geradlinigen Fortschreiten. Die Axiome der Thermodynamik wurden bereits in Kap. 33 eingeführt und als Abstraktionen physikalischer Erfahrung begründet. Weitere Axiome sind seitdem nicht dazugekommen, stattdessen haben wir sie vertieft: In Kap. 34 durch die statistische Begründung der Entropie und in Kap.

35

durch Anwendungen auf einfache Systeme.

Wir beginnen nun mit einem weiteren, vertiefenden Durchgang durch die Thermodynamik und die statistische Physik, in dem wir zunächst in Abschn. 36.1 den Begriff des Ensembles noch einmal näher besprechen und in Abschn. 36.2 und 36.3 den Begriff der Zustandssumme einführen. Zustandssummen können als die zentralen Objekte einer einheitlichen Beschreibung der statistischen Physik angesehen werden, die bis in die statistische Quantenfeldheorie hinein Anwendung finden. Insbesondere ergeben sich Mittelwerte und Korrelationen beliebiger thermodynamischer Größen durch geeignete Ableitungen von Zustandssummen. Dieser methodische Schritt ist das zentrale Anliegen dieses Kapitels.

Ausgehend von der üblichen Unterscheidung zwischen mikrokanonischen, kanonischen und großkanonischen Ensembles besprechen wir die dazugehörigen Zustandssummen ebenso wie die thermodynamischen Potenziale, die ihnen zugeordnet sind. Anschließend bestimmen wir in drei Abschnitten, die verschiedenen Anwendungen gewidmet sind, die Zustandssummen für verschiedene physikalische Systeme, nämlich für das ideale Gas im Schwerefeld in Abschn. 36.4, für chemisch reagierende ideale Gasgemische in Abschn. 36.5 und in Abschn. 36.6 für einfache Modelle magnetischer Systeme.

Das wesentliche Ziel dieses Kapitels ist es zu zeigen, wie sich verschiedenste thermodynamische Systeme anhand von Zustandssummen auf einheitliche Weise beschreiben lassen und wie alle Arten thermodynamischer Größen aus Zustandssummen gewonnen werden können.

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37. Quantenstatistik

Wie lassen sich die bisher entwickelten Konzepte aus der klassischen Physik in die Quantenphysik übertragen?

Wie verhalten sich ideale Quantengase?

Welche Merkmale kennzeichnen Bose- und Fermigase?

Welche Unterschiede zu klassischen idealen Gasen treten auf?

Welche Wärmekapazität haben Festkörper bei niedrigen Temperaturen?

In diesem Kapitel erweitern wir die bisherigen Überlegungen auf quantale Systeme. In Abschn. 37.1 und 37.2 zeigen wir, dass die grundlegenden Konzepte der bisher anhand klassischer Systeme entwickelten Thermodynamik und der statistischen Physik direkt auf quantale Systeme übertragbar sind, wenn folgende Ersetzungen vorgenommen werden: An die Stelle des klassischen Zustandsraumes, des Phasenraumes, tritt der Hilbert‐Raum bzw. der daraus konstruierte Fock‐Raum; an die Stelle der Phasenraumdichten treten geeignete Dichteoperatoren; und anstelle der Integration über den Phasenraum treten Spurbildungen. Danach können Zustandssummen ganz analog zum klassischen Fall aufgestellt werden, woraus wie dort die thermodynamischen Potenziale folgen.

Mithilfe der so gewonnenen Erweiterung der statistischen Physik auf quantale Systeme diskutieren wir zunächst die Unterschiede zwischen fermionischen und bosonischen idealen Quantengasen. Wir leiten in Abschn. 37.3 allgemeine Eigenschaften für ideale, nichtrelativistische Quantengase her und betrachten dann in Abschn. 37.4 und 37.5 vor allem zwei Phänomene separat, die einerseits für fermionische, andererseits für bosonische Gase kennzeichnend sind, nämlich die Entartung und die Bose‐Einstein‐Kondensation. Relativistische Quantengase werden in Abschn. 37.6 anhand der beiden Grenzfälle vollständig entarteter Fermi‐Gase und ultrarelativistischer Bose‐Gase besprochen. Abschließend behandeln wir in Abschn. 37.7 die Debye‐Theorie der Wärmekapazitäten fester Körper und zeigen, dass das klassische Dulong‐Petit‐Gesetz aus Abschn. 36.2 nur im Grenzfall ausreichend hoher Temperaturen gilt.

Matthias Bartelmann, Dieter Lüst, Andreas Wipf, Anton Rebhan, Björn Feuerbacher, Timm Krüger
Backmatter
Metadata
Title
Theoretische Physik
Authors
Matthias Bartelmann
Björn Feuerbacher
Timm Krüger
Dieter Lüst
Anton Rebhan
Andreas Wipf
Copyright Year
2015
Publisher
Springer Berlin Heidelberg
Electronic ISBN
978-3-642-54618-1
Print ISBN
978-3-642-54617-4
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-642-54618-1

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